Signatur: BStU, MfS, HA IX, Tb, Nr. 3262
Vom 18. bis 21. Dezember 1953 fand vor dem Obersten Gericht der DDR ein auch als "Gehlen-Prozess" bekannter Schauprozess wegen Spionage im Auftrag der Organisation Gehlen statt.
Die Angeklagten Werner Haase, Siegfried Altkrüger, Walter Rennert, Karl-Heinz Schmidt, Rolf Oesterreich, Walter Schneider und Helmut Schwenk waren alle in unterschiedlichen Funktionen für die Organisation Gehlen – dem Vorläufer des Bundesnachrichtendienstes – tätig gewesen. Im Zuge der Aktion "Feuerwerk" von der DDR-Staatssicherheit verhaftet bzw. im Fall von Werner Haase entführt, wurden sie zu hohen Zuchthausstrafen verurteilt. Der Prozess war eine propagandistische Inszenierung und damit Teil der medialen SED-Kampagne gegen die Organisation Gehlen, die die Verhaftungsaktion "Feuerwerk" seit Ende Oktober flankierte. Bis Ende Dezember 1953 nahm die Staatssicherheit in diesem Zusammenhang mehr als 200 Personen fest.
Die Prozessaufnahme ist als Tonband in der Hauptabteilung IX des MfS (HA IX) im Archiv des BStU überliefert. Wahrscheinlich handelt es sich dabei um die Kopie einer Aufnahme des DDR-Rundfunks. Der Prozess wurde dort in Ausschnitten übertragen. Die HA IX nutzte diese wie auch andere Tonaufnahmen von Schau- und Geheimprozessen sowohl für Schulungszwecke als auch für die sogenannte interne Traditionsbildung.
Walter Schneider arbeitete als Oberreferent in der Hauptverwaltung Bauindustrie im Ministerium für Aufbau in Ost-Berlin, zu deren Aufgaben die Koordination des gesamten Bauwesens in der DDR gehörte. Seit Ende Februar 1953 war er als V-Mann bei der Organisation Gehlen registriert. Die Staatssicherheit verhaftete ihn im Zuge der Aktion "Feuerwerk" am 29. Oktober 1953. Als Angestellter des Staatsapparats war Walter Schneider für das MfS ein "Topagent". Aus Sicht der Organisation Gehlen hatte er jedoch nur nachrangige Informationen über Bauprojekte in der DDR geliefert.
Bei seiner Vernehmung vor Gericht macht Walter Schneider Angaben zu seinem Lebenslauf, so beispielsweise zu seiner Einberufung zur Wehrmacht 1940, seinen Kriegseinsätzen und zu seinem weiteren Werdegang nach der Entlassung aus sowjetischer Kriegsgefangenschaft 1947. Seine Aussage konzentriert sich danach auf seine Tätigkeit für die Organisation Gehlen. Walter Schneider schildert, wie die Verbindung zu Hermann Polster, dem Leiter einer West-Berliner Dienststelle der Organisation Gehlen, über eine Arbeitskollegin zustande kam. Er beschreibt seine Anwerbung und seine Tätigkeit als V-Mann. Abschließend wird er von der beigeordneten Richterin Kleine und von Generalstaatsanwalt Melsheimer zu einzelnen Aspekten seiner Aussage befragt.
[vorsitzender Richter Walter Ziegler:]
Der Angeklagter Schneider tritt vor.
Schildern Sie zunächst Ihren Lebenslauf, Angeklagter!
[Walter Schneider:]
Ich bin am 31. Juli 1921 als Sohn des Arbeiters, Bahnarbeiters [anonymisiert] Schneider und seiner Ehefrau [anonymisiert] Schneider, geborene Schmidt, geboren.
Ich besuchte von 1927 bis 1935 die Volksschule in Landsberg. Nach Beendigung der Volksschule zog meine Mutter ... Mein Vater ist am 03. Dezember 1930 tödlich verunglückt.
Nach meiner Schulentlassung verzog meine Mutter nach Halle. In Halle besucht ich von 1935 bis 1938 die kaufmännische Lehre bei bei der Firma Hans Heckel Halle, Merseburger Straße 26. Nach Beendigung meiner Lehrzeit war ich weiterhin bei meiner Lehrfirma tätig und wurde im Mai 1940 zum damaligen Arbeitsdienst eingezogen und im September 1940 zur faschistischen Wehrmacht, nach Kufstein zum 8., zum Gebirgsjäger-Ersatz-Regiment 136. Dort erhielt ich meine Grundausbildung und war dann als Besatzung in Frankreich nach Beendigung des Feldzuges und kam im Frühjahr 1941 nach - ähm - Jugoslawien. Auch dort war der Feldzug schon zu Ende und wir wurden nicht mehr eingesetzt.
[vorsitzender Richter Walter Ziegler:]
Nun, Sie haben hier gesagt, wo ich bis Mai 1941 an den Frontkämpfen teilnahm?
[Walter Schneider:]
Ich habe in Jugoslawien ...
[vorsitzender Richter Walter Ziegler:]
In Jugoslawien?
[Walter Schneider:]
In Jugoslawien habe ich an keinen Frontkämpfen teilgenommen. Das habe ich auch berichtigt in meiner Voruntersuchung. Wir waren ein Ersatzbataillon und kamen erst in der Sowjetunion zum Einsatz.
[vorsitzender Richter Walter Ziegler:]
Kamen dann erst in der Sowjetunion zum Einsatz?
[Walter Schneider:]
Jawohl. Nach ...
[vorsitzender Richter Walter Ziegler:]
Schildern Sie weiter Ihren Lebenslauf!
[Walter Schneider:]
Äh - nachdem der Feldzug in Jugoslawien beendet war, kamen wir - äh - nach Kärnten und haben dort vier Wochen in Ruhe gelegen und wurden dann nach Polen verlegt, in die Waldkarpaten, um bei der bei dem Überfall - äh - des faschistischen, der faschistischer Wehrmacht an der Grenze in Russland - äh - in der Sowjetunion eingesetzt. Vom ersten Tage an bin ich also in der Sowjetunion eingesetzt worden, und zwar war ich im Südabschnitt bis - ähm - zum Vormarsch in das Donezbecken. Dort wurde ich am 03., am 05. Dezember 1942 verwundet und kam zurück zum Ersatztruppenteil nach nach Sonthofen, wo ich dann - äh - meinen Genesungsurlaub hatte und kam wieder dann raus im Mai des nächsten Jahres und habe dann am Vormarsch im Kaukasus teilgenommen. Unsere Division war dann vornämlich im Kaukasus eingesetzt und wurde dann nach dem Rückzug im Kaukasus aus der Sowjetunion rausgezogen und im Balkan in Jugoslawien und in Griechenland zum Partisanenbekämpfung eingesetzt.
Nach dem Zusammenbruch der faschistischen Wehrmacht und dem Rückzug aus Griechenland kam ich dann am, im Oktober 1944 zuerst in jugoslawische Gefangenschaft. Dann war ich in Bulgarien und von Bulgarien kam ich nach der Konferenz auf der Krim in Jalta nach der Sowjetunion. Ich habe dort im Lager 280/18 bei Stalino von Januar ...
[vorsitzender Richter Walter Ziegler:]
Wie lange waren Sie dort?
[Walter Schneider:]
Bis Februar 1947.
[vorsitzender Richter Walter Ziegler:]
Bis Februar 47?
[Walter Schneider:]
Jawohl.
[vorsitzender Richter Walter Ziegler:]
Dann sind Sie entlassen worden?
[Walter Schneider:]
Februar 1947 bin ich entlassen worden und habe dann ab Juli 1947 als Verwaltungsangestellter in der Universitätsklinik in Halle gearbeitet.
Ich habe mich dann qualifiziert und habe an einem Lehrgang an der Verwaltungsschule in Halle für Bilanzbuchhaltung und Betriebsabrechnung teilgenommen. Das war ein zweijähriger Abendlehrgang, und ich habe nach zwei Jahren auch meine Prüfung abgelegt und habe mich dann in der Volkseigenen Betrieb, VHZ Schrott Sachsen-Anhalt in Halle beworben und wurde dort als Oberbuchhalter eingestellt.
Nach Auflösung der Filialdirektion - äh - [unverständlich] habe ich mich dann in der Volkseigenen Bauindustrie beworben und war zuerst im Baubetrieb Nordharz-Wernigerode beschäftigt, der dann bei der Reorganisation ...
[vorsitzender Richter Walter Ziegler:]
Als was?
[Walter Schneider:]
Als Hauptbuchhalter. Bei der Reorganisation der Volkseigenen Industrie wurde dieser Baubetrieb von der Bau-Union Wernigerode übernommen und ich wurde nicht übernommen als stellvertretender Hauptbuchhalter, weil dieser Betrieb schon einen Hauptbuchhalter hatte. Später habe ich dann als Revisionsleiter gearbeitet bis zum September 1952. Im September 1952 wurde die Bau-Union Wernigerode rückwirkend bei 01. Januar 1952 von der Bau-Union Magdeburg übernommen und ich wurde nach Berlin zu meiner vorgesetzten Dienststelle, der Hauptverwaltung Bauindustrie, versetzt. Dort habe ich als Oberreferent gearbeitet, bis zu meiner Verhaftung gearbeitet.
[vorsitzender Richter Walter Ziegler:]
Gearbeitet.
Wie war Ihr politischer Werdegang?
[Walter Schneider:]
Ich wurde im kommunistischen Sinne erzogen. Mein Vater war Kommunist. Ich war in der Arbeitersportbewegung und auch im Jugend-Spartakusbund in Rheinsdorf bei Landsberg.
Nachdem wir von Landsberg verzogen sind und ich meine Lehre antrat, war ich von 1938 bis zu meiner Einberufung zum Arbeitsdienst 1940 in der faschistischen Hitlerjugend.
[vorsitzender Richter Walter Ziegler:]
Wie sind Sie denn da reingekommen?
[Walter Schneider:]
Durch einen - ähm - Arbeitskollegen.
[vorsitzender Richter Walter Ziegler:]
Durch einen Arbeitskollegen? Ein Arbeitskollege war in der Lage Ihre gesamte kommunistische Erziehung über Bord zu werfen, die Erfolge?
[Walter Schneider:]
Also ich habe mich dann ...
[vorsitzender Richter Walter Ziegler:]
Ja?
[Walter Schneider:]
... in der Hitlerjugend beteiligt, und zwar hat mich das eben angezogen, dass die Fahrten, die Wanderfahrten und die Geländespiele und dass es natürlich diesen Ausgang nimmt, habe ich nicht gewusst.
[vorsitzender Richter Walter Ziegler:]
Hm?
[Walter Schneider:]
Dass es diesen Ausgang und einen faschistischen Krieges nimmt, das habe ich damals nicht gewusst.
[vorsitzender Richter Walter Ziegler:]
Wann sind Sie eingetreten?
[Walter Schneider:]
Im Oktober 1938.
[vorsitzender Richter Walter Ziegler:]
Und da haben Sie's noch nicht gesehen?
[Walter Schneider:]
Nein.
Ich ...
[vorsitzender Richter Walter Ziegler:]
Und nach 1945?
[Walter Schneider:]
Nach 1945 war ich ab Juni 1948 Mitglied der SED, der Gesellschaft für Deutsch-Sowjetische Freundschaft und ab 1951 Mitglied der Demokratischen Sportbewegung und Mitglied des FDGB ab 1947.
[vorsitzender Richter Walter Ziegler:]
Was bewegte Sie zu Ihrer, zu Ihrem Beitritt in die SED?
[Walter Schneider:]
Mich bewegte, dass, meine an sich - äh - die, das, der gute Lehrgang in der Gefangenschaft. Ich habe in der Gefangenschaft an einem antifaschistischen Lehrgang von sechs Wochen teilgenommen hatte, und war als Kompanieaktivist ich in der Gefangenschaft tätig. Das hat mich sehr bewegt, mich ...
[vorsitzender Richter Walter Ziegler:]
Aber nicht sehr, denn Sie sind doch 1947 entlassen, und 1948 dann erst in die SED eingetreten.
[Walter Schneider:]
Ich war bis zum Juli 1947 arbeitsunfähig und habe dann erst angefangen zu arbeiten und bin dann im Juni 1948 von einem Arzt, der auch in der Universitätsklinik gearbeitet hatte, dazu bewegt worden und ich war auch selbst einverstanden und bereit in die SED einzutreten.
[vorsitzender Richter Walter Ziegler:]
Also dieser Lehrgang und Ihre vielleicht auch frühere Erziehung hatten Sie zu der Überzeugung gebracht, dass das richtig ist?
[Walter Schneider:]
Jawohl.
[vorsitzender Richter Walter Ziegler:]
Ja?
[Walter Schneider:]
Ja.
[vorsitzender Richter Walter Ziegler:]
Nun, wie kam es denn zu einer Spionageverbindung zu der Organisation Gehlen?
[Walter Schneider:]
Ich habe im Januar 1953 mit mehreren Kollegen eine Prüfung für Bau-Union Berlin durchführt, die Bau-Union Spree-Berlin, und habe dort eine gewisse [anonymisiert] kennengelernt.
Diese [anonymisiert] habe ich eingeladen zu einem Kinobesuch in West-Berlin. Beim zweiten Kinobesuch in West-Berlin forderte sie ...
[vorsitzender Richter Walter Ziegler:]
Sie als Oberreferent im Ministerium für Aufbau, ja?
[Walter Schneider:]
Jawohl.
[vorsitzender Richter Walter Ziegler:]
Als Mitglied der Sozialistischen Einheitspartei, ja?
[Walter Schneider:]
Jawohl.
[vorsitzender Richter Walter Ziegler:]
Überzeugtes Mitglied, wie Sie ja eben sagten, nicht?
[Walter Schneider:]
Bis dahin.
[vorsitzender Richter Walter Ziegler:]
Ach bis dahin, bis zu diesem Kinobesuch? Weshalb war da die Überzeugung weg?
[Walter Schneider:]
Nein, durch meine Versetzung von der Bau-Union Wernigerode nach Berlin und durch den ständigen Außendienst, den ich ja durchgeführt habe, habe ich die Parteiarbeit sehr oder ganz vernachlässigt. Ich möchte nicht zu meiner Entschuldigung anführen, dass ich sehr schlechte Beispiele hatte. Nämlich in der Zeit, die ich dort gearbeitet habe, sind drei meiner ehemaliger Kollegen, ebenfalls Mitglieder der Deutschen - äh - Sozialistischen Einheitspartei aus der Partei ausgeschlossen worden, beziehungsweise sind selbst ausgetreten.
In diesem Kollegenkreise war natürlich der Einfluss nicht gerade der Beste, obwohl ich selbst auch durch diesen ständigen Außendienst nicht - äh äh - die Parteiarbeit in den nötigen Vordergrund gestellt habe.
[vorsitzender Richter Walter Ziegler:]
Sie haben die [anonymisiert] eingeladen zum Kinobesuch nach West-Berlin?
[Walter Schneider:]
Jawohl. Beim zweiten Kinobesuch in West-Berlin forderte sie mich auf, mit zu ihren Bekannten zu kommen, die sie von früher her kannte, aus ihrem Arbeitsverhältnis, was sie einmal in West-Berlin hatte, bei einer Büromaschinenfirma. Und brachte mit der Familie Oesterreich in Berlin-Wilmersdorf, Babelsberger Straße, ...
[vorsitzender Richter Walter Ziegler:]
Hm - der Bruder nicht von ihm?
[Walter Schneider:]
Jawohl.
... zusammen ... Dieses Ehepaar habe ich dann zusammen mit der [anonymisiert] drei bis viermal aufgesucht und habe beim vorletzten Mal, beim vorletzten Besuch davon gesprochen, dass ich die Absicht hätte, nach Westdeutschland zu verziehen.
[vorsitzender Richter Walter Ziegler:]
Nach Düsseldorf, ja?
[Walter Schneider:]
Nach Düsseldorf.
[vorsitzender Richter Walter Ziegler:]
Weshalb?
[Walter Schneider:]
In Düsseldorf, ich wollte deshalb nach Düsseldorf, weil eine Bekannte von mir nach Düsseldorf verzogen war und da wollte ich hin.
[vorsitzender Richter Walter Ziegler:]
Da wollten Sie nach?
[Walter Schneider:]
Jawohl.
[vorsitzender Richter Walter Ziegler:]
Aber möglichst ohne ... Wie wollten Sie nach Düsseldorf hinkommen?
[Walter Schneider:]
Ich brachte dem Heinz Oestereich gegenüber zum Ausdruck, dem Agenten Oesterreich, zum Ausdruck, dass ich - ähm - die Absicht hätte, nach Westdeutschland zu verziehen, aber auf bequeme Art und Weise, also ohne das Flüchtlingslager zu durchlaufen und möglichst schnell vom - äh - anerkannt zu werden und um eine Beschäftigung zu bekommen. Der Oesterreich sagte, er könne mir dabei behilflich sein, wenn ich mich bereit erklären würde, für eine Dienststelle, für der für die er ebenfalls arbeitet, zu arbeiten. Nach meiner Frage, was für eine Dienststelle das wäre, sagte mir der Heinz Oesterreich, es wäre eine Dienststelle, die Informationen über die Deutschen Demokratische Republik sammelt. Und im weiteren Verlauf des Gesprächs kam es dann zum Ausdruck, dass es eine Spionageorganisation ist. Ich habe ihm daraufhin erklärt ...
[vorsitzender Richter Walter Ziegler:]
Das kam doch schon mit diesem, mit dieser Bemerkung zum Ausdruck und nicht erst im weiteren Verlauf.
[Walter Schneider:]
Ja.
[vorsitzender Richter Walter Ziegler:]
Was ist das, Sammeln von Informationen aus der Deutschen Demokratischen Republik?
[Walter Schneider:]
Jawohl.
[vorsitzender Richter Walter Ziegler:]
Das ist doch Spionage?
[Walter Schneider:]
Ja.
[vorsitzender Richter Walter Ziegler:]
Wie?
[Walter Schneider:]
Jawohl.
[vorsitzender Richter Walter Ziegler:]
Denn, wie das Wetter hier ist, diese Informationen sollten Sie ja sicher nicht geben.
[Walter Schneider:]
Nein.
[vorsitzender Richter Walter Ziegler:]
Darauf kam es ja nicht an.
[Walter Schneider:]
Nein.
[vorsitzender Richter Walter Ziegler:]
Das konnte man ja im Rundfunk hören.
[Walter Schneider:]
Jawohl! Ich brachte dem Heinz, dem Agenten Oesterreich gegenüber zum Ausdruck, dass ich ja keine Spionageinformationen liefern könnte, weil ich damals noch der Annahme war, dass sich Spionage nur auf militärische - äh - Objekte bezieht und noch nicht gewusst habe, dass auch wirtschaftliche und politische - äh - Meldungen gebraucht würden. Daraufhin sagte er, ich könnte ganze gut wirtschaftliche Informationen über meine Dienststelle und über meine Tätigkeit liefern, die genauso gebraucht würden wie militärische Informationen.
[vorsitzender Richter Walter Ziegler:]
Und was sagten Sie da?
[Walter Schneider:]
Also ich habe gesagt, ich würde mir das überlegen und das war am 28. Februar nach einer durchzechten Nacht, - äh - nach der wir wieder zu der Familie Oesterreich zurückgekehrt waren, forderte er mir dann meine Personalien ab und ...
[vorsitzender Richter Walter Ziegler:]
War das an demselben Tage?
[Walter Schneider:]
Nein, am 01. März.
[vorsitzender Richter Walter Ziegler:]
Am nächsten Tag?
[Walter Schneider:]
Am nächsten Tag. Und - äh - brachte mich dann mit den zwei Agenten Paulberg und Möser zusammen. Und zwar folgender Maßen, er sagte mir: "Geh mal in das Lokal Tramburg." Das war unweit seiner Wohnung. "Dort wirst du in der zweiten Nische links zwei Herren treffen, die mit dir über diese Angelegenheit sprechen wollen." Ich traf dort die Agenten Paulberg und Möser. Die beiden Agenten fragten mich nach meiner Dienststellung aus und - äh - wo ich beschäftigt bin, was ich für eine Tätigkeit habe und - äh - verlangten von mir die Struktur der Hauptverwaltung Bauindustrie. Ich gab diese, soweit sie mir bekannt war, mündlich an und der Agent Möser notierte sich meine mündlichen Angaben. Der Agent Paulberg verließ für circa eine Stunde das Lokal ...
[vorsitzender Richter Walter Ziegler:]
Da wussten Sie schon, dass es sich um Spionage handelt, Angeklagter?
[Walter Schneider:]
Jawohl.
[vorsitzender Richter Walter Ziegler:]
Nicht?
[Walter Schneider:]
Jawohl.
[vorsitzender Richter Walter Ziegler:]
Da haben Sie also alles das, was Sie über die Struktur der Bau-Union Hauptverwaltung wussten, dem Möser diktiert, ...
[Walter Schneider:]
Jawohl.
[vorsitzender Richter Walter Ziegler:]
... damit er sich's notieren konnte, ja?
[Walter Schneider:]
Jawohl. Nachdem der Paulberg, der Agent Paulberg nach circa einer Stunde wieder kam, gab er mir aus seinem Notizbuch eine Decknummer, und zwar 9592,12 und einen Decknamen, Willi Schaumberg. Die Decknummer sollte dazu dienen, Unterschriften zu leisten, in Bezug auf Geldempfang und die Verpflichtungserklärung und der Deckname sollte zur Tarnung meiner Person bei Gesprächen in West-Berliner Lokalen verwendet werden. Ich habe am gleichen ...
[vorsitzender Richter Walter Ziegler:]
Sagen Sie uns doch etwas ausführlicher, Angeklagter, was alles für Angaben Sie den, an den, an Möser gemacht haben bei diesem ersten Treff, außer der Struktur?
[Walter Schneider:]
Ich habe beim ersten Treff ...
[vorsitzender Richter Walter Ziegler:]
Was war das im Wesentlichen, was Sie ihm sagten?
[Walter Schneider:]
Ich habe ihm gesagt, dass die, dass ich in der Hauptverwaltung Bauindustrie beschäftigt bin, ...
[vorsitzender Richter Walter Ziegler:]
Na ja.
[Walter Schneider:]
... dass - äh - die Hauptverwaltung Bauindustrie eine verschiedene Abteilungen hat. Zum Beispiel die ...
[vorsitzender Richter Walter Ziegler:]
Die Zahl der Abteilungen haben Sie genannt?
[Walter Schneider:]
Die Zahl der Abteilungen und ...
[vorsitzender Richter Walter Ziegler:]
Die Arten.
[Walter Schneider:]
... und die Art, diese diese Beschäftigung der einzelnen Abteilungen mit Namen soweit Sie mir bekannt waren.
[vorsitzender Richter Walter Ziegler:]
Die Namen der Abteilungsleiter.
[Walter Schneider:]
Ebenso die ungefähre Besetzung also belegschaftsmäßig ...
[vorsitzender Richter Walter Ziegler:]
Die Angestellten.
[Walter Schneider:]
Die Angestellten.
[vorsitzender Richter Walter Ziegler:]
Das Verhältnis der Abteilungsleiter zu den übrigen Angestellten, ja?
[Walter Schneider:]
Jawohl.
[vorsitzender Richter Walter Ziegler:]
Oder nicht?
[Walter Schneider:]
Jawohl.
[vorsitzender Richter Walter Ziegler:]
Nun und darüber hinaus?
[Walter Schneider:]
Darüber hinaus habe ich ihm von meiner Tätigkeit berichtet, dass ich - äh - die, dass ich bei der Prüfung des Rechnungswesens in den einzelnen Bau-Unionen - äh - beschäftigt bin und Einblick habe ...
[vorsitzender Richter Walter Ziegler:]
Haben Sie ihm auch die Zahl der Bau-Unionen in der Republik genannt?
[Walter Schneider:]
Die habe ich ihm genannte, ja.
[vorsitzender Richter Walter Ziegler:]
Auch.
[Walter Schneider:]
Und ungefähr namentlich, soweit mir sie mir bekannt waren.
[vorsitzender Richter Walter Ziegler:]
Angabe der Städte, wo sie sich befinden?
[Walter Schneider:]
Wo sie sich befinden, ja. Jawohl.
[vorsitzender Richter Walter Ziegler:]
Das war alles beim ersten Treff?
[Walter Schneider:]
War alles beim ersten Treff.
[vorsitzender Richter Walter Ziegler:]
Und weiter!
[Walter Schneider:]
Dann ...
[vorsitzender Richter Walter Ziegler:]
Sie haben sich auch beim ersten Treff verpflichtet?
[Walter Schneider:]
Beim ersten Treff, ja, nachdem der Agent Paulberg wieder zurück gekommen war, hat er mir eine Verpflichtungserklärung vorgelegt, die aber nicht diesen großen Inhalt die hatte, wie die bereits hier im Verlauf der Verhandlung angeführte Verpflichtung, sondern sie hatte höchstens vier bis fünf Zeilen und war nur ein Abschnitt eines Din-A4-großen ...
[vorsitzender Richter Walter Ziegler:]
Nun, was war denn der kurze Inhalt?
[Walter Schneider:]
Der Inhalt war sinngemäß folgender, dass ich mich verpflichte, für eine westdeutsche Nachrichtenzentrale zu arbeiten, dass ich darüber gegenüber jedermann schweigen müsste und weiterhin die Verpflichtung, dass ich nicht noch für eine zweite Spionageorganisation - äh - arbeite.
[vorsitzender Richter Walter Ziegler:]
Nicht?
[Walter Schneider:]
Nicht noch. Also das wurde mir verboten, noch für einen zweiten ...
[vorsitzender Richter Walter Ziegler:]
Anscheinend hatte man schon Erfahrungen damit gemacht, mit dem Angeklagten Oestereich, wie?
[Walter Schneider:]
Jawohl, das wird darauf zurückzuführen sein. Ich habe diese ...
[vorsitzender Richter Walter Ziegler:]
Also Ihnen wurde ausdrücklich in dieser Verpflichtungserklärung verboten, für eine zweite Spionage Organisation zu arbeiten?
[Walter Schneider:]
Jawohl.
[vorsitzender Richter Walter Ziegler:]
Sagen Sie?
[Walter Schneider:]
Ja. Diese Verpflichtungserklärung habe ich mit meiner Decknummer unterschrieben, die mir Paulberg zuvor angesagt hatte.
Ich erhielt dann den Auftrag, zur besseren Ergänzung, der von mir bereits angegebenen Struktur, ein Telefonverzeichnis der Hauptverwaltung Bauindustrie zu beschaffen.
[vorsitzender Richter Walter Ziegler:]
Als was fungierten Sie in der Technik des Geheimdienstes, in der technischen Sprache des Geheimdienstes? Als was fungierten Sie? Sagte Ihnen Paulberg das auch?
[Walter Schneider:]
Beim ersten Treff noch nicht. Aber später wurde ich als Quelle bezeichnet.
[vorsitzender Richter Walter Ziegler:]
Als Quelle?
[Walter Schneider:]
Jawohl.
[vorsitzender Richter Walter Ziegler:]
Und als was für eine?
[Walter Schneider:]
Als was für eine Quelle weiß ich nicht, aber nach den, nach der Anklageschrift müsste ich eine Penetrierungsquelle gewesen sein.
[vorsitzender Richter Walter Ziegler:]
Das als Antwort auf die Frage des Herrn Generalstaatsanwalt gestern an den Angeklagten Haase, ja?
[Walter Schneider:]
Jawohl.
[vorsitzender Richter Walter Ziegler:]
Ja?
[Walter Schneider:]
Ja.
[vorsitzender Richter Walter Ziegler:]
Und was haben Sie also als Quelle getan?
[Walter Schneider:]
Ich habe dem westdeutschen Geheimdienst folgende schriftlichen Unterlagen überreicht, die meines Wissens entweder fotokopiert oder abgeschrieben wurden.
[vorsitzender Richter Walter Ziegler:]
Die entweder fotokopiert oder abgeschrieben worden sind?
[Walter Schneider:]
Jawohl. Und zwar ein Telefonverzeichnis der Hauptverwaltung Bauindustrie mit Angaben über die Namen, die Zimmernummern und die Telefonnummern der gesamten Hauptverwaltung Bauindustrie, je einen Kollektivvertrag ...
[vorsitzender Richter Walter Ziegler:]
Ist das dieses Verzeichnis?
[Walter Schneider:]
Jawohl.
[vorsitzender Richter Walter Ziegler:]
Ja?
[Walter Schneider:]
Jawohl.
[vorsitzender Richter Walter Ziegler:]
Kommen Sie ran! Sehen Sie sich's genau an! Hier. Das?
[Walter Schneider:]
Ja. Mit Stand vom 30.09., jawohl.
[vorsitzender Richter Walter Ziegler:]
Mit Stand vom?
[Walter Schneider:]
30.09.1952.
[vorsitzender Richter Walter Ziegler:]
Ja?
[Walter Schneider:]
Jawohl.
[vorsitzender Richter Walter Ziegler:]
Diese Seiten?
[Walter Schneider:]
Das ist das.
[vorsitzender Richter Walter Ziegler:]
Sieben Seiten Telefonnummern, ja?
[Walter Schneider:]
Jawohl.
[vorsitzender Richter Walter Ziegler:]
Der Bauindustrie?
[Walter Schneider:]
Ja.
[vorsitzender Richter Walter Ziegler:]
Mit Namen, Abteilung, Hausapparat und Zimmernummer, ja?
[Walter Schneider:]
Jawohl.
[vorsitzender Richter Walter Ziegler:]
Was noch?
[Walter Schneider:]
Je einen Kollektivvertrag der Bau-Unionen Jena und Karl-Marx-Stadt.
[vorsitzender Richter Walter Ziegler:]
Je einen Kollektivvertrag der Bau-Unionen Jena und Karl-Marx-Stadt. Und weiter?
[Walter Schneider:]
Je einen Prüfungsbericht über die durchgeführten Prüfungen in den Bau-Unionen Jena und Leipzig. Aus diesen Prüfungsberichten war zu ersehen die Belegschaftsstärke, die Anschrift des Betriebes, die Leitung des Betriebes, die einzelne Angaben über die Erfüllung des Kostenplanes, des Finanzplanes, des Produktionsplanes ...
[vorsitzender Richter Walter Ziegler:]
Schwierigkeiten?
[Walter Schneider:]
... und der ...
[vorsitzender Richter Walter Ziegler:]
Mängel?
[Walter Schneider:]
... Mängel in der, beziehungsweise überhaupt über die Organisation des Betriebes in Bezug auf das Rechnungswesen. Dann ...
[vorsitzender Richter Walter Ziegler:]
Weiter!
[Walter Schneider:]
Ein, eine Liste der der Hauptverwaltung Bauindustrie unterstellten Bau-Unionen mit Angaben über den Sitz des Betriebes, die Leitung des Betriebes in Bezug auf die vier leitenden Angestellten, und zwar technischer - äh - Werksdirektor, Technischer Direktor, Hauptbuchhalter und Kaufmännischer Direktor.
[vorsitzender Richter Walter Ziegler:]
Angeklagter, sprechen Sie etwas deutlicher! Sie sind schwer verständlich.
[Walter Schneider:]
Jawohl.
[vorsitzender Richter Walter Ziegler:]
Können Sie nicht deutlicher sprechen?
[Walter Schneider:]
Doch. Ich werd's versuchen.
[vorsitzender Richter Walter Ziegler:]
Bitte.
[Walter Schneider:]
Mit Angabe über Sitz des Betriebes, Telefonnummer des Betriebes und über die vier leitenden Angestellten.
[vorsitzender Richter Walter Ziegler:]
Ja.
[Walter Schneider:]
Dann eine Liste der Bau-Unionen mit Angaben über die Stärke der Bau-Unionen arbeitskräftemäßig und der dort beschäftigten Revisoren mit Angaben über die Qualifikation der Revisoren und die Tätigkeit der Revisoren.
[vorsitzender Richter Walter Ziegler:]
Mh.
[Walter Schneider:]
Ein Arbeitsplan für das vierte Quartal 1953 der Revisionsgruppe der Hauptverwaltung Bauindustrie mit Angaben über die durchzuführenden Prüfungen in den einzelnen Betrieben und die Revisionskräfte, die diese Prüfung durchführen sollten.
Eine Dienstanweisung Nr. 8 des Ministeriums der Finanzen, die die Arbeitsrichtlinien der Revisionskräfte enthielt.
Eine Mitteilung der Abteilung Betriebslenkung und Produktionskontrolle über die Änderung der Telefonnummern in der Hauptverwaltung Bauindustrie.
Eine Betriebsleitung der Bau-Union Karl-Marx-Stadt, ein Telefonverzeichnis der Bau-Union Jena, gleichen Inhalts wie das der Hauptverwaltung Bauindustrie.
Und eine Broschüre der Hauptverwaltung Bauindustrie über die Neuererbewegung und die Neuerertagung in Leipzig mit Angaben über Verbesserungsvorschläge in der Arbeitsweise der technischen Arbeit in den Bau-Unionen.
Das waren diese Unterlagen, die ich schriftlich den Agenten Möser und Paulberg überbracht habe.
[vorsitzender Richter Walter Ziegler:]
Diese ganzen Unterlagen hatten Sie im Original - äh - mitgenommen zum Fotokopieren oder Abschreiben?
[Walter Schneider:]
Jawohl.
[vorsitzender Richter Walter Ziegler:]
Ja?
[Walter Schneider:]
Ja.
[vorsitzender Richter Walter Ziegler:]
Alle diese Unterlagen, die Sie eben aufgezählt haben?
[Walter Schneider:]
Alle, die ich aufgezählt habe.
[vorsitzender Richter Walter Ziegler:]
Gab es überhaupt noch Unterlagen, an die Sie heran konnten, die Sie nicht herüber genommen haben, Angeklagter?
[Walter Schneider:]
Ja.
[vorsitzender Richter Walter Ziegler:]
Gab's noch?
[Walter Schneider:]
Jawohl.
[vorsitzender Richter Walter Ziegler:]
Doch? Aber beim Aufzählen wären wir wahrscheinlich schneller zum Ziel gekommen, wenn wir die andern genommen hätten, wie?
Nu, schön. Was haben Sie noch geliefert?
[Walter Schneider:]
Mündlich habe ich berichtet über die Zugkontrollen bei meinen Dienstfahrten, über die Eingangskontrolle des Ministeriums für Aufbau durch Besucher oder durch Angestellte, durch Dienstausweise oder Passierscheine, dann dass stichprobenweise Aktentaschen kontrolliert werden.
Dann habe ich berichtet über die Bau-Union Karl-Marx-Stadt, und zwar sinngemäß das Gleiche, was in den anderen beiden Prüfungsberichten über die Bau-Unionen Jena und Leipzig stand.
Ich habe dann weiter berichtet über die Verhaftung von fünf Angestellten bei der Bau-Union Karl-Marx-Stadt wegen Wirtschaftsstrafvergehen, mit namentlicher Angabe.
[vorsitzender Richter Walter Ziegler:]
Wie?
[Walter Schneider:]
Mit namentlicher Angabe und Art des Vergehens.
[vorsitzender Richter Walter Ziegler:]
Stimmungsberichte aus der Bevölkerung?
[Walter Schneider:]
Stimmungsberichte habe ich aus der Bevölkerung geliefert, und zwar dass ich über Gespräche, die in der Bahn geführt wurden, berichtet habe.
[vorsitzender Richter Walter Ziegler:]
Nun Angeklagter, sagen Sie mal, wie haben Sie die schriftlichen Berichte mit rüber genommen?
[Walter Schneider:]
Die schriftlichen Berichte habe ich in meiner Jackettasche oder Manteltasche mit nach West-Berlin genommen.
[vorsitzender Richter Walter Ziegler:]
Einfach in der Jackettasche oder Manteltasche?
[Walter Schneider:]
Jawohl.
[vorsitzender Richter Walter Ziegler:]
Ist dann gar nicht Ihnen das verboten worden? Das war doch sehr gefährlich.
[Walter Schneider:]
Jawohl. Der Paulberg hat mich darauf hingewiesen, ich sollte sehr vorsichtig sein, um mich nicht preiszugeben.
[vorsitzender Richter Walter Ziegler:]
Aber er hat Ihnen nicht untersagt die ...
[Walter Schneider:]
Er hat es mir nicht untersagt.
[vorsitzender Richter Walter Ziegler:]
... die Unterlagen im Original hinüberzubringen?
[Walter Schneider:]
Nein.
[vorsitzender Richter Walter Ziegler:]
Hatten Sie noch Aufträge?
[Walter Schneider:]
Ich hatte Aufträge, und zwar sollte ich hauptsächlich über die Reiseerlebnisse berichten, also über die Zugkontrollen, über die Bautätigkeit der Reichsbahn, über sonstige Bautätigkeit, die mir von der Bahn aus ersichtlich war und die nicht von uns von der Hauptverwaltung Bauindustrie bearbeitet wurde. Dann im späteren Verlauf meiner Spionagetätigkeit wurde dann von mir verlangt, ich sollte - äh - Informationen über Flugplatzbauten ...
[vorsitzender Richter Walter Ziegler:]
Was für Bauten?
[Walter Schneider:]
Flugplatzbauten oder Bauten für die KVP. Ich machte den Agenten Paulberg darauf aufmerksam, dass es mir nicht möglich sei, in dieser Beziehung Informationen zu liefern, weil diese Baustellen dem MdI, ab 01. Januar 1953, dem MdI unterstellt wären. Daraufhin wurde bei einem nächsten Treff von mir verlangt, ich sollte versuchen, zum MdI überzuwechseln, also mich beim MdI zu bewerben, um zu diese Baustellen besser - äh - besser heranzukönnen.
[vorsitzender Richter Walter Ziegler:]
Ja. Und?
[Walter Schneider:]
Das habe ich nicht getan, weil ich erstmal von meiner Dienststelle nicht weg wollte und zweitens weil verschiedene kaderpolitische Momente notwendig sind, um beim MdI eine Anstellung zu bekommen.
[vorsitzender Richter Walter Ziegler:]
Also deshalb konnten Sie den Auftrag gar nicht durchführen?
[Walter Schneider:]
Nein.
[vorsitzender Richter Walter Ziegler:]
Ja?
[Walter Schneider:]
Jawohl.
[vorsitzender Richter Walter Ziegler:]
Meinen Sie?
[Walter Schneider:]
Ich hätte ihn auch nicht durchgeführt, weil nämlich ich mir in dem Moment für mich klar war, dass ich nicht nur Wirtschaftsspionage liefern sollte, sondern auch Militärspionage. In diesem Moment wurde mir auch klar, dass es nicht nur eine reine, rein deutsche Dienststelle sein könnte. Nämlich es wird ja kaum der Fall sein, dass Deutsche ohne die Verhetzung der Amerikaner gegeneinander Krieg führen würden. Aus diesem Grunde hätte ich auch diese, diesen Stellungwechsel nicht durchgeführt, auch wenn es mir möglich gewesen wäre.
[vorsitzender Richter Walter Ziegler:]
Aber Ihre anderen Informationen haben Sie weiter geliefert?
[Walter Schneider:]
Die habe ich weiter geliefert.
[vorsitzender Richter Walter Ziegler:]
Welchen Auftrag hatten Sie noch?
[Walter Schneider:]
Ich hatte den Auftrag tote Briefkästen anzulegen in den Städten Wernigerode, Halle und Leipzig. Das habe ich nicht getan, weil mir, weil mir die Gelegenheit dazu fehlte und ich auch nicht die nötige Zeit dazu hatte.
[vorsitzender Richter Walter Ziegler:]
Wo sollten die angelegt werden?
[Walter Schneider:]
An wenig begangenen Plätzen und entweder auf Friedhöfen, in Parkanlagen oder unter Papierkörben, an Bänken und so weiter.
[vorsitzender Richter Walter Ziegler:]
An Grabsteinen, ne?
[Walter Schneider:]
Grabsteinen. Jawohl!
[vorsitzender Richter Walter Ziegler:]
Haben Sie auch mit Geheimtinte gearbeitet?
[Walter Schneider:]
Im, Ende Juli, Anfang August, als ich wieder ein Treff mit dem Agenten Möser hatte, ging er mit mir in ein Hotel.
Den Namen kann ich nicht genau sagen, weil es mir nicht - äh - also von außen her als Hotel auffiel, sondern ich merkte erst im Hause selbst, dass ein Hotel ist. Dort war bereits ein Zimmer bestellt. Und in diesem Zimmer musste ich - äh - Schriftproben, zuerst mit Wasser mit einem Pinsel, dann mit Tinte mit einem Pinsel, um mich überhaupt erst einmal an die Schreibart mit einem Pinsel zu gewöhnen und dann mit Geheimtinte schreiben. Diese ...
[vorsitzender Richter Walter Ziegler:]
Warum mussten Sie denn das machen, Angeklagter?
[Walter Schneider:]
Diese, diese Schrift mit der Geheimtinte sollte dann zur Anwendung kommen, wenn wieder mal, wie am 17. Juni, die Sektorengrenzen innerhalb Berlins gesperrt wären und aus diesem Grunde die Nachrichtenübermittlung persönlich nicht mehr durchgeführt könnte. Aus diesem Grunde sollte ich an eine Deckadresse, und zwar war das die Adresse Helmut Kaiser, Berlin-Friedenau, Ernst-Albrecht-Straße 6, bei Grünberg, schreiben. Ich sollte dann mit der Geheimtinte üben, um eine gewisse Schreibgewandtheit zu erlangen. Das habe ich nicht getan, weil mir auch, weil mir auch die Zeit dazu fehlte und ich wenig Gelegenheit hatte, mit dieser Tinte zu schreiben.
[vorsitzender Richter Walter Ziegler:]
Sie sollte ja auch - äh - erst benutzt werden, wenn die sonstigen Verbindungen nicht möglich war, die bisherige?
[Walter Schneider:]
Aber ich sollte schon vorher Übungen machen.
[vorsitzender Richter Walter Ziegler:]
Angeklagter, wussten Sie, dass Sie die Unterlagen, die Sie nach drüben mitgenommen haben, nicht mitnehmen durften? War Ihnen das klar?
[Walter Schneider:]
Das war mir klar. Denn ich hatte eine Rundverfügung unterschrieben, wonach das streng verboten war, Unterlagen jemand Fremdes auch innerhalb der Bauindustrie selbst, [unverständlich] in der Deutschen Demokratischen Republik zu überlassen.
[vorsitzender Richter Walter Ziegler:]
Auch innerhalb der Bauindustrie selbst?
[Walter Schneider:]
Jawohl.
[vorsitzender Richter Walter Ziegler:]
Aber Sie haben Sie trotzdem mitgenommen und hatten diese Erklärung unterschrieben?
[Walter Schneider:]
Die habe ich unterschrieben.
[vorsitzender Richter Walter Ziegler:]
Wie?
[Walter Schneider:]
Die habe ich unterschrieben.
[vorsitzender Richter Walter Ziegler:]
Die haben Sie unterschrieben.
Was haben Sie denn für Ihre Berichte bekommen, Angeklagter?
[Walter Schneider:]
Also Paulberg stellte mir einen ein Gehalt von 150 D-Mark-West fest in Aussicht und eine gute Stellung bei meinem Umzug nach West-Berlin oder Westdeutschland. Ich habe insgesamt 1.000 D-Mark-West erhalten.
[vorsitzender Richter Walter Ziegler:]
Haben Sie monatliches Gehalt bekommen oder jeden einzelnen Berichte bezahlt bekommen?
[Walter Schneider:]
Der Agent Paulberg sagte mir bei meinem ersten Treffs zur Versicherung, dass es sich um keine amerikanische oder keine ausländische Dienststelle - weil er sagte mir, es würden auch noch englische und amerikanische Dienststellen in West-Berlin arbeiten - es nicht so gehandhabt würde wie bei diesen, dass dort jeder Bericht bezahlt würde, sondern bei seiner Dienststelle, die eine rein deutsche wäre, würde ein festes Gehalt gezahlt, ganz gleich, ob man Berichte liefern könnte oder nicht.
[vorsitzender Richter Walter Ziegler:]
Was haben Sie nun bekommen?
[Walter Schneider:]
Ich habe 150 D-Mark-West bekommen und 10 Mark Spesen.
[vorsitzender Richter Walter Ziegler:]
Monatlich?
[Walter Schneider:]
Monatlich.
[vorsitzender Richter Walter Ziegler:]
Und 10 Mark Spesen?
[Walter Schneider:]
Jawohl.
[vorsitzender Richter Walter Ziegler:]
Und insgesamt - äh ...
[Walter Schneider:]
1.000 D-Mark-West.
[vorsitzender Richter Walter Ziegler:]
Über 1.000 Mark, die Sie bekommen haben?
[Walter Schneider:]
Jawohl.
[vorsitzender Richter Walter Ziegler:]
Sind noch Fragen an den Angeklagte zu stellen?
Ja, bitte sehr.
[Richterin Helene Kleine:]
Zu den Gelegenheitsberichten, die Sie noch abgegeben haben. Äh - darauf etwa etwa einige Einzelheiten.
[Walter Schneider:]
Ja.
[Richterin Helene Kleine:]
Zu den Gelegenheitsberichten, die Sie noch abgeben haben. Äh - da noch etwa einige Einzelheiten. Was waren das dann noch für Berichte?
[Walter Schneider:]
Ich habe Gelegenheitsberichte geliefert und zwar über die Auflösung eines sowjetischen Biwakplatzes bei Bad Kösen am Saaleufer, über die sowjetischen Einheiten in der Kaserne Jena-Zwätzen, über die Verlegung dieser Einheiten und über die auf dem Transport befindlichen, einen Transportzug habe ich mal gesehen in Naumburg. Da habe ich in beiden Fällen über die Bewaffnung und über die Anzahl und Art der Bewaffnung berichtet. Ich habe außerdem über die, über den provokatorischen Putschversuch am 17. Juni in den Städten Jena, Halle und Wernigerode berichtet.
[Richterin Helene Kleine:]
Haben Sie auch Charakteristiken abgegeben?
[Walter Schneider:]
Jawohl. Ich habe eine Charakteristik Über meinen Abteilungsleiter, Kollegen [anonymisiert], abgegeben.
[Richterin Helene Kleine:]
Und haben Sie auch - äh - Berichte über Gespräche, die Sie unterwegs auf Ihren Reisen abgefangen haben, abgegeben?
[Walter Schneider:]
Jawohl, ich habe ein Gespräch über die volkseigenen GEWA-Werke in Neustadt in der Bahn gehört, bei meiner Fahrt von Jena nach Berlin und habe dort über die Produktionsverhältnisse erfahren, ebenso über die Arbeitskräfte und habe das auch berichtet.
[vorsitzender Richter Walter Ziegler:]
[unverständlich] noch weitere Fragen? Nicht. Herr Generalstaatsanwalt?
[Generalstaatsanwalt Dr. Ernst Melsheimer:]
Stichwort Zeiss-Jena?
[Walter Schneider:]
Jawohl.
[Generalstaatsanwalt Dr. Ernst Melsheimer:]
Bitte!
[Walter Schneider:]
Ich habe durch meine Tätigkeit bei der Bau-Union - äh - Jena den Ausstellungsraum der Karl-Zeiss-Werke in Jena besichtigt ...
[vorsitzender Richter Walter Ziegler:]
Angeklagter, sprechen Sie ins Mikrofon! Sie sind sonst überhaupt nicht zu verstehen.
[Walter Schneider:]
Ich habe durch meine Tätigkeit bei der Bau-Union Jena den Ausstellungsraum von den Karl-Zeiss-Werken Jena besichtigt und konnte dadurch über die Produktion, über einen Teil der Produktion der Karl-Zeiss-Werke berichten, in Bezug auf Ferngläser, Foto-Objektive und eine neue Art Glas.
[Generalstaatsanwalt Dr. Ernst Melsheimer:]
Gut, mehr brauchen Sie nicht zu sagen. Gut, mehr brauchen Sie nicht zu sagen.
Dann sind Sie doch auch mal auf Rügen gewesen, ja?
[Walter Schneider:]
Nein, ich habe durch einen Hotelgast, der mit mir im gleichen Zimmer gewohnt hatte, weil kein Einbettzimmer frei war in Karl-Marx-Stadt im Hotel am Schlachthof, mit einem gewissen [anonymisiert] zusammen gewohnt. Dieser war auf der Insel Rügen beheimatet und hat dort bei der Konsumgenossenschaft gearbeitet. Aus einem Gespräch mit ihm konnte ich entnehmen, dass auf der Insel Rügen größere Bauarbeiten durchgeführt werden und dass dort circa 20.000 Beschäftigte und 4.000 Häftlinge arbeiten. Es sollte ein Landstrich durchstochen werden, um ...
[Generalstaatsanwalt Dr. Ernst Melsheimer:]
Die Einzelheiten interessieren nicht. Was für moderne Einsatzmöglichkeiten oder auch modernere - äh - Maschinen, worüber haben Sie da gesprochen?
[Walter Schneider:]
Er sagte mir, dass dort vier sowjetische Schreitbagger und zwei Maulwürfe sowie die modernsten Transportgeräte eingesetzt werden.
[Generalstaatsanwalt Dr. Ernst Melsheimer:]
Sagen Sie, wie sind Sie ... Äh - welchen Eindruck haben Sie selbst, wer hat Sie hin gebracht zur Spionagezentrale?
[Walter Schneider:]
Also, dass ich ... Dadurch, dass ich die [anonymisiert] kennenlernte ...
[Generalstaatsanwalt Dr. Ernst Melsheimer:]
Die [anonymisiert], die hat Sie zu Oestereich gebracht?
[Walter Schneider:]
Jawohl.
[Generalstaatsanwalt Dr. Ernst Melsheimer:]
Und zwar waren Sie mit ihr, hatten ein Verhältnis mit ihr?
[Walter Schneider:]
Ich hatte ein Verhältnis mit ihr, jawohl.
[Generalstaatsanwalt Dr. Ernst Melsheimer:]
Waren Sie Ihr sexuell hörig?
[Walter Schneider:]
Ja.
[Generalstaatsanwalt Dr. Ernst Melsheimer:]
Sie waren Ihr sexuell hörig?
[Walter Schneider:]
Jawohl.
[Generalstaatsanwalt Dr. Ernst Melsheimer:]
Sie scheinen aber auch noch anderen Frauen gegenüber sexuell hörig gewesen zu sein. Sie haben ausser ihr noch zwei andere Frauen gleichzeitig gehabt, ja?
[Walter Schneider:]
Jawohl.
[Generalstaatsanwalt Dr. Ernst Melsheimer:]
Als sie hat, diese ... Was war [anonymisiert] in Bezug auf Oestereichs und die ganze Spionageorganisation?
[Walter Schneider:]
Nachdem was mir aus der Voruntersuchung und aus der Anklageschrift bekannt ist, muss sie ein Tipper gewesen sein.
[Generalstaatsanwalt Dr. Ernst Melsheimer:]
Sie war der Tipper, der Sie getippt hat, so war's und der Sie zu dem gemacht hat, als was Sie bezeichnet werden in dem Dokument Numero 35, Herr Präsident, seiner Akten, als die bedeutendste Spitzenquelle.
[vorsitzender Richter Walter Ziegler:]
Ist ja nach dem, was wir als geliefert festgestellt haben, nicht verwunderlich, nicht, Angeklagter?
[Walter Schneider:]
Das war mir nicht bekannt.
[vorsitzender Richter Walter Ziegler:]
[unverständlich]
[Walter Schneider:]
Es war aber offen, dass, wenn ich zum MdI überwechseln könnte, ich dann die Spitzenquelle wäre. Aber in meiner Tätigkeit bei der Hauptverwaltung Bauindustrie wurde darüber nicht gesprochen.
[vorsitzender Richter Walter Ziegler:]
Noch Fragen an den Angeklagten?
[Generalstaatsanwalt Dr. Ernst Melsheimer:]
Ja.
[vorsitzender Richter Walter Ziegler:]
Herr Ri-, Staatsanwalt.
[Generalstaatsanwalt Dr. Ernst Melsheimer:]
Diese, das müssen Sie mir noch erklären, wie Sie dazu kommen, über den 17.06. zugleich über drei Städte die Ereignisse vom 17.06. in Einem gesehen zu haben? Sind Sie also im D-Zugstempo durch die Städte, um zu sammeln das Material, was alles am 17.06. zu sehen war? Oder wie ist das möglich gewesen, dass Sie über drei Städte in der Deutschen Demokratischen Republik einmal über den, am 17.06. berichten können?
[Walter Schneider:]
Ich bin am Abend des 17.06. in Jena um 18.10. abgefahren in Richtung Berlin. Dort bin ich nur bis Halle gefahren, weil schon Reisende angaben, dass sie nicht nach Berlin reinkämen. Ich habe dort bei meinen Eltern in Halle übernachtet und hatte ein Gespräch mit meinem Bruder geführt über die Ereignisse des 17. Deshalb konnte ich auch von Halle berichten. Am Morgen des 18. Juni bin ich mit dem ersten Zug nach Wernigerode gefahren und habe mich dort bis zum Wochenende aufgehalten. Dadurch war es mir auch möglich, über diesen provokatorischen Putschversuch am 17.06. in Wernigerode zu berichten.
[Generalstaatsanwalt Dr. Ernst Melsheimer:]
Also diese schnelle Fahrerei war in dem Bestreben möglichst viel vom 17. Juni noch noch zu sehen?
[Walter Schneider:]
Nein, das war überhaupt nicht der Fall.
[Generalstaatsanwalt Dr. Ernst Melsheimer:]
Das war nicht der Fall?
[Walter Schneider:]
Nein.
[Generalstaatsanwalt Dr. Ernst Melsheimer:]
Sondern, das war Zufall.
[Walter Schneider:]
Das war Zufall.
[Generalstaatsanwalt Dr. Ernst Melsheimer:]
Aber Sie waren dankbar, dass Sie über drei Orte berichten konnten?
[Walter Schneider:]
Jawohl.
[vorsitzender Richter Walter Ziegler:]
Herr Verteidiger.
[Rechtsanwalt Zumpe:]
Ich bitte zu fragen, ob der Angeklagte während seiner Tätigkeit bei der Volkseigenen Industrie - äh - Arbeitsauszeichnungen erhalten hat.
[vorsitzender Richter Walter Ziegler:]
Sie haben die Fragen des Herrn Verteidigers gehört, Angeklagter.
[Walter Schneider:]
Jawohl.
[vorsitzender Richter Walter Ziegler:]
Was haben Sie dazu zu sagen?
[Walter Schneider:]
Ich wurde im, am 01. Mai 1952 als Bestarbeiter ausgezeichnet.
[vorsitzender Richter Walter Ziegler:]
Haben Sie sonst noch Auszeichnungen bekommen?
[Walter Schneider:]
Nein.
[vorsitzender Richter Walter Ziegler:]
Für gute Leistungen?
[Walter Schneider:]
Ich habe verschiedentlich ...
[vorsitzender Richter Walter Ziegler:]
Bis auf Ihr monatliches Einkommen aus Westdeutschland - äh - West-Berlin bekommen?
[Walter Schneider:]
Ich habe verschiedentlich Prämien bekommen.
[vorsitzender Richter Walter Ziegler:]
Verschiedentlich Prämien?
[Walter Schneider:]
Jawohl.
[vorsitzender Richter Walter Ziegler:]
Sie sagten uns vorhin, Angeklagter, dass Sie zu dieser Spionagetätigkeit gekommen waren, wegen des Wunsches nach Düsseldorf umzuziehen, ohne durch ein Lager gehen zu müssen.
[Walter Schneider:]
Jawohl.
[vorsitzender Richter Walter Ziegler:]
Haben Sie denn nun, als Sie sich für die Spionagetätigkeit bereit erklärt haben, dabei wenigstens einen Termin vereinbart? Gesagt also: Nicht länger als bis dann, dann müsst ihr mich nach Düsseldorf lassen oder so?
[Walter Schneider:]
Ein fester Termin ...
[vorsitzender Richter Walter Ziegler:]
Das wäre doch das Notwendige gewesen.
[Walter Schneider:]
Ein fester Termin wurde nicht vereinbart.
[vorsitzender Richter Walter Ziegler:]
Sondern?
[Walter Schneider:]
Sondern der Agent Paulberg sagte mir, wollte mir eine gute Stellung in Westdeutschland beschaffen und das hätte seine Schwierigkeiten. Ich habe ihn wiederholt daraufhin angesprochen, und er hat mich immer wieder hingehalten.
[vorsitzender Richter Walter Ziegler:]
Hat Sie immer wieder hingehalten?
[Walter Schneider:]
Jawohl, mit dem Ziel natürlich, dass ich weiterhin meine Täti-, meine verbrecherische Tätigkeit durchführen sollte.
[vorsitzender Richter Walter Ziegler:]
Und das war das ganze Motiv, dass Sie sich zum Spionagedienst hingegeben haben, dass Sie nach Düsseldorf wollten, Angeklagter?
[Walter Schneider:]
Nein.
[vorsitzender Richter Walter Ziegler:]
Sondern?
[Walter Schneider:]
Ich hatte mir durch meine häufigen West-Berliner Besuche eine westliche Einstellung angeeignet, und zwar dahingehend, dass ich die Artikel, die in West-Berlin angeboten wurden, besser erachtete als die Erzeugnisse der Deutschen Demokratischen Republik. Ich tätigte also auch schon vorher, vor meiner Spionagetätigkeit, verschiedentlich Einkäufe in West-Berlin und hatte natürlich den Wunsch, mir weitere Sachen anzuschaffen und darum waren mir natürlich die 150 Mark sehr willkommen.
[vorsitzender Richter Walter Ziegler:]
Weiteres können Sie als Motiv für Ihr Verhalten uns nicht sagen, Angeklagter?
[Walter Schneider:]
Nein.
[vorsitzender Richter Walter Ziegler:]
Sind noch Fragen? Herr Verteidiger.
[Rechtsanwalt Zumpe:]
Ich bitte zu fragen, ob der Angeklagte eine Trennung von der Organisation in Erwägung gezogen oder vielleicht auch schon Schritte unternommen hatte?
[vorsitzender Richter Walter Ziegler:]
Was haben Sie dazu zu sagen?
[Walter Schneider:]
Ich habe einmal den Versuch gemacht, und zwar nachdem diese Sperre der Sektorengrenzen wieder aufgehoben wurde und es mir durchaus möglich gewesen wäre, nach West-Berlin zu gehen, bin ich trotzdem nicht hingegangen.
Ich erhielt zu diesem Zweck, also deshalb, eine Aufforderung von dem Agenten Möser ungefähr sinngemäß, dass ich, dass meine, meine Magenverstimmung nun wieder beendet sei und ich ihn aufsuchen könnte. Daraufhin habe ich nicht reagiert. Ich kriegte dann ...
[vorsitzender Richter Walter Ziegler:]
Sie hatten noch Magenverstimmung?
[Walter Schneider:]
Jawohl. Ich bekam einen Brief von der [anonymisiert] zu meinem Geburtstag am 31. Juli, wo außerdem eine versteckte Aufforderung enthalten war, sinngemäß so, dass der Agent Heinz, sie meinte natürlich nicht den Heinz Oestereich, aber damit sollte ich gleich Bescheid wissen, sie meinte damit Paulberg oder Möser, sehr böse auf mich sei. Ich habe weitere Tage verstreichen lassen und habe überlegt, habe aber nicht den Mut gefunden, zu einer Dienststelle zu gehen und bin dann wieder rüber gegangen.
[vorsitzender Richter Walter Ziegler:]
Herr Staatsanwalt.
[Staatsanwalt Walter Piehl:]
Das hieße ja, dass Sie Ihren Plan aufgeben wollten, nach Düsseldorf zu überziehen, ja?
[Walter Schneider:]
Jawohl.
[Staatsanwalt Walter Piehl:]
Den hatten Sie also aufgegeben?
[Walter Schneider:]
Jawohl.
[Staatsanwalt Walter Piehl:]
Wieviel Treffs hatten Sie im Ganzen mit Möser und Paulberg?
[Walter Schneider:]
Ich hatte circa 13 Treffs mit Paulberg und Möser in West-Berliner Lokalen.
[Staatsanwalt Walter Piehl:]
Wie viel lagen davon nach dem 17.?
[Walter Schneider:]
Das ist mir nicht genau in Erinnerung. Mein erster Treff nach dem 17. war Anfang August, in den ersten Tagen des August.
[Staatsanwalt Walter Piehl:]
Wann sind Sie in Haft genommen worden?
[Walter Schneider:]
Am 30. Oktober 1953.
[Staatsanwalt Walter Piehl:]
Und wie viel Treffs haben Sie in der Zeit gehabt?
[Walter Schneider:]
Drei, ich glaube drei Treffs. Ich weiß nicht genau, aber das beweisen meine Unterlagen.
Hauptabteilung IX (Untersuchungsorgan)
Die Hauptabteilung IX war die für strafrechtliche Ermittlungen und Strafverfolgung zuständige Diensteinheit. Sie hatte wie die nachgeordneten Abteilung IX in den Bezirksverwaltung (BV) (Linie IX) die Befugnisse eines Untersuchungsorgans, d. h. einer kriminalpolizeilichen Ermittlungsbehörde. Ursprünglich vor allem für die sog. Staatsverbrechen zuständig, befasste sie sich in der Honecker-Ära überwiegend mit Straftaten gegen die staatliche Ordnung, vor allem mit Fällen "ungesetzlichen Grenzübertritts" und Delikten, die mit Ausreisebegehren zu tun hatten. Nach StPO der DDR standen auch die Ermittlungsverfahren der Linie IX unter Aufsicht der Staatsanwaltschaft, in der Praxis arbeitete das MfS hier jedoch weitgehend eigenständig.
Die Hauptabteilung IX und die Abteilungen IX der BV waren berechtigt, Ermittlungsverfahren einzuleiten sowie Festnahmen, Vernehmungen, Durchsuchungen, Beschlagnahmen und andere strafprozessuale Handlungen vorzunehmen sowie verpflichtet, diese Verfahren nach einer bestimmten Frist - meist durch die Übergabe an die Staatsanwaltschaft zur Anklageerhebung - zum Abschluss zu bringen (Untersuchungsvorgang). Daneben führte sie Vorermittlungen zur Feststellung von Ursachen und Verantwortlichen bei Großhavarien (industriellen Störfällen), Flugblättern widerständigen Inhalts, öffentlichen Protesten u. ä. (Vorkommnisuntersuchung, Sachverhaltsprüfung).
Die Hauptabteilung IX gehörte zeit ihres Bestehens zum Anleitungsbereich Mielkes, in den ersten Jahren in seiner Funktion als Staatssekretär und 1. stellv. Minister, ab 1957 als Minister. Ihre Leiter waren Alfred Karl Scholz (1950-1956), Kurt Richter (1956-1964), Walter Heinitz (1964-1973) und Rolf Fister (1973-1989).
1953 bestand die Hauptabteilung IX aus drei Abteilungen, die für Spionagefälle, Fälle politischer "Untergrundtätigkeit" und die Anleitung der Abt. IX der BV zuständig waren. Durch Ausgliederungen entstanden weitere Abteilungen, so u. a. für Wirtschaftsdelikte, Militärstraftaten, Delikte von MfS-Angehörigen und Fluchtfälle. Ende 1988 bestand die Hauptabteilung IX aus zehn Untersuchungsabteilungen sowie der Auswertungs- und Kontrollgruppe (AKG) und der AGL (Arbeitsgruppe des Ministers (AGM)) mit insgesamt 489 Mitarbeitern. Auf der Linie IX arbeiteten 1.225 hauptamtliche Mitarbeiter.
Die Linie IX wirkte eng mit den Abteilung XIV (Haft) und der Linie VIII (Beobachtung, Ermittlung), die für die Durchführung der Festnahmen zuständig waren, zusammen. Bei der juristischen Beurteilung von Operativen Vorgängen (OV) wurde die Hauptabteilung IX von den geheimdienstlich arbeitenden Diensteinheiten häufig einbezogen.
Hauptabteilung IX (Untersuchungsorgan)
Die Hauptabteilung IX war die für strafrechtliche Ermittlungen und Strafverfolgung zuständige Diensteinheit. Sie hatte wie die nachgeordneten Abteilung IX in den Bezirksverwaltung (BV) (Linie IX) die Befugnisse eines Untersuchungsorgans, d. h. einer kriminalpolizeilichen Ermittlungsbehörde. Ursprünglich vor allem für die sog. Staatsverbrechen zuständig, befasste sie sich in der Honecker-Ära überwiegend mit Straftaten gegen die staatliche Ordnung, vor allem mit Fällen "ungesetzlichen Grenzübertritts" und Delikten, die mit Ausreisebegehren zu tun hatten. Nach StPO der DDR standen auch die Ermittlungsverfahren der Linie IX unter Aufsicht der Staatsanwaltschaft, in der Praxis arbeitete das MfS hier jedoch weitgehend eigenständig.
Die Hauptabteilung IX und die Abteilungen IX der BV waren berechtigt, Ermittlungsverfahren einzuleiten sowie Festnahmen, Vernehmungen, Durchsuchungen, Beschlagnahmen und andere strafprozessuale Handlungen vorzunehmen sowie verpflichtet, diese Verfahren nach einer bestimmten Frist - meist durch die Übergabe an die Staatsanwaltschaft zur Anklageerhebung - zum Abschluss zu bringen (Untersuchungsvorgang). Daneben führte sie Vorermittlungen zur Feststellung von Ursachen und Verantwortlichen bei Großhavarien (industriellen Störfällen), Flugblättern widerständigen Inhalts, öffentlichen Protesten u. ä. (Vorkommnisuntersuchung, Sachverhaltsprüfung).
Die Hauptabteilung IX gehörte zeit ihres Bestehens zum Anleitungsbereich Mielkes, in den ersten Jahren in seiner Funktion als Staatssekretär und 1. stellv. Minister, ab 1957 als Minister. Ihre Leiter waren Alfred Karl Scholz (1950-1956), Kurt Richter (1956-1964), Walter Heinitz (1964-1973) und Rolf Fister (1973-1989).
1953 bestand die Hauptabteilung IX aus drei Abteilungen, die für Spionagefälle, Fälle politischer "Untergrundtätigkeit" und die Anleitung der Abt. IX der BV zuständig waren. Durch Ausgliederungen entstanden weitere Abteilungen, so u. a. für Wirtschaftsdelikte, Militärstraftaten, Delikte von MfS-Angehörigen und Fluchtfälle. Ende 1988 bestand die Hauptabteilung IX aus zehn Untersuchungsabteilungen sowie der Auswertungs- und Kontrollgruppe (AKG) und der AGL (Arbeitsgruppe des Ministers (AGM)) mit insgesamt 489 Mitarbeitern. Auf der Linie IX arbeiteten 1.225 hauptamtliche Mitarbeiter.
Die Linie IX wirkte eng mit den Abteilung XIV (Haft) und der Linie VIII (Beobachtung, Ermittlung), die für die Durchführung der Festnahmen zuständig waren, zusammen. Bei der juristischen Beurteilung von Operativen Vorgängen (OV) wurde die Hauptabteilung IX von den geheimdienstlich arbeitenden Diensteinheiten häufig einbezogen.
Eine selbständige Abteilung ist eine Organisationsstruktur in der MfS-Zentrale, die durch den Minister oder einen seiner Stellvertreter direkt angeleitet und durch militärische Einzelleiter geführt wurde. Die weiter untergliederten Abteilungen prägten Linien aus (z. B. Abt. XIV; Linienprinzip) oder blieben auf die Zentrale beschränkt (z. B. Abt. X). Die eng umrissenen Zuständigkeiten mit operativer Verantwortung und Federführung orientierten sich an geheimdienstlichen Praktiken (Telefonüberwachung) oder Arbeitsfeldern (Bewaffnung, chemischer Dienst).
Anwerbung war in den Jahren 1950 bis 1968 die Bezeichnung des MfS für die Werbung von IM für die konspirative Arbeit. Im Vorfeld der Anwerbung war die Person sorgfältig, aber konspirativ zu überprüfen. In der Regel hatte der Angeworbene die Bereitschaft zur Kooperation schriftlich zu erklären und sich dabei einen Decknamen auszuwählen. Über die Anwerbung selbst war vom Führungsoffizier ein detaillierter Bericht zu fertigen.
Anwerbung war in den Jahren 1950 bis 1968 die Bezeichnung des MfS für die Werbung von IM für die konspirative Arbeit. Im Vorfeld der Anwerbung war die Person sorgfältig, aber konspirativ zu überprüfen. In der Regel hatte der Angeworbene die Bereitschaft zur Kooperation schriftlich zu erklären und sich dabei einen Decknamen auszuwählen. Über die Anwerbung selbst war vom Führungsoffizier ein detaillierter Bericht zu fertigen.
Die Durchsuchung von Wohnungen, Räumen oder Personen war eine strafprozessuale Maßnahme im Ermittlungsverfahren zum Zwecke der Festnahme oder Verhaftung Verdächtiger bzw. zum Auffinden von Beweismaterial (§§ 108–119 StPO/1968). Eine Durchsuchung musste vom Staatsanwalt bzw. konnte bei Gefahr im Verzuge auch von den Untersuchungsorganen angeordnet werden und bedurfte einer richterlichen Bestätigung binnen 48 Stunden (§ 121 StPO/1968). Die Durchsuchung oblag eigentlich den Untersuchungsorganen, formal im MfS also der Linie IX (Hauptabteilung IX). Tatsächlich wurden sie aber regulär von Mitarbeitern der Linie VIII (Hauptabteilung VIII) durchgeführt.
Die Durchsuchung Verhafteter und vorläufig Festgenommener konnte ohne staatsanwaltliche Anordnung durchgeführt werden und bedurfte keiner richterlichen Bestätigung (§ 109 StPO/1968); sie wurde im MfS von den – formal nicht zuständigen – Mitarbeitern der Linie XIV (Abteilung XIV) durchgeführt. Außerhalb des Ermittlungsverfahrens war die Durchsuchung von Personen und Sachen durch Polizei und MfS polizeirechtlich geregelt (§ 13 VP-Gesetz). Vom MfS wurden die Möglichkeiten der Durchsuchung und Beschlagnahme auch außerhalb des jeweiligen strafprozessualen Ermittlungsverfahrens für geheimdienstliche Zwecke genutzt. Jenseits jeglicher rechtlicher Regelungen führten operative Diensteinheiten des MfS, vor allem die Linie VIII (Hauptabteilung VIII), auch konspirative Wohnungsdurchsuchungen durch.
Organisationsstruktur in der MfS-Zentrale, die durch den Minister oder einen seiner Stellvertreter direkt angeleitet wurde. Die zuletzt 13 Hauptabteilungen wurden durch Einzelleiter geführt. Die weiter untergliederten und nach dem Linienprinzip tätigen HA waren für komplexe, abgegrenzte Bereiche operativ zuständig und federführend verantwortlich. Der Zuschnitt der Zuständigkeitsbereiche war an Ressorts oder geheimdienstlichen Praktiken (z. B. Verkehrswesen, Beobachtung, Funkspionage) orientiert.
Organisationsstruktur in der MfS-Zentrale, die durch den Minister oder einen seiner Stellvertreter direkt angeleitet wurde. Die zuletzt 13 Hauptabteilungen wurden durch Einzelleiter geführt. Die weiter untergliederten und nach dem Linienprinzip tätigen HA waren für komplexe, abgegrenzte Bereiche operativ zuständig und federführend verantwortlich. Der Zuschnitt der Zuständigkeitsbereiche war an Ressorts oder geheimdienstlichen Praktiken (z. B. Verkehrswesen, Beobachtung, Funkspionage) orientiert.
Hauptverwaltung (HV) war eine Organisationseinheit in der MfS-Zentrale, die bereits ausdifferenzierte Aufgabenkomplexe in einer hierarchisch gegliederten Einheit zusammenfasst. Überwiegend durch Stellvertreter des Ministers direkt geleitet. Über das Gründungsjahrzehnt des MfS hinweg hatte nur die HV A als echte HV Bestand. Daneben war Hauptverwaltung eine Bezeichnung für Diensteinheiten im MfS ohne strukturell berechtigenden Hintergrund.
Hauptverwaltung (HV) war eine Organisationseinheit in der MfS-Zentrale, die bereits ausdifferenzierte Aufgabenkomplexe in einer hierarchisch gegliederten Einheit zusammenfasst. Überwiegend durch Stellvertreter des Ministers direkt geleitet. Über das Gründungsjahrzehnt des MfS hinweg hatte nur die HV A als echte HV Bestand. Daneben war Hauptverwaltung eine Bezeichnung für Diensteinheiten im MfS ohne strukturell berechtigenden Hintergrund.
Quelle war eine zentrale IM-Kategorie der Hauptverwaltung A. Als Quelle wurden im sogenannten Operationsgebiet tätige inoffizielle Mitarbeiter bezeichnet, die in der Lage waren, an geheime Informationen über Aktivitäten und Absichten sowie Ressourcen und interne Lagebedingungen gegnerischer Einrichtungen zu gelangen.
Es wurden zwei Typen von Quellen unterschieden:
Zuletzt besaß die HV A (einschließlich der ihr nachgeordneten Abteilungen XV der BV) in der Bundesrepublik und Westberlin 133 A-Quellen und 449 O-Quellen.
Tipper sind eine Kategorie von inoffiziellen Mitarbeitern, die das MfS auf Personen hinweisen sollten ("tippen"), die als Kandidaten für die inoffizielle Arbeit (insbesondere im Operationsgebiet) in Frage kamen. Entsprechende Vorschläge sollte der Tipper mit konkreten "Ansatzpunkten" begründen. In der Regel verfügte er in der DDR über eine berufliche, politische oder gesellschaftliche Stellung, die ihm einen entsprechenden Überblick erlaubte. Darüber hinaus konnte der Tipper in einzelnen Fällen die Reaktion einer Person auf die Werbung zur inoffiziellen Arbeit überprüfen.
Beginn einer freiheitsentziehenden Maßnahme, Ergreifung eines Beschuldigten oder Angeklagten aufgrund eines richterlichen Haftbefehls (§ 114 StPO/1949, § 142 StPO/1952, §§ 6 Abs. 3, 124 StPO/1968). Zu unterscheiden von der vorläufigen Festnahme und der Zuführung.
Die Verpflichtung Bereitschaftserklärung zur Tätigkeit als IM bildete den Abschluss der Werbung. Sie erfolgte in der Regel schriftlich und in Ausnahmefällen mündlich. Schriftliche Verpflichtungen erfolgten stets handschriftlich. Die Verpflichtungserklärung enthielt bestimmte Kernelemente, zu denen der Bezugspartner Staatssicherheit, die Verpflichtung zur Geheimhaltung, ein Deckname und die Unterschrift gehörten.
Das MfS hat als ein Instrument der DDR, insbesondere der SED-Führung, die politischen Interessen des Staates inoffiziell in der Bundesrepublik Deutschland unterstützt. Die Westarbeit des MfS bestand aus Spionageaktivitäten, also der nachrichtendienstlichen Beschaffung von Informationen, Patenten, Verfahren und Mustern durch das MfS.
Die Bezeichnungen Westarbeit und Spionage meinen in diesem Kontext das, was beim MfS mit "operative Arbeit im und nach dem Operationsgebiet" bezeichnet wird. Im engeren Sinne also die Arbeit mit Inoffiziellen Mitarbeitern im "Operationsgebiet", bei dem es sich überwiegend um die Bundesrepublik Deutschland und Westberlin handelte, aber auch die in der NATO und der Europäischen Gemeinschaft verbundenen Staaten einschloss.
Im weiteren Sinne fallen darunter auch die Funkaufklärung und der Einsatz von Offizieren im besonderen Einsatz in Botschaften, Konsulaten usw. Erfolgte diese operative Arbeit bis Anfang der 70er Jahre wesentlich "illegal", ergaben sich mit der zunehmenden Anerkennung der DDR auch verstärkt "legale" Zugänge über die Einrichtung von Botschaften, von denen aus das MfS mit "legal abgedeckten Residenturen" arbeiten konnte.
Für die Beschaffung von wissenschaftlich-technischen, politischen und militärischen Informationen war vor allem die Hauptverwaltung A zuständig, aber nahezu gleichrangig zahlreiche Abwehrdiensteinheiten des MfS. Die Hauptabteilung I, in der DDR für die Absicherung des Militärkomplexes verantwortlich, erkundete auch die Bundeswehr, den Bundesgrenzschutz, den Zollgrenzdienst, die Bayerische Grenzpolizei und diverse Einrichtungen der NATO.
Die Hauptabteilung II, mit der "offensiven Abwehr" ausländischer Nachrichtendienste in der DDR befasst, arbeitete zeitweise auch gegen den Bundesnachrichtendienst, das Bundesamt und die Landesämter für Verfassungsschutz sowie den Militärischen Abschirmdienst. Die Hauptabteilung VI überwachte neben dem Ein-, Ausreise- und Transitverkehr in der DDR auch den über innerdeutsche Grenzen hinaus von und nach Westberlin.
Die Hauptabteilung VII unterhielt im "Operationsgebiet" ebenfalls ein Netz, das im klassischen Sinne kriminelle Aktivitäten wie Schmuggel aufzuklären hatte. Die Hauptabteilung VIII war für Ermittlungen und Beobachtungen zuständig. Zugleich war sie Servicediensteinheit für alle Diensteinheiten des MfS, indem sie den Informationsbedarf über Bundesbürger bediente.
Neben der Sicherungsarbeit in den Bereichen Staatsapparat, Blockparteien und "politischer Untergrundtätigkeit" war die Hauptabteilung XX im "Operationsgebiet" für alle Einrichtungen zuständig, die sich mit der DDR befassten. Im Visier der Hauptabteilung XXII standen links- und rechtsextremistische, überwiegend terroristische Gruppen.
Schließlich wäre auf Hauptabteilungsebene noch die Zentrale Kontrollgruppe anzuführen, die sich mit besonders DDR-kritischen Gruppen befasste, wie z. B. der Internationalen Gesellschaft für Menschenrechte oder den Fluchthilfeorganisationen. Mit der Westarbeit waren nicht allein die zentralen Abwehrdiensteinheiten befasst, sondern ihre Linien (Linienprinzip) erstreckten sich meist auch auf Bezirks- und im Einzelfall auf Kreisverwaltungsebene des MfS.
In den Kontext der Westarbeit sind auch die etwa 400 Entführungen von Bürgern aus der Bundesrepublik Deutschland und Westberlin zu zählen sowie vereinzelte Versuche und Erwägungen, Bürger zu töten, wobei bislang ein Mord nicht nachgewiesen ist. Das MfS selbst verstand unter der "Arbeit im und nach dem Operationsgebiet" die "Gesamtheit der politisch-operativen Kräfte des MfS im Operationsgebiet und die Nutzung solcher Personen aus dem Operationsgebiet, die zur Erfüllung operativer Aufgaben geeignet sind".
Die HV A und ihre Abteilungen XV in den Bezirksverwaltungen arbeiteten nach Schwerpunkten im "Operationsgebiet", ihre innere Struktur drückte die entsprechende Interessenlage aus.
Demnach konzentrierte sich die Abt. I auf Politik und strategische Absichten der Bundesregierung, die Abt. II auf die Parteien, Gewerkschaften, Landsmannschaften im "Operationsgebiet", die Abt. III steuerte die operative Arbeit der "legal abgedeckten Residenturen" in DDR-Botschaften, Konsulaten und Handelseinrichtungen, und die Abt. IV beschäftigte sich mit den militärischen Zentren" in der Bundesrepublik Deutschland, wozu das Bundesministerium der Verteidigung, Wehrbezirkskommandos der Bundeswehr und diverse US-amerikanische Einrichtungen gehörten. Die Abt. IX befasste sich mit westlichen Nachrichtendiensten, die Abt. XI mit den USA und die Abt. XII mit der NATO.
Die Abteilungen XIII bis XV gehörten zum Sektor Wissenschaft und Technik, der systematisch Patente, Verfahren und Muster für die DDR- und osteuropäische Forschung und Wirtschaft beschaffte. Schwerpunkte waren die Fachgebiete Energie, Biologie, Chemie, Elektronik, Elektrotechnik und Maschinenbau sowie das Bemühen, die Embargopolitik zu unterlaufen. Für offizielle, mithin dienstliche Kontakte zwischen beispielsweise DDR- und bundesdeutschen Wissenschaftlern oder Politikern war eigens die Abt. XVI der HV A zuständig, die auf diesem Weg an relevante Informationen gelangen sollte.
Während all diese Abteilungen der HV A überwiegend informationsbeschaffend tätig waren, verfügte sie mit der Abt. X eigens über eine Struktureinheit, die systematisch aktive Maßnahmen in der Bundesrepublik zu entfalten suchte.
Das MfS hat als ein Instrument der DDR, insbesondere der SED-Führung, die politischen Interessen des Staates inoffiziell in der Bundesrepublik Deutschland unterstützt. Die Westarbeit des MfS bestand aus Spionageaktivitäten, also der nachrichtendienstlichen Beschaffung von Informationen, Patenten, Verfahren und Mustern durch das MfS.
Die Bezeichnungen Westarbeit und Spionage meinen in diesem Kontext das, was beim MfS mit "operative Arbeit im und nach dem Operationsgebiet" bezeichnet wird. Im engeren Sinne also die Arbeit mit Inoffiziellen Mitarbeitern im "Operationsgebiet", bei dem es sich überwiegend um die Bundesrepublik Deutschland und Westberlin handelte, aber auch die in der NATO und der Europäischen Gemeinschaft verbundenen Staaten einschloss.
Im weiteren Sinne fallen darunter auch die Funkaufklärung und der Einsatz von Offizieren im besonderen Einsatz in Botschaften, Konsulaten usw. Erfolgte diese operative Arbeit bis Anfang der 70er Jahre wesentlich "illegal", ergaben sich mit der zunehmenden Anerkennung der DDR auch verstärkt "legale" Zugänge über die Einrichtung von Botschaften, von denen aus das MfS mit "legal abgedeckten Residenturen" arbeiten konnte.
Für die Beschaffung von wissenschaftlich-technischen, politischen und militärischen Informationen war vor allem die Hauptverwaltung A zuständig, aber nahezu gleichrangig zahlreiche Abwehrdiensteinheiten des MfS. Die Hauptabteilung I, in der DDR für die Absicherung des Militärkomplexes verantwortlich, erkundete auch die Bundeswehr, den Bundesgrenzschutz, den Zollgrenzdienst, die Bayerische Grenzpolizei und diverse Einrichtungen der NATO.
Die Hauptabteilung II, mit der "offensiven Abwehr" ausländischer Nachrichtendienste in der DDR befasst, arbeitete zeitweise auch gegen den Bundesnachrichtendienst, das Bundesamt und die Landesämter für Verfassungsschutz sowie den Militärischen Abschirmdienst. Die Hauptabteilung VI überwachte neben dem Ein-, Ausreise- und Transitverkehr in der DDR auch den über innerdeutsche Grenzen hinaus von und nach Westberlin.
Die Hauptabteilung VII unterhielt im "Operationsgebiet" ebenfalls ein Netz, das im klassischen Sinne kriminelle Aktivitäten wie Schmuggel aufzuklären hatte. Die Hauptabteilung VIII war für Ermittlungen und Beobachtungen zuständig. Zugleich war sie Servicediensteinheit für alle Diensteinheiten des MfS, indem sie den Informationsbedarf über Bundesbürger bediente.
Neben der Sicherungsarbeit in den Bereichen Staatsapparat, Blockparteien und "politischer Untergrundtätigkeit" war die Hauptabteilung XX im "Operationsgebiet" für alle Einrichtungen zuständig, die sich mit der DDR befassten. Im Visier der Hauptabteilung XXII standen links- und rechtsextremistische, überwiegend terroristische Gruppen.
Schließlich wäre auf Hauptabteilungsebene noch die Zentrale Kontrollgruppe anzuführen, die sich mit besonders DDR-kritischen Gruppen befasste, wie z. B. der Internationalen Gesellschaft für Menschenrechte oder den Fluchthilfeorganisationen. Mit der Westarbeit waren nicht allein die zentralen Abwehrdiensteinheiten befasst, sondern ihre Linien (Linienprinzip) erstreckten sich meist auch auf Bezirks- und im Einzelfall auf Kreisverwaltungsebene des MfS.
In den Kontext der Westarbeit sind auch die etwa 400 Entführungen von Bürgern aus der Bundesrepublik Deutschland und Westberlin zu zählen sowie vereinzelte Versuche und Erwägungen, Bürger zu töten, wobei bislang ein Mord nicht nachgewiesen ist. Das MfS selbst verstand unter der "Arbeit im und nach dem Operationsgebiet" die "Gesamtheit der politisch-operativen Kräfte des MfS im Operationsgebiet und die Nutzung solcher Personen aus dem Operationsgebiet, die zur Erfüllung operativer Aufgaben geeignet sind".
Die HV A und ihre Abteilungen XV in den Bezirksverwaltungen arbeiteten nach Schwerpunkten im "Operationsgebiet", ihre innere Struktur drückte die entsprechende Interessenlage aus.
Demnach konzentrierte sich die Abt. I auf Politik und strategische Absichten der Bundesregierung, die Abt. II auf die Parteien, Gewerkschaften, Landsmannschaften im "Operationsgebiet", die Abt. III steuerte die operative Arbeit der "legal abgedeckten Residenturen" in DDR-Botschaften, Konsulaten und Handelseinrichtungen, und die Abt. IV beschäftigte sich mit den militärischen Zentren" in der Bundesrepublik Deutschland, wozu das Bundesministerium der Verteidigung, Wehrbezirkskommandos der Bundeswehr und diverse US-amerikanische Einrichtungen gehörten. Die Abt. IX befasste sich mit westlichen Nachrichtendiensten, die Abt. XI mit den USA und die Abt. XII mit der NATO.
Die Abteilungen XIII bis XV gehörten zum Sektor Wissenschaft und Technik, der systematisch Patente, Verfahren und Muster für die DDR- und osteuropäische Forschung und Wirtschaft beschaffte. Schwerpunkte waren die Fachgebiete Energie, Biologie, Chemie, Elektronik, Elektrotechnik und Maschinenbau sowie das Bemühen, die Embargopolitik zu unterlaufen. Für offizielle, mithin dienstliche Kontakte zwischen beispielsweise DDR- und bundesdeutschen Wissenschaftlern oder Politikern war eigens die Abt. XVI der HV A zuständig, die auf diesem Weg an relevante Informationen gelangen sollte.
Während all diese Abteilungen der HV A überwiegend informationsbeschaffend tätig waren, verfügte sie mit der Abt. X eigens über eine Struktureinheit, die systematisch aktive Maßnahmen in der Bundesrepublik zu entfalten suchte.
Vernehmung von Werner Haase im Schauprozess gegen ihn und Weitere wegen Spionage für die Organisation Gehlen (Teil 1) Audio, 41 Minuten, 35 Sekunden
Vernehmung von Karl-Heinz Schmidt im Schauprozess gegen ihn wegen Spionage für die Organisation Gehlen Audio, 58 Minuten, 21 Sekunden
Vernehmung von Werner Haase im Schauprozess gegen ihn und Weitere wegen Spionage für die Organisation Gehlen (Teil 2) Audio, 58 Minuten, 26 Sekunden
Zeugenvernehmung von Hans-Joachim Geyer im Spionageprozess gegen Werner Haase und Weitere Audio, 15 Minuten, 23 Sekunden