Signatur: BStU, MfS, HV A, Nr. 804, Bl. 5-19
Bereits seit Dezember 1989 besetzten mutige Bürgerinnen und Bürger die Bezirks- und Kreisämter des Stasi-Nachfolgers Amt für Nationale Sicherheit (AfNS). Am 15. Januar 1990 erstürmten Bürgerrechtlerinnen und Bürgerrechtler die Stasi-Zentrale in Berlin-Lichtenberg und läuteten damit das endgültige Ende der DDR-Geheimpolizei ein. Als letzte Diensteinheit wurde daraufhin auch der "Nachrichtendienst" bzw. die ehemalige Hauptabteilung Aufklärung (HV A) in den Auflösungsprozess einbezogen.
Während die Staatssicherheit in den Regionen zu Beginn des Jahres 1990 weitgehend lahmgelegt war, bestand die Zentrale in Berlin-Lichtenberg fort, wenngleich auch dort immer mehr Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter entlassen wurden. Noch hoffte man, zumindest einen Teil des Apparates in die Nachfolgeorganisationen Verfassungsschutz und Nachrichtendienst hinüber retten zu können.
Den regionalen Bürgerkomitees ging der Auflösungsprozess in Berlin entschieden zu langsam. Bei einem Treffen in Berlin am 14. Januar forderten sie, selbst die Dinge in die Hand zu nehmen und am 15. Januar, wie in den Regionen nun auch in Berlin, "die Kontrolle auf das Zentrale Amt" zu übertragen.
Die außerhalb Berlins "bewährte Methode" war die Besetzung, die Versiegelung von Räumen und Stahlschränken in Kooperation mit der Staatsanwaltschaft und die Sicherung der Gebäude in "Sicherheitspartnerschaft" mit der Polizei. Dass dies "unabhängig" von der geplanten Aktion des Neuen Forums erfolgen sollte, die ja außerhalb des Gebäudekomplexes geplant war, bedeutete ein demonstratives Vorpreschen der Bezirkskomitees.
Als die Vertreter der Bezirkskomitees an jenem Mittag des 15. Januar 1990 dann am Einlass klingelten, wurden sie sofort eingelassen. Zugegen waren schon die Volkspolizei und die Militärstaatsanwaltschaft. Es schien die Chance zu einer gar nicht bedrohlichen, sondern sehr geordneten Übergabe gegeben.
Während in der Stasi-Zentrale verhandelt wurde, versammelten sich vor ihren Toren hunderte, bald tausende Demonstranten, die von dem Geschehen im Inneren des Gebäudekomplexes nichts wussten. Gegen 17:00 Uhr war der Druck auf das Tor durch die nachrückenden Demonstranten so heftig geworden, dass die Bürgervertreter im Innern der Anlage fürchteten, in der drangvollen Enge würden Menschen zu Schaden kommen. Deshalb gab der katholische Geistliche Martin Montag, der zuvor als Vertreter des Bürgerkomitees Suhl mitverhandelt hatte, einem Polizisten die Anweisung, das Tor zu öffnen. Die Öffnung des Tors in der Ruschestraße und bald darauf auch in der Normannenstraße traf die Ordner, die das Neue Forum vor dem Gebäudekomplex postiert hatte, völlig unvorbereitet. So strömten Tausende in das Innere der einst so mächtigen Stasi-Zentrale.
Diese Aktion von Bürgerrechtlerinnen und Bürgerrechtlern aus allen Teilen der DDR und vieler empörter Berlinerinnen und Berliner läutete das endgültige Ende der Staatssicherheit ein. Am 18. Januar erteilte der Vorsitzende des Ministerrates, Hans Modrow, an Heinz Engelhardt den Auftrag, "das ehemalige Amt für Nationale Sicherheit in allen seinen Gliederungen aufzulösen". Nachdem die Stasi-Zentrale am 15. Januar endgültig lahmgelegt worden war, wurde nun auch der "Nachrichtendienst", die ehemalige HV A, in den Auflösungsprozess einbezogen.
Von den 211 bis Mai 1990 im Arbeitsrechtsverhältnis stehenden Mitarbeitern waren 192 im Objekt Roedernstraße tätig.
Im Zusammenhang mit der Umprofilierung waren im Oktober/November 1989 jene Offiziere im besonderen Einsatz entlassen worden, die als Chiffreure tätig waren und ein neues Arbeitsrechtsverhältnis beim Zentralen Chiffrierorgan fanden.
Des weiteren wurden jene OibE entlassen, die als Sicherheitsbeauftragte bzw. Objektsicherungskräfte in Auslandsvertretungen und anderen Einrichtungen der DDR im Ausland tätig waren. Sie wurden abberufen bzw. von ihren neuen Trägerinstitutionen, in der Regel vom MfAA, in ein Dienstverhältnis übernommen. Dieser Prozeß wurde bis Ende Dezember 1989 abgeschlossen.
Da eine beträchtliche Zahl von Mitarbeitern operativer Diensteinheiten in der Zentrale gleichfalls OibE-Status hatte, ist eine exakte Zwischenzahl nicht mehr anzugeben, da diese mit Verwandlung in den Status des "normalen" Mitarbeiters in der Gesamtzahl enthalten blieben.
Im Zeitraum 31.12.1989 - 31.03.1990 wurden alle verbliebenen OibE (wie die Mitarbeiter) entpflichtet und kadermäßig entlassen.
Neben der Reduzierung des Personalbestandes und der Umstrukturierung war der Prozeß der Formierung des Auslandsnachrichtendienstes bereits von Ende Oktober 1989 bis Mitte Februar 1990 gekennzeichnet durch eine radikale Reduzierung
Die Umwandlung des MfS in ein AfNS erfolgte im Zusammenhang mit der Neubildung der Regierung durch Ministerpräsident Hans Modrow am 17./18.11.1989. Zum Leiter des Amtes wurde Schwanitz gewählt. War Mielke als Minister für Staatssicherheit noch dem Vorsitzenden des Nationalen Verteidigungsrates der DDR und faktisch dem SED-Generalsekretär unterstellt gewesen, so ordnete man Schwanitz dem Vorsitzenden des Ministerrates unter. In der Regierungserklärung wurde dem neuen Amt vorgegeben, dass »neues Denken in Fragen der öffentlichen Ordnung und Sicherheit« auch von diesem Bereich erwartet werde und dass der Apparat zu verkleinern sei. Näheres hätte in einem Gesetz geregelt werden müssen, das geplant wurde, aber nie verabschiedet worden ist. Noch am Tag seiner Wahl informierte der neue Amtschef die Mitarbeiter der Staatssicherheit, dass der »Prozess der revolutionären Erneuerung« vorbehaltlos zu unterstützen sei. Kommissionen zur Neustrukturierung wurden eingerichtet und die Diensteinheiten aufgefordert, eigene Vorschläge einzubringen. Dies waren Versuche einer technokratischen Reform, die von der alten Generalsriege angeleitet wurden. Angekündigt wurde, das Personal abzubauen – zuerst ging es um 10 %, zwei Wochen später war die Vorgabe bereits eine Reduktion um 50 %. Das alte Feindbild sollte nicht mehr gelten: »Andersdenkende« seien jetzt zu tolerieren, nur »Verfassungsfeinde« zu bekämpfen. Unklar blieb, wer Letzteren in einer Zeit zuzurechnen war, in der die Verfassung selbst zur Disposition stand. Zugleich wurde die Aktenvernichtung in diesen Wochen fortgesetzt, viele inoffizielle Mitarbeiter »abgeschaltet«. Die Mitarbeiter waren zunehmend verunsichert und demotiviert. Anfang Dezember beschleunigte sich der revolutionäre Umbruch: Am 1.12.1989 wurde die führende Rolle der SED aus der Verfassung gestrichen, am 3. trat das ZK der SED zurück, am 4. und 5.12. besetzten aufgebrachte Bürger KD und Bezirksämter des AfNS. Die Stasi-Mitarbeiter leisteten keinen gewaltsamen Widerstand. Am 5.12. trat das Kollegium des AfNS zurück. In den folgenden Tagen wurden die Leiter der meisten Hauptabteilungen und der Bezirksämter abgesetzt. Am 7.12.1989 forderte der Zentrale Runde Tisch die Auflösung des AfNS – auch mit den Stimmen der SED-Sprecher. Am 14.12. wurde durch den Ministerrat beschlossen, das AfNS aufzulösen und durch einen sehr viel kleineren Verfassungsschutz (ca. 10 000 Mitarbeiter) und einen mit ca. 4000 Mitarbeitern gegenüber der HV A fast unveränderten Nachrichtendienst zu ersetzen. In diese Dienste sollten keine ehemaligen Führungskader der Staatssicherheit übernommen werden. Parallel dazu bestand aber das »AfNS in Auflösung« fort, dessen Leiter den alten Apparat abwickeln sollten. Das war eine Ambivalenz, die das allgemeine Misstrauen weiter verstärkte und die Forderung nach vollständiger Auflösung der Geheimpolizei wieder lauter werden ließ.
Organisationsstruktur in der MfS-Zentrale, die durch den Minister oder dessen Stellvertreter direkt angeleitet und durch militärische Einzelleiter geführt wurde. Die weiter untergliederten AG prägten Linien aus (z. B. Zentrale Arbeitsgruppe Geheimnisschutz – ZAGG) oder blieben auf die Zentrale beschränkt (z. B. AG XVII). Die monothematischen Zuständigkeiten konnten operative Verantwortung und Federführung einschließen. AG wird auch als Bezeichnung einer nichtstrukturellen Organisationsform oder unselbständigen Untergliederungsebene im MfS verwendet.
Aufklärung hatte innerhalb des MfS unterschiedliche Bedeutungen: Sie wird zur Bezeichnung des Tätigkeitsbereiches der Auslandsspionage verwendet, die überwiegend von der HV A getragen wurde, die teilweise auch kurz als Aufklärung bezeichnet wird. Darüber hinaus findet der Begriff Verwendung bei der Bezeichnung von Sachverhaltsermittlungen (Aufklärung eines Sachverhalts) und von Überprüfungen der Eignung von IM-Kandidaten (Aufklärung des Kandidaten).
Organisationsstruktur in der MfS-Zentrale, die durch den Minister oder einen seiner Stellvertreter direkt angeleitet wurde. Die zuletzt 13 Hauptabteilungen wurden durch Einzelleiter geführt. Die weiter untergliederten und nach dem Linienprinzip tätigen HA waren für komplexe, abgegrenzte Bereiche operativ zuständig und federführend verantwortlich. Der Zuschnitt der Zuständigkeitsbereiche war an Ressorts oder geheimdienstlichen Praktiken (z. B. Verkehrswesen, Beobachtung, Funkspionage) orientiert.
Die Hauptverwaltung A (HV A) war die Spionageabteilung des MfS, deren Bezeichnung sich an die der Spionageabteilung des KGB, 1. Verwaltung, anlehnt. Der Ordnungsbuchstabe A wurde in der Bundesrepublik oftmals, aber unzutreffenderweise mit "Aufklärung" aufgelöst. Die HV A wurde 1951 als Institut für Wirtschaftswissenschaftliche Forschung (IWF) gebildet und ging im September 1953 als HA XV in das Staatssekretariat für Staatssicherheit ein. Sie wurde im MfS von 1956 bis zur Auflösung im Juni 1990 als HV A bezeichnet.
Der Schwerpunkt nachrichtendienstlicher Tätigkeit der HV A lag in der Bundesrepublik Deutschland und Westberlin, wo sie mit Objektquellen, d. h. den IM in den nachrichtendienstlichen Zielobjekten, aktiv war.
Die HV A gliederte sich 1956 in 15, 1989 in 20 Abteilungen.
Für die operative Arbeit gegen das Bundeskanzleramt und wichtige Bundesministerien war die Abteilung I, für die gegen die bundesdeutschen Parteien die Abteilung II und für die Arbeit außerhalb Deutschlands die Abteilung III zuständig. Für die Infiltration der USA war die Abteilung XI, für die NATO und die Europäischen Gemeinschaften die Abteilung XII verantwortlich. Mit der Militärspionage war die Abteilung IV befasst, mit der Unterwanderung gegnerischer Nachrichtendienste die Abteilung IX.
Innerhalb der Hauptverwaltung war vornehmlich der Sektor Wissenschaft und Technik (SWT) mit Wissenschafts- und Technikspionage befasst, der zu diesem Zweck die Abteilung XIII bis XV sowie die Arbeitsgruppen 1, 3 und 5 unterhielt sowie eine eigene Auswertungsabteilung, die Abteilung V bzw. ab 1959 Abteilung VII.
Leiter der HV A waren 1951/52 Anton Ackermann, kurzzeitig Richard Stahlmann, 1952-1986 Markus Wolf, dann Werner Großmann und 1989/90 Bernd Fischer. Von anfangs zwölf Mitarbeitern wuchs der Apparat bis 1955 auf 430, bis 1961 auf 524 Mitarbeiter und erreichte bis 1972 einen Umfang von 1.066 hauptamtlichen Mitarbeitern. Bis 1989 wuchs die HV A auf 3.299 hauptamtliche Mitarbeiter, hinzu kamen 701 OibE (1985: 1.006) sowie 778 HIM. OibE und HIM arbeiteten verdeckt in der DDR und im Operationsgebiet. Insgesamt verfügte die HV A also zuletzt über 4.778 Mitarbeiter.
Die Anzahl der von der HV A geführten IM umfasste im Jahre 1989 rund 13.400 in der DDR und weitere 1.550 in der Bundesrepublik. Über 40 Jahre hinweg werden nach Hochrechnungen insgesamt rund 6.000 Bundesbürger und Westberliner IM der HV A gewesen sein.
Konspirative Wohnungen (KW) waren zumeist private Wohnungen oder Zimmer, deren Inhaber als IMK geworben wurden und in denen sich die Führungsoffiziere mit ihren IM trafen. Diese Praxis diente der Konspiration der inoffiziellen Zusammenarbeit. Bei den Inhabern handelte es sich zumeist um "gute Genossen", denen für das bereitgestellte Zimmer Miete gezahlt wurde. Die Konspirativen Wohnungen wurden vorzugsweise in Häusern mit viel Publikumsverkehr und nach Möglichkeit in den mittleren Geschossen eingerichtet. Über die Nutzung der Konspirativen Wohnungen wurde detailliert Buch geführt.
Zur Durchdringung von Ministerien und anderen wichtigen Stellen des Staatsapparates, der Wirtschaft, aber auch außerhalb der DDR setzte das MfS hauptamtliche Mitarbeiter als Offizier im besonderen Einsatz (OibE) ein. Sie agierten dort verdeckt und mit einer legendierten Biografie ausgestattet. Schwerpunkte waren das System der Sicherheitsbeauftragten in den Betrieben, Residenten sowie Wachkräfte in den Auslandsvertretungen der DDR.
In einigen Bereichen arbeiteten zeitweise regelrechte OibE-Strukturen, etwa im MdI der DDR (Personendatenbank), dem Entwicklungszentrum des Kombinates Robotron oder der Sektion Kriminalistik der Humboldt-Universität. 1983 gab es 3.471 OibE, danach sank die Zahl. 1988 verfügten 27 Diensteinheiten der MfS-Zentrale über 1.856 OibE.
Signatur: BStU, MfS, HV A, Nr. 804, Bl. 5-19
Bereits seit Dezember 1989 besetzten mutige Bürgerinnen und Bürger die Bezirks- und Kreisämter des Stasi-Nachfolgers Amt für Nationale Sicherheit (AfNS). Am 15. Januar 1990 erstürmten Bürgerrechtlerinnen und Bürgerrechtler die Stasi-Zentrale in Berlin-Lichtenberg und läuteten damit das endgültige Ende der DDR-Geheimpolizei ein. Als letzte Diensteinheit wurde daraufhin auch der "Nachrichtendienst" bzw. die ehemalige Hauptabteilung Aufklärung (HV A) in den Auflösungsprozess einbezogen.
Während die Staatssicherheit in den Regionen zu Beginn des Jahres 1990 weitgehend lahmgelegt war, bestand die Zentrale in Berlin-Lichtenberg fort, wenngleich auch dort immer mehr Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter entlassen wurden. Noch hoffte man, zumindest einen Teil des Apparates in die Nachfolgeorganisationen Verfassungsschutz und Nachrichtendienst hinüber retten zu können.
Den regionalen Bürgerkomitees ging der Auflösungsprozess in Berlin entschieden zu langsam. Bei einem Treffen in Berlin am 14. Januar forderten sie, selbst die Dinge in die Hand zu nehmen und am 15. Januar, wie in den Regionen nun auch in Berlin, "die Kontrolle auf das Zentrale Amt" zu übertragen.
Die außerhalb Berlins "bewährte Methode" war die Besetzung, die Versiegelung von Räumen und Stahlschränken in Kooperation mit der Staatsanwaltschaft und die Sicherung der Gebäude in "Sicherheitspartnerschaft" mit der Polizei. Dass dies "unabhängig" von der geplanten Aktion des Neuen Forums erfolgen sollte, die ja außerhalb des Gebäudekomplexes geplant war, bedeutete ein demonstratives Vorpreschen der Bezirkskomitees.
Als die Vertreter der Bezirkskomitees an jenem Mittag des 15. Januar 1990 dann am Einlass klingelten, wurden sie sofort eingelassen. Zugegen waren schon die Volkspolizei und die Militärstaatsanwaltschaft. Es schien die Chance zu einer gar nicht bedrohlichen, sondern sehr geordneten Übergabe gegeben.
Während in der Stasi-Zentrale verhandelt wurde, versammelten sich vor ihren Toren hunderte, bald tausende Demonstranten, die von dem Geschehen im Inneren des Gebäudekomplexes nichts wussten. Gegen 17:00 Uhr war der Druck auf das Tor durch die nachrückenden Demonstranten so heftig geworden, dass die Bürgervertreter im Innern der Anlage fürchteten, in der drangvollen Enge würden Menschen zu Schaden kommen. Deshalb gab der katholische Geistliche Martin Montag, der zuvor als Vertreter des Bürgerkomitees Suhl mitverhandelt hatte, einem Polizisten die Anweisung, das Tor zu öffnen. Die Öffnung des Tors in der Ruschestraße und bald darauf auch in der Normannenstraße traf die Ordner, die das Neue Forum vor dem Gebäudekomplex postiert hatte, völlig unvorbereitet. So strömten Tausende in das Innere der einst so mächtigen Stasi-Zentrale.
Diese Aktion von Bürgerrechtlerinnen und Bürgerrechtlern aus allen Teilen der DDR und vieler empörter Berlinerinnen und Berliner läutete das endgültige Ende der Staatssicherheit ein. Am 18. Januar erteilte der Vorsitzende des Ministerrates, Hans Modrow, an Heinz Engelhardt den Auftrag, "das ehemalige Amt für Nationale Sicherheit in allen seinen Gliederungen aufzulösen". Nachdem die Stasi-Zentrale am 15. Januar endgültig lahmgelegt worden war, wurde nun auch der "Nachrichtendienst", die ehemalige HV A, in den Auflösungsprozess einbezogen.
Im Zusammenhang mit dem Ministerratsbeschluß vom 14.12.1989 war beabsichtigt, den Auslandsnachrichtendienst vom ehemaligen MfS/AfNS und der künftigen Spionageabwehr/Verfassungsschutz zu trennen und ihm seinen militärischen Charakter zu nehmen. In diesem Sinne wurden militärische Strukturen beseitigt, die Abschaffung der Dienstgrade vorgesehen, die vollständige Entwaffnung unter MfIA-Kontrolle vollzogen und die militärischen Ausrüstungsgegenstände an MfIA, NVA oder ZV übergeben. Sämtliche Befehle, Verschlußsachen, Weisungen u.ä. des ehemaligen MfS/AfNS zurückgesandt. Duplikate wurden vernichtet.
In diesem Prozeß wurden die Bemühungen darauf gerichtet, einen geplanten Umzug des Auslandsnachrichtendienstes in ein anderes Objekt zu gewährleisten und gleichermaßen entsprechend des neuen Profils zu "entschlacken". In diesem Sinne wurden nicht mehr benötigte Materialien und Dokumente vorvernichtet.
Die nachrichtendienstliche Tätigkeit der Hauptverwaltung Aufklärung ist seit dem 24.02.90 vollständig eingestellt. In den meisten Positionen, v.a. in der Bundesrepublik, erfolgte dies schon wesentlich früher (teilweise Ende 89). Einzelaktionen zur Abwicklung und Absicherung der Beendigung der nachrichtendienstlichen Tätigkeit sowie zur Regelung humanitärer Fragen erfolgen in Ausnahmen noch bis Ende Juni 1990. Dabei wurden und werden keine Aufträge erteilt. Die darin noch erforderlichen stark reduzierten Agenturfunksendungen wurden am 31.05.90 beendet.
Die Einstellung der Arbeit erfolgte entsprechend der politischen Grundlinien und Festlegungen der Regierung der DDR (s. Antrag Regierungsbeauftragter an AGS der ZRT) und zum Schutz der Quellen und beteiligter Personen und unter Berücksichtigung der außenpolitischen Interessen der DDR und ihrer Verbündeten.
Die Zusammenarbeit mit Sicherheitsorganen anderer Staaten wurde eingestellt. Es wurden und werden weder Strukturen noch Teile von Agenturen übergeben. Berater-[handschriftliche Ergänzung: gruppen] bzw.
Die Umwandlung des MfS in ein AfNS erfolgte im Zusammenhang mit der Neubildung der Regierung durch Ministerpräsident Hans Modrow am 17./18.11.1989. Zum Leiter des Amtes wurde Schwanitz gewählt. War Mielke als Minister für Staatssicherheit noch dem Vorsitzenden des Nationalen Verteidigungsrates der DDR und faktisch dem SED-Generalsekretär unterstellt gewesen, so ordnete man Schwanitz dem Vorsitzenden des Ministerrates unter. In der Regierungserklärung wurde dem neuen Amt vorgegeben, dass »neues Denken in Fragen der öffentlichen Ordnung und Sicherheit« auch von diesem Bereich erwartet werde und dass der Apparat zu verkleinern sei. Näheres hätte in einem Gesetz geregelt werden müssen, das geplant wurde, aber nie verabschiedet worden ist. Noch am Tag seiner Wahl informierte der neue Amtschef die Mitarbeiter der Staatssicherheit, dass der »Prozess der revolutionären Erneuerung« vorbehaltlos zu unterstützen sei. Kommissionen zur Neustrukturierung wurden eingerichtet und die Diensteinheiten aufgefordert, eigene Vorschläge einzubringen. Dies waren Versuche einer technokratischen Reform, die von der alten Generalsriege angeleitet wurden. Angekündigt wurde, das Personal abzubauen – zuerst ging es um 10 %, zwei Wochen später war die Vorgabe bereits eine Reduktion um 50 %. Das alte Feindbild sollte nicht mehr gelten: »Andersdenkende« seien jetzt zu tolerieren, nur »Verfassungsfeinde« zu bekämpfen. Unklar blieb, wer Letzteren in einer Zeit zuzurechnen war, in der die Verfassung selbst zur Disposition stand. Zugleich wurde die Aktenvernichtung in diesen Wochen fortgesetzt, viele inoffizielle Mitarbeiter »abgeschaltet«. Die Mitarbeiter waren zunehmend verunsichert und demotiviert. Anfang Dezember beschleunigte sich der revolutionäre Umbruch: Am 1.12.1989 wurde die führende Rolle der SED aus der Verfassung gestrichen, am 3. trat das ZK der SED zurück, am 4. und 5.12. besetzten aufgebrachte Bürger KD und Bezirksämter des AfNS. Die Stasi-Mitarbeiter leisteten keinen gewaltsamen Widerstand. Am 5.12. trat das Kollegium des AfNS zurück. In den folgenden Tagen wurden die Leiter der meisten Hauptabteilungen und der Bezirksämter abgesetzt. Am 7.12.1989 forderte der Zentrale Runde Tisch die Auflösung des AfNS – auch mit den Stimmen der SED-Sprecher. Am 14.12. wurde durch den Ministerrat beschlossen, das AfNS aufzulösen und durch einen sehr viel kleineren Verfassungsschutz (ca. 10 000 Mitarbeiter) und einen mit ca. 4000 Mitarbeitern gegenüber der HV A fast unveränderten Nachrichtendienst zu ersetzen. In diese Dienste sollten keine ehemaligen Führungskader der Staatssicherheit übernommen werden. Parallel dazu bestand aber das »AfNS in Auflösung« fort, dessen Leiter den alten Apparat abwickeln sollten. Das war eine Ambivalenz, die das allgemeine Misstrauen weiter verstärkte und die Forderung nach vollständiger Auflösung der Geheimpolizei wieder lauter werden ließ.
Organisationsstruktur in der MfS-Zentrale, die durch den Minister oder dessen Stellvertreter direkt angeleitet und durch militärische Einzelleiter geführt wurde. Die weiter untergliederten AG prägten Linien aus (z. B. Zentrale Arbeitsgruppe Geheimnisschutz – ZAGG) oder blieben auf die Zentrale beschränkt (z. B. AG XVII). Die monothematischen Zuständigkeiten konnten operative Verantwortung und Federführung einschließen. AG wird auch als Bezeichnung einer nichtstrukturellen Organisationsform oder unselbständigen Untergliederungsebene im MfS verwendet.
Aufklärung hatte innerhalb des MfS unterschiedliche Bedeutungen: Sie wird zur Bezeichnung des Tätigkeitsbereiches der Auslandsspionage verwendet, die überwiegend von der HV A getragen wurde, die teilweise auch kurz als Aufklärung bezeichnet wird. Darüber hinaus findet der Begriff Verwendung bei der Bezeichnung von Sachverhaltsermittlungen (Aufklärung eines Sachverhalts) und von Überprüfungen der Eignung von IM-Kandidaten (Aufklärung des Kandidaten).
Organisationsstruktur in der MfS-Zentrale, die durch den Minister oder einen seiner Stellvertreter direkt angeleitet wurde. Die zuletzt 13 Hauptabteilungen wurden durch Einzelleiter geführt. Die weiter untergliederten und nach dem Linienprinzip tätigen HA waren für komplexe, abgegrenzte Bereiche operativ zuständig und federführend verantwortlich. Der Zuschnitt der Zuständigkeitsbereiche war an Ressorts oder geheimdienstlichen Praktiken (z. B. Verkehrswesen, Beobachtung, Funkspionage) orientiert.
Hauptverwaltung (HV) war eine Organisationseinheit in der MfS-Zentrale, die bereits ausdifferenzierte Aufgabenkomplexe in einer hierarchisch gegliederten Einheit zusammenfasst. Überwiegend durch Stellvertreter des Ministers direkt geleitet. Über das Gründungsjahrzehnt des MfS hinweg hatte nur die HV A als echte HV Bestand. Daneben war Hauptverwaltung eine Bezeichnung für Diensteinheiten im MfS ohne strukturell berechtigenden Hintergrund.
Die Hauptverwaltung A (HV A) war die Spionageabteilung des MfS, deren Bezeichnung sich an die der Spionageabteilung des KGB, 1. Verwaltung, anlehnt. Der Ordnungsbuchstabe A wurde in der Bundesrepublik oftmals, aber unzutreffenderweise mit "Aufklärung" aufgelöst. Die HV A wurde 1951 als Institut für Wirtschaftswissenschaftliche Forschung (IWF) gebildet und ging im September 1953 als HA XV in das Staatssekretariat für Staatssicherheit ein. Sie wurde im MfS von 1956 bis zur Auflösung im Juni 1990 als HV A bezeichnet.
Der Schwerpunkt nachrichtendienstlicher Tätigkeit der HV A lag in der Bundesrepublik Deutschland und Westberlin, wo sie mit Objektquellen, d. h. den IM in den nachrichtendienstlichen Zielobjekten, aktiv war.
Die HV A gliederte sich 1956 in 15, 1989 in 20 Abteilungen.
Für die operative Arbeit gegen das Bundeskanzleramt und wichtige Bundesministerien war die Abteilung I, für die gegen die bundesdeutschen Parteien die Abteilung II und für die Arbeit außerhalb Deutschlands die Abteilung III zuständig. Für die Infiltration der USA war die Abteilung XI, für die NATO und die Europäischen Gemeinschaften die Abteilung XII verantwortlich. Mit der Militärspionage war die Abteilung IV befasst, mit der Unterwanderung gegnerischer Nachrichtendienste die Abteilung IX.
Innerhalb der Hauptverwaltung war vornehmlich der Sektor Wissenschaft und Technik (SWT) mit Wissenschafts- und Technikspionage befasst, der zu diesem Zweck die Abteilung XIII bis XV sowie die Arbeitsgruppen 1, 3 und 5 unterhielt sowie eine eigene Auswertungsabteilung, die Abteilung V bzw. ab 1959 Abteilung VII.
Leiter der HV A waren 1951/52 Anton Ackermann, kurzzeitig Richard Stahlmann, 1952-1986 Markus Wolf, dann Werner Großmann und 1989/90 Bernd Fischer. Von anfangs zwölf Mitarbeitern wuchs der Apparat bis 1955 auf 430, bis 1961 auf 524 Mitarbeiter und erreichte bis 1972 einen Umfang von 1.066 hauptamtlichen Mitarbeitern. Bis 1989 wuchs die HV A auf 3.299 hauptamtliche Mitarbeiter, hinzu kamen 701 OibE (1985: 1.006) sowie 778 HIM. OibE und HIM arbeiteten verdeckt in der DDR und im Operationsgebiet. Insgesamt verfügte die HV A also zuletzt über 4.778 Mitarbeiter.
Die Anzahl der von der HV A geführten IM umfasste im Jahre 1989 rund 13.400 in der DDR und weitere 1.550 in der Bundesrepublik. Über 40 Jahre hinweg werden nach Hochrechnungen insgesamt rund 6.000 Bundesbürger und Westberliner IM der HV A gewesen sein.
Spionageabwehr beinhaltete nicht nur defensives Abwehren westlicher Spionage, sondern auch offensive Bekämpfung westlicher (zumeist bundesdeutscher) Sicherheitsbehörden auf dem Gebiet der Bundesrepublik. Das MfS fasste den Spionagebegriff sehr weit, so dass auch Angehörige oppositioneller Gruppen oder westliche Korrespondenten und Diplomaten regelmäßig im Visier der Spionageabwehr standen.
Das MfS unterschied drei Arten der Spionageabwehr. Die innere Spionageabwehr agierte innerhalb der DDR. Die äußere (auch: offensive) Spionageabwehr sollte bundesdeutsche Sicherheitsbehörden direkt bekämpfen, sich dabei aber auf deren Außenstellen und nachgeordnete Diensteinheiten konzentrieren. Die Gegenspionage hatte die Aufgabe, Spione in den Zentralen bundesdeutscher Sicherheitsbehörden zu platzieren, um die westliche Spionage gegen die DDR schon im Vorfeld zu paralysieren. In der Praxis waren die Grenzen zwischen äußerer Spionageabwehr, für die die Hauptabteilung II zuständig war, und der Gegenspionage, die Sache der Abt. IX der HV A war, fließend.
Die Spionageabwehr des MfS reagierte einerseits auf die tatsächliche Spionage gegen die DDR. Vor allem der BND und sein Vorgänger, die Organisation Gehlen, unterhielten in der DDR bis zum Mauerbau 1961 ein großes Agentennetz. In den Folgejahren brachen viele Kontakte westlicher Geheimdienste zu ihren Agenten in der DDR ab, auch enttarnte die Spionageabwehr viele von ihnen.
Der BND setzte daraufhin verstärkt Bundesbürger zur Informationsgewinnung ein, die als Besucher oder Transitreisende in der DDR unterwegs waren ("Reise- und Transitspione"). Seit den 70er Jahren versuchte der BND vor allem DDR-Bürger, die als Dienstreisende in den Westen kamen, als Agenten anzuwerben. Westliche Geheimdienste betrieben in der DDR schwerpunktmäßig Militärspionage.
Das MfS ging andererseits von der unzutreffenden Annahme aus, dass politisch widerständiges Verhalten von DDR-Bürgern zumeist von westlichen Geheimdiensten inspiriert würde (Diversion, politisch-ideologische), sodass die Bekämpfung politischer Gegner oft in den Bereich der Spionageabwehr fiel, ebenso wie die Überwachung westlicher Journalisten und Diplomaten. Aufgrund des weit gefassten Spionagebegriffs waren zahlreiche MfS-Abteilungen mit Spionageabwehr befasst, was zu Ineffizienz führte. Mielke wies deshalb 1987 der Hauptabteilung II die Federführung bei der Spionageabwehr zu.
1953 bis 1955 verhaftete das MfS in drei Großaktionen 1.200 Personen in der DDR und Westberlin, die pauschal als westliche Agenten bezeichnet wurden. Tatsächlich befanden sich darunter etliche Personen, die nur politischen Widerstand gegen die SED geleistet hatten. In vielen Fällen wurden hohe Haftstrafen verhängt, mindestens zehn Menschen wurden hingerichtet. Zugleich nutzte das MfS diese Aktionen erfolgreich als Vorlagen für ausgeklügelte Pressekampagnen.
Auch in späteren Jahren wurden Erfolge der Spionageabwehr popularisiert, nicht zuletzt um spionagebereite DDR-Bürger abzuschrecken. Schwerpunktaktionen der Hauptabteilung II in den 70er und 80er Jahren richteten sich u. a. gegen Transitspione sowie gegen die Anwerbung von Angehörigen bestimmter Personengruppen durch westliche Dienste (beispielsweise Militärangehörige, Reisekader). Erfolge erzielte die HV A im Rahmen der Gegenspionage in den 70er und 80er Jahren u. a. aufgrund ihrer Top-Quellen im BND (Gabriele Gast, Alfred Spuhler), BfV (Klaus Kuron) und MAD (Joachim Krase).
Seit den 70er Jahren intensivierte das MfS die Strategie der "vorbeugenden Verhinderung": Immer mehr Bürger wurden als potenziell spionageverdächtig observiert, immer mehr Berufsgruppen zu Geheimnisträgern erklärt, das Personal der Hauptabteilung II aufgestockt, auch die Kreisdienststellen setzten nun einen Mitarbeiter ausschließlich für Aufgaben der Linie II (Linienprinzip) ein.
Generell profitierte die Spionageabwehr von der geschlossenen Gesellschaft der DDR, der flächendeckenden Observierung der Bevölkerung, der Kooperation mit anderen sozialistischen Geheimdiensten sowie der Strategie, Verdächtige mitunter über einen sehr langen Zeitraum zu observieren. Post- und Telefonkontrolle und die Funküberwachung im In- und Ausland dienten in erheblichem Maße der Spionageabwehr.
Die überzogene Sicherheitsdoktrin führte dazu, dass das MfS in der ersten Hälfte der 70er Jahre dem Hirngespinst eines Hochstaplers aufsaß und 144 DDR-Bürger als angebliche "Agenten mit spezieller Auftragsstruktur" (AsA), quasi als Eliteagenten westlicher Dienste, einstufte und es auf dieser fiktiven Grundlage zu zahlreichen Verurteilungen kam.
Vagen Schätzungen zufolge spionierten zwischen 1949 und 1989 rund 10.000 Ost- und Westdeutsche für den BND in der DDR, viele von ihnen nur für kurze Zeit und nicht in Schlüsselpositionen. Etwa 4.000 Agenten bundesdeutscher Dienste sollen in dieser Zeit durch die Spionageabwehr der DDR erkannt und festgenommen worden sein.
Etwa 90 Prozent der "Innenquellen" des BND in der DDR (Agenten, die direkt in einem auszuspionierenden Objekt tätig waren) sollen in den 70er und 80er Jahren als Doppelagenten auch dem MfS gedient haben. Darunter waren offenbar viele, die "überworben" wurden, das heißt, das MfS hatte ihre BND-Anbindung erkannt, sie aber nicht verhaftet, sondern als IM angeworben und nun gegen den BND eingesetzt.
Sichere Angaben darüber, in welchem Umfang westliche Agenten in der DDR unerkannt geblieben sind, liegen nicht vor. Insofern kann noch keine abschließende Bilanz der Wirksamkeit der Spionageabwehr gezogen werden.
Signatur: BStU, MfS, HV A, Nr. 804, Bl. 5-19
Bereits seit Dezember 1989 besetzten mutige Bürgerinnen und Bürger die Bezirks- und Kreisämter des Stasi-Nachfolgers Amt für Nationale Sicherheit (AfNS). Am 15. Januar 1990 erstürmten Bürgerrechtlerinnen und Bürgerrechtler die Stasi-Zentrale in Berlin-Lichtenberg und läuteten damit das endgültige Ende der DDR-Geheimpolizei ein. Als letzte Diensteinheit wurde daraufhin auch der "Nachrichtendienst" bzw. die ehemalige Hauptabteilung Aufklärung (HV A) in den Auflösungsprozess einbezogen.
Während die Staatssicherheit in den Regionen zu Beginn des Jahres 1990 weitgehend lahmgelegt war, bestand die Zentrale in Berlin-Lichtenberg fort, wenngleich auch dort immer mehr Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter entlassen wurden. Noch hoffte man, zumindest einen Teil des Apparates in die Nachfolgeorganisationen Verfassungsschutz und Nachrichtendienst hinüber retten zu können.
Den regionalen Bürgerkomitees ging der Auflösungsprozess in Berlin entschieden zu langsam. Bei einem Treffen in Berlin am 14. Januar forderten sie, selbst die Dinge in die Hand zu nehmen und am 15. Januar, wie in den Regionen nun auch in Berlin, "die Kontrolle auf das Zentrale Amt" zu übertragen.
Die außerhalb Berlins "bewährte Methode" war die Besetzung, die Versiegelung von Räumen und Stahlschränken in Kooperation mit der Staatsanwaltschaft und die Sicherung der Gebäude in "Sicherheitspartnerschaft" mit der Polizei. Dass dies "unabhängig" von der geplanten Aktion des Neuen Forums erfolgen sollte, die ja außerhalb des Gebäudekomplexes geplant war, bedeutete ein demonstratives Vorpreschen der Bezirkskomitees.
Als die Vertreter der Bezirkskomitees an jenem Mittag des 15. Januar 1990 dann am Einlass klingelten, wurden sie sofort eingelassen. Zugegen waren schon die Volkspolizei und die Militärstaatsanwaltschaft. Es schien die Chance zu einer gar nicht bedrohlichen, sondern sehr geordneten Übergabe gegeben.
Während in der Stasi-Zentrale verhandelt wurde, versammelten sich vor ihren Toren hunderte, bald tausende Demonstranten, die von dem Geschehen im Inneren des Gebäudekomplexes nichts wussten. Gegen 17:00 Uhr war der Druck auf das Tor durch die nachrückenden Demonstranten so heftig geworden, dass die Bürgervertreter im Innern der Anlage fürchteten, in der drangvollen Enge würden Menschen zu Schaden kommen. Deshalb gab der katholische Geistliche Martin Montag, der zuvor als Vertreter des Bürgerkomitees Suhl mitverhandelt hatte, einem Polizisten die Anweisung, das Tor zu öffnen. Die Öffnung des Tors in der Ruschestraße und bald darauf auch in der Normannenstraße traf die Ordner, die das Neue Forum vor dem Gebäudekomplex postiert hatte, völlig unvorbereitet. So strömten Tausende in das Innere der einst so mächtigen Stasi-Zentrale.
Diese Aktion von Bürgerrechtlerinnen und Bürgerrechtlern aus allen Teilen der DDR und vieler empörter Berlinerinnen und Berliner läutete das endgültige Ende der Staatssicherheit ein. Am 18. Januar erteilte der Vorsitzende des Ministerrates, Hans Modrow, an Heinz Engelhardt den Auftrag, "das ehemalige Amt für Nationale Sicherheit in allen seinen Gliederungen aufzulösen". Nachdem die Stasi-Zentrale am 15. Januar endgültig lahmgelegt worden war, wurde nun auch der "Nachrichtendienst", die ehemalige HV A, in den Auflösungsprozess einbezogen.
Verbindungsoffiziere, die in 6 Staaten eingesetzt waren, beendeten im Januar und Februar 1990 ihre Tätigkeit. Alle Angehörigen sind bis Ende März 90 in die DDR zurückgekehrt und per 31.03.90 entlassen worden (Südjemen, Mosambique, Angola, Tansania, Äthiopien, Nicaragua).
Die personelle und materielle Auflösung wird zum 30. Juni 1990 abgeschlossen.
Die Arbeit mit allen Residenturen (speziell auch legal abgedeckte Residenturen in AV der DDR) und Agenturen wurden per 24.02.90 [handschriftliche Ergänzung: beendet], zum größten Teil erfolgte das bereits ab Dezember 89 [manuell durchgestrichen: beendet]. Es wurde ihnen untersagt, Vorgänge, Technik und materielle Werte an andere Geheimdienste oder Landessicherheitsorgane zu übergeben. Offenbarungen/Offenlegung operativen Wissens gegenüber Geheimdiensten oder Landessicherheitsorganen wurde gleichfalls verboten.
Das technische Verbindungswesen wurde eingeschränkt, die Funk und Kurierverbindung zu den LAR in AV bereits Ende November 1989.
Die materiellen Fonds der Auslandsresidenturen wurden in Rechtsträgerschaft der Auslandsvertretungen der DDR übergeben. Die Abrechnung der finanziellen Mittel erfolgte strikt vorgangsgebunden.
Durch eine konsequente und- planmäßige Arbeit (siehe Anlage) gelang es, den Beschluß der AG Sicherheit des ZRT zu verwirklichen, alle Mitarbeiter incl. OibE, aus dem Dienstverhältnis per 31.03.1990 zu entlassen.
Entsprechend diesem Beschluß sollten in Ausnahmefällen, die begründet sind mit
Die Umwandlung des MfS in ein AfNS erfolgte im Zusammenhang mit der Neubildung der Regierung durch Ministerpräsident Hans Modrow am 17./18.11.1989. Zum Leiter des Amtes wurde Schwanitz gewählt. War Mielke als Minister für Staatssicherheit noch dem Vorsitzenden des Nationalen Verteidigungsrates der DDR und faktisch dem SED-Generalsekretär unterstellt gewesen, so ordnete man Schwanitz dem Vorsitzenden des Ministerrates unter. In der Regierungserklärung wurde dem neuen Amt vorgegeben, dass »neues Denken in Fragen der öffentlichen Ordnung und Sicherheit« auch von diesem Bereich erwartet werde und dass der Apparat zu verkleinern sei. Näheres hätte in einem Gesetz geregelt werden müssen, das geplant wurde, aber nie verabschiedet worden ist. Noch am Tag seiner Wahl informierte der neue Amtschef die Mitarbeiter der Staatssicherheit, dass der »Prozess der revolutionären Erneuerung« vorbehaltlos zu unterstützen sei. Kommissionen zur Neustrukturierung wurden eingerichtet und die Diensteinheiten aufgefordert, eigene Vorschläge einzubringen. Dies waren Versuche einer technokratischen Reform, die von der alten Generalsriege angeleitet wurden. Angekündigt wurde, das Personal abzubauen – zuerst ging es um 10 %, zwei Wochen später war die Vorgabe bereits eine Reduktion um 50 %. Das alte Feindbild sollte nicht mehr gelten: »Andersdenkende« seien jetzt zu tolerieren, nur »Verfassungsfeinde« zu bekämpfen. Unklar blieb, wer Letzteren in einer Zeit zuzurechnen war, in der die Verfassung selbst zur Disposition stand. Zugleich wurde die Aktenvernichtung in diesen Wochen fortgesetzt, viele inoffizielle Mitarbeiter »abgeschaltet«. Die Mitarbeiter waren zunehmend verunsichert und demotiviert. Anfang Dezember beschleunigte sich der revolutionäre Umbruch: Am 1.12.1989 wurde die führende Rolle der SED aus der Verfassung gestrichen, am 3. trat das ZK der SED zurück, am 4. und 5.12. besetzten aufgebrachte Bürger KD und Bezirksämter des AfNS. Die Stasi-Mitarbeiter leisteten keinen gewaltsamen Widerstand. Am 5.12. trat das Kollegium des AfNS zurück. In den folgenden Tagen wurden die Leiter der meisten Hauptabteilungen und der Bezirksämter abgesetzt. Am 7.12.1989 forderte der Zentrale Runde Tisch die Auflösung des AfNS – auch mit den Stimmen der SED-Sprecher. Am 14.12. wurde durch den Ministerrat beschlossen, das AfNS aufzulösen und durch einen sehr viel kleineren Verfassungsschutz (ca. 10 000 Mitarbeiter) und einen mit ca. 4000 Mitarbeitern gegenüber der HV A fast unveränderten Nachrichtendienst zu ersetzen. In diese Dienste sollten keine ehemaligen Führungskader der Staatssicherheit übernommen werden. Parallel dazu bestand aber das »AfNS in Auflösung« fort, dessen Leiter den alten Apparat abwickeln sollten. Das war eine Ambivalenz, die das allgemeine Misstrauen weiter verstärkte und die Forderung nach vollständiger Auflösung der Geheimpolizei wieder lauter werden ließ.
Organisationsstruktur in der MfS-Zentrale, die durch den Minister oder dessen Stellvertreter direkt angeleitet und durch militärische Einzelleiter geführt wurde. Die weiter untergliederten AG prägten Linien aus (z. B. Zentrale Arbeitsgruppe Geheimnisschutz – ZAGG) oder blieben auf die Zentrale beschränkt (z. B. AG XVII). Die monothematischen Zuständigkeiten konnten operative Verantwortung und Federführung einschließen. AG wird auch als Bezeichnung einer nichtstrukturellen Organisationsform oder unselbständigen Untergliederungsebene im MfS verwendet.
Aufklärung hatte innerhalb des MfS unterschiedliche Bedeutungen: Sie wird zur Bezeichnung des Tätigkeitsbereiches der Auslandsspionage verwendet, die überwiegend von der HV A getragen wurde, die teilweise auch kurz als Aufklärung bezeichnet wird. Darüber hinaus findet der Begriff Verwendung bei der Bezeichnung von Sachverhaltsermittlungen (Aufklärung eines Sachverhalts) und von Überprüfungen der Eignung von IM-Kandidaten (Aufklärung des Kandidaten).
Organisationsstruktur in der MfS-Zentrale, die durch den Minister oder einen seiner Stellvertreter direkt angeleitet wurde. Die zuletzt 13 Hauptabteilungen wurden durch Einzelleiter geführt. Die weiter untergliederten und nach dem Linienprinzip tätigen HA waren für komplexe, abgegrenzte Bereiche operativ zuständig und federführend verantwortlich. Der Zuschnitt der Zuständigkeitsbereiche war an Ressorts oder geheimdienstlichen Praktiken (z. B. Verkehrswesen, Beobachtung, Funkspionage) orientiert.
Die Hauptverwaltung A (HV A) war die Spionageabteilung des MfS, deren Bezeichnung sich an die der Spionageabteilung des KGB, 1. Verwaltung, anlehnt. Der Ordnungsbuchstabe A wurde in der Bundesrepublik oftmals, aber unzutreffenderweise mit "Aufklärung" aufgelöst. Die HV A wurde 1951 als Institut für Wirtschaftswissenschaftliche Forschung (IWF) gebildet und ging im September 1953 als HA XV in das Staatssekretariat für Staatssicherheit ein. Sie wurde im MfS von 1956 bis zur Auflösung im Juni 1990 als HV A bezeichnet.
Der Schwerpunkt nachrichtendienstlicher Tätigkeit der HV A lag in der Bundesrepublik Deutschland und Westberlin, wo sie mit Objektquellen, d. h. den IM in den nachrichtendienstlichen Zielobjekten, aktiv war.
Die HV A gliederte sich 1956 in 15, 1989 in 20 Abteilungen.
Für die operative Arbeit gegen das Bundeskanzleramt und wichtige Bundesministerien war die Abteilung I, für die gegen die bundesdeutschen Parteien die Abteilung II und für die Arbeit außerhalb Deutschlands die Abteilung III zuständig. Für die Infiltration der USA war die Abteilung XI, für die NATO und die Europäischen Gemeinschaften die Abteilung XII verantwortlich. Mit der Militärspionage war die Abteilung IV befasst, mit der Unterwanderung gegnerischer Nachrichtendienste die Abteilung IX.
Innerhalb der Hauptverwaltung war vornehmlich der Sektor Wissenschaft und Technik (SWT) mit Wissenschafts- und Technikspionage befasst, der zu diesem Zweck die Abteilung XIII bis XV sowie die Arbeitsgruppen 1, 3 und 5 unterhielt sowie eine eigene Auswertungsabteilung, die Abteilung V bzw. ab 1959 Abteilung VII.
Leiter der HV A waren 1951/52 Anton Ackermann, kurzzeitig Richard Stahlmann, 1952-1986 Markus Wolf, dann Werner Großmann und 1989/90 Bernd Fischer. Von anfangs zwölf Mitarbeitern wuchs der Apparat bis 1955 auf 430, bis 1961 auf 524 Mitarbeiter und erreichte bis 1972 einen Umfang von 1.066 hauptamtlichen Mitarbeitern. Bis 1989 wuchs die HV A auf 3.299 hauptamtliche Mitarbeiter, hinzu kamen 701 OibE (1985: 1.006) sowie 778 HIM. OibE und HIM arbeiteten verdeckt in der DDR und im Operationsgebiet. Insgesamt verfügte die HV A also zuletzt über 4.778 Mitarbeiter.
Die Anzahl der von der HV A geführten IM umfasste im Jahre 1989 rund 13.400 in der DDR und weitere 1.550 in der Bundesrepublik. Über 40 Jahre hinweg werden nach Hochrechnungen insgesamt rund 6.000 Bundesbürger und Westberliner IM der HV A gewesen sein.
Zur Durchdringung von Ministerien und anderen wichtigen Stellen des Staatsapparates, der Wirtschaft, aber auch außerhalb der DDR setzte das MfS hauptamtliche Mitarbeiter als Offizier im besonderen Einsatz (OibE) ein. Sie agierten dort verdeckt und mit einer legendierten Biografie ausgestattet. Schwerpunkte waren das System der Sicherheitsbeauftragten in den Betrieben, Residenten sowie Wachkräfte in den Auslandsvertretungen der DDR.
In einigen Bereichen arbeiteten zeitweise regelrechte OibE-Strukturen, etwa im MdI der DDR (Personendatenbank), dem Entwicklungszentrum des Kombinates Robotron oder der Sektion Kriminalistik der Humboldt-Universität. 1983 gab es 3.471 OibE, danach sank die Zahl. 1988 verfügten 27 Diensteinheiten der MfS-Zentrale über 1.856 OibE.
Die Hauptverwaltung A (HV A) arbeitete mit Netzwerken inoffizieller Mitarbeiter im "Operationsgebiet", deren einzelnes als Residentur und der Leiter als Resident bezeichnet wurden. Der Leiter konnte aus der DDR oder im "Operationsgebiet" operieren. Im Dezember 1988 führten die HV A und ihre Abteilung XV über 32 bundesdeutsche Residenturen. Mit elf bundesdeutschen Residenturen sind die meisten für die Abteilung VI der HV A ("Regimefragen") verzeichnet, neun davon arbeiteten in Nordrhein-Westfalen.
Neben diesen "illegalen" Residenturen gab es bei der HV A auch "legal abgedeckte" Residenten (LAR), zu deren Anzahl unterschiedliche Angaben vorliegen. Laut einer Aufstellung der HV A aus dem Jahre 1985 gab es 119, laut der Datei SIRA im gleichen Jahr 63, die zugleich die illegalen Residenten in Residenturakten integriert. Die für die Arbeit mit legal abgedeckten Residenturen zuständige Abteilung III verfügte im Jahre 1989 über 51 Residenturen. Statistisch wurden die Residenten bei der HV A in der Vorgangsart "Residenturakte" (REA) erfasst.
Bericht des Regierungsbeauftragten Peter Koch am Zentralen Runden Tisch Dokument, 18 Seiten
"Beratungsprotokoll der Leitung des Verfassungsschutzes mit den Beauftragten der Bezirksämter" Dokument, 5 Seiten
"Beschluss über weitere Maßnahmen zur Auflösung des ehemaligen Amtes für Nationale Sicherheit" Dokument, 12 Seiten
Schreiben des amtierenden Leiters an die Leiter der Diensteinheiten zur Notwendigkeit eines Verfassungsschutzes Dokument, 6 Seiten