Signatur: BStU, MfS, HA IX, Tb, Nr. 3263
Vom 18. bis 21. Dezember 1953 fand vor dem Obersten Gericht der DDR ein auch als "Gehlen-Prozess" bekannter Schauprozess wegen Spionage im Auftrag der Organisation Gehlen statt.
Die Angeklagten Werner Haase, Siegfried Altkrüger, Walter Rennert, Karl-Heinz Schmidt, Rolf Oesterreich, Walter Schneider und Helmut Schwenk waren alle in unterschiedlichen Funktionen für die Organisation Gehlen – dem Vorläufer des Bundesnachrichtendienstes – tätig gewesen. Im Zuge der Aktion "Feuerwerk" von der DDR-Staatssicherheit verhaftet bzw. im Fall von Werner Haase entführt, wurden sie zu hohen Zuchthausstrafen verurteilt. Der Prozess war eine propagandistische Inszenierung und damit Teil der medialen SED-Kampagne gegen die Organisation Gehlen, die die Verhaftungsaktion "Feuerwerk" seit Ende Oktober flankierte. Bis Ende Dezember 1953 nahm die Staatssicherheit in diesem Zusammenhang mehr als 200 Personen fest.
Die Prozessaufnahme ist als Tonband in der Hauptabteilung IX des MfS (HA IX) im Archiv des BStU überliefert. Wahrscheinlich handelt es sich dabei um die Kopie einer Aufnahme des DDR-Rundfunks. Der Prozess wurde dort in Ausschnitten übertragen. Die HA IX nutzte diese wie auch andere Tonaufnahmen von Schau- und Geheimprozessen sowohl für Schulungszwecke als auch für die sogenannte interne Traditionsbildung.
Hans Joachim Geyer, Autor von Abenteuer- und Spionageromanen, lebte nach 1945 mit seiner Familie in prekären Verhältnissen in Falkensee bei Berlin. Er wurde im Sommer 1952 von Hermann Polster, einem in West-Berlin tätigen Mitarbeiter der Organisation Gehlen, als V-Mann angeworben. Als er im Dezember 1952 versuchte, weitere potenzielle V-Leute in Riesa (Sachsen) für den Gehlen-Dienst anzuwerben, verhaftete ihn die Staatssicherheit. Er unterschrieb eine Verpflichtungserklärung als Geheimer Mitarbeiter (GM). Das Doppelspiel wurde in der Organisation Gehlen nicht erkannt. Daher konnte Geyer über einen Zeitraum von mehreren Monaten Unterlagen aus der Filiale Polsters an die Staatssicherheit übergeben. Anhand dieser Dokumente enttarnte das MfS zahlreiche V-Leute der Organisation Gehlen in der DDR und verhaftete sie im Zuge der Aktion "Feuerwerk". Geyer wurde mit Beginn der Verhaftungsaktion aus Westberlin abgezogen und am 9. November 1953 auf einer internationalen Pressekonferenz als reuiger Überläufer der Öffentlichkeit präsentiert. Auch als Zeuge beim Schauprozess im Dezember 1953 sollte er diese Rolle spielen.
Seine Zeugenaussage bezieht sich zunächst auf seine Anwerbung und Tätigkeit bei der Organisation Gehlen. Ziegler, der vorsitzende Richter, fragt besonders interessiert nach Geyers Kenntnissen über die Zusammenarbeit zwischen Organisation Gehlen und den amerikanischen Geheimdiensten CIA und CIC. Geyer erklärt auch einzelne Aufklärungsaufgaben der Filiale X/9592 in der DDR und in anderen Ostblockstaaten. Am Ende beschreibt er den Umgang mit V-Leuten und ihren Angehörigen innerhalb der Filiale.
[vorsitzender Richter Walter Ziegler:]
Ich bitte nunmehr den Zeugen Geyer aufzurufen.
[Schritte]
[vorsitzender Richter Walter Ziegler:]
Zeuge Geyer, ich habe Sie gestern bereits darauf hingewiesen, dass wenn Sie vom Gericht vernommen werden und Sie die reine Wahrheit sagen müssen und nichts Falsches aussagen dürfen, weil Sie sich sonst strafbar machen.
[Hans-Joachim Geyer:]
Ja.
[vorsitzender Richter Walter Ziegler:]
Ich weise Sie weiter darauf hin, dass Sie auf alle Fragen durch die Sie sich einer Strafverfolgung aussetzen würden, die Antwort - äh - verweigern dürfen.
Wenn Sie Falschaussagen machen, machen Sie sich strafbar. Sie müssen eventuell die Aussage beschwören, auch dann machen Sie sich strafbar. Wenn Sie eine Falschaussage beschwören noch im stärkeren Maße, als wenn Sie diese Aussage nicht beschwören.
Sie heißen mit Vornamen?
[Hans-Joachim Geyer:]
Hans-Joachim.
[vorsitzender Richter Walter Ziegler:]
Hans-Joachim. Von Beruf?
[Hans-Joachim Geyer:]
Schriftsteller.
[vorsitzender Richter Walter Ziegler:]
Wie alt sind Sie?
[Hans-Joachim Geyer:]
52 Jahre.
[vorsitzender Richter Walter Ziegler:]
Sie werden 53, ja?
[Hans-Joachim Geyer:]
52.
[vorsitzender Richter Walter Ziegler:]
Sie werden 53 Jahre alt.
[Hans-Joachim Geyer:]
Jawohl.
[vorsitzender Richter Walter Ziegler:]
Mit, - äh - wo wohnen Sie?
[Hans-Joachim Geyer:]
Falkensee, Döberitzerstraße 52.
[vorsitzender Richter Walter Ziegler:]
Falkensee.
[Hans-Joachim Geyer:]
Jawohl.
[vorsitzender Richter Walter Ziegler:]
Weiter!
[Hans-Joachim Geyer:]
Döberitzerstraße 52.
[vorsitzender Richter Walter Ziegler:]
Döberitzerstraße 52. Mit einem der Angeklagten nicht verwandt oder durch Adoption verbunden?
[Hans-Joachim Geyer:]
Nein.
[vorsitzender Richter Walter Ziegler:]
Nicht.
Nun Ange-, - äh - Zeuge, wie sind Sie zur Organisation Gehlen gekommen und auch wieder von dieser Organisation weg?
[Hans-Joachim Geyer:]
Ich bin auf dem Wege zur Suche einer Beschäftigung auf die Organisation Gehlen gestoßen. Ich bin mit dem Polster zusammengetroffen, der mich angesprochen hat. Polster alias Paulberg alias Prager.
Ich nahm an, dass ich eine normal-bürgerliche Tätigkeit aufnehmen könnte, da man mir sagte, es handele sich um eine Organisation, die den Zusammenschluss von Ost und West auf friedlichem Wege fördern wolle.
Ich musste aber schon nach kurzer Zeit feststellen, dass dem nicht so ist und alles was getan wurde nicht nützlich fürs Deutsche Reich ist. Ich habe ...
[vorsitzender Richter Walter Ziegler:]
Weil es nicht für die Einheit Deutschlands ist?
[Hans-Joachim Geyer:]
Ja, nicht für die Einheit Deutschlands.
[vorsitzender Richter Walter Ziegler:]
Ja.
[Hans-Joachim Geyer:]
... und musste mich davon überzeugen, dass es sich um eine reine Spionageorganisation handelt, die im amerikanischen Auftrage handelt und auch von diesen Amerikanern finanziert und geleitet wird.
[vorsitzender Richter Walter Ziegler:]
Das erfuhren Sie kurz nach der Aufnahme ihrer Tätigkeit dort.
[Hans-Joachim Geyer:]
Ja.
[vorsitzender Richter Walter Ziegler:]
Ja?
[Hans- Joachim Geyer:]
Ja und ich hatte nicht die Absicht für den Amerikaner tätig zu sein und beschloss in die DDR zurück zu gehen und mich den Organen der Regierung zu stellen.
[vorsitzender Richter Walter Ziegler:]
Ja.
[Hans-Joachim Geyer:]
Dann sachte ich mir aber, wenn ich jetzt so zurückgehe, ich kann noch nichts belegen, nichts gar nichts. Es ist besser ich arbeite einige Zeit mit um eindringen zu können, in den Apparat. Und die Erkenntnisse zu sammeln die notwendig sind um bei der Aufdeckung und Anprangerung dieser Verbrecherorganisation behilflich sein zu können.
Am 29. Oktober dieses Jahres war der Zeitpunkt gekommen. Ich kam rüber und brachte zum Beweis meiner Aufrichtigkeit die Unterlagen die notwendig waren ...
[vorsitzender Richter Walter Ziegler:]
Da glaubten Sie, dass Zeitpunkt gekommen sei, dass die Unterlagen, die Sie in der Zwischenzeit - äh - nun in Ihre Hände bringen konnten ...
[Hans-Joachim Geyer:]
Ja.
[vorsitzender Richter Walter Ziegler:]
... dass - äh - die dann genügen würden um Ihre Aufrichtigkeit des Aufgebens der Tätigkeit ...
[Hans-Joachim Geyer:]
Ja.
[vorsitzender Richter Walter Ziegler:]
... wenn Sie hier her kommen mit diesen Dokumenten zu beweisen.
[Hans-Joachim Geyer:]
Ja.
[vorsitzender Richter Walter Ziegler:]
Und haben dann den Entschluss durchgeführt?
[Hans-Joachim Geyer:]
Habe ich am 29. Oktober durchgeführt.
[vorsitzender Richter Walter Ziegler:]
Woraus haben Sie nun die Folgerung gezogen, dass der, dass die Gehlen-Spionageorganisation vom amerikanischen Geheimdienst gelenkt und finanziert wird?
[Hans-Joachim Geyer:]
Aus den Anweisungen, die von den oberen Stellen über die UV X, die sich unter dem Namen Firma Schlosser - äh - tarnte, zu uns kamen. Ähm - aus der Tatsache, dass den - äh - führenden Persönlichkeiten der Organisation monatlich Interzonenpässe zugestellt wurden, die mit dem Ankunftsstempel der Militärregierung Amerikas versehen war. Außerdem aus der Tatsache, dass den dem Führungspersonal diese sogenannte Sicherheitsnotnummer zugewiesen wurde, die beim CIC hinterlegt wurde. Äh - falls ein - äh - Leiter oder - äh - Führer dieser Organisation bei Ausübung seiner Tätigkeit in West-Berlin oder Westdeutschland - äh - mit der Polizei in Konflikt kommen würde, da hatte er die Anweisung eine - äh - diese, ihm zugeteilte Sicherheitsnotnummer zu nennen und einen Offizier des CIC zu verlangen.
[vorsitzender Richter Walter Ziegler:]
Ja.
[Hans-Joachim Geyer:]
Dieser Offizier des - äh, äh - amerikanischen Geheimdienstes hatte ein Verzeichnis oder fragte dann auf seiner Dienststelle nach, dort war die Notnummer hinterlegt und die aufgekommenen Schwierigkeiten wurden dann beigelegt.
[vorsitzender Richter Walter Ziegler:]
Zeuge, treten Sie doch bitte einen halben Schritt nach rechts, damit Sie wirklich ins Mikrophon sprechen und die Zuhörer auch was verstehen können.
Und die finanzielle Seite, dass da also die Mittel aus amerikanischen Quellen stammten?
[Hans-Joachim Geyer:]
Das ist daraus ersichtlich, dass sie - äh, ähm - Instrumente, die für die Agenten notwendig waren um die Spionage durchzuführen, auch von den Amerikanern geliefert wurden: die Funkapparate, die Telefonkabel, alles rein amerikanischer Herkunft.
[vorsitzender Richter Walter Ziegler:]
Das haben Sie dabei festgestellt.
[Hans-Joachim Geyer:]
Jawohl.
[vorsitzender Richter Walter Ziegler:]
Welche Aufgabe hatte Ihre Filiale? Das war die Filiale 9592.
[Hans-Joachim Geyer:]
X9592.
[vorsitzender Richter Walter Ziegler:]
Wie war die getarnt, unter welchen Namen?
[Hans-Joachim Geyer:]
Getarnt unter dem Namen Firma Nordland.
[vorsitzender Richter Walter Ziegler:]
Firma Nordland.
[Hans-Joachim Geyer:]
Ja.
[vorsitzender Richter Walter Ziegler:]
Was war die Aufgabe dieser Filiale?
[Hans-Joachim Geyer:]
Die Aufgabe der Filiale bestand darin ein Agentennetz aufzuziehen, hier in der DDR, mit dem Ziel militärische Objekte zu klären, Wirtschaftsspionage zu treiben, Sabotage durchzuführen. Und darüber hinaus eine Abteilung zu bilden "Tiefe und Forschung" mit dem ersten November dieses Jahres, die die Aufgabe hatte in die Volksdemokratien einzudringen vornehmlich Polen, UdSSR und auch außerdem in Westdeutschland arbeitet.
[vorsitzender Richter Walter Ziegler:]
Nach Westdeutschland und da ...
Nach Westdeutschland?
[Hans-Joachim Geyer:]
Äh - nach Frankreich.
[vorsitzender Richter Walter Ziegler:]
Nach Frankreich?
[Hans-Joachim Geyer:]
Westeuropa, ja.
[vorsitzender Richter Walter Ziegler:]
Westeuropa, insbesondere Frankreich.
[Hans-Joachim Geyer:]
Insbesondere Frankreich.
[vorsitzender Richter Walter Ziegler:]
War China auch mit in die Erwägung gezogen?
[Hans-Joachim Geyer:]
Darüber ist mir nichts bekannt.
[vorsitzender Richter Walter Ziegler:]
Ist Ihnen nichts bekannt.
Sie kennen einige der Angeklagten?
[Hans-Joachim Geyer:]
Persönlich nicht.
[vorsitzender Richter Walter Ziegler:]
Persönlich nicht?
[Hans-Joachim Geyer:]
Die Agenten kenne ich nur aktenmäßig.
[vorsitzender Richter Walter Ziegler:]
Aktenmäßig?
[Hans-Joachim Geyer:]
Ja, von den Angeklagten, die hier vor Gericht stehen ...
[vorsitzender Richter Walter Ziegler:]
... kennen Sie einige aktenmäßig?
[Hans-Joachim Geyer:]
Aktenmäßig.
[vorsitzender Richter Walter Ziegler:]
Wen kennen Sie aktenmäßig?
[Hans-Joachim Geyer:]
Oestereich alias Oetker, der VEB Schiffselektrik in Wismar tätig war und Information über die Vorgänge innerhalb des Betriebes lieferte.
[vorsitzender Richter Walter Ziegler:]
Ja.
[Hans-Joachim Geyer:]
Dann Schwenk alias Schweizer, Lehrer in Brotstedt, der als Funker ausgebildet wurde.
Und den Angeklagten Schneider alias Schanberg,
[vorsitzender Richter Walter Ziegler:]
Mh.
[Hans-Joachim Geyer:]
Der bei der, bei dem Ministerium für Aufbau tätig war und Informationen über Planung und - äh - Bau wirtschaftlicher Objekte innerhalb der DDR Informationen lieferte.
[vorsitzender Richter Walter Ziegler:]
Wie wurden denn die Berichte dieser Agenten von den vorgesetzten Stellen bewertet?
[Hans-Joachim Geyer:]
Tja, die Beurteilung dieser Berichte waren verschieden. Es kam ungefähr 14 Tage nach Abgabe eines Berichts die Beurteilung. Zum Teil wurden sie als gut, brauchbar, zum Teil auch als ungenügend bewertet.
[vorsitzender Richter Walter Ziegler:]
Ist Ihnen einer als ungenügend bekannt?
[Hans-Joachim Geyer:]
Na, das ist sehr selten vorgekommen. Das ist nur in einem Fall. Ich kann mich aber dieses Agenten ...
[vorsitzender Richter Walter Ziegler:]
Betraf das einen der Angeklagten, die Sie also aus ihrer Tätigkeit kennen?
[Hans-Joachim Geyer:]
Nein, nein, nein.
[vorsitzender Richter Walter Ziegler:]
Da kam keiner als unbrauchbar zurück?
[Hans-Joachim Geyer:]
Nein.
[vorsitzender Richter Walter Ziegler:]
Es wurden doch auch teilweise Agenten abgeschaltet, ja?
[Hans-Joachim Geyer:]
Ja, abgeschaltet wurden nur die Agenten, die ...
[vorsitzender Richter Walter Ziegler:]
In welcher Form geschah denn das?
[Hans-Joachim Geyer:]
Also ...
[vorsitzender Richter Walter Ziegler:]
Wissen Sie darüber was?
[Hans-Joachim Geyer:]
Wenn die Nachricht - äh - bis zur Filiale vordrang, dass einer der Agenten, hier in der DDR, verhaftet wurde, dann wurde er einfach abgeschaltet. Das heißt der Filialleiter schrieb einen Abschaltmeldung an die vorgesetzte Dienstelle. Er teilte nicht mit, dass der Agent verhaftet wurde, sondern teilte einfach mit: "Der Agent nummero so und so hat sich seit mehreren Wochen oder Monaten nicht mehr gemeldet und bitte ihn in den Listen zu streichen". Er hat niemals nach oben berichtet, was dem Agent zugestoßen ist.
[vorsitzender Richter Walter Ziegler:]
Und in welcher Form wurden dann eventuell mit Angehörigen, die doch den Weg zur Spionageagentur fanden, verfahren?
[Hans-Joachim Geyer:]
Wenn wirklich ein Angehöriger eines - äh - verhafteten Agenten den Weg zur Filiale fand, was ganz selten vorkam ...
[vorsitzender Richter Walter Ziegler:]
Kam das vor?
[Hans-Joachim Geyer:]
Mir ist nur ein Fall bekannt.
[vorsitzender Richter Walter Ziegler:]
Ein Fall ist Ihnen bekannt?
[Hans-Joachim Geyer:]
Ja, dass eine hochschwangere Frau eines hier verhafteten Agenten zum Filialleiter kam und er ihr in meinem Beisein einen kleinen Geldschein zu warf und sagte: "Sie müssen nicht denken, dass wir einen Versicherungsanstalt sind, die nie, die Ihnen nun auf Lebenszeit eine Rente zahlt. Wer diese Tätigkeit aufnimmt, der muss vom ersten Tag an damit rechnen, dass er hoch geht".
[vorsitzender Richter Walter Ziegler:]
Wie wirkte dieses Verhalten auf Sie?
[Hans-Joachim Geyer:]
Das hat mich angeekelt. Und das hat mich eigentlich in meinem Beschluss, den ich ja schon gefasst hatte, hier rüber zu gehen, sehr bestärkt. Das war nicht einfach für mich unter diesen Umständen - äh - dort länger mit ihm zusammen zu arbeiten, aber ich tat es um erst den Zeitpunkt zu erreichen.
[vorsitzender Richter Walter Ziegler:]
Nun das sagten Sie uns schon.
Sind noch Fragen an den Zeugen zu richten?
Der Generalstaatsanwalt.
[Generalstaatsanwalt Dr. Ernst Melsheimer:]
Die Mitwirkung, die maßgebliche Wirkung der Amerikaner auf den ganzen Gehlen-Apparat machte sich auch, außer den Umständen, die Sie bisher gesagt haben, noch durch einen anderen Umstand kennbar.
Welches ist der andere Umstand, den ich im Auge habe? Traten die Amerikaner in Erscheinung so?
[Hans-Joachim Geyer:]
Nein.
[Generalstaatsanwalt Dr. Ernst Melsheimer:]
Kamen sie in uniformen von CIC ...
[Hans-Joachim Geyer:]
Nein.
[Generalstaatsanwalt Dr. Ernst Melsheimer:]
... oder irgendwie in Uniformen rein in die Filialen und sowas?
[Hans-Joachim Geyer:]
Nein.
[Generalstaatsanwalt Dr. Ernst Melsheimer:]
Es wurden doch diese Sachen doch geheim gehalten.
[Hans-Joachim Geyer:]
Ja.
[Generalstaatsanwalt Dr. Ernst Melsheimer:]
Aber ...
[Hans-Joachim Geyer:]
Es kam kein Amerikaner ...
[vorsitzender Richter Walter Ziegler:]
Sprechen Sie bitte ins Mikrophon.
[Hans-Joachim Geyer:]
Es kam kein Amerikaner in Uniform oder in zivil zur Filiale.
[Generalstaatsanwalt Dr. Ernst Melsheimer:]
Aha! Dennoch ist ihnen aber bekannt, so haben Sie jedenfalls bei ihrem Zeugenschaffen Vernehmungen früher einmal gesagt, dass die Amerikaner im Einzelnen auch die Arbeit und die Sicherheit der Unterbringungen und so weiter von Dokumenten ...
[Hans-Joachim Geyer:]
Das stimmt.
[Generalstaatsanwalt Dr. Ernst Melsheimer:]
... kontrollierten.
[Hans-Joachim Geyer:]
Das stimmt.
[Generalstaatsanwalt Dr. Ernst Melsheimer:]
Das stimmt?
[Hans-Joachim Geyer:]
Ein persönlicher Fall ist mir nur aus den Reden des - äh - Filialleiters Polster alias Paulberg bekannt, der mir erzählte, dass im März dieses Jahres, als das Büro der Filiale sich noch in seiner Privatwohnung befand, die amerikanische Geheimpolizei gekommen ist und hat die Unterbringung der Akten auf Sicherheit überprüft.
[Generalstaatsanwalt Dr. Ernst Melsheimer:]
Ah - ein CIC Mann? Ein CIC Mann ist in der Wohnung gewesen?
[Hans-Joachim Geyer:]
Es sind seiner Rede nach zwei gewesen.
[Generalstaatsanwalt Dr. Ernst Melsheimer:]
Zwei gewesen?
[Hans-Joachim Geyer:]
Ja.
[Generalstaatsanwalt Dr. Ernst Melsheimer:]
... und haben seine Wohnung auf Sicherheit kontrolliert?
[Hans-Joachim Geyer:]
Jawohl.
[Generalstaatsanwalt Dr. Ernst Melsheimer:]
Sicherheit der Unterbringung.
[Hans-Joachim Geyer:]
Ja.
[Generalstaatsanwalt Dr. Ernst Melsheimer:]
Und noch eine Frage. Der - äh ... Es gab doch für besonders wichtige, wertvolle Agenten, insbesondere für solche die - äh - in der Deutschen Demokratischen Republik tätig sein sollten ohne einen - äh - Ausweis, einen gültigen Ausweis zu haben. Für die wurden doch Ausweiße gemacht?
[Hans-Joachim Geyer:]
Ja, da hatte die - äh - vorgesetzte Dienstelle diese Ausweiße beschafft, die haben's gefälscht.
[Generalstaatsanwalt Dr. Ernst Melsheimer:]
Die wurden gefälscht?
[Hans-Joachim Geyer:]
Ja.
[Generalstaatsanwalt Dr. Ernst Melsheimer:]
Und zwar? Von wem wurden diese Ausweise besorgt?
[Hans-Joachim Geyer:]
Ja, ausgestellt wurden sie wohl von den oberen Dienststellen.
[Generalstaatsanwalt Dr. Ernst Melsheimer:]
Oberen Dienststellen?
[Hans-Joachim Geyer:]
Vielleicht von der Generaldirektion oder von der Generalvertretung.
[Generalstaatsanwalt Dr. Ernst Melsheimer:]
Mh. Zu Ihnen in die Filiale kam das fertige Dokument?
[Hans-Joachim Geyer:]
Das fertige Dokument, ja.
[Generalstaatsanwalt Dr. Ernst Melsheimer:]
Täuschend nachgemacht?
[Hans-Joachim Geyer:]
Genau.
[Generalstaatsanwalt Dr. Ernst Melsheimer:]
Genau?
[Hans-Joachim Geyer:]
Ja.
[Generalstaatsanwalt Dr. Ernst Melsheimer:]
Keinen Unterschied zu sehen?
[Hans-Joachim Geyer:]
Nein.
[Schritte]
[vorsitzender Richter Walter Ziegler:]
Weitere Fragen an den Zeugen?
Seitens der Verteidiger?
Haben die Angeklagten zu Aussagen des Zeugen etwas zu sagen?
Ist nicht der Fall.
Bestehen Bedenken gegen die Entlassung des Zeugen?
Keine.
Zeuge, Sie sind damit entlassen. Sie können gehen oder im Zuhörerraum hier vorne weiter Platz nehmen und der Verhandlung folgen.
Hauptabteilung IX (Untersuchungsorgan)
Die Hauptabteilung IX war die für strafrechtliche Ermittlungen und Strafverfolgung zuständige Diensteinheit. Sie hatte wie die nachgeordneten Abteilung IX in den Bezirksverwaltung (BV) (Linie IX) die Befugnisse eines Untersuchungsorgans, d. h. einer kriminalpolizeilichen Ermittlungsbehörde. Ursprünglich vor allem für die sog. Staatsverbrechen zuständig, befasste sie sich in der Honecker-Ära überwiegend mit Straftaten gegen die staatliche Ordnung, vor allem mit Fällen "ungesetzlichen Grenzübertritts" und Delikten, die mit Ausreisebegehren zu tun hatten. Nach StPO der DDR standen auch die Ermittlungsverfahren der Linie IX unter Aufsicht der Staatsanwaltschaft, in der Praxis arbeitete das MfS hier jedoch weitgehend eigenständig.
Die Hauptabteilung IX und die Abteilungen IX der BV waren berechtigt, Ermittlungsverfahren einzuleiten sowie Festnahmen, Vernehmungen, Durchsuchungen, Beschlagnahmen und andere strafprozessuale Handlungen vorzunehmen sowie verpflichtet, diese Verfahren nach einer bestimmten Frist - meist durch die Übergabe an die Staatsanwaltschaft zur Anklageerhebung - zum Abschluss zu bringen (Untersuchungsvorgang). Daneben führte sie Vorermittlungen zur Feststellung von Ursachen und Verantwortlichen bei Großhavarien (industriellen Störfällen), Flugblättern widerständigen Inhalts, öffentlichen Protesten u. ä. (Vorkommnisuntersuchung, Sachverhaltsprüfung).
Die Hauptabteilung IX gehörte zeit ihres Bestehens zum Anleitungsbereich Mielkes, in den ersten Jahren in seiner Funktion als Staatssekretär und 1. stellv. Minister, ab 1957 als Minister. Ihre Leiter waren Alfred Karl Scholz (1950-1956), Kurt Richter (1956-1964), Walter Heinitz (1964-1973) und Rolf Fister (1973-1989).
1953 bestand die Hauptabteilung IX aus drei Abteilungen, die für Spionagefälle, Fälle politischer "Untergrundtätigkeit" und die Anleitung der Abt. IX der BV zuständig waren. Durch Ausgliederungen entstanden weitere Abteilungen, so u. a. für Wirtschaftsdelikte, Militärstraftaten, Delikte von MfS-Angehörigen und Fluchtfälle. Ende 1988 bestand die Hauptabteilung IX aus zehn Untersuchungsabteilungen sowie der Auswertungs- und Kontrollgruppe (AKG) und der AGL (Arbeitsgruppe des Ministers (AGM)) mit insgesamt 489 Mitarbeitern. Auf der Linie IX arbeiteten 1.225 hauptamtliche Mitarbeiter.
Die Linie IX wirkte eng mit den Abteilung XIV (Haft) und der Linie VIII (Beobachtung, Ermittlung), die für die Durchführung der Festnahmen zuständig waren, zusammen. Bei der juristischen Beurteilung von Operativen Vorgängen (OV) wurde die Hauptabteilung IX von den geheimdienstlich arbeitenden Diensteinheiten häufig einbezogen.
Hauptabteilung IX (Untersuchungsorgan)
Die Hauptabteilung IX war die für strafrechtliche Ermittlungen und Strafverfolgung zuständige Diensteinheit. Sie hatte wie die nachgeordneten Abteilung IX in den Bezirksverwaltung (BV) (Linie IX) die Befugnisse eines Untersuchungsorgans, d. h. einer kriminalpolizeilichen Ermittlungsbehörde. Ursprünglich vor allem für die sog. Staatsverbrechen zuständig, befasste sie sich in der Honecker-Ära überwiegend mit Straftaten gegen die staatliche Ordnung, vor allem mit Fällen "ungesetzlichen Grenzübertritts" und Delikten, die mit Ausreisebegehren zu tun hatten. Nach StPO der DDR standen auch die Ermittlungsverfahren der Linie IX unter Aufsicht der Staatsanwaltschaft, in der Praxis arbeitete das MfS hier jedoch weitgehend eigenständig.
Die Hauptabteilung IX und die Abteilungen IX der BV waren berechtigt, Ermittlungsverfahren einzuleiten sowie Festnahmen, Vernehmungen, Durchsuchungen, Beschlagnahmen und andere strafprozessuale Handlungen vorzunehmen sowie verpflichtet, diese Verfahren nach einer bestimmten Frist - meist durch die Übergabe an die Staatsanwaltschaft zur Anklageerhebung - zum Abschluss zu bringen (Untersuchungsvorgang). Daneben führte sie Vorermittlungen zur Feststellung von Ursachen und Verantwortlichen bei Großhavarien (industriellen Störfällen), Flugblättern widerständigen Inhalts, öffentlichen Protesten u. ä. (Vorkommnisuntersuchung, Sachverhaltsprüfung).
Die Hauptabteilung IX gehörte zeit ihres Bestehens zum Anleitungsbereich Mielkes, in den ersten Jahren in seiner Funktion als Staatssekretär und 1. stellv. Minister, ab 1957 als Minister. Ihre Leiter waren Alfred Karl Scholz (1950-1956), Kurt Richter (1956-1964), Walter Heinitz (1964-1973) und Rolf Fister (1973-1989).
1953 bestand die Hauptabteilung IX aus drei Abteilungen, die für Spionagefälle, Fälle politischer "Untergrundtätigkeit" und die Anleitung der Abt. IX der BV zuständig waren. Durch Ausgliederungen entstanden weitere Abteilungen, so u. a. für Wirtschaftsdelikte, Militärstraftaten, Delikte von MfS-Angehörigen und Fluchtfälle. Ende 1988 bestand die Hauptabteilung IX aus zehn Untersuchungsabteilungen sowie der Auswertungs- und Kontrollgruppe (AKG) und der AGL (Arbeitsgruppe des Ministers (AGM)) mit insgesamt 489 Mitarbeitern. Auf der Linie IX arbeiteten 1.225 hauptamtliche Mitarbeiter.
Die Linie IX wirkte eng mit den Abteilung XIV (Haft) und der Linie VIII (Beobachtung, Ermittlung), die für die Durchführung der Festnahmen zuständig waren, zusammen. Bei der juristischen Beurteilung von Operativen Vorgängen (OV) wurde die Hauptabteilung IX von den geheimdienstlich arbeitenden Diensteinheiten häufig einbezogen.
Anwerbung war in den Jahren 1950 bis 1968 die Bezeichnung des MfS für die Werbung von IM für die konspirative Arbeit. Im Vorfeld der Anwerbung war die Person sorgfältig, aber konspirativ zu überprüfen. In der Regel hatte der Angeworbene die Bereitschaft zur Kooperation schriftlich zu erklären und sich dabei einen Decknamen auszuwählen. Über die Anwerbung selbst war vom Führungsoffizier ein detaillierter Bericht zu fertigen.
Anwerbung war in den Jahren 1950 bis 1968 die Bezeichnung des MfS für die Werbung von IM für die konspirative Arbeit. Im Vorfeld der Anwerbung war die Person sorgfältig, aber konspirativ zu überprüfen. In der Regel hatte der Angeworbene die Bereitschaft zur Kooperation schriftlich zu erklären und sich dabei einen Decknamen auszuwählen. Über die Anwerbung selbst war vom Führungsoffizier ein detaillierter Bericht zu fertigen.
Von 1950 bis 1968 geltende Bezeichnung für inoffizielle Mitarbeiter mit tatsächlichem oder potenziellem Zugang zu Personen oder Organisationen, die vom MfS als feindlich eingestuft wurden. Vor allem in den 50er Jahren kamen GM häufig auch im Westen zum Einsatz. Sie sollten "wertvolle Angaben" über Spionage und "illegale, antidemokratische" Aktivitäten beschaffen, gegen "feindliche Zentralen" und "Untergrundgruppen" wirken, bei der direkten "Bearbeitung" von verdächtigen Personen eingesetzt werden, "Feinde" beobachten, ferner Beweise für "Feindtätigkeit" gewinnen und zur "Zersetzung", "Zerschlagung von feindlichen Gruppierungen" beitragen. 1968 wurde diese Kategorie in IMV und IMF gesplittet.
Von 1950 bis 1968 geltende Bezeichnung für inoffizielle Mitarbeiter mit tatsächlichem oder potenziellem Zugang zu Personen oder Organisationen, die vom MfS als feindlich eingestuft wurden. Vor allem in den 50er Jahren kamen GM häufig auch im Westen zum Einsatz. Sie sollten "wertvolle Angaben" über Spionage und "illegale, antidemokratische" Aktivitäten beschaffen, gegen "feindliche Zentralen" und "Untergrundgruppen" wirken, bei der direkten "Bearbeitung" von verdächtigen Personen eingesetzt werden, "Feinde" beobachten, ferner Beweise für "Feindtätigkeit" gewinnen und zur "Zersetzung", "Zerschlagung von feindlichen Gruppierungen" beitragen. 1968 wurde diese Kategorie in IMV und IMF gesplittet.
Organisationsstruktur in der MfS-Zentrale, die durch den Minister oder einen seiner Stellvertreter direkt angeleitet wurde. Die zuletzt 13 Hauptabteilungen wurden durch Einzelleiter geführt. Die weiter untergliederten und nach dem Linienprinzip tätigen HA waren für komplexe, abgegrenzte Bereiche operativ zuständig und federführend verantwortlich. Der Zuschnitt der Zuständigkeitsbereiche war an Ressorts oder geheimdienstlichen Praktiken (z. B. Verkehrswesen, Beobachtung, Funkspionage) orientiert.
Organisationsstruktur in der MfS-Zentrale, die durch den Minister oder einen seiner Stellvertreter direkt angeleitet wurde. Die zuletzt 13 Hauptabteilungen wurden durch Einzelleiter geführt. Die weiter untergliederten und nach dem Linienprinzip tätigen HA waren für komplexe, abgegrenzte Bereiche operativ zuständig und federführend verantwortlich. Der Zuschnitt der Zuständigkeitsbereiche war an Ressorts oder geheimdienstlichen Praktiken (z. B. Verkehrswesen, Beobachtung, Funkspionage) orientiert.
Das MfS hat als ein Instrument der DDR, insbesondere der SED-Führung, die politischen Interessen des Staates inoffiziell in der Bundesrepublik Deutschland unterstützt. Die Westarbeit des MfS bestand aus Spionageaktivitäten, also der nachrichtendienstlichen Beschaffung von Informationen, Patenten, Verfahren und Mustern durch das MfS.
Die Bezeichnungen Westarbeit und Spionage meinen in diesem Kontext das, was beim MfS mit "operative Arbeit im und nach dem Operationsgebiet" bezeichnet wird. Im engeren Sinne also die Arbeit mit Inoffiziellen Mitarbeitern im "Operationsgebiet", bei dem es sich überwiegend um die Bundesrepublik Deutschland und Westberlin handelte, aber auch die in der NATO und der Europäischen Gemeinschaft verbundenen Staaten einschloss.
Im weiteren Sinne fallen darunter auch die Funkaufklärung und der Einsatz von Offizieren im besonderen Einsatz in Botschaften, Konsulaten usw. Erfolgte diese operative Arbeit bis Anfang der 70er Jahre wesentlich "illegal", ergaben sich mit der zunehmenden Anerkennung der DDR auch verstärkt "legale" Zugänge über die Einrichtung von Botschaften, von denen aus das MfS mit "legal abgedeckten Residenturen" arbeiten konnte.
Für die Beschaffung von wissenschaftlich-technischen, politischen und militärischen Informationen war vor allem die Hauptverwaltung A zuständig, aber nahezu gleichrangig zahlreiche Abwehrdiensteinheiten des MfS. Die Hauptabteilung I, in der DDR für die Absicherung des Militärkomplexes verantwortlich, erkundete auch die Bundeswehr, den Bundesgrenzschutz, den Zollgrenzdienst, die Bayerische Grenzpolizei und diverse Einrichtungen der NATO.
Die Hauptabteilung II, mit der "offensiven Abwehr" ausländischer Nachrichtendienste in der DDR befasst, arbeitete zeitweise auch gegen den Bundesnachrichtendienst, das Bundesamt und die Landesämter für Verfassungsschutz sowie den Militärischen Abschirmdienst. Die Hauptabteilung VI überwachte neben dem Ein-, Ausreise- und Transitverkehr in der DDR auch den über innerdeutsche Grenzen hinaus von und nach Westberlin.
Die Hauptabteilung VII unterhielt im "Operationsgebiet" ebenfalls ein Netz, das im klassischen Sinne kriminelle Aktivitäten wie Schmuggel aufzuklären hatte. Die Hauptabteilung VIII war für Ermittlungen und Beobachtungen zuständig. Zugleich war sie Servicediensteinheit für alle Diensteinheiten des MfS, indem sie den Informationsbedarf über Bundesbürger bediente.
Neben der Sicherungsarbeit in den Bereichen Staatsapparat, Blockparteien und "politischer Untergrundtätigkeit" war die Hauptabteilung XX im "Operationsgebiet" für alle Einrichtungen zuständig, die sich mit der DDR befassten. Im Visier der Hauptabteilung XXII standen links- und rechtsextremistische, überwiegend terroristische Gruppen.
Schließlich wäre auf Hauptabteilungsebene noch die Zentrale Kontrollgruppe anzuführen, die sich mit besonders DDR-kritischen Gruppen befasste, wie z. B. der Internationalen Gesellschaft für Menschenrechte oder den Fluchthilfeorganisationen. Mit der Westarbeit waren nicht allein die zentralen Abwehrdiensteinheiten befasst, sondern ihre Linien (Linienprinzip) erstreckten sich meist auch auf Bezirks- und im Einzelfall auf Kreisverwaltungsebene des MfS.
In den Kontext der Westarbeit sind auch die etwa 400 Entführungen von Bürgern aus der Bundesrepublik Deutschland und Westberlin zu zählen sowie vereinzelte Versuche und Erwägungen, Bürger zu töten, wobei bislang ein Mord nicht nachgewiesen ist. Das MfS selbst verstand unter der "Arbeit im und nach dem Operationsgebiet" die "Gesamtheit der politisch-operativen Kräfte des MfS im Operationsgebiet und die Nutzung solcher Personen aus dem Operationsgebiet, die zur Erfüllung operativer Aufgaben geeignet sind".
Die HV A und ihre Abteilungen XV in den Bezirksverwaltungen arbeiteten nach Schwerpunkten im "Operationsgebiet", ihre innere Struktur drückte die entsprechende Interessenlage aus.
Demnach konzentrierte sich die Abt. I auf Politik und strategische Absichten der Bundesregierung, die Abt. II auf die Parteien, Gewerkschaften, Landsmannschaften im "Operationsgebiet", die Abt. III steuerte die operative Arbeit der "legal abgedeckten Residenturen" in DDR-Botschaften, Konsulaten und Handelseinrichtungen, und die Abt. IV beschäftigte sich mit den militärischen Zentren" in der Bundesrepublik Deutschland, wozu das Bundesministerium der Verteidigung, Wehrbezirkskommandos der Bundeswehr und diverse US-amerikanische Einrichtungen gehörten. Die Abt. IX befasste sich mit westlichen Nachrichtendiensten, die Abt. XI mit den USA und die Abt. XII mit der NATO.
Die Abteilungen XIII bis XV gehörten zum Sektor Wissenschaft und Technik, der systematisch Patente, Verfahren und Muster für die DDR- und osteuropäische Forschung und Wirtschaft beschaffte. Schwerpunkte waren die Fachgebiete Energie, Biologie, Chemie, Elektronik, Elektrotechnik und Maschinenbau sowie das Bemühen, die Embargopolitik zu unterlaufen. Für offizielle, mithin dienstliche Kontakte zwischen beispielsweise DDR- und bundesdeutschen Wissenschaftlern oder Politikern war eigens die Abt. XVI der HV A zuständig, die auf diesem Weg an relevante Informationen gelangen sollte.
Während all diese Abteilungen der HV A überwiegend informationsbeschaffend tätig waren, verfügte sie mit der Abt. X eigens über eine Struktureinheit, die systematisch aktive Maßnahmen in der Bundesrepublik zu entfalten suchte.
Das MfS hat als ein Instrument der DDR, insbesondere der SED-Führung, die politischen Interessen des Staates inoffiziell in der Bundesrepublik Deutschland unterstützt. Die Westarbeit des MfS bestand aus Spionageaktivitäten, also der nachrichtendienstlichen Beschaffung von Informationen, Patenten, Verfahren und Mustern durch das MfS.
Die Bezeichnungen Westarbeit und Spionage meinen in diesem Kontext das, was beim MfS mit "operative Arbeit im und nach dem Operationsgebiet" bezeichnet wird. Im engeren Sinne also die Arbeit mit Inoffiziellen Mitarbeitern im "Operationsgebiet", bei dem es sich überwiegend um die Bundesrepublik Deutschland und Westberlin handelte, aber auch die in der NATO und der Europäischen Gemeinschaft verbundenen Staaten einschloss.
Im weiteren Sinne fallen darunter auch die Funkaufklärung und der Einsatz von Offizieren im besonderen Einsatz in Botschaften, Konsulaten usw. Erfolgte diese operative Arbeit bis Anfang der 70er Jahre wesentlich "illegal", ergaben sich mit der zunehmenden Anerkennung der DDR auch verstärkt "legale" Zugänge über die Einrichtung von Botschaften, von denen aus das MfS mit "legal abgedeckten Residenturen" arbeiten konnte.
Für die Beschaffung von wissenschaftlich-technischen, politischen und militärischen Informationen war vor allem die Hauptverwaltung A zuständig, aber nahezu gleichrangig zahlreiche Abwehrdiensteinheiten des MfS. Die Hauptabteilung I, in der DDR für die Absicherung des Militärkomplexes verantwortlich, erkundete auch die Bundeswehr, den Bundesgrenzschutz, den Zollgrenzdienst, die Bayerische Grenzpolizei und diverse Einrichtungen der NATO.
Die Hauptabteilung II, mit der "offensiven Abwehr" ausländischer Nachrichtendienste in der DDR befasst, arbeitete zeitweise auch gegen den Bundesnachrichtendienst, das Bundesamt und die Landesämter für Verfassungsschutz sowie den Militärischen Abschirmdienst. Die Hauptabteilung VI überwachte neben dem Ein-, Ausreise- und Transitverkehr in der DDR auch den über innerdeutsche Grenzen hinaus von und nach Westberlin.
Die Hauptabteilung VII unterhielt im "Operationsgebiet" ebenfalls ein Netz, das im klassischen Sinne kriminelle Aktivitäten wie Schmuggel aufzuklären hatte. Die Hauptabteilung VIII war für Ermittlungen und Beobachtungen zuständig. Zugleich war sie Servicediensteinheit für alle Diensteinheiten des MfS, indem sie den Informationsbedarf über Bundesbürger bediente.
Neben der Sicherungsarbeit in den Bereichen Staatsapparat, Blockparteien und "politischer Untergrundtätigkeit" war die Hauptabteilung XX im "Operationsgebiet" für alle Einrichtungen zuständig, die sich mit der DDR befassten. Im Visier der Hauptabteilung XXII standen links- und rechtsextremistische, überwiegend terroristische Gruppen.
Schließlich wäre auf Hauptabteilungsebene noch die Zentrale Kontrollgruppe anzuführen, die sich mit besonders DDR-kritischen Gruppen befasste, wie z. B. der Internationalen Gesellschaft für Menschenrechte oder den Fluchthilfeorganisationen. Mit der Westarbeit waren nicht allein die zentralen Abwehrdiensteinheiten befasst, sondern ihre Linien (Linienprinzip) erstreckten sich meist auch auf Bezirks- und im Einzelfall auf Kreisverwaltungsebene des MfS.
In den Kontext der Westarbeit sind auch die etwa 400 Entführungen von Bürgern aus der Bundesrepublik Deutschland und Westberlin zu zählen sowie vereinzelte Versuche und Erwägungen, Bürger zu töten, wobei bislang ein Mord nicht nachgewiesen ist. Das MfS selbst verstand unter der "Arbeit im und nach dem Operationsgebiet" die "Gesamtheit der politisch-operativen Kräfte des MfS im Operationsgebiet und die Nutzung solcher Personen aus dem Operationsgebiet, die zur Erfüllung operativer Aufgaben geeignet sind".
Die HV A und ihre Abteilungen XV in den Bezirksverwaltungen arbeiteten nach Schwerpunkten im "Operationsgebiet", ihre innere Struktur drückte die entsprechende Interessenlage aus.
Demnach konzentrierte sich die Abt. I auf Politik und strategische Absichten der Bundesregierung, die Abt. II auf die Parteien, Gewerkschaften, Landsmannschaften im "Operationsgebiet", die Abt. III steuerte die operative Arbeit der "legal abgedeckten Residenturen" in DDR-Botschaften, Konsulaten und Handelseinrichtungen, und die Abt. IV beschäftigte sich mit den militärischen Zentren" in der Bundesrepublik Deutschland, wozu das Bundesministerium der Verteidigung, Wehrbezirkskommandos der Bundeswehr und diverse US-amerikanische Einrichtungen gehörten. Die Abt. IX befasste sich mit westlichen Nachrichtendiensten, die Abt. XI mit den USA und die Abt. XII mit der NATO.
Die Abteilungen XIII bis XV gehörten zum Sektor Wissenschaft und Technik, der systematisch Patente, Verfahren und Muster für die DDR- und osteuropäische Forschung und Wirtschaft beschaffte. Schwerpunkte waren die Fachgebiete Energie, Biologie, Chemie, Elektronik, Elektrotechnik und Maschinenbau sowie das Bemühen, die Embargopolitik zu unterlaufen. Für offizielle, mithin dienstliche Kontakte zwischen beispielsweise DDR- und bundesdeutschen Wissenschaftlern oder Politikern war eigens die Abt. XVI der HV A zuständig, die auf diesem Weg an relevante Informationen gelangen sollte.
Während all diese Abteilungen der HV A überwiegend informationsbeschaffend tätig waren, verfügte sie mit der Abt. X eigens über eine Struktureinheit, die systematisch aktive Maßnahmen in der Bundesrepublik zu entfalten suchte.
Vernehmung von Walter Schneider im Schauprozess gegen ihn wegen Spionage für die Organisation Gehlen Audio, 41 Minuten, 45 Sekunden
Eröffnung des Schauprozesses gegen Werner Haase und Weitere wegen Spionage für die Organisation Gehlen Audio, 41 Minuten, 8 Sekunden
Vernehmung von Karl-Heinz Schmidt im Schauprozess gegen ihn wegen Spionage für die Organisation Gehlen Audio, 58 Minuten, 21 Sekunden
Vernehmung von Werner Haase im Schauprozess gegen ihn und Weitere wegen Spionage für die Organisation Gehlen (Teil 2) Audio, 58 Minuten, 26 Sekunden