Signatur: BStU, MfS, BdL/Dok., Nr. 8592, Bl. 1-11
In einem internen Schreiben informierte der stellvertretende Minister für Staatssicherheit, Rudi Mittig, über das aktuelle Verhältnis zwischen Staat und Kirche. Vorausgegangen war ein Gespräch zwischen Erich Honecker und Bischof Werner Leich.
Anfang 1988 war das Verhältnis zwischen Kirche und Staat auf einem Tiefpunkt angekommen. Die evangelische Kirche bot für zahlreiche Bürgerrechtler und Ausreisewillige einen Schutzschirm. Am 3. März 1988 empfing SED-Chef Honecker den Vorsitzenden der Konferenz der Evangelischen Kirchenleitung in der DDR, den thüringischen Landesbischof Werner Leich. Dieser thematisierte bei der Gelegenheit die Regelungen zur Ausreise aus der DDR und die Unterdrückung jeglicher freien Meinungsäußerung durch die Staatssicherheitsorgane. Ungeachtet dessen setzten die Machthaber weiterhin auf die Überwachung der evangelischen Kirche durch die Staatssicherheit. Der stellvertretende Minister für Staatssicherheit, Rudi Mittig, sah zwar eine positive Entwicklung des Verhältnisses zwischen Staat und Kirche nach dem Honecker-Leich-Gespräch, befahl jedoch staatskritische Kirchenkreise weiterhin zu "disziplinieren".
Anlage
Zu aktuellen Aspekten der gegenwärtigen Situation des Verhältnisses Staat - Kirche in der DDR
Die Situation hat sich insbesondere im Ergebnis des Gespräches des Vorsitzenden des Staatsrates der DDR, Genossen Erich Honecker, mit dem Vorsitzenden der Konferenz der Evangelischen Kirchenleitungen in der DDR, Landesbischof Leich, vom 03.03.1988 und nachfolgender intensiver Maßnahmen relativ beruhigt.
Die Kräftepolarisierung innerhalb der Landeskirchen, besonders in der Evangelischen Kirche Berlin-Brandenburg, wurde forciert. Besonders die Frühjahrssynoden zeigen eine weitere Verschiebung zugunsten realistischer Positionen zur Fortsetzung des konstruktiven Verhältnisses der Kirche zum Staat entsprechend der Linie vom 06.03.1978.
Selbst Bischof Forck konnte seine auf Konfrontation ausgerichteten Positionen nicht durchsetzen. Zunehmende Theologisierung wie auch die Ankündigung, einen Beitrag zur Internationalen Konferenz über kernwaffenfreie Zonen zu erbringen, sind Hinweise auf einen der Kirche gebührenden inhaltlichen Profilierungsprozeß.
Diese Ergebnisse wurden durch eine forcierte gesamtgesellschaftliche Einflußnehme unter Führung der Partei, zu der das MfS einen wesentlichen Beitrag leistete, erreicht. Ein Nachlassen in diesen Anstrengungen darf nicht geduldet werden.
Bei allen realistischen Positionen beharren die Kirchenleitungen unter Berufung auf ihre Christenpflichten - beeinflußt durch Politiker der BRD und den Verlauf der Wiener KSZE-Konferenz mit unterschiedlichem Nachdruck und in verschiedenen Varianten auf den bekannten "Problemfeldern", wie
1956 entstanden durch Umbenennung der Abteilung Allgemeines. Aufgaben des Büros der Leitung waren unter anderem
1956 entstanden durch Umbenennung der Abteilung Allgemeines. Aufgaben des Büros der Leitung waren unter anderem
Signatur: BStU, MfS, BdL/Dok., Nr. 8592, Bl. 1-11
In einem internen Schreiben informierte der stellvertretende Minister für Staatssicherheit, Rudi Mittig, über das aktuelle Verhältnis zwischen Staat und Kirche. Vorausgegangen war ein Gespräch zwischen Erich Honecker und Bischof Werner Leich.
Anfang 1988 war das Verhältnis zwischen Kirche und Staat auf einem Tiefpunkt angekommen. Die evangelische Kirche bot für zahlreiche Bürgerrechtler und Ausreisewillige einen Schutzschirm. Am 3. März 1988 empfing SED-Chef Honecker den Vorsitzenden der Konferenz der Evangelischen Kirchenleitung in der DDR, den thüringischen Landesbischof Werner Leich. Dieser thematisierte bei der Gelegenheit die Regelungen zur Ausreise aus der DDR und die Unterdrückung jeglicher freien Meinungsäußerung durch die Staatssicherheitsorgane. Ungeachtet dessen setzten die Machthaber weiterhin auf die Überwachung der evangelischen Kirche durch die Staatssicherheit. Der stellvertretende Minister für Staatssicherheit, Rudi Mittig, sah zwar eine positive Entwicklung des Verhältnisses zwischen Staat und Kirche nach dem Honecker-Leich-Gespräch, befahl jedoch staatskritische Kirchenkreise weiterhin zu "disziplinieren".
Damit wird deutlich, daß die evangelischen Kirchen in der DDR an ihrer Linie festhalten, ein Mitspracherecht in der Gesellschaft für sich in Anspruch zu nehmen, um sich damit aufzuwerten. Diese Positionen begünstigen feindlich-negative Aktivitäten reaktionärer kirchenleitender Personen und einzelner Gruppen. Ernstzunehmende Profilierungsversuche mit dem Ziel, durch die Maßnahmen nach dem 17.1. entstandene Verluste auszugleichen, unternehmen insbesondere solche Zusammenschlüsse wie "Kirche von unten", die einzelnen "Arbeitskreise Solidarische Kirche" und der sogenannte Fortsetzungsausschuß "Konkret für den Frieden". Besonders die "Solidarische Kirche" versucht, Gruppierungen unter Nutzung kirchlicher Strukturen aufzubauen, die sich einerseits der vor allem inhaltlichen Kontrolle der Kirchenleitungen entziehen, aber sich andererseits des Schutzes der Kirche vor staatlicher Einflußnahme versichern, sowie deren materiellen / räumlichen Möglichkeiten (einschließlich zur Publizierung eigener unkontrollierter Pamphlete) bedienen.
Neue Initiatoren/Exponenten kommen in das Blickfeld bzw. profilieren sich weiter (Eppelmann, Pfarrer Schneider), die zum Teil neue, lagebezogene Ideen entwickeln und hartnäckig verfolgen (siehe Seminar des Eppelmann "DDR-Bürger suchen Versöhnung mit den Völkern der SU").
Pfarrer Schneider, "Andreas-Markus-Gemeinde", Berlin verstärkt die Betreuung Übersiedlungeersuchender sowie die Zusammenführung von Wehrdienstverweigerern.
Die Kirchen gerieten nicht selten unter Verdacht, gegen die politischen Verhältnisse in der DDR zu opponieren. Das lag an ihrer weitgehenden Eigenständigkeit, an der christlichen Botschaft, die von den kommunistischen Ideologen als konkurrierendes Sinn- und Erklärungsangebot abgelehnt wurde, sowie an ihrem Beharren auf Mitsprache und Gestaltungsanspruch in gesellschaftlichen Fragen. Im Auftrag der SED wurde daher das MfS tätig, um die von den Kirchen ausgehenden vermeintlichen und tatsächlichen Gefahren für das politisch-ideologische System der DDR abzuwehren.
Die SED-Kirchenpolitik war in den vier Jahrzehnten der DDR Wandlungen unterworfen. In den 50er Jahren führte die SED mehrfach einen offenen Kirchenkampf. Dieser richtete sich u. a. gegen die kirchliche Jugend- und Studentenarbeit, v. a. bei der Einführung der Jugendweihe, sowie gegen karitative Einrichtungen wie die Bahnhofsmissionen. Mehrere Religionsgemeinschaften wurden verboten und deren Anhänger verfolgt.
Die SED war zudem bestrebt, die Verlesung von solchen Hirtenbriefen und Kanzelabkündigungen zu unterbinden, in denen sozialethische, gesellschaftskritische oder politische Fragen aufgegriffen wurden. Von der Polizei und dem MfS wurden kirchliche Einrichtungen durchsucht und Literatur beschlagnahmt. Neben kirchlichen Mitarbeitern wurden unter Mitwirkung des MfS auch Pfarrer – zwischen 1950 und 1960 mindestens 140 – inhaftiert.
Ab den 60er Jahren beschränkte sich die SED zunehmend darauf, durch eine rigorose Auslegung der Veranstaltungsordnung unerwünschte kirchliche Aktivitäten zu behindern. Das offizielle Eindringen in kirchliche Räume wie im November 1987, als es nachts in der Zionsgemeinde in Ostberlin zu Durchsuchungen und Festnahmen kam, war in den 70er und 80er Jahren eher untypisch, weil dies die Staat-Kirche-Beziehungen erheblich belastete. Vor allem seit 1978 bemühte sich die SED, ein Stillhalteabkommen zwischen Kirchenleitungen und Staat zu respektieren.
Das MfS versuchte aber stets, indirekt Einfluss auf kirchliche Entscheidungen zu nehmen. Dies und die verdeckte Informationsbeschaffung zählten zu den Hauptbetätigungsfeldern des MfS im Rahmen der von der SED konzipierten Kirchenpolitik. Die Informationsbeschaffung erfolgte mittels Observation, IM-Einsatz und auf dem Weg der sog. Gesprächsabschöpfung. Dabei gelang es in Einzelfällen auch, Christen in kirchlichen Leitungspositionen als IM zu gewinnen.
So arbeitete der thüringische Kirchenjurist und Oberkirchenrat Gerhard Lotz seit 1955 mit dem MfS als IM "Karl" zusammen. Durch die Positionierung eines Offiziers im besonderen Einsatz im Konsistorium in Magdeburg, Detlev Hammer, der ab 1974 juristischer, dann Oberkonsistorialrat war, vermochte es das MfS, einen hauptamtlichen Mitarbeiter innerhalb der Leitungsstruktur der provinzsächsischen Kirche zu platzieren. Außerdem hatte das MfS gegenüber den Kirchen dann tätig zu werden, wenn Verdachtsmomente dafür vorlagen, dass die Kirchen über den ihnen von der SED zugewiesenen religiös-kultischen Bereich hinaus tätig wurden.
Dementsprechend observierte das MfS Kirchengemeinden und Pfarrer, die – wie es beim MfS hieß – im Rahmen der "Partnerschaftsarbeit" Besuchskontakt zu Kirchengemeinden in der Bundesrepublik unterhielten. Das MfS legte hierzu OV an und ermittelte gegen die Organisatoren der Zusammenkünfte.
Als Ziele der MfS-Aufklärung galten ebenso kirchliche Synoden und Basistreffen, auf denen grundsätzlich die potenzielle Gefahr bestand, dass Kritik an den Verhältnissen in der DDR geübt werden würde. In das Blickfeld des MfS rückten die evangelischen Kirchen insbesondere ab Mitte der 70er Jahre: Zunächst rief die auch unter nichtkirchlichen Jugendlichen an Attraktivität gewinnende kirchliche Jugendarbeit, dann die Friedens-, Umwelt- und Menschenrechtsarbeit unter dem Dach der Kirche den Argwohn des MfS hervor.
Insgesamt war das MfS nur eine von mehreren Institutionen des SED-Staates, die im Rahmen der SED-Kirchenpolitik tätig wurden. Im Zusammenspiel mit ihnen versuchte das MfS, die Kirchen zu kontrollieren und zu disziplinieren.
In Auswertung der kirchenpolitischen Kampagnen der 50er Jahre und bestärkt durch konzeptionelle Arbeiten, drängte die SED-Führung ab Anfang der 80er Jahre zunehmend auf ein koordiniertes Vorgehen. Die vom MdI und den Abteilungen für Inneres erstellten Rapportmeldungen, Berichte und Personeneinschätzungen zu Gottesdiensten und kirchlichen Mitarbeitern wurden vereinbarungsgemäß dem MfS zur Verfügung gestellt und bildeten häufig den Grundstock jener Berichte und Personencharakteristiken, die sich in den Beständen des MfS wiederfinden.
Bereits vor Gründung des MfS hatte bei der Deutschen Verwaltung des Innern in der Abteilung K 5 das Referat C 3 existiert. Als Aufgabenbeschreibung wurde die "Aufklärung und Bekämpfung der kirchlichen Feindtätigkeit" genannt. Ab 1950 bestand im MfS zunächst die Abteilung V, die sich ab 1953 Hauptabteilung V nannte und 1964 im Zuge einer Umstrukturierung zur Hauptabteilung XX wurde.
Innerhalb dieser Organisationsstruktur zeichnete die Abt. 4 für die "Bearbeitung" der Kirchen verantwortlich. 1988 gliedert sich diese in sechs Fachreferate, wobei je eins für die evangelischen Kirchen, die katholische Kirche sowie die Religionsgemeinschaften und Sekten zuständig war. Ein Referat widmete sich Operativen Vorgängen. Als Schwerpunkt der Arbeit wurde die "Bekämpfung der politischen Untergrundtätigkeit" benannt. Zwei weitere Referate nahmen koordinierende Funktionen wahr.
Neben der Hauptabteilung XX/4 stützte sich das MfS bei der Bekämpfung und Infiltration der Kirchen auf die Zuarbeit verschiedener Hauptabteilungen und Abteilungen - so u. a. auf die Dienste der HV A bei der "Aufklärung" von westlichen Partnergemeinden und Pfarrern, die die kirchliche Friedensarbeit in den ostdeutschen Gemeinden unterstützten. Im Fall der Inhaftierung kirchlicher Mitarbeiter übernahm die Hauptabteilung IX als Untersuchungsorgan den Vorgang.
Hinzu kamen andere institutionalisierte Formen der "Bearbeitung". Als politisch-ideologische fungierte ab 1958 das Referat Familienforschung, das Verwicklungen missliebiger Kirchenvertreter in das NS-Regime aufdecken oder konstruieren sollte, um die so Diffamierten unter Druck setzen zu können. Angesiedelt war es beim Deutschen Zentralarchiv in Potsdam. Es verwaltete verschiedene aus NS-Beständen stammende Unterlagen und wertete sie aus. Dabei handelte es sich um eine verdeckt arbeitende Einrichtung des MfS.
Um den steigenden Informationsbedarf – unter Berücksichtigung der Spezifik kirchlicher und religiöser Angelegenheiten – zu decken und um Sonderaufträge u. a. auch im Ausland ausführen zu können, etablierte das MfS 1960 die sog. Auswertungsgruppe, die dem Referat V zugeordnet wurde. In einem konspirativen Objekt in Berlin-Pankow ("Institut Wandlitz") arbeiteten hauptamtliche IM und mehrere OibE zusammen.
Seine "Absicherung" fand das Vorgehen des MfS gegenüber den Kirchen durch ein umfangreiches Netz von OibE und IM, die das MfS im Staatssekretariat für Kirchenfragen und in den Kirchenabteilungen der DDR-Bezirke unterhielt. 1989 gab es im Staatssekretariat drei OibE; zudem berichtete der persönliche Referent und Büroleiter der Staatssekretäre Hans Seigewasser und Klaus Gysi, Horst Dohle, ab 1975 als IM "Horst" dem MfS. Insgesamt aber gelang es dem MfS nicht, die Kirchen umfassend zu unterwandern.
1956 entstanden durch Umbenennung der Abteilung Allgemeines. Aufgaben des Büros der Leitung waren unter anderem
1956 entstanden durch Umbenennung der Abteilung Allgemeines. Aufgaben des Büros der Leitung waren unter anderem
Signatur: BStU, MfS, BdL/Dok., Nr. 8592, Bl. 1-11
In einem internen Schreiben informierte der stellvertretende Minister für Staatssicherheit, Rudi Mittig, über das aktuelle Verhältnis zwischen Staat und Kirche. Vorausgegangen war ein Gespräch zwischen Erich Honecker und Bischof Werner Leich.
Anfang 1988 war das Verhältnis zwischen Kirche und Staat auf einem Tiefpunkt angekommen. Die evangelische Kirche bot für zahlreiche Bürgerrechtler und Ausreisewillige einen Schutzschirm. Am 3. März 1988 empfing SED-Chef Honecker den Vorsitzenden der Konferenz der Evangelischen Kirchenleitung in der DDR, den thüringischen Landesbischof Werner Leich. Dieser thematisierte bei der Gelegenheit die Regelungen zur Ausreise aus der DDR und die Unterdrückung jeglicher freien Meinungsäußerung durch die Staatssicherheitsorgane. Ungeachtet dessen setzten die Machthaber weiterhin auf die Überwachung der evangelischen Kirche durch die Staatssicherheit. Der stellvertretende Minister für Staatssicherheit, Rudi Mittig, sah zwar eine positive Entwicklung des Verhältnisses zwischen Staat und Kirche nach dem Honecker-Leich-Gespräch, befahl jedoch staatskritische Kirchenkreise weiterhin zu "disziplinieren".
Von diesen Kräften innerhalb der evangelischen Kirche gehen in differenzierter Form weiterhin Angriffe gegen die Friedens-, Verteidigungs-, Sicherheits- und Umweltpolitik der DDR aus. Dabei konzentrieren sich feindlich-negative Kräfte gegenwärtig insbesondere auf
Eine Reihe von Kirchenleitungen ist sich zunehmend ihrer Verantwortung gegenüber diesen Kräften bewußt geworden durch das Anwachsen und den verstärkten Einfluß progressiver Kräfte und nehmen überwiegend eine kritische Haltung zur Arbeit dieser Gruppen ein.
Ihrerseits wird Einfluß auf eine weitere Theologisierung der Arbeit dieser Gruppen genommen. In den Kirchenleitungen ist der Prozeß des Oberdenkens der Haltung gegenüber den negativen Gruppen noch nicht abgeschlossen.
Insbesondere in der Evangelischen Kirche Berlin-Brandenburg gibt es aber auch Bestrebungen auf antikommunistischen Positionen stehender Amtsträger, diese Gruppierungen gezielt zu fördern und in ihren reaktionären Kurs einzubinden.
Pfarrer Mangliers, Paul-Gerhardt-Gemeinde Berlin, richtete offene Angriffe gegen die DDR, organisiert die Zusammenführung von Übersiedlungsersuchenden, erteilt Anregungen, jeweils sonntags in verschiedenen Berliner Kirchen Gottesdienste zu dieser Thematik auszunutzen. Es werden Versuche unternommen, die anläßlich der Konferenz für kernwaffenfreie Zonen in der DDR weilenden westlichen Delegationen in die Kirchen einzuladen. Dabei sollen diese Delegationen für die Obersiedlungsproblematik interessiert und ein, internationale Solidarisierungskampagne ausgelöst werden.
Die Kirchen gerieten nicht selten unter Verdacht, gegen die politischen Verhältnisse in der DDR zu opponieren. Das lag an ihrer weitgehenden Eigenständigkeit, an der christlichen Botschaft, die von den kommunistischen Ideologen als konkurrierendes Sinn- und Erklärungsangebot abgelehnt wurde, sowie an ihrem Beharren auf Mitsprache und Gestaltungsanspruch in gesellschaftlichen Fragen. Im Auftrag der SED wurde daher das MfS tätig, um die von den Kirchen ausgehenden vermeintlichen und tatsächlichen Gefahren für das politisch-ideologische System der DDR abzuwehren.
Die SED-Kirchenpolitik war in den vier Jahrzehnten der DDR Wandlungen unterworfen. In den 50er Jahren führte die SED mehrfach einen offenen Kirchenkampf. Dieser richtete sich u. a. gegen die kirchliche Jugend- und Studentenarbeit, v. a. bei der Einführung der Jugendweihe, sowie gegen karitative Einrichtungen wie die Bahnhofsmissionen. Mehrere Religionsgemeinschaften wurden verboten und deren Anhänger verfolgt.
Die SED war zudem bestrebt, die Verlesung von solchen Hirtenbriefen und Kanzelabkündigungen zu unterbinden, in denen sozialethische, gesellschaftskritische oder politische Fragen aufgegriffen wurden. Von der Polizei und dem MfS wurden kirchliche Einrichtungen durchsucht und Literatur beschlagnahmt. Neben kirchlichen Mitarbeitern wurden unter Mitwirkung des MfS auch Pfarrer – zwischen 1950 und 1960 mindestens 140 – inhaftiert.
Ab den 60er Jahren beschränkte sich die SED zunehmend darauf, durch eine rigorose Auslegung der Veranstaltungsordnung unerwünschte kirchliche Aktivitäten zu behindern. Das offizielle Eindringen in kirchliche Räume wie im November 1987, als es nachts in der Zionsgemeinde in Ostberlin zu Durchsuchungen und Festnahmen kam, war in den 70er und 80er Jahren eher untypisch, weil dies die Staat-Kirche-Beziehungen erheblich belastete. Vor allem seit 1978 bemühte sich die SED, ein Stillhalteabkommen zwischen Kirchenleitungen und Staat zu respektieren.
Das MfS versuchte aber stets, indirekt Einfluss auf kirchliche Entscheidungen zu nehmen. Dies und die verdeckte Informationsbeschaffung zählten zu den Hauptbetätigungsfeldern des MfS im Rahmen der von der SED konzipierten Kirchenpolitik. Die Informationsbeschaffung erfolgte mittels Observation, IM-Einsatz und auf dem Weg der sog. Gesprächsabschöpfung. Dabei gelang es in Einzelfällen auch, Christen in kirchlichen Leitungspositionen als IM zu gewinnen.
So arbeitete der thüringische Kirchenjurist und Oberkirchenrat Gerhard Lotz seit 1955 mit dem MfS als IM "Karl" zusammen. Durch die Positionierung eines Offiziers im besonderen Einsatz im Konsistorium in Magdeburg, Detlev Hammer, der ab 1974 juristischer, dann Oberkonsistorialrat war, vermochte es das MfS, einen hauptamtlichen Mitarbeiter innerhalb der Leitungsstruktur der provinzsächsischen Kirche zu platzieren. Außerdem hatte das MfS gegenüber den Kirchen dann tätig zu werden, wenn Verdachtsmomente dafür vorlagen, dass die Kirchen über den ihnen von der SED zugewiesenen religiös-kultischen Bereich hinaus tätig wurden.
Dementsprechend observierte das MfS Kirchengemeinden und Pfarrer, die – wie es beim MfS hieß – im Rahmen der "Partnerschaftsarbeit" Besuchskontakt zu Kirchengemeinden in der Bundesrepublik unterhielten. Das MfS legte hierzu OV an und ermittelte gegen die Organisatoren der Zusammenkünfte.
Als Ziele der MfS-Aufklärung galten ebenso kirchliche Synoden und Basistreffen, auf denen grundsätzlich die potenzielle Gefahr bestand, dass Kritik an den Verhältnissen in der DDR geübt werden würde. In das Blickfeld des MfS rückten die evangelischen Kirchen insbesondere ab Mitte der 70er Jahre: Zunächst rief die auch unter nichtkirchlichen Jugendlichen an Attraktivität gewinnende kirchliche Jugendarbeit, dann die Friedens-, Umwelt- und Menschenrechtsarbeit unter dem Dach der Kirche den Argwohn des MfS hervor.
Insgesamt war das MfS nur eine von mehreren Institutionen des SED-Staates, die im Rahmen der SED-Kirchenpolitik tätig wurden. Im Zusammenspiel mit ihnen versuchte das MfS, die Kirchen zu kontrollieren und zu disziplinieren.
In Auswertung der kirchenpolitischen Kampagnen der 50er Jahre und bestärkt durch konzeptionelle Arbeiten, drängte die SED-Führung ab Anfang der 80er Jahre zunehmend auf ein koordiniertes Vorgehen. Die vom MdI und den Abteilungen für Inneres erstellten Rapportmeldungen, Berichte und Personeneinschätzungen zu Gottesdiensten und kirchlichen Mitarbeitern wurden vereinbarungsgemäß dem MfS zur Verfügung gestellt und bildeten häufig den Grundstock jener Berichte und Personencharakteristiken, die sich in den Beständen des MfS wiederfinden.
Bereits vor Gründung des MfS hatte bei der Deutschen Verwaltung des Innern in der Abteilung K 5 das Referat C 3 existiert. Als Aufgabenbeschreibung wurde die "Aufklärung und Bekämpfung der kirchlichen Feindtätigkeit" genannt. Ab 1950 bestand im MfS zunächst die Abteilung V, die sich ab 1953 Hauptabteilung V nannte und 1964 im Zuge einer Umstrukturierung zur Hauptabteilung XX wurde.
Innerhalb dieser Organisationsstruktur zeichnete die Abt. 4 für die "Bearbeitung" der Kirchen verantwortlich. 1988 gliedert sich diese in sechs Fachreferate, wobei je eins für die evangelischen Kirchen, die katholische Kirche sowie die Religionsgemeinschaften und Sekten zuständig war. Ein Referat widmete sich Operativen Vorgängen. Als Schwerpunkt der Arbeit wurde die "Bekämpfung der politischen Untergrundtätigkeit" benannt. Zwei weitere Referate nahmen koordinierende Funktionen wahr.
Neben der Hauptabteilung XX/4 stützte sich das MfS bei der Bekämpfung und Infiltration der Kirchen auf die Zuarbeit verschiedener Hauptabteilungen und Abteilungen - so u. a. auf die Dienste der HV A bei der "Aufklärung" von westlichen Partnergemeinden und Pfarrern, die die kirchliche Friedensarbeit in den ostdeutschen Gemeinden unterstützten. Im Fall der Inhaftierung kirchlicher Mitarbeiter übernahm die Hauptabteilung IX als Untersuchungsorgan den Vorgang.
Hinzu kamen andere institutionalisierte Formen der "Bearbeitung". Als politisch-ideologische fungierte ab 1958 das Referat Familienforschung, das Verwicklungen missliebiger Kirchenvertreter in das NS-Regime aufdecken oder konstruieren sollte, um die so Diffamierten unter Druck setzen zu können. Angesiedelt war es beim Deutschen Zentralarchiv in Potsdam. Es verwaltete verschiedene aus NS-Beständen stammende Unterlagen und wertete sie aus. Dabei handelte es sich um eine verdeckt arbeitende Einrichtung des MfS.
Um den steigenden Informationsbedarf – unter Berücksichtigung der Spezifik kirchlicher und religiöser Angelegenheiten – zu decken und um Sonderaufträge u. a. auch im Ausland ausführen zu können, etablierte das MfS 1960 die sog. Auswertungsgruppe, die dem Referat V zugeordnet wurde. In einem konspirativen Objekt in Berlin-Pankow ("Institut Wandlitz") arbeiteten hauptamtliche IM und mehrere OibE zusammen.
Seine "Absicherung" fand das Vorgehen des MfS gegenüber den Kirchen durch ein umfangreiches Netz von OibE und IM, die das MfS im Staatssekretariat für Kirchenfragen und in den Kirchenabteilungen der DDR-Bezirke unterhielt. 1989 gab es im Staatssekretariat drei OibE; zudem berichtete der persönliche Referent und Büroleiter der Staatssekretäre Hans Seigewasser und Klaus Gysi, Horst Dohle, ab 1975 als IM "Horst" dem MfS. Insgesamt aber gelang es dem MfS nicht, die Kirchen umfassend zu unterwandern.
1956 entstanden durch Umbenennung der Abteilung Allgemeines. Aufgaben des Büros der Leitung waren unter anderem
1956 entstanden durch Umbenennung der Abteilung Allgemeines. Aufgaben des Büros der Leitung waren unter anderem
Vermerk über ein Gespräch zwischen Landesbischof Werner Leich und Politbüromitglied Werner Jarowinsky bzw. Klaus Gysi Dokument, 3 Seiten
Vermerk über die Reaktion Bischof Leichs auf ein Gespräch mit Politbüromitglied Jarowinsky Dokument, 2 Seiten
Schnellinformation des Bundes der Evangelischen Kirchen in der DDR über das Treffen von Bischof Leich mit Erich Honecker Dokument, 5 Seiten
Schreiben vom Leiter der Zentralen Koordinierungsgruppe Gerhard Niebling zum Verhältnis von Kirche und Ausreisewilligen Dokument, 5 Seiten