Signatur: BStU, MfS, ZAIG, Nr. 4599, Bl. 2-37
Auf Druck der Sowjetunion ließ die DDR tausende ihre Bürger aus der BRD-Botschaft in Prag ausreisen. Der Wochenbericht der Stasi beschäftigt sich damit kaum, beinhaltet aber statistische Details zur Ausreisebewegung.
Seit den 70er Jahren fungierte die Zentrale Auswertungs- und Informationsgruppe des Ministeriums für Staatssicherheit (ZAIG) als Schaltstelle der Geheimpolizei. Kernaufgaben dieser Diensteinheit waren die Auswertung von Informationen und der Erarbeitung von Berichten und Materialien zur Information des Ministers sowie der Partei- und Staatsführung. Diese Tätigkeit ging auf den Volksaufstand vom 17. Juni 1953 zurück, der das MfS und die SED überrascht hatte.
Die ZAIG fertigte u.a. Wochenberichte an, welche die wichtigsten Ereignisse der vorangegangenen Tage für die Führung des Ministeriums zusammenfassten. Das vorliegende Dokument umfasst den Zeitraum vom 26. September bis zum 2. Oktober 1989.
In dieser Woche wurden während der Montagsdemonstration in Leipzig Stimmen laut, welche die Zulassung des Neuen Forums forderten. Auf Druck der Sowjetunion hin ließ die DDR ihre in die Prager BRD-Botschaft geflüchteten Bürger nach Westdeutschland ausreisen. In verriegelten Zügen konnten schließlich tausende Flüchtlinge aus Prag über die DDR in die BRD gelangen.
Der Wochenbericht beschäftigt sich kaum mit diesen Aspekten, beinhaltet aber statistische Details zur Ausreisebewegung in der DDR und führt einige Beispiele auf.
das Anbringen der Losungen: "Kommunikation statt Konfrontation", "Offenheit statt Phrasen", "Für Sozialismus ohne Bevormundung", "Sozialismus ja - Demokratie statt Massenflucht" im Bereich des IGA-Geländes nahe der Stadtgrenze von Erfurt am 30. September 1989;
das Anbringen der Losungen: "Bürger geht auf die Straße" (2,4 m lang) bzw. "Mehr Demokratie" (2,2 m) am 1. Oktober 1989 im Stadtgebiet von Wismar/Rostock.
Angriffe auf die sozialistische Staats- und Gesellschaftsordnung im Zusammenhang mit dem 40. Jahrestag der Gründung der DDR (6 Vorkommnisse), darunter
des Anbringens der Losung: "40 Jahre DDR - keiner mehr da zum Feiern, 20000 sind ausgereist - wir fordern den offenen Dialog" am 27. September 1989 in einer Halle des VEB Maschinenbau Stendal/Magdeburg,
das Verbreiten von Hetzblättern am 30. September 1989 in den Stadtbezirken Berlin-Prenzlauer Berg und Berlin-Friedrichshain mit dem Text: "40 Jahre DDR - 40 Jahre Auswanderung" durch Ablage in Hausbriefkästen und Hausfluren (bisher 85 Exemplare sichergestellt)
Angriffe gegen die führende Rolle der SED in der sozialistischen Gesellschaft sowie die Person des Generalsekretärs des ZK der SED (2 Vorkommnisse).
Straftaten gegen die staatliche Ordnung
Straftaten gegen die staatliche Ordnung waren Straftatbestände des 8. Kapitels des StGB/1968. Insbesondere der 2. Abschnitt ("Straftaten gegen die staatliche und öffentliche Ordnung") enthält politische Strafnormen, die für die strafrechtliche Untersuchungstätigkeit der Staatssicherheit (Untersuchungsorgan) von großer Bedeutung waren.
Das gilt vor allem für § 213 ("Ungesetzlicher Grenzübertritt"), der in der Honecker-Ära Grundlage von rund der Hälfte aller MfS-Ermittlungsverfahren war. Auch § 214 ("Beeinträchtigung staatlicher und gesellschaftlicher Tätigkeit") spielte, vor allem im Zusammenhang mit der Bekämpfung von Ausreiseantragstellern, in den 80er Jahren eine immer wichtigere Rolle.
Ähnliches gilt für § 219 ("Ungesetzliche Verbindungsaufnahme") und § 220 ("Öffentliche Herabwürdigung der staatlichen Ordnung"), die die ähnlichen, aber schwerer wiegenden Strafnormen aus dem 2. Kapitel des StGB/1968 § 100 ("Staatsfeindliche Verbindungen", ab 1979 "Landesverräterische Agententätigkeit") und § 106 ("Staatsfeindliche Hetze") weitgehend verdrängten (Staatsverbrechen).
Die AIG entstanden mit der Einführung des einheitlichen Auswertungs- und Informationssystems 1965 aus den in den Bezirksverwaltungen und zentralen operativen Diensteinheiten des MfS schon bestehenden Informationsgruppen. In ihrem Zuständigkeitsbereich oblag ihnen die Bewertung und Selektion von Informationen, die Gewährleistung des Informationsflusses und die Fertigung der Berichte für die Partei- und Staatsfunktionäre. Die AIG unterstanden der fachlichen Anleitung und Kontrolle der ZAIG. 1978/79 wurden sie zu Auswertungs- und Kontrollgruppen erweitert.
Die DDR-Geschichte war von ihrem Anfang bis zu ihrem Ende auch eine Geschichte der Flucht. Der Bau der Mauer 1961 steht dafür ebenso symbolisch wie der von der Gesellschaft schließlich erzwungene Mauerdurchbruch 1989, der das Ende des SED-Staates markiert.
Zu einem Schwerpunkt in der Arbeit des MfS rückte ab den 70er Jahren das Vorgehen gegen "Antragsteller auf ständige Ausreise aus der DDR in die BRD bzw. nach Berlin (West)" (AStA) auf. Hierfür waren zwei Gründe ausschlaggebend: Mit der Unterzeichnung der KSZE-Schlussakte in Helsinki 1975 verpflichtete sich die DDR, nachdem sie bereits die UN-Menschenrechtscharta unterzeichnet hatte, das Recht auf Freizügigkeit anzuerkennen. Trotzdem gewährte die DDR aber auch weiterhin nur Rentnern und Invaliden die Übersiedlung in die Bundesrepublik. Bereits einen Ausreiseantrag zu stellen, galt - da die Rechtsgrundlage in der DDR fehlte - als illegal und konnte mit Gefängnisstrafen geahndet werden. Das geschah auch häufig.
Nicht nur die Zahl der Anträge nahm seit Mitte der 70er Jahre zu, Ausreisewillige traten nun auch immer häufiger öffentlich mit Protesten in Erscheinung, wobei sie die Möglichkeit einer Inhaftierung in Kauf nahmen. Nicht zuletzt aufgrund ihrer Entschlossenheit, mit den Verhältnissen in der DDR konsequent zu brechen, wurden sie in den Augen des MfS zu einem Sicherheitsrisiko. Auch die 1983 erlassene Verordnung zur Regelung von Fragen der Familienzusammenführung und Eheschließung zwischen Bürgern der DDR und Ausländern brachte keine Entlastung, da der Personenkreis eingeschränkt blieb. Ab Herbst 1983 bezeichnete das MfS diese Personengruppe als Übersiedlungsersuchende (ÜSE).
Obwohl Menschen, die die DDR verlassen wollten, ihren Antrag nur als Einzelperson oder ggf. gemeinsam mit ihren Familienangehörigen stellten, kann ab Mitte der 70er Jahre von einer Ausreisebewegung die Rede sein. Die Zahl der Ausreiseanträge war groß (zu den Zahlen der Republikflucht). Die Ausreiseantragsteller versuchten sich zu vernetzen und traten öffentlich in Erscheinung. Bereits 1973 ging von den auf die Genehmigung ihrer Ausreise hoffenden Familien Faust und Hauptmann in Pirna eine Unterschriftensammlung aus; 1976 gelangte die Petition des Riesaer Arztes Karl-Heinz Nitschke "zur vollen Erlangung der Menschenrechte" in die Westmedien. Die Petition war von 79 Personen unterzeichnet worden.
Bekannt wurden insbesondere die "weißen Kreise" (ausgehend von Jena Anfang der 80er Jahre, später auch in anderen Städten): Ausreiseantragsteller stellten sich auf zentralen Plätzen im Kreis auf und machten so auf ihr Begehren aufmerksam. Um sich untereinander zu erkennen und ihren Protest auszudrücken, trugen sie weiße Kleidung. Das MfS griff wiederholt ein und inhaftierte die Protestierenden.
Neben dem Besuch oder auch der Besetzung westlicher Botschaften in der DDR, insbesondere der Ständigen Vertretung der Bundesrepublik in Ostberlin, und im kommunistischen Ausland organisierten sich Ausreiseantragsteller ab 1987 in Gruppen, die zumeist bei evangelischen Kirchengemeinden Zuflucht fanden. In Ostberlin konstituierte sich im Herbst 1987 die Arbeitsgruppe Staatsbürgerschaftsrecht in der DDR, die Rechtsberatungen durchführte, die Solidarität unter Antragstellern organisierte und mit Protesterklärungen auf das Schicksal der Antragsteller aufmerksam machte. Weitere Gruppen entstanden in Leipzig, Berlin-Treptow, Stralsund, Greifswald, Dresden und vielen anderen Städten.
Es kam immer häufiger zu öffentlichen Protesten. An Autos oder in Wohnungsfenstern wurden Symbole angebracht, um auf den gestellten Ausreiseantrag öffentlich aufmerksam zu machen. Mehrfach kam es auch zu Besetzungen von Kirchen, wobei die Kirchenleitungen nicht immer im Sinne der Besetzer agierten. Fanden Gespräche oder Rechtsberatungen mit Ausreiseantragstellern außerhalb kirchlicher Räume statt (wie in einem Jugendklub in Potsdam-Babelsberg), so intervenierte das MfS und nahm die unmittelbar Beteiligten meist in Haft.
Um gegen die zunehmende Zahl der Ausreiseanträge vorzugehen, erließ MfS-Minister Erich Mielke am 18.3.1977 den Befehl 6/77 zur "Vorbeugung, Verhinderung und Bekämpfung rechtswidriger Übersiedlungsersuchen". Geregelt wurden hier auch die Informationspflicht und die Zusammenarbeit zwischen der 1975 (Befehl 1/75) gebildeten Zentralen Koordinierungsgruppe bzw. den Bezirkskoordinierungsgruppen, die für die Zusammenarbeit mit dem MdI und kommunalen Instanzen verantwortlich zeichneten, und den zuständigen MfS-Diensteinheiten.
Im Fall von auffällig "feindlich-negativen" Antragstellern, von denen potenziell Aktivitäten zur "Erzwingung" der Ausreise ausgingen, wurde seitens des MfS der Abteilung Inneres beim Rat des Bezirks oder Kreises die Option eingeräumt, eine "vorbeugende Übersiedlung" des Antragstellers zu veranlassen. Im Jahr 1988 musste das MfS immer wieder "öffentlichkeitswirksame Provokationen" von "aktiv handelnden Zusammenschlüssen" - Demonstrationen mit Hunderten, in Ausnahmefällen sogar mehreren Tausend Teilnehmern - in fast allen DDR-Bezirken feststellen.
Als wenig erfolgreich galten die in Verantwortung der Abteilung Inneres durchgeführten "Zurückdrängungsgespräche", die mit Antragstellern auf Weisung des MfS zu führen waren - nicht selten wurden diesen dabei eine Verbesserung der Wohnraumsituation oder die Aufhebung von Diskriminierungen am Arbeitsplatz in Aussicht gestellt. Antragstellern, die sich mehrfach an staatliche Stellen gewandt hatten (im MfS-Sprachgebrauch: "hartnäckige Antragsteller"), wurden strafrechtliche Sanktionen angedroht, und sie wurden nicht selten vom MfS inhaftiert. Dies traf vor allem dann zu, wenn Antragsteller Konsequenzen angekündigt oder westliche Stellen von ihrem Antrag in Kenntnis gesetzt hatten.
Von 1977 bis zum Sommer 1989 wurden in der DDR etwa 20.000 Ermittlungsverfahren gegen Antragsteller eingeleitet. Zuständig für die Bearbeitung war jeweils das MfS und deren Untersuchungsorgan; inhaftierte Antragsteller wurden in die MfS Untersuchungshaftanstalten überstellt und gelangten oft nach einer gerichtlichen Verurteilung über den Häftlingsfreikauf in die Freiheit. Flucht und Ausreise stellten ganz wesentliche Destabilisierungs- und Delegitimierungsfaktoren der SED-Herrschaft von 1949 bis 1989 dar.
Die ZAIG war das "Funktionalorgan" des Ministers für Staatssicherheit, die Schaltstelle im MfS, in der nahezu alle komplexen Stabsfunktionen konzentriert waren: die zentrale Auswertung und Information, einschließlich der Berichterstattung an die politische Führung, die Optimierung der entsprechenden Verfahren und Strukturen im Gesamtapparat des MfS, die zentralen Kontrollen und Untersuchungen und die Analyse der operativen Effektivität des MfS, die zentrale Planung und die Erarbeitung dienstlicher Bestimmungen, zudem die übergeordneten Funktionen im Bereich EDV sowie die Gewährleistung des internationalen Datenaustauschsystems der kommunistischen Staatssicherheitsdienste (SOUD). Nach der Eingliederung der Abteilung Agitation 1985 waren auch die Öffentlichkeitsarbeit und die Traditionspflege des MfS in der ZAIG als "Bereich 6" funktional verankert. Die ZAIG war im direkten Anleitungsbereich des Ministers angesiedelt; ihr waren zuletzt die formal selbständigen Abt. XII, XIII (Rechenzentrum) und die Rechtsstelle fachlich unterstellt.
Die ZAIG geht auf die nach dem Juniaufstand 1953 gegründete und von Heinz Tilch geleitete Informationsgruppe (IG) der Staatssicherheitszentrale zurück, die erstmals eine regelmäßige Lage- und Stimmungsberichterstattung für die Partei- und Staatsführung hervorbrachte. Diese entwickelte sich 1955/56 zur Abteilung Information mit drei Fachreferaten, wurde aber 1957 als Resultat des Konfliktes zwischen Ulbricht und Wollweber wieder stark reduziert. 1957 erhielt die Abteilung mit Irmler einen neuen Leiter, der jedoch bereits 1959 vom ehemaligen stellv. Leiter der HV A Korb abgelöst und zum Stellvertreter zurückgestuft wurde. Gleichzeitig wurde die Diensteinheit in Zentrale Informationsgruppe (ZIG) umbenannt; von da an lief auch die bisher eigenständige Berichterstattung der HV A über sie. 1960 wurde die Berichterstattung an die politische Führung durch einen Ministerbefehl präzise geregelt, und die ZIG erhielt mit der Neueinrichtung von Informationsgruppen in den BV und operativen HA einen soliden Unterbau.
1965 wurde die ZIG in ZAIG umbenannt und ein einheitliches Auswertungs- und Informationssystem eingeführt, das die Recherche und Selektion von Daten sowie die Organisierung von Informationsflüssen gewährleistete. In den operativen HA und BV erhielt die ZAIG mit den AIG entsprechende "Filialen". Im gleichen Jahr ging Korb in den Ruhestand, Irmler wurde wieder Leiter der Diensteinheit.
1968 wurde auch das Kontrollwesen der Staatssicherheit in die ZAIG eingegliedert, das im Dezember 1953 mit der Kontrollinspektion seinen ersten organisatorischen Rahmen erhalten hatte und 1957 mit der Umbenennung in AG Anleitung und Kontrolle erheblich qualifiziert worden war.
1969 erhielt die ZAIG auch die Verantwortung für den Einsatz der EDV. Das im Aufbau begriffene Rechenzentrum (Abt. XIII) wurde ihr unterstellt. In der ersten Hälfte der 70er Jahre bildeten sich vier Arbeitsbereiche der ZAIG heraus. Bereich 1: konkrete Auswertungs- und Informationstätigkeit und Berichterstattung an die politische Führung; Bereich 2: Kontrollwesen, die Erarbeitung von dienstlichen Bestimmungen sowie Prognose- und Planungsaufgaben; Bereich 3: Fragen der EDV; Bereich 4: Pflege und Weiterentwicklung der "manuellen" Bestandteile des Auswertungs- und Informationssystems. 1979 erhielt dieser Bereich auch die Verantwortung für das SOUD ("ZAIG/5").
Signatur: BStU, MfS, ZAIG, Nr. 4599, Bl. 2-37
Auf Druck der Sowjetunion ließ die DDR tausende ihre Bürger aus der BRD-Botschaft in Prag ausreisen. Der Wochenbericht der Stasi beschäftigt sich damit kaum, beinhaltet aber statistische Details zur Ausreisebewegung.
Seit den 70er Jahren fungierte die Zentrale Auswertungs- und Informationsgruppe des Ministeriums für Staatssicherheit (ZAIG) als Schaltstelle der Geheimpolizei. Kernaufgaben dieser Diensteinheit waren die Auswertung von Informationen und der Erarbeitung von Berichten und Materialien zur Information des Ministers sowie der Partei- und Staatsführung. Diese Tätigkeit ging auf den Volksaufstand vom 17. Juni 1953 zurück, der das MfS und die SED überrascht hatte.
Die ZAIG fertigte u.a. Wochenberichte an, welche die wichtigsten Ereignisse der vorangegangenen Tage für die Führung des Ministeriums zusammenfassten. Das vorliegende Dokument umfasst den Zeitraum vom 26. September bis zum 2. Oktober 1989.
In dieser Woche wurden während der Montagsdemonstration in Leipzig Stimmen laut, welche die Zulassung des Neuen Forums forderten. Auf Druck der Sowjetunion hin ließ die DDR ihre in die Prager BRD-Botschaft geflüchteten Bürger nach Westdeutschland ausreisen. In verriegelten Zügen konnten schließlich tausende Flüchtlinge aus Prag über die DDR in die BRD gelangen.
Der Wochenbericht beschäftigt sich kaum mit diesen Aspekten, beinhaltet aber statistische Details zur Ausreisebewegung in der DDR und führt einige Beispiele auf.
Im Zusammenhang mit den Aktivitäten zur Bildung der sogenannten Sammlungsbewegung "Neues Forum" sind unabhängig von den genannten Vorkommnissen des Verbreitens von Hetzblättern/Anbringen von Hetzlosungen folgende 5 provokatorisch-demonstrative Aktivitäten beachtenswert:
Das Wirksamwerden der Erstunterzeichnerin des Gründungsaufrufes "Aufruf 89 - Neues Forum" sowie des Mitglieds des "Friedenskreises Stendal" und der "Koordinierungsgruppe Kernkraft", [geschwärzt] am 26. September 1989 im Stadtgebiet von Stendal/Magdeburg mit einer weißen Jacke, auf deren Rückenteil der Text: "Neues Forum. Staatsfeindlich? Menschenfreundlich!" angebracht war;
die öffentliche Sympathiebekundung einer 22jährigen Theologie-Studentin und eines 22jährigen Arbeiters für das "Neue Forum" am 28. September 1989 im D 507 Berlin - Saalfeld. Die Genannte trog einen Pullover, auf dem die Worte: "Gegen das Verbot" angebracht waren, während er sich ein selbstgefertigtes Abzeichen mit der Aufschrift: "Neues Forum braucht das Land" angesteckt hatte;
das Stellen eines Antrages auf eine Unterschriftensammlung für das "Neue Forum" am 29. September 1989 durch einen 34jährigen Futterökonomen, tätig in der LPG (T) Kremmen (kirchlich gebunden) beim Bürgermeister der Stadt Kremmen/Oranienburg/Potsdam);
die Durchführung einer Unterschriftensammlung für das "Neue Forum" im Stadtgebiet von Potsdam am 28. September 1989 durch 2 Bürger der DDR aus Potsdam (28, 37, Kraftfahrer bei der HO Potsdam) unter Nutzung einer Abschrift des genannten Gründungsaufrufes und einer selbstgefertigten Unterschriftenliste (insgesamt wurden 12 Unterschriften eingeholt);
das Tragen von selbstgefertigten großflächigen Aufnähern mit dem Text: "Neues Forum 1989" durch 2 DDR-Bürger (18, Lehrling; 27, Hausmeister) am 30. September 1989 während eines Konzertes in der Werner-Seelenbinder-Halle in Berlin-Prenzlauer Berg.
Darüber hinaus sind folgende im Berichtszeitraum bekannt gewordene 2 Vorkommnisse operativ bedeutsam:
Das Anbringen eines "Streikaufrufes" an der Informationstafel im VEB Schraubenwerk Tambach-Dietharz/Gotha/Erfurt am 26. September 1989 durch einen 23jährigen Lageristen dieses Betriebes mit dem Text: "Hallo Kollegen. Wir dürfen uns nichts mehr gefallen lassen. Auch wir müssen auf die Barrikaden und nicht nur in den großen Städten (z.B. Eisenach, Gotha, Leipzig, Berlin usw.). Wir fordern
Die AIG entstanden mit der Einführung des einheitlichen Auswertungs- und Informationssystems 1965 aus den in den Bezirksverwaltungen und zentralen operativen Diensteinheiten des MfS schon bestehenden Informationsgruppen. In ihrem Zuständigkeitsbereich oblag ihnen die Bewertung und Selektion von Informationen, die Gewährleistung des Informationsflusses und die Fertigung der Berichte für die Partei- und Staatsfunktionäre. Die AIG unterstanden der fachlichen Anleitung und Kontrolle der ZAIG. 1978/79 wurden sie zu Auswertungs- und Kontrollgruppen erweitert.
Die DDR-Geschichte war von ihrem Anfang bis zu ihrem Ende auch eine Geschichte der Flucht. Der Bau der Mauer 1961 steht dafür ebenso symbolisch wie der von der Gesellschaft schließlich erzwungene Mauerdurchbruch 1989, der das Ende des SED-Staates markiert.
Zu einem Schwerpunkt in der Arbeit des MfS rückte ab den 70er Jahren das Vorgehen gegen "Antragsteller auf ständige Ausreise aus der DDR in die BRD bzw. nach Berlin (West)" (AStA) auf. Hierfür waren zwei Gründe ausschlaggebend: Mit der Unterzeichnung der KSZE-Schlussakte in Helsinki 1975 verpflichtete sich die DDR, nachdem sie bereits die UN-Menschenrechtscharta unterzeichnet hatte, das Recht auf Freizügigkeit anzuerkennen. Trotzdem gewährte die DDR aber auch weiterhin nur Rentnern und Invaliden die Übersiedlung in die Bundesrepublik. Bereits einen Ausreiseantrag zu stellen, galt - da die Rechtsgrundlage in der DDR fehlte - als illegal und konnte mit Gefängnisstrafen geahndet werden. Das geschah auch häufig.
Nicht nur die Zahl der Anträge nahm seit Mitte der 70er Jahre zu, Ausreisewillige traten nun auch immer häufiger öffentlich mit Protesten in Erscheinung, wobei sie die Möglichkeit einer Inhaftierung in Kauf nahmen. Nicht zuletzt aufgrund ihrer Entschlossenheit, mit den Verhältnissen in der DDR konsequent zu brechen, wurden sie in den Augen des MfS zu einem Sicherheitsrisiko. Auch die 1983 erlassene Verordnung zur Regelung von Fragen der Familienzusammenführung und Eheschließung zwischen Bürgern der DDR und Ausländern brachte keine Entlastung, da der Personenkreis eingeschränkt blieb. Ab Herbst 1983 bezeichnete das MfS diese Personengruppe als Übersiedlungsersuchende (ÜSE).
Obwohl Menschen, die die DDR verlassen wollten, ihren Antrag nur als Einzelperson oder ggf. gemeinsam mit ihren Familienangehörigen stellten, kann ab Mitte der 70er Jahre von einer Ausreisebewegung die Rede sein. Die Zahl der Ausreiseanträge war groß (zu den Zahlen der Republikflucht). Die Ausreiseantragsteller versuchten sich zu vernetzen und traten öffentlich in Erscheinung. Bereits 1973 ging von den auf die Genehmigung ihrer Ausreise hoffenden Familien Faust und Hauptmann in Pirna eine Unterschriftensammlung aus; 1976 gelangte die Petition des Riesaer Arztes Karl-Heinz Nitschke "zur vollen Erlangung der Menschenrechte" in die Westmedien. Die Petition war von 79 Personen unterzeichnet worden.
Bekannt wurden insbesondere die "weißen Kreise" (ausgehend von Jena Anfang der 80er Jahre, später auch in anderen Städten): Ausreiseantragsteller stellten sich auf zentralen Plätzen im Kreis auf und machten so auf ihr Begehren aufmerksam. Um sich untereinander zu erkennen und ihren Protest auszudrücken, trugen sie weiße Kleidung. Das MfS griff wiederholt ein und inhaftierte die Protestierenden.
Neben dem Besuch oder auch der Besetzung westlicher Botschaften in der DDR, insbesondere der Ständigen Vertretung der Bundesrepublik in Ostberlin, und im kommunistischen Ausland organisierten sich Ausreiseantragsteller ab 1987 in Gruppen, die zumeist bei evangelischen Kirchengemeinden Zuflucht fanden. In Ostberlin konstituierte sich im Herbst 1987 die Arbeitsgruppe Staatsbürgerschaftsrecht in der DDR, die Rechtsberatungen durchführte, die Solidarität unter Antragstellern organisierte und mit Protesterklärungen auf das Schicksal der Antragsteller aufmerksam machte. Weitere Gruppen entstanden in Leipzig, Berlin-Treptow, Stralsund, Greifswald, Dresden und vielen anderen Städten.
Es kam immer häufiger zu öffentlichen Protesten. An Autos oder in Wohnungsfenstern wurden Symbole angebracht, um auf den gestellten Ausreiseantrag öffentlich aufmerksam zu machen. Mehrfach kam es auch zu Besetzungen von Kirchen, wobei die Kirchenleitungen nicht immer im Sinne der Besetzer agierten. Fanden Gespräche oder Rechtsberatungen mit Ausreiseantragstellern außerhalb kirchlicher Räume statt (wie in einem Jugendklub in Potsdam-Babelsberg), so intervenierte das MfS und nahm die unmittelbar Beteiligten meist in Haft.
Um gegen die zunehmende Zahl der Ausreiseanträge vorzugehen, erließ MfS-Minister Erich Mielke am 18.3.1977 den Befehl 6/77 zur "Vorbeugung, Verhinderung und Bekämpfung rechtswidriger Übersiedlungsersuchen". Geregelt wurden hier auch die Informationspflicht und die Zusammenarbeit zwischen der 1975 (Befehl 1/75) gebildeten Zentralen Koordinierungsgruppe bzw. den Bezirkskoordinierungsgruppen, die für die Zusammenarbeit mit dem MdI und kommunalen Instanzen verantwortlich zeichneten, und den zuständigen MfS-Diensteinheiten.
Im Fall von auffällig "feindlich-negativen" Antragstellern, von denen potenziell Aktivitäten zur "Erzwingung" der Ausreise ausgingen, wurde seitens des MfS der Abteilung Inneres beim Rat des Bezirks oder Kreises die Option eingeräumt, eine "vorbeugende Übersiedlung" des Antragstellers zu veranlassen. Im Jahr 1988 musste das MfS immer wieder "öffentlichkeitswirksame Provokationen" von "aktiv handelnden Zusammenschlüssen" - Demonstrationen mit Hunderten, in Ausnahmefällen sogar mehreren Tausend Teilnehmern - in fast allen DDR-Bezirken feststellen.
Als wenig erfolgreich galten die in Verantwortung der Abteilung Inneres durchgeführten "Zurückdrängungsgespräche", die mit Antragstellern auf Weisung des MfS zu führen waren - nicht selten wurden diesen dabei eine Verbesserung der Wohnraumsituation oder die Aufhebung von Diskriminierungen am Arbeitsplatz in Aussicht gestellt. Antragstellern, die sich mehrfach an staatliche Stellen gewandt hatten (im MfS-Sprachgebrauch: "hartnäckige Antragsteller"), wurden strafrechtliche Sanktionen angedroht, und sie wurden nicht selten vom MfS inhaftiert. Dies traf vor allem dann zu, wenn Antragsteller Konsequenzen angekündigt oder westliche Stellen von ihrem Antrag in Kenntnis gesetzt hatten.
Von 1977 bis zum Sommer 1989 wurden in der DDR etwa 20.000 Ermittlungsverfahren gegen Antragsteller eingeleitet. Zuständig für die Bearbeitung war jeweils das MfS und deren Untersuchungsorgan; inhaftierte Antragsteller wurden in die MfS Untersuchungshaftanstalten überstellt und gelangten oft nach einer gerichtlichen Verurteilung über den Häftlingsfreikauf in die Freiheit. Flucht und Ausreise stellten ganz wesentliche Destabilisierungs- und Delegitimierungsfaktoren der SED-Herrschaft von 1949 bis 1989 dar.
Die Durchsuchung von Wohnungen, Räumen oder Personen war eine strafprozessuale Maßnahme im Ermittlungsverfahren zum Zwecke der Festnahme oder Verhaftung Verdächtiger bzw. zum Auffinden von Beweismaterial (§§ 108–119 StPO/1968). Eine Durchsuchung musste vom Staatsanwalt bzw. konnte bei Gefahr im Verzuge auch von den Untersuchungsorganen angeordnet werden und bedurfte einer richterlichen Bestätigung binnen 48 Stunden (§ 121 StPO/1968). Die Durchsuchung oblag eigentlich den Untersuchungsorganen, formal im MfS also der Linie IX (Hauptabteilung IX). Tatsächlich wurden sie aber regulär von Mitarbeitern der Linie VIII (Hauptabteilung VIII) durchgeführt.
Die Durchsuchung Verhafteter und vorläufig Festgenommener konnte ohne staatsanwaltliche Anordnung durchgeführt werden und bedurfte keiner richterlichen Bestätigung (§ 109 StPO/1968); sie wurde im MfS von den – formal nicht zuständigen – Mitarbeitern der Linie XIV (Abteilung XIV) durchgeführt. Außerhalb des Ermittlungsverfahrens war die Durchsuchung von Personen und Sachen durch Polizei und MfS polizeirechtlich geregelt (§ 13 VP-Gesetz). Vom MfS wurden die Möglichkeiten der Durchsuchung und Beschlagnahme auch außerhalb des jeweiligen strafprozessualen Ermittlungsverfahrens für geheimdienstliche Zwecke genutzt. Jenseits jeglicher rechtlicher Regelungen führten operative Diensteinheiten des MfS, vor allem die Linie VIII (Hauptabteilung VIII), auch konspirative Wohnungsdurchsuchungen durch.
Die Gründung der Transportpolizei (Trapo) in der DDR ging auf eine Anordnung des Alliierten Kontrollrats vom 10.5.1946 zurück, in Deutschland zur Kontrolle des Bahnverkehrs spezielle Polizeieinheiten aufzustellen. In der SBZ war ab Juli 1946 die Deutsche Verwaltung des Innern (Gründung des MfS) für diese Aufgabe zuständig. Sie verfügte 1947 die Gründung einer Eisenbahnschutz- wie einer Eisenbahnkriminalpolizei und ließ acht Bahnpolizeiämter mit zusammen 5470 Beschäftigten einrichten. Kompetenzabgrenzungen zur Deutschen Reichsbahn (DR) führten im Betriebsalltag häufig zu Konflikten. Die ihr zugewiesene Aufgabe war es, für Ruhe, Ordnung und Disziplin auf dem Bahngelände zu sorgen sowie Diebstahl und Zerstörung zu verhindern. Im Mai 1949 wurde die Sollstärke der Bahnpolizei auf 7400 Bedienstete angehoben. Gebremst wurde der Aufbau durch die zeitgleich einsetzenden politischen Säuberungen im öffentlichen Dienst. Umstritten blieben die Befugnisse der östlichen Bahnpolizei in Westberlin. Aufgrund der Vereinbarungen der Siegermächte war sie auch für die Überwachung des Betriebsgeländes dort zuständig. Immer wieder kam es zu Konflikten mit der westlichen Schutzpolizei. Eine deutliche organisatorische Aufwertung erfuhr die Bahnpolizei, als Kurt Fischer, der Präsident der DVdI, 1949 im Rahmen der Hauptverwaltung Deutsche Volkspolizei die Bildung einer HA Transportpolizei anordnete, die mit der Bildung des MdI im Oktober 1949 weiterbestand. Die wichtigsten Aufgaben der Trapo waren anfangs, für die sichere Weiterleitung der Reparationsgüter in die Sowjetunion zu sorgen und gegen Schwarzhändler vorzugehen. Darüber hinaus überwachte sie den gesamten Personenverkehr auf der Schiene und war in diesem Zusammenhang zunehmend in die Bekämpfung der Republikflucht eingebunden. Die Trapo stand von 1950 bis 1957 unter dem Kommando von Otto Auerswald. Zur Jahreswende 1952/53 wurde sie dem MfS unterstellt, wo sie weiterhin eine eigene HA bildete. Die Zahl der Trapobediensteten stieg rasch an und erreichte 1954 mit 8900 einen vorläufigen Höchststand. Ab Mitte der 50er Jahre konnte die Trapo auf ehrenamtliche Unterstützungskräfte zurückgreifen, die freiwilligen Helfer der Transportpolizei und die Kampfgruppen. Nach dem 17. Juni 1953 durchlief der Polizeiapparat der DDR einen Militarisierungsprozess, von dem auch die Transportpolizei betroffen war. Zu ihrer Ausrüstung gehörten nun neben Pistolen auch Karabiner und Maschinengewehre. Im Herbst 1956 wurde die HA Transportpolizei mit der Grenz- und Bereitschaftspolizei zur Hauptverwaltung Innere Sicherheit im MfS zusammengefasst. Schon im Februar 1957 änderte sich das Unterstellungsverhältnis wieder. Die Trapo wurde jetzt zusammen mit den beiden anderen Polizeiverbänden der HV Innere Sicherheit wieder dem MdI zugeordnet. Doch blieb das MfS durch eine Vielzahl von OibE und IM präsent. Verschoben hatten sich die Aufgabenschwerpunkte. Sie sollte die Auf- und Durchmarschwege des Warschauer Pakts in der DDR sichern und befasste sich überwiegend mit Objektschutz. Nur im Transitverkehr wurden noch Zugbegleitkommandos eingesetzt. Der Personalbestand ging in den 60er Jahren leicht zurück und belief sich 1967 auf 6900 Bedienstete. Nach Einführung der Wehrpflicht 1962 wurde der Dienst bei der Trapo als Wehrersatzdienst anerkannt. Bei ihrer Auflösung am 30.9.1990 zählte sie 6400 Mitarbeiter, von denen 1700 in den Dienst der Deutschen Bundesbahn übernommen wurden. Diese beschäftigte – zum Vergleich – bis zu diesem Zeitpunkt nur 2700 Bahnpolizisten.
Die ZAIG war das "Funktionalorgan" des Ministers für Staatssicherheit, die Schaltstelle im MfS, in der nahezu alle komplexen Stabsfunktionen konzentriert waren: die zentrale Auswertung und Information, einschließlich der Berichterstattung an die politische Führung, die Optimierung der entsprechenden Verfahren und Strukturen im Gesamtapparat des MfS, die zentralen Kontrollen und Untersuchungen und die Analyse der operativen Effektivität des MfS, die zentrale Planung und die Erarbeitung dienstlicher Bestimmungen, zudem die übergeordneten Funktionen im Bereich EDV sowie die Gewährleistung des internationalen Datenaustauschsystems der kommunistischen Staatssicherheitsdienste (SOUD). Nach der Eingliederung der Abteilung Agitation 1985 waren auch die Öffentlichkeitsarbeit und die Traditionspflege des MfS in der ZAIG als "Bereich 6" funktional verankert. Die ZAIG war im direkten Anleitungsbereich des Ministers angesiedelt; ihr waren zuletzt die formal selbständigen Abt. XII, XIII (Rechenzentrum) und die Rechtsstelle fachlich unterstellt.
Die ZAIG geht auf die nach dem Juniaufstand 1953 gegründete und von Heinz Tilch geleitete Informationsgruppe (IG) der Staatssicherheitszentrale zurück, die erstmals eine regelmäßige Lage- und Stimmungsberichterstattung für die Partei- und Staatsführung hervorbrachte. Diese entwickelte sich 1955/56 zur Abteilung Information mit drei Fachreferaten, wurde aber 1957 als Resultat des Konfliktes zwischen Ulbricht und Wollweber wieder stark reduziert. 1957 erhielt die Abteilung mit Irmler einen neuen Leiter, der jedoch bereits 1959 vom ehemaligen stellv. Leiter der HV A Korb abgelöst und zum Stellvertreter zurückgestuft wurde. Gleichzeitig wurde die Diensteinheit in Zentrale Informationsgruppe (ZIG) umbenannt; von da an lief auch die bisher eigenständige Berichterstattung der HV A über sie. 1960 wurde die Berichterstattung an die politische Führung durch einen Ministerbefehl präzise geregelt, und die ZIG erhielt mit der Neueinrichtung von Informationsgruppen in den BV und operativen HA einen soliden Unterbau.
1965 wurde die ZIG in ZAIG umbenannt und ein einheitliches Auswertungs- und Informationssystem eingeführt, das die Recherche und Selektion von Daten sowie die Organisierung von Informationsflüssen gewährleistete. In den operativen HA und BV erhielt die ZAIG mit den AIG entsprechende "Filialen". Im gleichen Jahr ging Korb in den Ruhestand, Irmler wurde wieder Leiter der Diensteinheit.
1968 wurde auch das Kontrollwesen der Staatssicherheit in die ZAIG eingegliedert, das im Dezember 1953 mit der Kontrollinspektion seinen ersten organisatorischen Rahmen erhalten hatte und 1957 mit der Umbenennung in AG Anleitung und Kontrolle erheblich qualifiziert worden war.
1969 erhielt die ZAIG auch die Verantwortung für den Einsatz der EDV. Das im Aufbau begriffene Rechenzentrum (Abt. XIII) wurde ihr unterstellt. In der ersten Hälfte der 70er Jahre bildeten sich vier Arbeitsbereiche der ZAIG heraus. Bereich 1: konkrete Auswertungs- und Informationstätigkeit und Berichterstattung an die politische Führung; Bereich 2: Kontrollwesen, die Erarbeitung von dienstlichen Bestimmungen sowie Prognose- und Planungsaufgaben; Bereich 3: Fragen der EDV; Bereich 4: Pflege und Weiterentwicklung der "manuellen" Bestandteile des Auswertungs- und Informationssystems. 1979 erhielt dieser Bereich auch die Verantwortung für das SOUD ("ZAIG/5").
Signatur: BStU, MfS, ZAIG, Nr. 4599, Bl. 2-37
Auf Druck der Sowjetunion ließ die DDR tausende ihre Bürger aus der BRD-Botschaft in Prag ausreisen. Der Wochenbericht der Stasi beschäftigt sich damit kaum, beinhaltet aber statistische Details zur Ausreisebewegung.
Seit den 70er Jahren fungierte die Zentrale Auswertungs- und Informationsgruppe des Ministeriums für Staatssicherheit (ZAIG) als Schaltstelle der Geheimpolizei. Kernaufgaben dieser Diensteinheit waren die Auswertung von Informationen und der Erarbeitung von Berichten und Materialien zur Information des Ministers sowie der Partei- und Staatsführung. Diese Tätigkeit ging auf den Volksaufstand vom 17. Juni 1953 zurück, der das MfS und die SED überrascht hatte.
Die ZAIG fertigte u.a. Wochenberichte an, welche die wichtigsten Ereignisse der vorangegangenen Tage für die Führung des Ministeriums zusammenfassten. Das vorliegende Dokument umfasst den Zeitraum vom 26. September bis zum 2. Oktober 1989.
In dieser Woche wurden während der Montagsdemonstration in Leipzig Stimmen laut, welche die Zulassung des Neuen Forums forderten. Auf Druck der Sowjetunion hin ließ die DDR ihre in die Prager BRD-Botschaft geflüchteten Bürger nach Westdeutschland ausreisen. In verriegelten Zügen konnten schließlich tausende Flüchtlinge aus Prag über die DDR in die BRD gelangen.
Der Wochenbericht beschäftigt sich kaum mit diesen Aspekten, beinhaltet aber statistische Details zur Ausreisebewegung in der DDR und führt einige Beispiele auf.
deshalb auch Euch auf, laßt doch die Arbeit liegen und streikt. Denn die hohen Herrschaften denken, sie können es mit uns. Nein. Sie sollen erstmal richtig wach werden. Unserer Partei will es einfach nicht in den Kopf, daß sie sich wandeln müssen und eine andere Reform annehmen muß." (wörtliche Schreibweise);
die Beantragung der Durchführung einer öffentlichen Demonstration beim VPKA Potsdam durch 5 namentlich bekannte Mitglieder des Grün-Ökologischen Netzwerkes "Arche", Projektgruppe Ökologie und Menschenrecht (alle Antragsteller auf ständige Ausreise), für den 7. Oktober 1989, in der Zeit von 10.00 bis 11.00 Uhr in Potsdam, vor der Peter-und-Pauls-Kirche bis zum Platz der Nationen unter Mitführung der Losung: "Nach 40 Jahren DDR fordern wir die Verwirklichung der Menschenrechte".
Zu den insgesamt im Berichtszeitraum bekannt gewordenen 59 Vorkommnissen wurden bisher 26 Täter (Schüler, Lehrlinge, Fach- und ungelernte Arbeiter - meistens im Alter von 22 bis 34 Jahren, Mitarbeiter kirchlicher Einrichtungen, Facharzt, darunter mehrere Antragsteller auf ständige Ausreise) ermittelt.
An der Aufklärung der bisher noch ungeklärten Vorkommnisse wird zielstrebig gearbeitet.
Gegen die ermittelten Täter wurden differenzierte strafprozessuale, ordnungsstrafrechtliche und erforderliche andere wirksame Maßnahmen eingeleitet. Sie motivieren ihre Handlungen mit einer negativen politischen Grundhaltung zur DDR und speziell mit Sympathie für die sogenannte Sammlungsbewegung "Neues Forum", was sie öffentlich bekunden wollten.
Territoriale Schwerpunkte im Vorkommnisgeschehen bilden die Bezirke Magdeburg mit 11, Karl-Marx-Stadt und Erfurt mit je 8 sowie Rostock und Berlin mit je 7 Vorkommnissen.
Aufklärung hatte innerhalb des MfS unterschiedliche Bedeutungen: Sie wird zur Bezeichnung des Tätigkeitsbereiches der Auslandsspionage verwendet, die überwiegend von der HV A getragen wurde, die teilweise auch kurz als Aufklärung bezeichnet wird. Darüber hinaus findet der Begriff Verwendung bei der Bezeichnung von Sachverhaltsermittlungen (Aufklärung eines Sachverhalts) und von Überprüfungen der Eignung von IM-Kandidaten (Aufklärung des Kandidaten).
Die AIG entstanden mit der Einführung des einheitlichen Auswertungs- und Informationssystems 1965 aus den in den Bezirksverwaltungen und zentralen operativen Diensteinheiten des MfS schon bestehenden Informationsgruppen. In ihrem Zuständigkeitsbereich oblag ihnen die Bewertung und Selektion von Informationen, die Gewährleistung des Informationsflusses und die Fertigung der Berichte für die Partei- und Staatsfunktionäre. Die AIG unterstanden der fachlichen Anleitung und Kontrolle der ZAIG. 1978/79 wurden sie zu Auswertungs- und Kontrollgruppen erweitert.
Die DDR-Geschichte war von ihrem Anfang bis zu ihrem Ende auch eine Geschichte der Flucht. Der Bau der Mauer 1961 steht dafür ebenso symbolisch wie der von der Gesellschaft schließlich erzwungene Mauerdurchbruch 1989, der das Ende des SED-Staates markiert.
Zu einem Schwerpunkt in der Arbeit des MfS rückte ab den 70er Jahren das Vorgehen gegen "Antragsteller auf ständige Ausreise aus der DDR in die BRD bzw. nach Berlin (West)" (AStA) auf. Hierfür waren zwei Gründe ausschlaggebend: Mit der Unterzeichnung der KSZE-Schlussakte in Helsinki 1975 verpflichtete sich die DDR, nachdem sie bereits die UN-Menschenrechtscharta unterzeichnet hatte, das Recht auf Freizügigkeit anzuerkennen. Trotzdem gewährte die DDR aber auch weiterhin nur Rentnern und Invaliden die Übersiedlung in die Bundesrepublik. Bereits einen Ausreiseantrag zu stellen, galt - da die Rechtsgrundlage in der DDR fehlte - als illegal und konnte mit Gefängnisstrafen geahndet werden. Das geschah auch häufig.
Nicht nur die Zahl der Anträge nahm seit Mitte der 70er Jahre zu, Ausreisewillige traten nun auch immer häufiger öffentlich mit Protesten in Erscheinung, wobei sie die Möglichkeit einer Inhaftierung in Kauf nahmen. Nicht zuletzt aufgrund ihrer Entschlossenheit, mit den Verhältnissen in der DDR konsequent zu brechen, wurden sie in den Augen des MfS zu einem Sicherheitsrisiko. Auch die 1983 erlassene Verordnung zur Regelung von Fragen der Familienzusammenführung und Eheschließung zwischen Bürgern der DDR und Ausländern brachte keine Entlastung, da der Personenkreis eingeschränkt blieb. Ab Herbst 1983 bezeichnete das MfS diese Personengruppe als Übersiedlungsersuchende (ÜSE).
Obwohl Menschen, die die DDR verlassen wollten, ihren Antrag nur als Einzelperson oder ggf. gemeinsam mit ihren Familienangehörigen stellten, kann ab Mitte der 70er Jahre von einer Ausreisebewegung die Rede sein. Die Zahl der Ausreiseanträge war groß (zu den Zahlen der Republikflucht). Die Ausreiseantragsteller versuchten sich zu vernetzen und traten öffentlich in Erscheinung. Bereits 1973 ging von den auf die Genehmigung ihrer Ausreise hoffenden Familien Faust und Hauptmann in Pirna eine Unterschriftensammlung aus; 1976 gelangte die Petition des Riesaer Arztes Karl-Heinz Nitschke "zur vollen Erlangung der Menschenrechte" in die Westmedien. Die Petition war von 79 Personen unterzeichnet worden.
Bekannt wurden insbesondere die "weißen Kreise" (ausgehend von Jena Anfang der 80er Jahre, später auch in anderen Städten): Ausreiseantragsteller stellten sich auf zentralen Plätzen im Kreis auf und machten so auf ihr Begehren aufmerksam. Um sich untereinander zu erkennen und ihren Protest auszudrücken, trugen sie weiße Kleidung. Das MfS griff wiederholt ein und inhaftierte die Protestierenden.
Neben dem Besuch oder auch der Besetzung westlicher Botschaften in der DDR, insbesondere der Ständigen Vertretung der Bundesrepublik in Ostberlin, und im kommunistischen Ausland organisierten sich Ausreiseantragsteller ab 1987 in Gruppen, die zumeist bei evangelischen Kirchengemeinden Zuflucht fanden. In Ostberlin konstituierte sich im Herbst 1987 die Arbeitsgruppe Staatsbürgerschaftsrecht in der DDR, die Rechtsberatungen durchführte, die Solidarität unter Antragstellern organisierte und mit Protesterklärungen auf das Schicksal der Antragsteller aufmerksam machte. Weitere Gruppen entstanden in Leipzig, Berlin-Treptow, Stralsund, Greifswald, Dresden und vielen anderen Städten.
Es kam immer häufiger zu öffentlichen Protesten. An Autos oder in Wohnungsfenstern wurden Symbole angebracht, um auf den gestellten Ausreiseantrag öffentlich aufmerksam zu machen. Mehrfach kam es auch zu Besetzungen von Kirchen, wobei die Kirchenleitungen nicht immer im Sinne der Besetzer agierten. Fanden Gespräche oder Rechtsberatungen mit Ausreiseantragstellern außerhalb kirchlicher Räume statt (wie in einem Jugendklub in Potsdam-Babelsberg), so intervenierte das MfS und nahm die unmittelbar Beteiligten meist in Haft.
Um gegen die zunehmende Zahl der Ausreiseanträge vorzugehen, erließ MfS-Minister Erich Mielke am 18.3.1977 den Befehl 6/77 zur "Vorbeugung, Verhinderung und Bekämpfung rechtswidriger Übersiedlungsersuchen". Geregelt wurden hier auch die Informationspflicht und die Zusammenarbeit zwischen der 1975 (Befehl 1/75) gebildeten Zentralen Koordinierungsgruppe bzw. den Bezirkskoordinierungsgruppen, die für die Zusammenarbeit mit dem MdI und kommunalen Instanzen verantwortlich zeichneten, und den zuständigen MfS-Diensteinheiten.
Im Fall von auffällig "feindlich-negativen" Antragstellern, von denen potenziell Aktivitäten zur "Erzwingung" der Ausreise ausgingen, wurde seitens des MfS der Abteilung Inneres beim Rat des Bezirks oder Kreises die Option eingeräumt, eine "vorbeugende Übersiedlung" des Antragstellers zu veranlassen. Im Jahr 1988 musste das MfS immer wieder "öffentlichkeitswirksame Provokationen" von "aktiv handelnden Zusammenschlüssen" - Demonstrationen mit Hunderten, in Ausnahmefällen sogar mehreren Tausend Teilnehmern - in fast allen DDR-Bezirken feststellen.
Als wenig erfolgreich galten die in Verantwortung der Abteilung Inneres durchgeführten "Zurückdrängungsgespräche", die mit Antragstellern auf Weisung des MfS zu führen waren - nicht selten wurden diesen dabei eine Verbesserung der Wohnraumsituation oder die Aufhebung von Diskriminierungen am Arbeitsplatz in Aussicht gestellt. Antragstellern, die sich mehrfach an staatliche Stellen gewandt hatten (im MfS-Sprachgebrauch: "hartnäckige Antragsteller"), wurden strafrechtliche Sanktionen angedroht, und sie wurden nicht selten vom MfS inhaftiert. Dies traf vor allem dann zu, wenn Antragsteller Konsequenzen angekündigt oder westliche Stellen von ihrem Antrag in Kenntnis gesetzt hatten.
Von 1977 bis zum Sommer 1989 wurden in der DDR etwa 20.000 Ermittlungsverfahren gegen Antragsteller eingeleitet. Zuständig für die Bearbeitung war jeweils das MfS und deren Untersuchungsorgan; inhaftierte Antragsteller wurden in die MfS Untersuchungshaftanstalten überstellt und gelangten oft nach einer gerichtlichen Verurteilung über den Häftlingsfreikauf in die Freiheit. Flucht und Ausreise stellten ganz wesentliche Destabilisierungs- und Delegitimierungsfaktoren der SED-Herrschaft von 1949 bis 1989 dar.
Die ZAIG war das "Funktionalorgan" des Ministers für Staatssicherheit, die Schaltstelle im MfS, in der nahezu alle komplexen Stabsfunktionen konzentriert waren: die zentrale Auswertung und Information, einschließlich der Berichterstattung an die politische Führung, die Optimierung der entsprechenden Verfahren und Strukturen im Gesamtapparat des MfS, die zentralen Kontrollen und Untersuchungen und die Analyse der operativen Effektivität des MfS, die zentrale Planung und die Erarbeitung dienstlicher Bestimmungen, zudem die übergeordneten Funktionen im Bereich EDV sowie die Gewährleistung des internationalen Datenaustauschsystems der kommunistischen Staatssicherheitsdienste (SOUD). Nach der Eingliederung der Abteilung Agitation 1985 waren auch die Öffentlichkeitsarbeit und die Traditionspflege des MfS in der ZAIG als "Bereich 6" funktional verankert. Die ZAIG war im direkten Anleitungsbereich des Ministers angesiedelt; ihr waren zuletzt die formal selbständigen Abt. XII, XIII (Rechenzentrum) und die Rechtsstelle fachlich unterstellt.
Die ZAIG geht auf die nach dem Juniaufstand 1953 gegründete und von Heinz Tilch geleitete Informationsgruppe (IG) der Staatssicherheitszentrale zurück, die erstmals eine regelmäßige Lage- und Stimmungsberichterstattung für die Partei- und Staatsführung hervorbrachte. Diese entwickelte sich 1955/56 zur Abteilung Information mit drei Fachreferaten, wurde aber 1957 als Resultat des Konfliktes zwischen Ulbricht und Wollweber wieder stark reduziert. 1957 erhielt die Abteilung mit Irmler einen neuen Leiter, der jedoch bereits 1959 vom ehemaligen stellv. Leiter der HV A Korb abgelöst und zum Stellvertreter zurückgestuft wurde. Gleichzeitig wurde die Diensteinheit in Zentrale Informationsgruppe (ZIG) umbenannt; von da an lief auch die bisher eigenständige Berichterstattung der HV A über sie. 1960 wurde die Berichterstattung an die politische Führung durch einen Ministerbefehl präzise geregelt, und die ZIG erhielt mit der Neueinrichtung von Informationsgruppen in den BV und operativen HA einen soliden Unterbau.
1965 wurde die ZIG in ZAIG umbenannt und ein einheitliches Auswertungs- und Informationssystem eingeführt, das die Recherche und Selektion von Daten sowie die Organisierung von Informationsflüssen gewährleistete. In den operativen HA und BV erhielt die ZAIG mit den AIG entsprechende "Filialen". Im gleichen Jahr ging Korb in den Ruhestand, Irmler wurde wieder Leiter der Diensteinheit.
1968 wurde auch das Kontrollwesen der Staatssicherheit in die ZAIG eingegliedert, das im Dezember 1953 mit der Kontrollinspektion seinen ersten organisatorischen Rahmen erhalten hatte und 1957 mit der Umbenennung in AG Anleitung und Kontrolle erheblich qualifiziert worden war.
1969 erhielt die ZAIG auch die Verantwortung für den Einsatz der EDV. Das im Aufbau begriffene Rechenzentrum (Abt. XIII) wurde ihr unterstellt. In der ersten Hälfte der 70er Jahre bildeten sich vier Arbeitsbereiche der ZAIG heraus. Bereich 1: konkrete Auswertungs- und Informationstätigkeit und Berichterstattung an die politische Führung; Bereich 2: Kontrollwesen, die Erarbeitung von dienstlichen Bestimmungen sowie Prognose- und Planungsaufgaben; Bereich 3: Fragen der EDV; Bereich 4: Pflege und Weiterentwicklung der "manuellen" Bestandteile des Auswertungs- und Informationssystems. 1979 erhielt dieser Bereich auch die Verantwortung für das SOUD ("ZAIG/5").