Signatur: BStU, MfS, HA XXII, Nr. 5366, Bd. 39, Bl. 1-3
Am 27. Februar 1975 wurde der CDU-Politiker Peter Lorenz durch die Terrorgruppe "Bewegung 2. Juni" entführt. Zwei Inoffizielle Mitarbeiter berichteten der Staatssicherheit über die Fahndungen nach den Entführern in der Bundesrepublik und über die Stimmung in der Öffentlichkeit
Am 27. Februar 1975 entführte die Terrorgruppe "Bewegung 2. Juni" den CDU-Politiker Peter Lorenz. Die Entführer verlangten die Freilassung und Ausreise der sechs inhaftierten Gesinnungsgenossen Horst Mahler, Verena Becker, Gabriele Kröcher-Tiedemann, Ingrid Siepmann, Rolf Heißler und Rolf Pohle. Die Bundesregierung entschloss sich, auf die Forderung der Entführer einzugehen. Bis auf Horst Mahler, der einen Austausch abgelehnt hatte, wurden die Gefangenen am 3. März 1975 in den Jemen ausgeflogen. Im Gegenzug kam auch Peter Lorenz frei.
Da die durch die Lorenz-Entführung freigepressten Terroristen erneut Anschläge verübten und Menschen töteten, entschloss sich die Bundesregierung, den Forderungen von Terroristen nicht noch einmal nachzugeben. So ließ sich die Regierung der Bundesrepublik bei der Entführung von Hanns Martin Schleyer durch die RAF, dann auch auf keine Zugeständnisse ein. Als sich die Bewegung 2. Juni am 2. Juni 1980 offiziell auflöste, schlossen sich einige Mitglieder der RAF an.
Nach der Entführung von Peter Lorenz fahndete die Westberliner Polizei intensiv nach den Entführern. Die Staatsicherheit ließ sich auch von ihren Inoffiziellen Mitarbeitern im Westen detailliert über Auto- und Personenkontrollen und über die in der Bevölkerung vorherrschende Meinung zur Entführung berichten.
[handschriftliche Ergänzung: 17.3.75, VBE/699/75
Hauptabteilung VII, Berlin, den 14. März 1975
Leiter, HA VII/Ltr/A [handschriftliche Ergänzung: 302], 75
1. Stellvertreter des Ministers
Generalleutnant Beater
im Hause
Informationen von 2 IMV zu der in Westberlin durchgeführten Fahndungsaktion
IMV "Werner", Reg.-Nr. XV/1118/66, teilt mit:
Bis zum Sonnabend, dem 8.3.1975, wurden starke Polizeistreifen im gesamten Gebiet Westberlins durchgeführt. Auf den Straßen waren Kontrollen eingerichtet, die aus dem laufenden Fahrzeugverkehr Kfz stoppten, die Insassen nach Ausweispapieren kontrollierten sowie Kontrollen der Kofferräume vornahmen.
Zwischen der Prinzenstraße und Cottbuser Tor, wo solche Kontrollen stattfanden, konnte festgestellt werden, daß dabei besonders jugendliche Typen mit dekadentem Aussehen, überwiegend auch benutzter schmutziger Pkw, kontrolliert wurden.
Offensichtlich wurden auch auf den öffentlichen Verkehrsmitteln, besonders auf dem Gebiet der U-Bahn, Kontrollen in Zivil festgestellt, die Beobachtungsaufgaben durchzuführen hatten. Ein Aktivwerden dieser Beobachter wurde nicht festgestellt.
Am Freitag, dem 7.3.1975, wurden durch Polizei in Zivil Kontrollen im Café Kranzler, Kurfürstendamm/Ecke Joachimsthaler Straße, vorgenommen. Dabei wurde der [anonymisiert] Staatsbürger
[anonymisiert]
in das nächstgelegene Polizeirevier gebracht.
[anonymisiert] hatte keine Ausweispapiere bei sich. Nach Anruf des zuständigen Polizeireviers und Überprüfung, daß er im Besitz einer Aufenthaltsgenehmigung ist, erfolgte nach anderthalb Stunden seine Entlassung.
Am Mittwoch, dem 5.3.1975, 16.00 Uhr, erfolgten verstärkte Kontrollen des grenzüberschreitenden Verkehrs am Kontrollpunkt Heinrich-Heine-Straße. Von 2 Zollangehörigen (bewaffnet, 1 Zollangehöriger mit Pistole, 1 Zollangehöriger mit Maschinenpistole) wurden Kontrollen des Innen- und Kofferraumes der Pkw vorgenommen. Ein Polizeiangehöriger, bewaffnet mit Pistole,
Hauptabteilung VII (Ministerium des Innern, Deutsche Volkspolizei)
Die Hauptabteilung VII und die ihr zugeordnete Linie VII waren für das Ministerium des Innern (MdI) und die ihm nachgeordneten Bereiche zuständig, d.h. für die Kriminalpolizei (insbesondere deren Arbeitsrichtung I/K I), die Schutz-, Verkehrs- und Bereitschaftspolizei, die Kampfgruppen, den Betriebsschutz, den Strafvollzug, das Pass- und Meldewesen, die Feuerwehr, das Deutsche Rote Kreuz, das Zentrale Aufnahmeheim in Röntgental, das Archivwesen, Geodäsie und Kartographie sowie die Politische Verwaltung des MdI, die medizinischen Einrichtungen der Volkspolizei und die Bereiche Innere Angelegenheiten der staatlichen Verwaltungen.
Zum Teil reichte der Verantwortungsbereich der Hauptabteilung bzw. Linie VII über das MdI hinaus, so etwa gegenüber der Zivilverteidigung, die seit 1977 dem MfNV unterstand. Andere nachgeordnete Bereiche des MdI wurden indes aus fachlichen Gründen von anderen Diensteinheiten der Staatssicherheit abgesichert, so etwa die Arbeitsrichtung Observation der Kriminalpolizei (I/U) (durch die Hauptabteilung VIII), das Wachkommando Missionsschutz (durch die HA II) oder die Transport- und Wasserschutzpolizei (durch die HA XIX).
Gegenüber den Kampfgruppen sowie den lokalen Abteilungen Innere Angelegenheiten teilte sich die Linie VII die Zuständigkeit mit anderen Diensteinheiten. Die Abteilung VII der Verwaltung Groß-Berlin war zeitweise auch für die "Bearbeitung" der Polizei von Westberlin zuständig.
Gleichwohl fungierte die Linie VII als Generalbevollmächtigter des Mielke-Imperiums gegenüber der Volkspolizei. Hatte sie in den 50er Jahren vor allem gegen auffällige Volkspolizisten ermittelt sowie vermutete Spionage aufgedeckt, durchleuchtete sie die Polizei in den späteren Jahren immer stärker prophylaktisch, knüpfte ein weites Netz von Zuträgern im dienstlichen wie im privaten Bereich der Volkspolizisten und beeinflusste auch zunehmend die fachlichen Entscheidungen auf Leitungsebene.
Verfügte die Abteilungen VII im MfS 1958 über 38 Mitarbeiter in drei Referaten, so wurde sie im Folgejahr zur HA aufgewertet und wuchs bis 1989 auf 319 hauptamtliche Geheimpolizisten in acht Abteilungen an. Hinzu kamen 510 Mitarbeiter in den Abteilungen VII der BV sowie 264 sogenannte Abwehroffiziere Volkspolizei, seit 1981 der verlängerte Arm der Linie VII in den KD.
Aufklärung hatte innerhalb des MfS unterschiedliche Bedeutungen: Sie wird zur Bezeichnung des Tätigkeitsbereiches der Auslandsspionage verwendet, die überwiegend von der HV A getragen wurde, die teilweise auch kurz als Aufklärung bezeichnet wird. Darüber hinaus findet der Begriff Verwendung bei der Bezeichnung von Sachverhaltsermittlungen (Aufklärung eines Sachverhalts) und von Überprüfungen der Eignung von IM-Kandidaten (Aufklärung des Kandidaten).
Organisationsstruktur in der MfS-Zentrale, die durch den Minister oder einen seiner Stellvertreter direkt angeleitet wurde. Die zuletzt 13 Hauptabteilungen wurden durch Einzelleiter geführt. Die weiter untergliederten und nach dem Linienprinzip tätigen HA waren für komplexe, abgegrenzte Bereiche operativ zuständig und federführend verantwortlich. Der Zuschnitt der Zuständigkeitsbereiche war an Ressorts oder geheimdienstlichen Praktiken (z. B. Verkehrswesen, Beobachtung, Funkspionage) orientiert.
Inoffizielle Mitarbeiter (IM) waren das wichtigste Instrument des Ministeriums für Staatssicherheit (MfS), um primär Informationen über Bürger, die Gesellschaft, ihre Institutionen und Organisationen der DDR oder im Ausland zu gewinnen. Unter Umständen hatten IM auf Personen oder Ereignisse in der DDR steuernden Einfluss zu nehmen.
In der DDR-Gesellschaft hießen sie "Spitzel", "Denunzianten" oder "Kundschafter". Mit der deutschen Einheit hat sich die Bezeichnung Inoffizieller Mitarbeiter des MfS für die heimlichen Zuträger etabliert. Sie lieferten u. a. Informationen über Stimmungen und Meinungen in der Bevölkerung.
Die SED-Führung wollte stets über die konkrete Situation und Lage in der DDR unterrichtet sein. Die IM hatten den Auftrag, "staatsgefährdende" Bestrebungen zu ermitteln, was beim MfS "politisch ideologische Diversion" bzw. "politische Untergrundtätigkeit" hieß. Der Bogen hierfür war weit gespannt und reichte von einer privaten Meinungsäußerung bis hin zu politischen Aktivitäten. Überdies sollten sie, wenn auch selten, direkt auf gesellschaftliche Entwicklungen oder einzelne Personen einwirken.
Die IM waren das wichtigste Repressionsinstrument in der DDR. IM wurden auf bestimmte Schwerpunkte angesetzt, von denen tatsächliche oder vermeintliche Gefahren ausgehen konnten. Diese Objekte und Territorien, Bereiche oder Personen waren so zahlreich, dass die geheimpolizeiliche Durchdringung tendenziell den Charakter einer flächendeckenden Überwachung annahm.
Die Anzahl der vom MfS geführten inoffiziellen Mitarbeiter umfasste im Jahre 1989 ungefähr 189.000 IM, darunter 173.000 IM der Abwehrdiensteinheiten, ferner 13.400 IM in der DDR und 1.550 IM in der Bundesrepublik, die von der Hauptverwaltung A geführt wurden, sowie diverse andere wie Zelleninformatoren usw. Auf 89 DDR-Bürger kam somit ein IM. In der Zeit von 1950 bis 1989 gab es insgesamt ca. 620.000 IM.
Die Entwicklung des IM-Netzes ist nicht allein von einem kontinuierlichen Anstieg geprägt, sondern verweist auf besondere Wachstumsphasen in Zeiten innergesellschaftlicher Krisen wie dem 17. Juni 1953 oder am Vorabend des Mauerbaus. Im Zuge der deutsch-deutschen Entspannungspolitik wurde das IM-Netz ebenfalls erweitert. So umfasste es Mitte der 70er Jahre – hochgerechnet – über 200.000 IM. Angesichts wachsender oppositioneller Bewegungen hatte es in den 80er Jahren gleichfalls ein hohes Niveau.
Die flächendeckende Überwachung der Gesellschaft fiel regional recht unterschiedlich aus. Im Land Brandenburg, das die Bezirke Cottbus, Frankfurt (Oder) und Potsdam vereint, war sie stärker als in Thüringen. Die höchste IM-Dichte wies der ehemalige Bezirk Cottbus auf.
Das MfS operierte formal nach territorialen Gesichtspunkten und Sicherungsbereichen, setzte jedoch operative Schwerpunkte in der geheimpolizeilichen Arbeit. Bezogen auf das Gesamtministerium lagen diese – sowohl auf Kreis-, als auch auf Bezirks- und Hauptabteilungsebene – bei der Volkswirtschaft, der Spionageabwehr und auf der "politischen Untergrundtätigkeit", der "Bearbeitung " von oppositionellen Milieus und den Kirchen.
Die Motive zur Kooperation mit dem MfS waren überwiegend ideeller, seltener materieller Natur, noch seltener war Erpressung der Grund. Die Kooperation währte durchschnittlich sechs bis zehn Jahre oder länger. Augenfällig ist, dass darunter nicht wenige soziale Aufsteiger waren. Der Anteil von weiblichen IM lag in der DDR bei 17 Prozent, in der Bundesrepublik bei 28 Prozent. Über die Hälfte der IM war Mitglied der SED. Von den 2,3 Mio. Mitgliedern der Partei ausgehend, waren 4 bis 5 Prozent zuletzt inoffiziell aktiv, d. h. jedes zwanzigste SED-Mitglied.
Das MfS differenzierte IM nach Kategorien: Gesellschaftliche Mitarbeiter für Sicherheit, IM zur Sicherung und Durchdringung des Verantwortungsbereichs, IM im besonderen Einsatz, Führungs-IM und IM zur Sicherung der Konspiration und des Verbindungswesens. Die wichtigste Kategorie waren IM mit "Feindverbindungen" bzw. solche, die Personen zu "bearbeiten" hatten, die "im Verdacht der Feindtätigkeit" standen. Im Laufe der 80er Jahre nahm der Anteil von IM in der Kategorie IMB bis Dezember 1988 auf rund 3.900 zu.
Der Anteil von Bundesbürgern oder Ausländern unter den IM des MfS betrug nicht einmal 2 Prozent. 1989 waren mindestens 3.000 Bundesbürger inoffiziell im Dienste des MfS, zusätzlich mehrere Hundert Ausländer. In der Zeit von 1949 bis 1989 waren insgesamt mindestens 12.000 Bundesbürger und Westberliner IM.
Die operativen Ziele des MfS waren über die gesamte Bundesrepublik Deutschland verteilt. Darüber hinaus gab es Schwerpunkte in Europa, im Nahen Osten und Asien, nachgeordnet auch in Afrika und Lateinamerika. Nachrichtendienstliche Schwerpunkte waren vor allem die Wissenschafts- und Technikspionage, erst danach die politische und mit etwas Abstand die Militärspionage. Die Bundesrepublik Deutschland wurde folglich vor allem als Ressource zur Systemstabilisierung genutzt.
Die politische Spionage diente vornehmlich dazu, die politische Gefährdungslage des herrschenden Systems in der DDR bestimmen zu können. Dieses Profil deutet an, dass die Spionage der Bewahrung des Status quo dienen sollte. Von einer Unterwanderung der Bundesrepublik war die Geheimpolizei zahlenmäßig weit entfernt. Vielmehr waren ihre inoffiziellen Mitarbeiter damit beschäftigt, das DDR-System zu stabilisieren.
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Signatur: BStU, MfS, HA XXII, Nr. 5366, Bd. 39, Bl. 1-3
Am 27. Februar 1975 wurde der CDU-Politiker Peter Lorenz durch die Terrorgruppe "Bewegung 2. Juni" entführt. Zwei Inoffizielle Mitarbeiter berichteten der Staatssicherheit über die Fahndungen nach den Entführern in der Bundesrepublik und über die Stimmung in der Öffentlichkeit
Am 27. Februar 1975 entführte die Terrorgruppe "Bewegung 2. Juni" den CDU-Politiker Peter Lorenz. Die Entführer verlangten die Freilassung und Ausreise der sechs inhaftierten Gesinnungsgenossen Horst Mahler, Verena Becker, Gabriele Kröcher-Tiedemann, Ingrid Siepmann, Rolf Heißler und Rolf Pohle. Die Bundesregierung entschloss sich, auf die Forderung der Entführer einzugehen. Bis auf Horst Mahler, der einen Austausch abgelehnt hatte, wurden die Gefangenen am 3. März 1975 in den Jemen ausgeflogen. Im Gegenzug kam auch Peter Lorenz frei.
Da die durch die Lorenz-Entführung freigepressten Terroristen erneut Anschläge verübten und Menschen töteten, entschloss sich die Bundesregierung, den Forderungen von Terroristen nicht noch einmal nachzugeben. So ließ sich die Regierung der Bundesrepublik bei der Entführung von Hanns Martin Schleyer durch die RAF, dann auch auf keine Zugeständnisse ein. Als sich die Bewegung 2. Juni am 2. Juni 1980 offiziell auflöste, schlossen sich einige Mitglieder der RAF an.
Nach der Entführung von Peter Lorenz fahndete die Westberliner Polizei intensiv nach den Entführern. Die Staatsicherheit ließ sich auch von ihren Inoffiziellen Mitarbeitern im Westen detailliert über Auto- und Personenkontrollen und über die in der Bevölkerung vorherrschende Meinung zur Entführung berichten.
verlangte die Ausweispapiere und übergab diese einem in der Kabine aufhältigen Polizisten. Hier wurden Notierungen aus den Personalausweisen genommen. Ein weiterer Polizist sicherte mit der Maschinenpistole.
Am Sonnabend, dem 8.3.1975, gegen 11.00 Uhr, Kontrolle der Pkw an der GÜSt Sonnenallee.
Ein Westberliner Zollangehöriger, bewaffnet mit Maschinenpistole, kontrollierte Innen- und Kofferräume der Pkw. Ein Angehöriger der Westberliner Polizei, mit Pistole bewaffnet, kontrollierte Personaldokumente, ohne daß Notierungen oder Weitergabe erfolgten, direkt im Pkw.
Am Mittwoch, dem 12.3.1975, wurden am Kontrollpunkt Invalidenstraße Westberliner Zoll- und Polizeiangehörige in der dortigen Baracke festgestellt. Pkw konnte passieren, ohne daß offene Kontrollhandlungen durchgeführt wurden.
Vom IM wird eingeschätzt, daß sich die Lage seit Montag, dem 10.3.1975, wieder normalisiert hat, zumindest ist kein offenes und breites Auftreten der Polizeiangehörigen mehr festzustellen.
Er schätzt ein, daß im Senat für Arbeit und Soziales der überwiegende Teil der dortigen Angestellten durch die im Zusammenhang mit dem Fall Lorenz entwickelte Propaganda-Maschine emotional stark auf die dortigen Beschäftigten einwirkte. Stündlich wurden während der Arbeitszeit die Radiomeldungen verfolgt, um etwas über den Ausgang der Entführung zu erfahren. Der überwiegende Teil der Angestellten läßt auch seine Sympathie für Lorenz erkennen und wäre bereit, bei Möglichkeit der Polizei Hinweise zu geben.
In einem Fall wurde von einer Mitarbeiterin, die der SPD angehört, mitgeteilt, daß sie in der Nacht - als Lorenz entlassen wurde - gegen 01.00 Uhr in der Nähe ihrer Wohnung 2 jugendliche Personen mit Pkw feststellte, die sich dort verdächtig bewegten. Sie hat sofort die Polizei angerufen und das Kennzeichen übermittelt, konnte eine Reaktion aber nicht mehr feststellen, da dieser Pkw kurzfristig diesen Ort verlassen hatte.
Als Motiv erklärte sie, daß sie das als eine patriotische Pflicht ansah und dabei keine Gedanken an eine Belohnung eine Rolle gespielt haben. Von dieser Frau wurde aber auch geäußert, daß eine solche Tat "denen da drüben" zuzutrauen wäre, womit sie deutlich auf die DDR anspielte. Mit dieser Äußerung konnte sie jedoch im Mitarbeiterkreis keine Zustimmung erreichen. Hinsichtlich des Ausganges des Wahlergebnisses schätzte sie ein, daß durch diesen Vorfall der SPD 5 bis 10 Prozent der Stimmen verloren gegangen sind.
IMV "Werner Höfer", Reg.-Nr. 1117/72, teilt mit:
Am 27. Februar 1975, gegen 11.00 Uhr, wurden die Angehörigen im Archiv des Axel-Springer-Verlages in Westberlin (Sitz Springer-Hochhaus) über die Funksprechanlage des Hauses informiert, daß in den Morgenstunden des 27.2.1975 der CDU-Landesvorsitzende Peter Lorenz am Quermatenweg in Zehlendorf entführt worden sei. Es erfolgten Anweisungen über die Sprechanlage, die folgendes zum Inhalt hatten:
Organisationsstruktur in der MfS-Zentrale, die durch den Minister oder einen seiner Stellvertreter direkt angeleitet wurde. Die zuletzt 13 Hauptabteilungen wurden durch Einzelleiter geführt. Die weiter untergliederten und nach dem Linienprinzip tätigen HA waren für komplexe, abgegrenzte Bereiche operativ zuständig und federführend verantwortlich. Der Zuschnitt der Zuständigkeitsbereiche war an Ressorts oder geheimdienstlichen Praktiken (z. B. Verkehrswesen, Beobachtung, Funkspionage) orientiert.
Inoffizielle Mitarbeiter (IM) waren das wichtigste Instrument des Ministeriums für Staatssicherheit (MfS), um primär Informationen über Bürger, die Gesellschaft, ihre Institutionen und Organisationen der DDR oder im Ausland zu gewinnen. Unter Umständen hatten IM auf Personen oder Ereignisse in der DDR steuernden Einfluss zu nehmen.
In der DDR-Gesellschaft hießen sie "Spitzel", "Denunzianten" oder "Kundschafter". Mit der deutschen Einheit hat sich die Bezeichnung Inoffizieller Mitarbeiter des MfS für die heimlichen Zuträger etabliert. Sie lieferten u. a. Informationen über Stimmungen und Meinungen in der Bevölkerung.
Die SED-Führung wollte stets über die konkrete Situation und Lage in der DDR unterrichtet sein. Die IM hatten den Auftrag, "staatsgefährdende" Bestrebungen zu ermitteln, was beim MfS "politisch ideologische Diversion" bzw. "politische Untergrundtätigkeit" hieß. Der Bogen hierfür war weit gespannt und reichte von einer privaten Meinungsäußerung bis hin zu politischen Aktivitäten. Überdies sollten sie, wenn auch selten, direkt auf gesellschaftliche Entwicklungen oder einzelne Personen einwirken.
Die IM waren das wichtigste Repressionsinstrument in der DDR. IM wurden auf bestimmte Schwerpunkte angesetzt, von denen tatsächliche oder vermeintliche Gefahren ausgehen konnten. Diese Objekte und Territorien, Bereiche oder Personen waren so zahlreich, dass die geheimpolizeiliche Durchdringung tendenziell den Charakter einer flächendeckenden Überwachung annahm.
Die Anzahl der vom MfS geführten inoffiziellen Mitarbeiter umfasste im Jahre 1989 ungefähr 189.000 IM, darunter 173.000 IM der Abwehrdiensteinheiten, ferner 13.400 IM in der DDR und 1.550 IM in der Bundesrepublik, die von der Hauptverwaltung A geführt wurden, sowie diverse andere wie Zelleninformatoren usw. Auf 89 DDR-Bürger kam somit ein IM. In der Zeit von 1950 bis 1989 gab es insgesamt ca. 620.000 IM.
Die Entwicklung des IM-Netzes ist nicht allein von einem kontinuierlichen Anstieg geprägt, sondern verweist auf besondere Wachstumsphasen in Zeiten innergesellschaftlicher Krisen wie dem 17. Juni 1953 oder am Vorabend des Mauerbaus. Im Zuge der deutsch-deutschen Entspannungspolitik wurde das IM-Netz ebenfalls erweitert. So umfasste es Mitte der 70er Jahre – hochgerechnet – über 200.000 IM. Angesichts wachsender oppositioneller Bewegungen hatte es in den 80er Jahren gleichfalls ein hohes Niveau.
Die flächendeckende Überwachung der Gesellschaft fiel regional recht unterschiedlich aus. Im Land Brandenburg, das die Bezirke Cottbus, Frankfurt (Oder) und Potsdam vereint, war sie stärker als in Thüringen. Die höchste IM-Dichte wies der ehemalige Bezirk Cottbus auf.
Das MfS operierte formal nach territorialen Gesichtspunkten und Sicherungsbereichen, setzte jedoch operative Schwerpunkte in der geheimpolizeilichen Arbeit. Bezogen auf das Gesamtministerium lagen diese – sowohl auf Kreis-, als auch auf Bezirks- und Hauptabteilungsebene – bei der Volkswirtschaft, der Spionageabwehr und auf der "politischen Untergrundtätigkeit", der "Bearbeitung " von oppositionellen Milieus und den Kirchen.
Die Motive zur Kooperation mit dem MfS waren überwiegend ideeller, seltener materieller Natur, noch seltener war Erpressung der Grund. Die Kooperation währte durchschnittlich sechs bis zehn Jahre oder länger. Augenfällig ist, dass darunter nicht wenige soziale Aufsteiger waren. Der Anteil von weiblichen IM lag in der DDR bei 17 Prozent, in der Bundesrepublik bei 28 Prozent. Über die Hälfte der IM war Mitglied der SED. Von den 2,3 Mio. Mitgliedern der Partei ausgehend, waren 4 bis 5 Prozent zuletzt inoffiziell aktiv, d. h. jedes zwanzigste SED-Mitglied.
Das MfS differenzierte IM nach Kategorien: Gesellschaftliche Mitarbeiter für Sicherheit, IM zur Sicherung und Durchdringung des Verantwortungsbereichs, IM im besonderen Einsatz, Führungs-IM und IM zur Sicherung der Konspiration und des Verbindungswesens. Die wichtigste Kategorie waren IM mit "Feindverbindungen" bzw. solche, die Personen zu "bearbeiten" hatten, die "im Verdacht der Feindtätigkeit" standen. Im Laufe der 80er Jahre nahm der Anteil von IM in der Kategorie IMB bis Dezember 1988 auf rund 3.900 zu.
Der Anteil von Bundesbürgern oder Ausländern unter den IM des MfS betrug nicht einmal 2 Prozent. 1989 waren mindestens 3.000 Bundesbürger inoffiziell im Dienste des MfS, zusätzlich mehrere Hundert Ausländer. In der Zeit von 1949 bis 1989 waren insgesamt mindestens 12.000 Bundesbürger und Westberliner IM.
Die operativen Ziele des MfS waren über die gesamte Bundesrepublik Deutschland verteilt. Darüber hinaus gab es Schwerpunkte in Europa, im Nahen Osten und Asien, nachgeordnet auch in Afrika und Lateinamerika. Nachrichtendienstliche Schwerpunkte waren vor allem die Wissenschafts- und Technikspionage, erst danach die politische und mit etwas Abstand die Militärspionage. Die Bundesrepublik Deutschland wurde folglich vor allem als Ressource zur Systemstabilisierung genutzt.
Die politische Spionage diente vornehmlich dazu, die politische Gefährdungslage des herrschenden Systems in der DDR bestimmen zu können. Dieses Profil deutet an, dass die Spionage der Bewahrung des Status quo dienen sollte. Von einer Unterwanderung der Bundesrepublik war die Geheimpolizei zahlenmäßig weit entfernt. Vielmehr waren ihre inoffiziellen Mitarbeiter damit beschäftigt, das DDR-System zu stabilisieren.
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Karte der MfS-Spezialkräfte (AGM/S) zur Entführung von Peter Lorenz Dokument, 2 Seiten
Vergleich der Entführungen von Hanns Martin Schleyer und Peter Lorenz Dokument, 4 Seiten
Weisung zur Sicherheit und Ordnung auf der Grenzübergangsstelle Heinrich-Heine-Straße Dokument, 26 Seiten
Vergleich der Entführungen von Hanns Martin Schleyer und Aldo Moro Dokument, 6 Seiten