Signatur: BArch, MfS, BV Berlin, Abt. XX, Nr. 3040, Bl. 57-61
Gemeinsam mit der Volkspolizei ermittelte die Staatssicherheit im Fall des Neonazi-Überfalls auf ein Punkkonzert am 17. Oktober 1987. Das organisierte und planvolle Vorgehen der Skinheads konnte die Stasi bereits wenige Tage nach der Tat nachweisen.
Am Abend des 17. Oktobers 1987 überfielen rechtsextreme Skinheads ein Punkkonzert in der Ost-Berliner Zionskirche. Neben der Punkband "Die Firma" spielte auf dem Konzert auch "Element of Crime" aus West-Berlin. Als die Konzertbesucherinnen und -besucher die vollbesetzte Kirche verließen, schlugen etwa 30 angetrunkene Neonazis aus Ost- und West-Berlin auf sie ein. Dabei brüllten sie faschistische Parolen wie "Juden raus", "Kommunistenschweine" und "Sieg Heil!". Anwesende Volkspolizisten registrierten das Geschehen, hielten sich aber im Hintergrund und griffen erst ein, nachdem ein Notruf eingegangen war.
Bei den anschließenden Ermittlungen arbeiteten Staatssicherheit und Volkspolizei eng zusammen. Der Überfall auf die Zionskirche zeigte, dass es trotz der geleugneten Existenz von Rechtsextremismus in der DDR eine gewaltbereite Neonazi-Szene gab. Da westliche Medien bereits einen Tag später über den Vorfall berichteten, konnten auch die DDR-Medien dieses Ereignis nicht mehr stillschweigend übergehen. Für die Gerichtsverfahren stimmte sich die Staatssicherheit eng mit der Justiz der DDR ab. Im ersten Prozess erhielten die vier Hauptangeklagten zunächst unerwartet niedrige Strafen zwischen einem und zwei Jahren Haft. Nachdem es Proteste gegen die Urteile gegeben hatte, forderte die Generalstaatsanwaltschaft in Abstimmung mit dem Obersten Gericht der DDR in den Berufungsverhandlungen ein höheres Strafmaß. Die Neonazis aus Ost-Berlin erhielten schließlich Haftstrafen bis zu vier Jahren.
Die Abteilung IX der Bezirksverwaltung Berlin berichtet am 22. Oktober 1987 vom Tathergang des Skinhead-Überfalls auf die Besucherinnen und Besucher eines Punkkonzerts in der Zionskirche. Nach dem Konzertende hatten ca. 30 Skinheads unter faschistischen und antisemitischen Parolen eine Schlägerei angefangen und dabei mehrere Personen verletzt. Laut Stasi-Bericht hätten bisherige Untersuchungen gezeigt, "daß es sich bei der tätlichen Auseinandersetzung um eine von den Skinheads geplante Schlägerei handelte". Die Täter hatten sich zuvor auf einer Geburtstagsfeier in der Gaststätte "Sputnik" abgesprochen.
Die Volkspolizei sei um 22:22 Uhr über den Notruf verständigt worden und um 22:30 Uhr an der Zionskirche eingetroffen. Zu diesem Zeitpunkt sei die Schlägerei bereits beendet und ein Eingreifen seitens der Volkspolizisten nicht mehr erforderlich gewesen.
Ein Hauptaugenmerk richteten Stasi und Volkspolizei auch darauf, die aus West-Berlin stammenden und an der Schlägerei beteiligten Neonazis ausfindig zu machen. Ein Strafverfahren gegen drei West-Berliner Tatbeteiligte lief allerdings erst nach der Wiedervereinigung.
Gegenwärtig liegen strafrechtlich relevante Belastungen wegen Rowdytums gegen die zu den Skinheads gehörenden Personen
[anonymisiert]
Ewert, Sven
geb. am [anonymisiert] in [anonymisiert]
wh.: [anonymisiert]
XII: [anonymisiert]
und
[anonymisiert]
Brezezinski, Frank
geb. am [anonymisiert]in [anonymisiert]
wh.: [anonymisiert]
XII: [anonymisiert]
vor. Am 22.10.1987 wurden durch das Dez. II der Kriminalpolizei vom PdVP gegen Ewert und Brezezinski EV gemäß § 215 StGB eingeleitet und Haftbefehle erwirkt.
Die weiteren Untersuchungen, die durch die Kriminalpolizei im engen Zusammenwirken mit der Abt. IX und anderen beteiligten Diensteinheiten der BVfSt Berlin sowie der HA IX/2 geführt werden, konzentrieren sich auf die Identifizierung und Aufklärung weiterer Tatverdächtiger, deren Zuführung zur Vornahme von Prüfungshandlungen gemäß § 95 StPO, in deren Ergebnis die Einleitung von strafrechtlichen- bzw. ordnungsstrafrechtlichen Maßnahmen zu entscheiden und Möglichkeiten der Stärkung der operativen Basis bei der Bearbeitung solcher Personengruppen zu prüfen sind, erfolgt.
Die Untersuchungen sind weiterhin auf die Identifizierung und den Grad der Tatbeteiligung der aus Westberlin eingereisten Personen gerichtet, in deren Folge Einreisesperren eingeleitet werden.
Linie IX (Untersuchungsorgan)
Die HA IX war die für strafrechtliche Ermittlungen zuständige Diensteinheit (Strafverfolgung). Sie hatte wie die nachgeordneten Abteilung IX in den Bezirksverwaltung (BV) (Linie IX) die Befugnisse eines Untersuchungsorgans, d. h. einer kriminalpolizeilichen Ermittlungsbehörde. Ursprünglich vor allem für die sog. Staatsverbrechen zuständig, befasste sie sich in der Honecker-Ära überwiegend mit Straftaten gegen die staatliche Ordnung, vor allem mit Fällen "ungesetzlichen Grenzübertritts" und Delikten, die mit Ausreisebegehren zu tun hatten. Nach StPO der DDR standen auch die Ermittlungsverfahren der Linie IX unter Aufsicht der Staatsanwaltschaft, in der Praxis arbeitete das MfS hier jedoch weitgehend eigenständig.
Die HA IX und die Abt. IX der BV waren berechtigt, Ermittlungsverfahren einzuleiten sowie Festnahmen, Vernehmungen, Durchsuchungen, Beschlagnahmen und andere strafprozessuale Handlungen vorzunehmen sowie verpflichtet, diese Verfahren nach einer bestimmten Frist - meist durch die Übergabe an die Staatsanwaltschaft zur Anklageerhebung - zum Abschluss zu bringen (Untersuchungsvorgang). Daneben führte sie Vorermittlungen zur Feststellung von Ursachen und Verantwortlichen bei Großhavarien (industriellen Störfällen), Flugblättern widerständigen Inhalts, öffentlichen Protesten u. ä. (Vorkommnisuntersuchung, Sachverhaltsprüfung).
Die HA IX gehörte zeit ihres Bestehens zum Anleitungsbereich Mielkes, in den ersten Jahren in seiner Funktion als Staatssekretär und 1. stellv. Minister, ab 1957 als Minister. Ihre Leiter waren Alfred Karl Scholz (1950-1956), Kurt Richter (1956-1964), Walter Heinitz (1964-1973) und Rolf Fister (1973-1989).
1953 bestand die HA IX aus drei Abteilungen, die für Spionagefälle, Fälle politischer "Untergrundtätigkeit" und die Anleitung der Abt. IX der BV zuständig waren. Durch Ausgliederungen entstanden weitere Abteilungen, so u. a. für Wirtschaftsdelikte, Militärstraftaten, Delikte von MfS-Angehörigen und Fluchtfälle. Ende 1988 bestand die HA IX aus zehn Untersuchungsabteilungen sowie der Auswertungs- und Kontrollgruppe (AKG) und der AGL (Arbeitsgruppe des Ministers (AGM)) mit insgesamt 489 Mitarbeitern. Auf der Linie IX arbeiteten 1 225 hauptamtliche Mitarbeiter.
Die Linie IX wirkte eng mit den Abteilung XIV (Haft) und der Linie VIII (Hauptabteilung VIII (Beobachtung, Ermittlung)), die für die Durchführung der Festnahmen zuständig waren, zusammen. Bei der juristischen Beurteilung von Operativen Vorgängen (OV) wurde die HA IX von den geheimdienstlich arbeitenden Diensteinheiten häufig einbezogen.
Aufklärung hatte innerhalb des MfS unterschiedliche Bedeutungen: Sie wird zur Bezeichnung des Tätigkeitsbereiches der Auslandsspionage verwendet, die überwiegend von der HV A getragen wurde, die teilweise auch kurz als Aufklärung bezeichnet wird. Darüber hinaus findet der Begriff Verwendung bei der Bezeichnung von Sachverhaltsermittlungen (Aufklärung eines Sachverhalts) und von Überprüfungen der Eignung von IM-Kandidaten (Aufklärung des Kandidaten).
Der schriftliche richterliche Haftbefehl bildete die Grundlage für eine reguläre Verhaftung (§ 114 StPO/1949; § 142 StPO/1952; § 124 StPO/1968). Beschuldigte oder Angeklagte mussten unverzüglich, spätestens am Tage nach ihrer Ergreifung dem zuständigen Gericht vorgeführt werden (§§ 114 b, 128 StPO/1949; §§ 144, 153 StPO/1952; § 126 StPO/1968) – vor allem in den frühen 50er Jahren wurde diese Frist vom MfS teilweise überschritten und der Zeitpunkt der Festnahme entsprechend geändert. Auch wurden die Festgenommenen nicht bei Gericht vorgeführt, die vom MfS ausgewählten Haftrichter kamen zur Ausstellung des Haftbefehls in die Untersuchungshaftanstalten.
Rechtliche Voraussetzungen für den Erlass eines Haftbefehls waren ein dringender Tatverdacht und ein gesetzlich definierter Haftgrund, z. B. Fluchtverdacht oder Verdunklungsgefahr (§ 112 StPO/1949; § 141 StPO/1952; § 122 StPO/1968) sowie während des Ermittlungsverfahrens ein Antrag des Staatsanwaltes; im Hauptverfahren konnte das Gericht auch ohne Antrag einen Haftbefehl erlassen. Laut einer Richtlinie des Obersten Gerichts der DDR vom 17.10.1962 lag ein Haftgrund auch vor bei "Verbrechen im Auftrag feindlicher Agenturen, bei konterrevolutionären Verbrechen" und "bei anderen schweren Verbrechen".
Eine Zuführung ist eine polizeirechtliche Maßnahme der kurzzeitigen Freiheitsentziehung, wurde zunächst aus der polizeirechtlichen Generalklausel von § 14 des in der DDR bis 1968 geltenden Preußischen Polizeiverwaltungsgesetzes vom 1.6.1931 abgeleitet. Zuführungen von Personen konnten zur Feststellung der Personalien sowie "zur Klärung eines Sachverhalts" (Sachverhaltsprüfung) durchgeführt werden.
Seit 1968 bildete § 12 VP-Gesetz die Rechtsgrundlage für polizeirechtliche Zuführungen. Im Rahmen des strafprozessualen Prüfungsstadiums war auch eine Zuführung Verdächtiger zur Befragung nach § 95 Abs. 2 StPO/1968 als strafprozessuale Sicherungsmaßnahme zulässig. In beiden Fällen durfte die Zeitdauer 24 Stunden nicht überschreiten. Vom MfS wurden Zuführungen auch als taktisches Instrument genutzt. Sie konnten in eine Inhaftierung münden, aber auch zur Einschüchterung oder zur Anwerbung unter Druck genutzt werden.
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Signatur: BArch, MfS, BV Berlin, Abt. XX, Nr. 3040, Bl. 57-61
Gemeinsam mit der Volkspolizei ermittelte die Staatssicherheit im Fall des Neonazi-Überfalls auf ein Punkkonzert am 17. Oktober 1987. Das organisierte und planvolle Vorgehen der Skinheads konnte die Stasi bereits wenige Tage nach der Tat nachweisen.
Am Abend des 17. Oktobers 1987 überfielen rechtsextreme Skinheads ein Punkkonzert in der Ost-Berliner Zionskirche. Neben der Punkband "Die Firma" spielte auf dem Konzert auch "Element of Crime" aus West-Berlin. Als die Konzertbesucherinnen und -besucher die vollbesetzte Kirche verließen, schlugen etwa 30 angetrunkene Neonazis aus Ost- und West-Berlin auf sie ein. Dabei brüllten sie faschistische Parolen wie "Juden raus", "Kommunistenschweine" und "Sieg Heil!". Anwesende Volkspolizisten registrierten das Geschehen, hielten sich aber im Hintergrund und griffen erst ein, nachdem ein Notruf eingegangen war.
Bei den anschließenden Ermittlungen arbeiteten Staatssicherheit und Volkspolizei eng zusammen. Der Überfall auf die Zionskirche zeigte, dass es trotz der geleugneten Existenz von Rechtsextremismus in der DDR eine gewaltbereite Neonazi-Szene gab. Da westliche Medien bereits einen Tag später über den Vorfall berichteten, konnten auch die DDR-Medien dieses Ereignis nicht mehr stillschweigend übergehen. Für die Gerichtsverfahren stimmte sich die Staatssicherheit eng mit der Justiz der DDR ab. Im ersten Prozess erhielten die vier Hauptangeklagten zunächst unerwartet niedrige Strafen zwischen einem und zwei Jahren Haft. Nachdem es Proteste gegen die Urteile gegeben hatte, forderte die Generalstaatsanwaltschaft in Abstimmung mit dem Obersten Gericht der DDR in den Berufungsverhandlungen ein höheres Strafmaß. Die Neonazis aus Ost-Berlin erhielten schließlich Haftstrafen bis zu vier Jahren.
Die Abteilung IX der Bezirksverwaltung Berlin berichtet am 22. Oktober 1987 vom Tathergang des Skinhead-Überfalls auf die Besucherinnen und Besucher eines Punkkonzerts in der Zionskirche. Nach dem Konzertende hatten ca. 30 Skinheads unter faschistischen und antisemitischen Parolen eine Schlägerei angefangen und dabei mehrere Personen verletzt. Laut Stasi-Bericht hätten bisherige Untersuchungen gezeigt, "daß es sich bei der tätlichen Auseinandersetzung um eine von den Skinheads geplante Schlägerei handelte". Die Täter hatten sich zuvor auf einer Geburtstagsfeier in der Gaststätte "Sputnik" abgesprochen.
Die Volkspolizei sei um 22:22 Uhr über den Notruf verständigt worden und um 22:30 Uhr an der Zionskirche eingetroffen. Zu diesem Zeitpunkt sei die Schlägerei bereits beendet und ein Eingreifen seitens der Volkspolizisten nicht mehr erforderlich gewesen.
Ein Hauptaugenmerk richteten Stasi und Volkspolizei auch darauf, die aus West-Berlin stammenden und an der Schlägerei beteiligten Neonazis ausfindig zu machen. Ein Strafverfahren gegen drei West-Berliner Tatbeteiligte lief allerdings erst nach der Wiedervereinigung.
Der Inhalt der Information ist mit der HA IX/2 abgestimmt.
Stellv. Leiter der Abteilung
[Unterschrift]
Weber
Major
Linie IX (Untersuchungsorgan)
Die HA IX war die für strafrechtliche Ermittlungen zuständige Diensteinheit (Strafverfolgung). Sie hatte wie die nachgeordneten Abteilung IX in den Bezirksverwaltung (BV) (Linie IX) die Befugnisse eines Untersuchungsorgans, d. h. einer kriminalpolizeilichen Ermittlungsbehörde. Ursprünglich vor allem für die sog. Staatsverbrechen zuständig, befasste sie sich in der Honecker-Ära überwiegend mit Straftaten gegen die staatliche Ordnung, vor allem mit Fällen "ungesetzlichen Grenzübertritts" und Delikten, die mit Ausreisebegehren zu tun hatten. Nach StPO der DDR standen auch die Ermittlungsverfahren der Linie IX unter Aufsicht der Staatsanwaltschaft, in der Praxis arbeitete das MfS hier jedoch weitgehend eigenständig.
Die HA IX und die Abt. IX der BV waren berechtigt, Ermittlungsverfahren einzuleiten sowie Festnahmen, Vernehmungen, Durchsuchungen, Beschlagnahmen und andere strafprozessuale Handlungen vorzunehmen sowie verpflichtet, diese Verfahren nach einer bestimmten Frist - meist durch die Übergabe an die Staatsanwaltschaft zur Anklageerhebung - zum Abschluss zu bringen (Untersuchungsvorgang). Daneben führte sie Vorermittlungen zur Feststellung von Ursachen und Verantwortlichen bei Großhavarien (industriellen Störfällen), Flugblättern widerständigen Inhalts, öffentlichen Protesten u. ä. (Vorkommnisuntersuchung, Sachverhaltsprüfung).
Die HA IX gehörte zeit ihres Bestehens zum Anleitungsbereich Mielkes, in den ersten Jahren in seiner Funktion als Staatssekretär und 1. stellv. Minister, ab 1957 als Minister. Ihre Leiter waren Alfred Karl Scholz (1950-1956), Kurt Richter (1956-1964), Walter Heinitz (1964-1973) und Rolf Fister (1973-1989).
1953 bestand die HA IX aus drei Abteilungen, die für Spionagefälle, Fälle politischer "Untergrundtätigkeit" und die Anleitung der Abt. IX der BV zuständig waren. Durch Ausgliederungen entstanden weitere Abteilungen, so u. a. für Wirtschaftsdelikte, Militärstraftaten, Delikte von MfS-Angehörigen und Fluchtfälle. Ende 1988 bestand die HA IX aus zehn Untersuchungsabteilungen sowie der Auswertungs- und Kontrollgruppe (AKG) und der AGL (Arbeitsgruppe des Ministers (AGM)) mit insgesamt 489 Mitarbeitern. Auf der Linie IX arbeiteten 1 225 hauptamtliche Mitarbeiter.
Die Linie IX wirkte eng mit den Abteilung XIV (Haft) und der Linie VIII (Hauptabteilung VIII (Beobachtung, Ermittlung)), die für die Durchführung der Festnahmen zuständig waren, zusammen. Bei der juristischen Beurteilung von Operativen Vorgängen (OV) wurde die HA IX von den geheimdienstlich arbeitenden Diensteinheiten häufig einbezogen.
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Signatur: BArch, MfS, BV Berlin, Abt. XX, Nr. 3040, Bl. 57-61
Gemeinsam mit der Volkspolizei ermittelte die Staatssicherheit im Fall des Neonazi-Überfalls auf ein Punkkonzert am 17. Oktober 1987. Das organisierte und planvolle Vorgehen der Skinheads konnte die Stasi bereits wenige Tage nach der Tat nachweisen.
Am Abend des 17. Oktobers 1987 überfielen rechtsextreme Skinheads ein Punkkonzert in der Ost-Berliner Zionskirche. Neben der Punkband "Die Firma" spielte auf dem Konzert auch "Element of Crime" aus West-Berlin. Als die Konzertbesucherinnen und -besucher die vollbesetzte Kirche verließen, schlugen etwa 30 angetrunkene Neonazis aus Ost- und West-Berlin auf sie ein. Dabei brüllten sie faschistische Parolen wie "Juden raus", "Kommunistenschweine" und "Sieg Heil!". Anwesende Volkspolizisten registrierten das Geschehen, hielten sich aber im Hintergrund und griffen erst ein, nachdem ein Notruf eingegangen war.
Bei den anschließenden Ermittlungen arbeiteten Staatssicherheit und Volkspolizei eng zusammen. Der Überfall auf die Zionskirche zeigte, dass es trotz der geleugneten Existenz von Rechtsextremismus in der DDR eine gewaltbereite Neonazi-Szene gab. Da westliche Medien bereits einen Tag später über den Vorfall berichteten, konnten auch die DDR-Medien dieses Ereignis nicht mehr stillschweigend übergehen. Für die Gerichtsverfahren stimmte sich die Staatssicherheit eng mit der Justiz der DDR ab. Im ersten Prozess erhielten die vier Hauptangeklagten zunächst unerwartet niedrige Strafen zwischen einem und zwei Jahren Haft. Nachdem es Proteste gegen die Urteile gegeben hatte, forderte die Generalstaatsanwaltschaft in Abstimmung mit dem Obersten Gericht der DDR in den Berufungsverhandlungen ein höheres Strafmaß. Die Neonazis aus Ost-Berlin erhielten schließlich Haftstrafen bis zu vier Jahren.
Die Abteilung IX der Bezirksverwaltung Berlin berichtet am 22. Oktober 1987 vom Tathergang des Skinhead-Überfalls auf die Besucherinnen und Besucher eines Punkkonzerts in der Zionskirche. Nach dem Konzertende hatten ca. 30 Skinheads unter faschistischen und antisemitischen Parolen eine Schlägerei angefangen und dabei mehrere Personen verletzt. Laut Stasi-Bericht hätten bisherige Untersuchungen gezeigt, "daß es sich bei der tätlichen Auseinandersetzung um eine von den Skinheads geplante Schlägerei handelte". Die Täter hatten sich zuvor auf einer Geburtstagsfeier in der Gaststätte "Sputnik" abgesprochen.
Die Volkspolizei sei um 22:22 Uhr über den Notruf verständigt worden und um 22:30 Uhr an der Zionskirche eingetroffen. Zu diesem Zeitpunkt sei die Schlägerei bereits beendet und ein Eingreifen seitens der Volkspolizisten nicht mehr erforderlich gewesen.
Ein Hauptaugenmerk richteten Stasi und Volkspolizei auch darauf, die aus West-Berlin stammenden und an der Schlägerei beteiligten Neonazis ausfindig zu machen. Ein Strafverfahren gegen drei West-Berliner Tatbeteiligte lief allerdings erst nach der Wiedervereinigung.
Verteiler
1. Ex. Stellv. des Gen. Minister, Gen. Generaloberst Mittig
2. Ex. Leiter der Bezirksverwaltung Berlin, Gen. Generalmajor Hähnel
3. Ex. Leiter der Hauptabteilung IX
4. Ex. Leiter der Hauptabteilung XX
5. Ex. Leiter der Abt. IX
Hauptabteilung IX (Untersuchungsorgan)
Die Hauptabteilung IX war die für strafrechtliche Ermittlungen und Strafverfolgung zuständige Diensteinheit. Sie hatte wie die nachgeordneten Abteilung IX in den Bezirksverwaltung (BV) (Linie IX) die Befugnisse eines Untersuchungsorgans, d. h. einer kriminalpolizeilichen Ermittlungsbehörde. Ursprünglich vor allem für die sog. Staatsverbrechen zuständig, befasste sie sich in der Honecker-Ära überwiegend mit Straftaten gegen die staatliche Ordnung, vor allem mit Fällen "ungesetzlichen Grenzübertritts" und Delikten, die mit Ausreisebegehren zu tun hatten. Nach StPO der DDR standen auch die Ermittlungsverfahren der Linie IX unter Aufsicht der Staatsanwaltschaft, in der Praxis arbeitete das MfS hier jedoch weitgehend eigenständig.
Die Hauptabteilung IX und die Abteilungen IX der BV waren berechtigt, Ermittlungsverfahren einzuleiten sowie Festnahmen, Vernehmungen, Durchsuchungen, Beschlagnahmen und andere strafprozessuale Handlungen vorzunehmen sowie verpflichtet, diese Verfahren nach einer bestimmten Frist - meist durch die Übergabe an die Staatsanwaltschaft zur Anklageerhebung - zum Abschluss zu bringen (Untersuchungsvorgang). Daneben führte sie Vorermittlungen zur Feststellung von Ursachen und Verantwortlichen bei Großhavarien (industriellen Störfällen), Flugblättern widerständigen Inhalts, öffentlichen Protesten u. ä. (Vorkommnisuntersuchung, Sachverhaltsprüfung).
Die Hauptabteilung IX gehörte zeit ihres Bestehens zum Anleitungsbereich Mielkes, in den ersten Jahren in seiner Funktion als Staatssekretär und 1. stellv. Minister, ab 1957 als Minister. Ihre Leiter waren Alfred Karl Scholz (1950-1956), Kurt Richter (1956-1964), Walter Heinitz (1964-1973) und Rolf Fister (1973-1989).
1953 bestand die Hauptabteilung IX aus drei Abteilungen, die für Spionagefälle, Fälle politischer "Untergrundtätigkeit" und die Anleitung der Abt. IX der BV zuständig waren. Durch Ausgliederungen entstanden weitere Abteilungen, so u. a. für Wirtschaftsdelikte, Militärstraftaten, Delikte von MfS-Angehörigen und Fluchtfälle. Ende 1988 bestand die Hauptabteilung IX aus zehn Untersuchungsabteilungen sowie der Auswertungs- und Kontrollgruppe (AKG) und der AGL (Arbeitsgruppe des Ministers (AGM)) mit insgesamt 489 Mitarbeitern. Auf der Linie IX arbeiteten 1.225 hauptamtliche Mitarbeiter.
Die Linie IX wirkte eng mit den Abteilung XIV (Haft) und der Linie VIII (Beobachtung, Ermittlung), die für die Durchführung der Festnahmen zuständig waren, zusammen. Bei der juristischen Beurteilung von Operativen Vorgängen (OV) wurde die Hauptabteilung IX von den geheimdienstlich arbeitenden Diensteinheiten häufig einbezogen.
Hauptabteilung XX (Staatsapparat, Kultur, Kirchen, Untergrund)
Die Hauptabteilung XX bildete den Kernbereich der politischen Repression und Überwachung der Staatssicherheit. In Struktur und Tätigkeit passte sie sich mehrfach an die sich wandelnden Bedingungen der Herrschaftssicherung an. Die Diensteinheit ging 1964 durch Umbenennung aus der Hauptatbeilung V hervor, die ihrerseits in den Abteilungen V und VI (1950–1953) ihre Vorläufer hatte.
Die Hauptabteilung XX und die ihr nachgeordneten Abteilungen XX in den Bezirksverwaltungen (Linie XX) sowie entsprechende Arbeitsbereiche in den KD überwachten wichtige Teile des Staatsapparates (u. a. Justiz, Gesundheitswesen und bis 1986 das Post- und Fernmeldewesen), die Blockparteien und Massenorganisationen, den Kultur- und Sportbereich, die Medien und die Kirchen sowie SED-Sonderobjekte und Parteibetriebe. Federführend war die Hauptabteilung XX auch bei der Bekämpfung der "politischen Untergrundtätigkeit" (PUT), also der Opposition.
Ab der zweiten Hälfte der 50er Jahre und verstärkt seit dem Beginn der Entspannungspolitik fühlte sich das SED-Regime zunehmend durch die "politisch-ideologische Diversion" (PiD) bedroht. Die Schwächung der "Arbeiter-und-Bauern-Macht" durch "ideologische Aufweichung und Zersetzung" galt als Hauptinstrument des Westens bei der Unterminierung der DDR. Auch bei der Bekämpfung der PiD hatte die Hauptabteilung XX innerhalb des MfS die Federführung.
Das Erstarken der Bürgerrechtsbewegung (Friedens-, Umwelt- und Menschenrechtsgruppen) in der DDR führte in den 80er Jahren zu einem weiteren Bedeutungszuwachs der Linie XX. In der DA 2/85 bestätigte Minister Mielke dementsprechend die Federführung der Hauptabteilung XX bei der Bekämpfung der PUT.
Im Verlauf der fast 40-jährigen Entwicklung der Hauptabteilung XX veränderte sich ihre Struktur mehrfach. In der Endphase verfügte sie über neun operative Abteilungen und vier Funktionalorgane der Leitung (Sekretariat, Arbeitsgruppe der Leitung, Koordinierungsgruppe des Leiters, Auswertungs- und Kontrollgruppe).
Die Hauptabteilung V lag ab 1953 zunächst im unmittelbaren Anleitungsbereich von Mielke in seiner Eigenschaft als 1. Stellvertreter des Staatssicherheitschefs. Ab 1955 war der stellvertretende Minister Bruno Beater und 1964–1974 der stellv. Minister Fritz Schröder auf der Ebene der MfS-Leitung für die Hauptabteilung XX zuständig. Beide waren zuvor selbst (Beater 1953–1955, Schröder 1955–1963) Leiter der Hauptabteilung V. Seit 1975 gehörte die Hauptabteilung XX zum Verantwortungsbereich von Mielkes Stellvertreter Rudi Mittig. Von 1964 bis zur Auflösung des MfS leitete Kienberg die Hauptabteilung XX. Ihm standen seit 1965 zwei Stellvertreter zur Seite.
1954 waren in der Hauptabteilung V insgesamt 139 Mitarbeiter beschäftigt. Im Herbst 1989 verfügte die Hauptabteilung XX über 461 Mitarbeiter, von denen mehr als 200 als IM-führende Mitarbeiter eingesetzt waren.
In den 15 Bezirksverwaltungen waren auf der Linie XX im Oktober 1989 insgesamt knapp 1.000 Kader und damit auf der gesamten Linie XX fast 1.500 hauptamtliche Mitarbeiter im Einsatz. Gleichzeitig konnte allein die Hauptabteilung XX mit etwas mehr als 1.500 IM auf einen überdurchschnittlich hohen Bestand an inoffiziellen Kräften zurückgreifen. Ihrem Aufgabenprofil entsprechend spiegelt sich nicht zuletzt in der Entwicklung der Hauptabteilung XX auch die Geschichte von Opposition, Widerstand und politischer Dissidenz in der DDR. Im Herbst 1989 wurden von der Diensteinheit 31 Operative Vorgänge (10 Prozent aller Operativen Vorgänge im Berliner Ministeriumsbereich) und 59 Operative Personenkontrollen (8,7 Prozent) bearbeitet.
Linie IX (Untersuchungsorgan)
Die HA IX war die für strafrechtliche Ermittlungen zuständige Diensteinheit (Strafverfolgung). Sie hatte wie die nachgeordneten Abteilung IX in den Bezirksverwaltung (BV) (Linie IX) die Befugnisse eines Untersuchungsorgans, d. h. einer kriminalpolizeilichen Ermittlungsbehörde. Ursprünglich vor allem für die sog. Staatsverbrechen zuständig, befasste sie sich in der Honecker-Ära überwiegend mit Straftaten gegen die staatliche Ordnung, vor allem mit Fällen "ungesetzlichen Grenzübertritts" und Delikten, die mit Ausreisebegehren zu tun hatten. Nach StPO der DDR standen auch die Ermittlungsverfahren der Linie IX unter Aufsicht der Staatsanwaltschaft, in der Praxis arbeitete das MfS hier jedoch weitgehend eigenständig.
Die HA IX und die Abt. IX der BV waren berechtigt, Ermittlungsverfahren einzuleiten sowie Festnahmen, Vernehmungen, Durchsuchungen, Beschlagnahmen und andere strafprozessuale Handlungen vorzunehmen sowie verpflichtet, diese Verfahren nach einer bestimmten Frist - meist durch die Übergabe an die Staatsanwaltschaft zur Anklageerhebung - zum Abschluss zu bringen (Untersuchungsvorgang). Daneben führte sie Vorermittlungen zur Feststellung von Ursachen und Verantwortlichen bei Großhavarien (industriellen Störfällen), Flugblättern widerständigen Inhalts, öffentlichen Protesten u. ä. (Vorkommnisuntersuchung, Sachverhaltsprüfung).
Die HA IX gehörte zeit ihres Bestehens zum Anleitungsbereich Mielkes, in den ersten Jahren in seiner Funktion als Staatssekretär und 1. stellv. Minister, ab 1957 als Minister. Ihre Leiter waren Alfred Karl Scholz (1950-1956), Kurt Richter (1956-1964), Walter Heinitz (1964-1973) und Rolf Fister (1973-1989).
1953 bestand die HA IX aus drei Abteilungen, die für Spionagefälle, Fälle politischer "Untergrundtätigkeit" und die Anleitung der Abt. IX der BV zuständig waren. Durch Ausgliederungen entstanden weitere Abteilungen, so u. a. für Wirtschaftsdelikte, Militärstraftaten, Delikte von MfS-Angehörigen und Fluchtfälle. Ende 1988 bestand die HA IX aus zehn Untersuchungsabteilungen sowie der Auswertungs- und Kontrollgruppe (AKG) und der AGL (Arbeitsgruppe des Ministers (AGM)) mit insgesamt 489 Mitarbeitern. Auf der Linie IX arbeiteten 1 225 hauptamtliche Mitarbeiter.
Die Linie IX wirkte eng mit den Abteilung XIV (Haft) und der Linie VIII (Hauptabteilung VIII (Beobachtung, Ermittlung)), die für die Durchführung der Festnahmen zuständig waren, zusammen. Bei der juristischen Beurteilung von Operativen Vorgängen (OV) wurde die HA IX von den geheimdienstlich arbeitenden Diensteinheiten häufig einbezogen.
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Information über den Fund von Handzetteln der "Anti-Nazi-Liga" Dokument, 4 Seiten
Informationsbedarf zur Einschätzung über die in der DDR existierenden Skinheads Dokument, 4 Seiten