Signatur: BStU, MfS, HA II, Vi, Nr. 129
Heinz Felfe, hochrangiger BND-Mitarbeiter, flog 1961 als KGB-Agent auf. Nach Verbüßung seiner Haftstrafe siedelte er nach Ost-Berlin über und drehte dort im Auftrag der Stasi einen Schulungsfilm für Mitarbeiter der Spionageabwehr.
Heinz Felfe, geboren 1918 in Dresden, machte während des Zweiten Weltkriegs Karriere im Reichssicherheitshauptamt. Im Sicherheitsdienst (SD), dem Nachrichtendienst der NSDAP, brachte er es bis zum Obersturmführer. Nach dem Krieg arbeitete er zunächst für den britischen Auslandsgeheimdienst MI 6, bevor er sich 1950 vom sowjetischen KGB anwerben ließ.
Ein Jahr später gelang es ihm bei der Organisation Gehlen, der Vorgängerinstitution des Bundesnachrichtendienstes (BND), anzuheuern. Dort stieg er schnell zum Leiter des Referats "Gegenspionage Sowjetunion" auf und hatte damit Zugriff auf hochsensible Geheiminformationen. In seiner Position leitete er die Untersuchungen zu KGB-Maulwürfen im BND; hatte also den Auftrag sich selbst zu enttarnen. Als Doppelagent lieferte Felfe tausende Dokumente nach Moskau und enttarnte Agentennetzwerke.
Zehn Jahre lang konnte Felfe so die Bemühungen des BND sabotieren. Eine Reise in die USA wurde ihm schließlich zum Verhängnis. Ein Überläufer hatte berichtet, dass an dieser Reise, an der mehrere BND-Angehörige teilnahmen, ein Doppelagent teilnehme. Die Spur führte schnell zu Felfe. 1961 wurde er enttarnt und verhaftet, zwei Jahre später verurteilte ihn der Bundesgerichtshof zu 14 Jahren Haft.
Felfe saß allerdings nur einen Teil dieser Strafe ab. 1969 kam der Spion im Rahmen eines Häftlingsaustauschs frei. Felfe ging nach Ost-Berlin, wurde nun für die Stasi tätig und lehrte fortan mit deren Unterstüzung als Professor für Kriminalistik an der Humboldt-Universität.
Heinz Felfe genoss in der DDR zahlreiche Privilegien und erhielt ein außerordentlich hohes Gehalt. Er schrieb seine Memoiren unter dem Titel "Im Dienst des Gegners" und spielte die Hauptrolle in dem vorliegenden Film. „Der Mann aus Camp Nikolaus“. Der Film wurde höchstwahrscheinlich im Auftrag der Hauptabteilung II (Spionageabwehr) zu Schulungszwecken von der DEFA hergestellt und zeichnet das Leben Felfes nach. Der einstige Doppelagent wird darin als Vorbild und überzeugter "Kundschafter des Friedens" dargestellt.
[Musikeinspielung]
[Sprecher:] Die Geschichte dieses Mannes, die hier erzählt wird, ist eine Episode in der Klassenauseinandersetzung dieses Jahrhunderts. Dieser Mann gehörte bis 1945 einer der Machtzentralen des deutschen Faschismus an. Er war dieser dienstbar.
[Musik]
Eingetragen als Angehöriger der SS unter der Nr. 268.000.288 ging er den Ausbildungsweg für die höhere SS-Laufbahn. Er war Mitarbeiter des Reichssicherheitshauptamtes. Hier waren u.a. auf Reichsebene vereinigt die Geheime Staatspolizei, die Gestapo, die Kriminalpolizei und schließlich der SS-Staatssicherheitsdienst, der SD als Spionageorganisation. Er wurde in der Auslandsspionage im Amt 6 eingesetzt.
Ende des Krieges leitete er das Referat Schweiz-Liechtenstein.
In einer kleinbürgerlichen Dresdner Beamtenfamilie aufgewachsen, fand er den Nationalsozialismus nicht abstoßend. In der faschistischen Jugendbewegung jener Jahre fühlte er sich geborgen. Auch im Reichsarbeitsdienst schätzte er die Aufzucht und Ordnung gerichtete Kameradschaft. Mit Beginn des 2. Weltkrieges war er nur kurze Zeit als SS-Mann eingezogen. Er wurde für das Studium der Kriminalistik an der damaligen Friedrich-Wilhelm-Universität in Berlin freigestellt. Er war da schon im Blickfeld der faschistischen Spionage und wurde an der Universität in diese Richtung geführt und gelenkt.
[Sprecher:] Im Jahre 1943 wurde er zum Kriminalkommissar ernannt. In der Ernennungsurkunde hieß es unter anderem: "Zugleich darf er des besonderen Schutzes des Führers sicher sein." Am 20. April 1944, dem Geburtstag Hitlers, wurde er zum SS-Obersturmführer ernannt. 1945 kam er in britische Gefangenschaft und war im Fordblaukabel bei Ütrecht, Vernehmungslager 030, interniert. Hier wie später wurde er als "nicht belastet" eingestuft. Heute lehrt dieser Mann als Professor an der Humboldt-Universität in Berlin an der Sektion Kriminalistik. Was war im Leben diesen Mannes seit 1945 geschehen, das ihm das Recht gibt an einer Universität der DDR zu lehren und zu forschen?
[Heinz Felfe:] Heute auf dem internationalen Kunstmarkt ein Millionenbetrag erbringen.
[Heinz Felfe ist weiterhin im Hintergrund zu hören.]
[Sprecher:] Wer hat sein Leben seit 1945 beeinflusst? Was hat er, Heinz Felfe seit 1945 aus seinem Leben gemacht?
[Heinz Felfe:] Eine Verfälschung, kann sein eine Reparatur, eine Instandsetzung.
[Sprecher:] Damals vom 17. Juli bis 2. August 1945 fand die Dreimächtekonferenz von Berlin statt. Die Konferenz tagte im Cecilienhof bei Potsdam. Als ein Ergebnis gab das Potsdamer Abkommen die völkerrechtlichen Grundlagen für eine Entwicklung in Deutschland, als deren Ziel ausdrücklich die Ausrottung des deutschen Militarismus und Nazismus proklamiert wurde, damit nie wieder vom deutschen Boden ein Krieg ausgehen kann. Die kapitalistischen Mächte der Anti-Hitler-Koalition wollten jedoch durch ihren Sieg über den imperialistischen Konkurrenten das faschistische Deutschland, der ihre eigene Existenz tödlich bedroht hatte, ihre Einflussphäre auf Kosten der Sowjetunion und der sich befreienden Völker ausbauen. Während der Potsdamer Konferenz besuchte der englische Premierminister Winston Churchill die zerstörten Wohnviertel der ehemaligen Reichshauptstadt. Churchill wurde von sowjetischen Offizieren, die an der Zerschlagung des Faschismus, an dem opferreichen Kampf bis zur letzten Stunde teilgenommen hatten, auch durch die Ruinen der ehemaligen Reichskanzlei geführt.
[durchgängig anhaltende elektronische Hintergrundmusik setzt ein]
Wer ahnte zu diesem Zeitpunkt, dass bereits knapp ein Jahr später, derselbe Winston Churchill im Westminster College in Fulton, den Kalten Krieg gegen die Sowjetunion proklamieren würde?
[durchgängig anhaltende elektronische Musik]
Am 12. März 1947 wurde in Washington die Truman-Doktrin verkündet. Sie signalisierte den endgültigen Übergang der Westmächte zu einer Politik, die auf den Bruch der völkerrechtlich verbindlichen Abmachungen der Anti-Hitler-Koalition gerichtet war. Eine weltweite Einmischung der USA in die Angelegenheiten anderer Staaten und die Unterstützung für reaktionäre und antikommunistische Regime beginnt.
[elektronische Musik]
[Sprecher:] Überall in Europa ist man dabei die Trümmer des 2. Weltkrieges zu beseitigen, ein neues Leben aufzubauen. Für Millionen Menschen in Deutschland bedeutet es auch die geistig moralischen Trümmer des Faschismus zu beseitigen und sich neue Ziele zu setzen. Auch Heinz Felfe sucht seinen Platz, sucht seinen Weg.
[durchgängig anhaltende Instrumentalmusik setzt ein]
Beim Besuch der sowjetischen Besatzungszone erlebte Heinz Felfe wie dort die Vereinbarungen von Potsdam verwirklicht, wie die demokratischen Kräfte des Volkes gefordert und mobilisiert wurden. Vor allem aber erlebte er, welches Vertrauen der Jugend gegeben wurde und welche Chancen auch jene hatten, die dem Faschismus gefolgt waren. Auf der Wartburg trafen sich junge Menschen aus Ost und West. Der damalige Ministerpräsident des Landes Thüringen, Werner Eggerath, knüpfte an den 100. Jahrestag der 48er Revolution an. Sie nun durch Entmilitarisierung, Demokratisierung und Enteignung der Kriegsverbrecher zu vollenden, stand auch für die Westzonen auf der Tagesordnung. Heinz Felfe aber erlebte am 7. September 1949 in Bonn die Konstituierung des 1. Deutschen Bundestages, die Gründung des westdeutschen Separatstaates. Am 15. September wurde Konrad Adenauer mit der verfassungsrechtlich knappsten Mehrheit seiner eigenen Stimme zum Bundeskanzler gewählt. Seine Regierungserklärung umriss diese separatistische Politik und Wiederherstellung der Macht des Monopolkapitals und der alten reaktionären Kräfte. Im Auftrage der Amerikaner begannen die alten Militärs und Geheimdienstler, Adenauer ihre Dienste anzubieten. Aus der damaligen Wirklichkeit des politischen Geschehens leitete Heinz Felfe seine Pflicht ab, sich auf die Seite des Friedens der Sowjetunion zu stellen, wie es viele Deutsche auf den verschiedensten Gebieten taten, die nie wieder ein Krieg auf deutschen Boden, sondern ein friedliches, demokratisches Deutschland ersehnten. Heinz Felfe nahm den Auftrag an, in Westdeutschland in die Kreise zu dringen, die auf geheimdienstlicher Ebene den Kalten Krieg organisierten und einen neuen Krieg vorbereiteten. Er wurde Kundschafter der Sowjetunion.
[elektronische Musik]
[Heinz Felfe:] Mein Auftrag in die neu entstehenden westdeutschen Sicherheits- und Spionageorgane einzudringen, war nicht leicht zu verwirklichen. Zwar war es möglich sich beim Verfassungsgschutz oder bei der Polizei zu bewerben. Interessanter und schwieriger war in jedem Falle, aber die Organisation Gehlen. Eine Organisation, die bis dahin noch nicht sehr in Erscheinunggetreten war, die aber die Traditionen der faschistischen Abwehr im Oberkommando der Wehrmacht, fortsetzen wollte und sollte. Zunächst noch im Soll der Amerikaner stand und wohl die größte Bedrohung für eine friedliche Entwicklung darstellte.
[Sprecher:] General Reinhard Gehlen leitete bis 1945 die Spionage des faschistischen Heeres, "Fremde Heere Ost".
[Musik]
In Erkenntnis der bevorstehenden Niederlage des deutschen Faschismus hatte er Ende 1944/45 den Entschluss gefasst, besondere Anfertigungen seiner Berichte, Studien- und Archivunterlagen über die Streitkräfte, die Rüstungsproduktion, das sowjetische Regierungssystem sowie dessen Nachrichtendienst zur Erhaltung der eigenen Spionageorganisation für spätere Zeiten sicherzustellen.
[Musik]
In dieser Berghütte versteckte sich Gehlen mit seinen Unterlagen im April 1945. Im Juli 1945 wurde er vom Brigadegeneral Edwin L. Sibert, Chef des USA-Geheimdienstes der Besatzungsarmee für die Ostspionage der USA übernommen.
[Musik]
Oberursel bei Frankfurt am Main war das erste Hauptquartier der Organisation Gehlen. Bei der Übernahme der Organisation "Fremde Heere Ost" folgte Brigadegeneral Edwin L. Sibert eine Idee des späteren CIA-Direktors Allen Dulles.
[Heinz Felfe:] Der Zugang war über Selbstbewerbung nicht möglich. Man musste empfohlen werden, man musste irgendwie sich im Kriege bewährt haben, sei es als Generalstabsoffizier, sei es als Offizier bei der Abwehr oder aber, was auf mich zutraf, als Mitarbeiter eines Geheimdienstes, der im Kriege Erfahrungen sammeln konnte. Da ich formell in keiner Weise belastet war, genügten einige Empfehlungen, um mich für diese Organisation gewinnen zu können. Ich began meinen Dienst bei einer Außenstelle in Karlsruhe, die als Rolladenfabrik, als Jalousiefabrik, in einem Hinterhof getarnt arbeitete. Von dort aus wurden in erster Linie aufgeklärt die DDR bzw. damals noch als sowjetische besetzte Zone Deutschlands bezeichnet und die angrenzenden Volksdemokratien mit dem Schwerpunkt Innenpolitik, Wirtschaft, Regierungsbehörden. Im besonderen Maße wurde aber auch im Inneren der Bundesrepublik aufgeklärt. Es wurden aufgeklärt politische Persönlichkeiten, Parteien, Journalisten und insbesondere das Saarland war noch unter französischer Verwaltung. Die Verhältnisse, die auf dieser Ebene mit Frankreich von Interesse sein konnten.
[Sprecher:] Heinz Felfe im Jahre 1951 bei einem Pfingstausflug. Er ist verheiratet und hat Familie. Keiner ahnt von seinem Doppelleben, von seiner Tätigkeit für die sowjetische Abwehr im Zentrum der westdeutschen Spionage.
[Heinz Felfe:] Im Sommer 1952 gelangte auf meinen Schreibtisch in Karlsruhe ein [etwas lauteres Atmen] umfangreiches Dokument mit der Überschrift "Juno-Programm". Es trug das Aktenzeichen "Abhandlung 6600" und stammte vom 29. Julei [Juli] 1952. Mit diesem "Juno-Programm" musste nun langsam jedem klar werden, dass die friedliche Nachkriegsphase zu Ende gehen sollte, denn hier wurde ganz eindeutig ein neuer Kriegsfall ins Auge gefasst und die entsprechenden richtendienstlichen Vorbereitungen getroffen. Ich darf aus diesem Dokument zitieren, da es für sich spricht, es heißt dort: "Die Verschärfung der Lage macht es erforderlich, ernsthaft an die Vorbereitungen für den Ernstfall heranzutreten. Nach dem Vorliegen Erkenntnissen sind die psychologischen Voraussetzungen dafür günstig. Aufgrund des Kräfteverhältnisses zwischen Ost und West muss in Europa zunächst mit einer Periode des Rückzuges gerechnet werden, der erst nach Heranführung weiterer Kräfte eine Periode der stabilisierten Fronten folgen kann. Diesem Stadium eines zukünftigen Krieges, müssen daher die Vorbereitungen in erster Linie gelten." Es heißt weiter: "Grundsätzlich ist zu sagen, dass neben der Platzierung am richtigen Objekt, das selbstständige Denken und Handeln der Agenten im Kriegsfall erheblich an Bedeutung gewinnt". Es heißt weiter: "Die Überwachung der obersten Regierungs- und Parteiorgane sowie der in der DDR bestehenden Informationszentren sind zu verstärken. Die Beobachtung von Ansatzpunkten zur Bildung und Verstärkung von Widerstandszentren, die Angaben über das Menschenpontential, sein Ausnützungsgrad und seine Aufteilung auf Wehrmacht und Industrie ist aufzuklären."
[durchgängig anhaltende Musik]
[Sprecher:] Eine Abhandlung unter Nr. 620 enthielt die besonderen Spionageforderungen für den Raum der DDR. Für die Spionage in die DDR hinein, gab es vor allem Aufträge, die sich auf den Aufbau, die Versorgung der Wirtschaft mit Produktionsmitteln, auf volkswirtschaftliche Gesamtrechnung, Währungs- und Wirtschaftspolitik bezogen. Auch die Spionageorganisation lebte in der Illusion, dass die DDR nicht lebensfähig sei, es nur einen geringen Kraftaufwandes bedürfe um den deutschen Arbeiter- und Bauernstaat zu liquidieren und dem Territorium der Bundesrepublik anzuschließen. Die Spionage richtet sich auch gegen führende Persönlichkeiten in Wissenschaft und Technik und ihre Forschungs- und Arbeitsergebnisse. Die politische Spionage konzentrierte sich auf die internationale Front gemeinsam wirkenden Kräfte in der DDR.
[Musik]
[Sprecher:] "Vulkan" hieß eine der ersten großen Geheimdienstoperationen gegen die DDR, gedacht als Störaktion gegen den Handel zwischen den beiden Staaten. Sie sollte die Wirtschaft der DDR treffen und die Wirtschaftskreise in der Bundesrepublik einschüchtern. Mit Wissen Gehlens besetzten Polizeibeamte das Büro für innerdeutschen Handel in Frankfurt am Main. Vierzig Firmenchefs und weitere 150 Personen wurden unter konstruierten Spionageverdacht festgenommen. Sehr bald wurde die Haltlosigkeit dieser Aktion entlarvt. Heinz Felfe klärte die Hintergründe dieser Operation mit auf.
[elektronische Musik]
Vom Territorium der BRD und West-Berlin wurden am 17. Juni 1953 Agenten und Provokateure entsandt. Sie sollten den geplanten konterrevolutionären Umsturz in Szene setzen. Hauptziel der Sturz der Arbeiter- und Bauernmacht der DDR.
[elektronische Musik]
[Heinz Felfe:] Alle diese Vorbereitungen, die seit 1952 getroffen worden sind, haben wohl eindeutige Beweiskraft, dass die Organisation Gehlen nicht nur ein Instrument im Kalten Krieg war, sondern auch aktiv beteiligt war, an der Vorbereitung neuer, kriegerischer Auseinandersetzungen. Es ist einsehbar, dass es das Hochziel eines jeden Aufklärungsdienstes ist, in die Zentrale des gegnerischen Dienstes einzudringen. Ich saß in Karlsruhe an der Peripherie und befasste mich dort mit Gegenspionage und Aufklärung, die, möchte ich sagen, auf eine unteren Ebene stattfand, aber keinen Einblick in die zentralen Planungen gestattete. Denn neben uns in Karlsruhe gab es ja noch eine Reihe andere Dienststellen, die in gleicher Weise arbeiteten, die ich aber bis dahin noch nicht kannte.
[Sprecher:] In Hamburg war die Niederlassung in der Adolfstraße 44 als Handelsgesellschaft "Agro" getarnt. In Mannheim befand sich eine Vertretung in der Robert-Blum-Straße 33, firmiert als Niederlassung einer Sektfirma. In Stuttgart, in der Verastraße 68, befand sich Gehlens technischer Dienst, getarnt als schwäbische Industrieberatungsgesellschaft.
[Heinz Felfe:] In Karlsruhe war ich unter dem selbstgewählten Decknamen "Friesen", Gehilfe von Oscar Reile. Er war während des Krieges Chef der Abwehrstelle in Paris gewesen und hatte mit mir, über die Arbeit hinaus, ein recht kameradschaftliches Verhältnis gefunden. Als er im Jahre 1953 nach Pullach versetzt wurde, versprach er mir beim Abschied in die Hand: "Friesen, ich hole Sie in kürzester Zeit nach. Bitte haben Sie Geduld." Er hielt Wort. Etwa ein Jahr später, kam ich an einem Oktobertag nach Pullach und fuhr in ein von Amerikanern bewachtes Camp ein. Es handelte sich um die Wohnsiedlung der Nazigrößen Rudolf Heß und später Martin Bohrmann, hatten dort bis Kriegsende mit ihren Familien gelebt. Diese kleine, von der Außenwelt abgeschottete Stadt ermöglichte ein friedensmäßige Dasein, fernab von Einschränkungen oder Mängeln irgendwelcher Art. Während die Bevölkerung draußen noch mit den Schwierigkeiten einer Nachkriegszeit fertig werden musste, hatte man dort diese Schwierigkeiten nie und zu keiner Zeit empfinden müssen. In diesem Camp lebten also die Mitarbeiter der Zentrale mit ihren Familien. Sie hatten einen eigenen Kindergarten, eine eigene Feuerwehr, Tennisplatz, Schwimmbad um sich während der Freizeit fernab der Bevölkerung, gut erholen zu können.
[Sprecher:] Camp Pullach oder auch Camp Nikolaus genannt, denn die Organisation Gehlen hatte das Areal am Nikolaustag am 6. Dezember 1947 bezogen. Heinz Felfe lieferte die ersten Lageskizzen und Fotos aus diesem bis dahin hermetisch abgeschirmten Spionagecamp. Es folgten weitere Angaben über Personal und Organisationen.
[Heinz Felfe:] Ich sah bald, dass sich die Organisation der Zentrale eigentlich kaum von der Organisation des Amtes Ausland/Abwehr im Oberkommando der Deutschen Wehrmacht unterschied. Die Tradition dieses Spionageapparates der Deutschen Wehrmacht unter Admiral Canaris, wurde hier, man kann schon sagen, nahtlos fortgesetzt. Es gab den sogenannten Einstdienst, d.h. der geheime Meldedienst beschaffte aktive Spionageergebnisse über militärische und wirtschaftliche Ziele, der sogenannte Dreidienst, also die Gegenaufklärung, die Gegenspionage befasste sich nicht nur mit den anderen Sicherheitsdiensten im, in der DDR, in den sozialistischen Ländern, sondern die Tätigkeit be-, war auch ausgerichtet auf die Aufklärung innerdeutscher, d.h. westdeutscher, innenpolitischer Verhältnisse. Es wurden aufgeklärt die Parteien. Es wurde aufgeklärt die Presse. Es wurden konspirative Verbindungen zur Presse angeknüpft. Es wurde versucht in die Wirtschaft in Schlüsselpostionen einzudringen. Es wurde darüber hinaus auch versucht in die außenpolitische Situation Einblick zu gewinnen, um den Bundeskanzler zur außenpolitischen Lage jederzeit zu Diensten sein und Informationen auf den Tisch legen zu können. Viele Mitarbeiter der Organisation Gehlen waren beschäftigt mit der Beschaffung von Einzelinformationen, Informationen über Persönlichkeiten, ihr Privatleben, aber auch die Dinge, die ich in Karlsruhe begonnen hatte, etwa die Problematik der deutsch-französischen Beziehungen. Diese Hintergründe aufzuklären war auch hier zunächst meine Aufgabe.
[Hintergrundmusik]
[Sprecher:] Nach dem 2. Weltkrieg war das Saargebiet wirtschaftlich an Frankreich angeschlossen worden. Das westdeutsche Monopolkapital wollte aber eine politische Lösung zu seinen Gunsten. Die Organisation Gehlen hatte den Auftrag den französischen Interessen entgegenzuarbeiten und alles zu tun, um den Anschluss des Saargebietes an Frankreich zu verhindern. 1956 hatte es die Adenauer-Regierung mit Hilfe ihrer Spionageorganisation geschafft. Am 27. Oktober 1956 erklärte sich Frankreich mit der Eingliederung der Saar in die BRD einverstanden.
[Heinz Felfe:] Wie so üblich, bekam ich als Neuer in der Abteilung Gegenspionage [hustet], ältere Vorgänge, die noch nicht zu Ende gebracht worden waren, so auch hier ein Fall, der unter dem Decknamen oder Deckbezeichnung "Kim" in Österreich spielte. Es handelte sich um die Überwachung der in Österreich sehr stark vorhandenen Immigration und ihrer Ausnutzung zur Spionage gegen die sowjetischen Truppen, die in Österreich stationiert waren.
[durchgängig anhaltende Hintergrundmusik]
[Sprecher:] Österreich und seine Hauptstadt Wien wurden durch die Sowjetarmee befreit.
[Musik]
[Sprecher:] Entsprechend den Alliertenabmachungen nahmen die westlichen Streitkräfte ebenfalls bis zum Staatsvertrag von 1955 ihre politischen Interessen in Österreich direkt wahr. Österreich wurde zu einem Eldorado der Spionage, insbesondere der CIA und der Organisation Gehlen.
[durchgängig anhaltende beschwingte Musik]
[Heinz Felfe:] Außer der Aufklärung der osteuropäischen Immigration im Lande Österreich, befasste sich eine Gruppe dort auch mit der Sammlung von Dokumenten, die, auf irgendeiner Art und Weise im sowjetischen Truppenbereich verloren gingen. Es wurden die Mülldeponien und die Rieselfelder Wiens und anderer Standort daraufhin durchsucht, ob irgendwelche Dokumente, Briefschaften, Aktenreste gefunden werden konnten. Diese Dokumente wurden gesäubert, desinfiziert und stückweise von den Beschaffern erworben.
[Sprecher:] Auch über diese Aktion wurde in Pullach Buch geführt. Sie hatte den Decknamen "Verrat".
[Heinz Felfe:] Es ist erstaunlich gewesen für mich damals, dass auf diese Art und Weise tatsächlich eine Vielzahl von Informationen zu einem zutreffenden Bild, etwa über den Weg einer militärischen Einheit von Standort zu Standort erstellt werden konnte.
[Sprecher:] Heinz Felfe intensivierte seine Aufklärungstätigkeit. Sein Deckname ist "Friesen". Es gelang ihm in dieser Zeit tiefer und umfassender in die Führungsstrukturen der Spionageorganisation einzudringen. Dokumente mit entscheidenden Informationen gelangen in seine Hände. Richtlinien über die politische und militärische Führung, Planungen für Spionage und Diversionen in den sozialistischen Ländern, Einsatz von Doppel- und Einflussagenten sowie Unterwanderung von politischen, vor allem demokratischen Organisationen in der BRD. Als Referatsleiter "Gegenspionage SU" gelingt es ihm die sowjetische Abwehr von vorgesehenen Operationen rechtzeitig zu informieren und Agenten- und Scheinnetze aufzubauen. Die sowjetische Seite erfuhr so Zuverlässiges über die Aktionen des Feindes und über die Hintermänner, der sich formierenden, psychologischen Kriegführung und der Sabotage. Felfes Aufgabengebiet der Gegenspionage erfasste auch die Tätigkeit der Immigrantenorganisationen. München galt als Zentrum. Eine westdeutsche Wochenschau berichtete:
[durchgängig anhaltende Hintergrundmusik]
[Sprecher 1 der Wochenschau]: Flüchtlinge aus 24 kommunistisch regierten Ländern haben sich zum antibolschewistischen Block der Nationen zusammengeschlossen. Eine Kundgebung in München stand unter der Parole "Für die Einheitsfront der Völker, im Kampf gegen den russisch-bolschewistischen Imperialismus." Die Sprecher appellierten an die freie Welt, die nationalen Freiheitsbewegungen innerhalb der Sowjetunion tatkräftig zu unterstützen. Diese Freiwilligen der US-Armee sind Flüchtlinge aus Ungarn, Polen, Lettland, Estland, Rumänien, Russland und der Tschechoslowakei. Als Feinde des Kommunismus sind sie freiwillig in die US-Armee eingetreten und verließen nun Bremerhaven, um in der USA eine gründliche militärische Ausbildung zu erhalten. Es ist die erste Gruppe von Freiwilligen aus den Ländern hinter dem eisernen Vorhang, die in die reguläre US-Armee aufgenommen wird.
[Musik]
[Sprecher:] In jenen Jahren wachsen der militärische Druck und die subversiven Aktivitäten des Imperialismus gegen die sozialistische Staatengemeinschaft. Angriffsziele sind dieses Mal die Volksrepublik Polen und die Volksrepublik Ungarn.
[Musik]
Gehlen stimmte seiner Aktion persönlich mit CIA-Chef Allen Dullas ab. Bericht einer westdeutschen Wochenschau:
[Sprecher 2 der Wochenschau]: Die roten Fahnen wurden verbrannt. Scheiterhaufen aus kommunistischer Literatur loderten auf.
Dann setzte der Sturm auf das AWO-Haus ein. Das Gebäude des Staatssicherheitsdienstes.
[Sprecher:] Im Herbst 1956 begann mit aktiver Unterstützung der westlichen Geheimdienste einschließlich des Bundesnachrichtendienstes, der konterrevolutionäre Putsch.
[Schüsse]
Der Angriff galt auch hier der Bauern- und Arbeitermacht und besonders den Schutz- und Sicherheitskräften. Der weiße Terror zeigte sein blutiges Gesicht.
[Sprecher 2 der Wochenschau:] Nach erbitterten Kämpfen war die Polizeizentrale erstürmt.
An den Angehörigen des Staatssicherheitsdienstes nahmen die Aufständischen furchtbare Rache.
[dramatische Musik]
[Sprecher:] Gehlen bezeichnet die Geschehnisse in Ungarn als erste, große Bewährungsprobe seines Dienstes. Unter seiner Leitung wurde der BND für die weltweite Spionage ausgebaut. Kernstück war der strategische Dienst. Technisch-organisatorisch wurden ebenfalls alle Voraussetzungen geschaffen. Die Funk-, Telefon- und Postkontrolle war hiermit einbezogen. Es gab kaum ein politisches, wirtschaftliches oder militärisches Ereignis, das nicht erfasst und in Dossiers aufbereitet war. Der Einfluss auf den Bundesverfassungsschutz und dem militärischen Abschirmdienst wurde weitgehend durch hauseigenen Personaleinsatz aus Pullach gesichert. Dem waren politische Machtkämpfe und Intrigen vorausgegangen.
[Heinz Felfe:] Die ursprüngliche Vorstellung Gehlens mit seiner Organisation, der alleinig' und allumfassende Geheimdienst der Bundesrepublik zu werden, ließ sich nicht verwirklichen. 1950 wurde das Bundesamt für Verfassungsschutz gegründet, entsprechende Länderbehörden folgten nach. Um Einblick und Einfluss zu gewinnen, stellte Gehlen den Oberst Radke, bisher enger Mitarbeiter in seiner Zentrale, zur Verfügung. Radke wurde Vizepräsident. Präsident des Bundesamtes für Verfassungsschutz wurde von den Briten vorgeschlagen Dr. Otto John. Die Tatsache, dass die Briten hier Einfluss genommen hatten, missfiel Gehlen auf das Äußerste, aber auch die Person des Dr. John war ihm missliebig, denn er kam aus einem gegensätzlichen Lager. John gehörte zum Widerstandskreis gegen Hitler. Er war beteiligt am Attentat des 20. Juli. Ihm war die Flucht nach England gelungen und in England hatte er unter Sefton Delmer propagandistisch gegen das zusammenbrechende Reich und seiner Wehrmacht gearbeitet. Diese Tatsache musste in einem Offizier der deutschen Wehrmacht wie Gehlen, der bis zum Ende ausgeharrt hatte, wirken wie ein Affront. Man kann sagen, dass zwischen beiden eine gepflegte Feindschaft bestand. Jede Information, die über Dr. Otto John anfiel oder über sein Amt, wurde gesammelt und musste unverzüglich Gehlen persönlich vorgelegt werden.
[Dr. Otto John:] Meine Damen und Herren, Herr Dr. Adenauer [Ansprache von Dr. John ist weiterhin leise im Hintergrund hörbar]
[Sprecher:] 1954 trat Dr. Otto John auf einer internationalen Pressekonferenz vor 400 Korrespondenten in der Hauptstadt der DDR auf. Allen späteren Legenden zum trotz, bestätigten sein Auftreten und seinen Ausführungen, dass er sich keinesfalls um eine Kurzschlusshandlung eines der drei westdeutschen Spionagechefs handelte.
[Dr. Otto John:] Ihre Konsequenzen mich dazu veranlasst haben. Die einseitige Bindung Deutschlands an die amerikanische Politik der Stärke, wie sie von Dr. Adenauer betrieben wird, führt unabwendbar zu einem Krieg auf deutschen Boden. Danach kann von Deutschland nur ein radioaktiv verseuchter Ton [Stelle abeschnitten]
[Heinz Felfe:] [unverständlich] der Abteilung Gegenspionage wurde auch die innenpolitische Aufklärung betrieben. Es gab ein, ein eigenes Referat, das sich Presseverbindungen nannte, wo die Presse, sei es aufgeklärt oder für Hilfsdienste gewonnen wurde, um Reklame, um Wohlwollen für den, für die Organisation zu erzielen. Aber auch die politischen Parteien waren Ziel der Aufklärung. Selbst wenn Gehlen behauptet zu dem Chef der SPD Ollenhauer immer ein loyales Verhältnis gehabt zu haben, so hat ihn dies nicht gehindert in der Baracke, dem Hauptquartier der SPD, eigene Spitzel aufzubauen. Es hat ihn nicht gehindert über den späteren Bundeskanzler Brandt und seiner amorösen Beziehung - ich denke hier an Susanne Sievers etwa - äh -, alle Informationen zusammenzutragen, aber auch Herbert Wehner war das Ziel seiner Erkundung. Aber damit hatte es noch keine Bewenden, denn auch die FDP war Aufklärungsobjekt. Hier waren es vor allen Dingen, nehmen Dehler die jüngeren, heranwachsenden Politiker wie Walter Scheel, Döring, Flach, Weiher, die zu Gesprächen eingeladen wurden, die man überwachte, über die umfangreiche Unterlagen gesammelt wurden. Neben den Politikern der SPD wie Herbert Wehner, Willy Brandt fand auch Annemarie Renger das Interesse der Organisation Gehlen. Sie war eine herausragende Persönlichkeit im SPD-Parteivorstand und es wurde bekannt, dass sie Beziehungen zu dem ehemaligen Handelsrat der jugoslawischen Botschaft Loncarevic unterhielt. Diese Tatsache an sich war bei der Überwachung der jugoslawischen Botschaft und ihres Restkommandos nach Abbruch der diplomatischen Beziehungen in das Blickfeld der Organisation geraten und Anlass sich mit der Person Renger etwas genauer zu befassen. Es stellte sich heraus, dass Frau Renger mit Loncarevic, den sie dann später auch geheiratet hat, die Wochenenden verbrachte. Diese Reisen wurden überwacht. Ich selbst habe die Meldezettel aus den Hotels für die Akten der Organisation Gehlen beschafft und Gehlen auf den Tisch gelegt. Diese Tatsache, wie auch allen anderen innenpolitischen Aufklärungsergebnisse gingen selbstverständlich, wenn auch nicht immer in sofortige Schriftform, den Amerikanern zu. Sie wurden teils mit den Verbindungsoffizieren besprochen oder aber bei der regelmäßig stattfindenden Ablichtung der Gesamtaktenbestände aufgenommen und nach Washington geschickt.
[durchgängig anhaltende elektronische Musik]
[Sprecher:] Heinz Felfe wusste auch über die enge Zusammenarbeit mit dem amerikanischen Geheimdienst Bescheid. Wie Gehlen selbst reisten seine Abteilungsleiter und Referatsleiter zu regelmäßigen Konsultationen und Schulungen, insbesondere zum Erfahrungsaustausch in die USA. 1957 reiste Heinz Felfe unter Leitung des Oberstleutnant a.D. Oscar Reibe sowie anderen Spezialisten der Ostspionage in die USA. Dabei entstanden diese Aufnahmen.
Aus dem USA-Haushalt flossen jährlich 26.000.000 DM in die Pullacher Kassen. Der CIA-Chef - ab 1953 Allen Dullas - hatte die westdeutsche Regierung gedrängt, die bis Mitte der 50er Jahre von den USA abhängige Organisation en block als Bundesnachrichtendienst zu erheben. Trotz scheinbarer Partnerschaft spiegelte sich in diesen Beziehungen auch die bleibenden Abhängigkeit von den Amerikanern wider.
[Musik]
[Heinz Felfe:] Im Laufe meiner Tätigkeit wurde ich mit vielen Ereignisse und Persönlichkeiten konfrontiert, die auch in der Öffentlichkeit nicht unbekannt geblieben sind. So wurde ich eines Tages zu Gehlen gerufen und mit einem Vorgang vertraut gemacht, dessen Mittelpunkt der ehemalige Generalstaboberst von Bonin war. Von Bonin, Generalstabsoffizier in der Deutschen Wehrmacht, bei Kriegsende, bei Hitler in Ungnade gefallen und in ein Konzentrationslager gesteckt, war an leitenden Stelle am Aufbau einer neuen deutschen Bundeswehr beteiligt. Er leitete die militärpolitische Abteilung in der sogenannten Dienststelle "Blank". Kam aber in Konflikt mit den Vorstellungen über das militärpolitische Konzept, seiner Kameraden und der Bundesregierung und schied schließlich aus dem "Amte Blank" aus.
[Sprecher:] Bericht einer westdeutschen Wochenschau:
[Sprecher 2 der Wochenschau:] Die ersten Waffen für die Ausbildung der Heereseinheiten trafen in Andernach ein. Dann erhielt die Garnisionsstadt hohen Besuch. Der Bundeskanzler kam zur Begrüßung der Freiwilligen des Heeres, der Luftwaffe und der Marine.
[anhaltende Marschmusik]
[Bundeskanzler Adenauer:] Moin Soldaten!
[Freiwilligen des Heeres:] Moin Bundeskanzler!
[Sprecher 2 der Wochenschau:] Nach dem Abstreifen der Front sprach Bundeskanzler
[Sprecher 2 der Wochenschau wird übertönt vom Sprecher]
[Sprecher:] Die westdeutschen Streitkräfte waren von Anfang an ein entscheidender Faktor der Revanchepolitik des deutschen Imperialismus.
[Bundeskanzler Adenauer:] Sie stehen vor einer Aufgabe, die durch manche
[Rede von Konrad Adenauer wird übertönt vom Sprecher]
[Sprecher:] Viele der führenden Militärs, unter ihnen der ehemalige faschistische General Heusinger, waren nach 1945 aktive Mitarbeiter der Organisation Gehlen, bevor sie anschließend am Aufbau der Bundeswehr und deren Führung entscheidend mitwirkten.
[Bundeskanzler Adenauer:] so das über allen stehende Ziel in Gemeinschaft mit unseren Verbündeten den Frieden zu sichern.
[Sprecher:] Von Anfang an wurde die Bundeswehr in die Aggressionsplanung der NATO einbezogen.
[Sprecher 3 der Wochenschau:] Sie werden in der Fachsprache unter dem Titel "Ehrenwerter Johannes" geführt. Eine Bezeichnung, die sich im Wesentlichen auf ihre Zuverlässigkeit bezieht. Die Lüneburger Heide war dieser Tage Schauplatz für die deutsche Raketenpremiere. Das acht Meter lange und 2.000 kg schwere [Lärm eines Raketenabschusses] Geschoss fliegt mit Überschallgeschwindigkeit und hat eine Reichweite von etwa 30 km.
[Lärm von Raketenabschüssen]
[Heinz Felfe:] Von Bonin konnte sich mit den Vorstellungen der Amerikaner über das Verteidigungskonzept nicht einv-, - äh - nicht - äh - einverstanden erklären. Er schied aus, schuf sich eine neue Existenz und versuchte sich nun in der Öffentlichkeit Gehör zu verschaffen mit seiner These, dass eine Atombewaffnung der Bundeswehr oder eine Verteidigung des deutschen Territoriums mit Atomwaffen durch die Amerikaner dem Selbstmord der deutschen Nation gleichkomme. Außerdem müsse, selbst wenn es zu keiner kriegerischen Auseinandersetzung komme, für ewig unmöglich sein, eine Wiedervereinigung der beiden Hälften Deutschlands anzustreben. Er suchte im Verfolg dieser sehr ehrlichen Bemühungen auch Kontakt mit sowjetischen Offizieren, die ihn als Soldaten, als integre Persönlichkeit durchaus schätzten und ernst nahmen. Nachdem er Schwierigkeiten mit der Deutschen Polizei bekommen hatte, wegen dieser Reisen in den östlichen Teil Europas, suchte er Rückendeckung bei Gehlen, den er aus der Kriegszeit kannte. Gehlen nahm sehr gern diesen Kontakt auf, weil er erkannte, dass ein Mensch, der Gesprächspartner sowjetischer Generalstabsoffiziere und Politiker sei, auch ihm nützen könne. Ich wurde hinzugezogen, um die späteren Reisen von Bonins nach Berlin mitvorzubereiten. Gehlen hatte sich bei Globke und Adenauer abgedeckt, hatte die Vollmacht bekommen, bestimmte Aufträge zu erteilen, um zu sondieren welche Auffassung auf sowjetischer Seite überhaupt zur Deutschlandpolitik bestanden. Im Jahre 1955 reiste der Bundeskanzler Adenauer mit einer großen Regierungsdelegation nach Moskau. Die Reise wurde, außer vom Auswärtigen Amt, natürlich auch von der Organisation Gehlen vorbereitet. Eine Vielzahl von Studien zu allen möglichen Problemen bis hin zur Wirtschaftslage der Sowjetunion wurden dem Bundeskanzleramt zur Verfügung gestellt.
[Sprecher 2 der Wochenschau:] Im Blickpunkt des Weltinteresse stand die Reise des Bundeskanzlers in die sowjetische Hauptstadt.
[durchgehend anhaltende Musik]
Im weißen Marmorsaal des Spiridonovka-Palastes stellte Ministerpräsident Bulganin die sowjetischen Konferenzpartner der deutschen Delegation vor. In durchweg sehr harten, jedoch völlig offenherzigen Verhandlungen wurden beiderseitigen Probleme dargelegt.
[Heinz Felfe:] Als Adenauer zurückkehrte und hier war, dass die noch in der Sowjetunion befindlichen Kriegsgefangenen nun in absehbarer Zeit zurückkehren würden, begann in der Organisation Gehlen die Vorbereitung dafür. [Sprecher 4 der Wochenschau:] Am Vorabend seines 78. Geburtstages besuchte der Bundeskanzler zusammen mit Ministerpräsident Kopf das Lager Friedland, um über elfhundert Heimkehrer aus Russland zu empfangen. Stürmisch umjubelt überbrachte Dr. Adenauer die Willkommensgrüße der deutschen Bevölkerung.
[Applaus]
[Bundeskanzler Adenauer:] Meine lieben Freunde! Ich bringe Euch den Gruß des gesamten deutschen Volkes ohne Unterschied der Parteien, ohne Unterschied der Konfession. Seid überzeugt davon, dass wir alle Euch mit ganz warmen Herzen empfangen und dass wir alles tun werden, um Euch die Eingliederung in diese ganz neuen Verhältnisse, die Ihr hier vorfinden werdet zu erleichtern und dass wir vereint arbeiten für den Frieden der Welt, und dass wir nicht ruhen und rasten werden, bis der letzte Gefangene und
[Rede von Adenauer weiterhin im Hintergrund hörbar]
[Sprecher:] Was Adenauer und die Westdeutsche Wochenschau verschwiegen, es handelte sich hier um verurteilte und amnestierte Kriegsverbrecher.
[Applaus]
[Heinz Felfe:] Es sollten alle zurückgekehrten Kriegsgefangenen ausführlich vernommen werden über ihre Zeit, die sie in der Sowjetunion verbracht hatten. Sie sollten berichten, sie sollten ausgefragt werden über alle Beobachtungen, die sie außerhalb ihres Lagers gemacht hatten, also über Industrie, Versorgungslage, Stimmung der Bevölkerung, wie auch die Angaben über ihre Lagerkameraden. Gehlen hatte ja auf diesem Gebiete schon genügend Erfahrungen gesammelt. Nach dem Kriege hatte er unter dem Stichwort "Hermesaktion" ja in den Jahren 47 bis 49 etwa, eine Befragung der deutschen Kriegsgefangenen, die aus der Sowjetunion gekommen waren, stattgefunden. Und mit dem aufgrund dieser Aussagen erarbeiteten Lagebild hatte sich Gehlen bei den Amerikanern damals - äh - ein 'ne gute Position geschaffen, denn über diese Mosaikarbeit, das Zusammenfügen kleinster Details und Teilinformationen war es gelungen doch ein Bild über die Sowjetunion bis weit in den Osten hineinreichend zu entwickeln, das normalen Reisenden verborgen bleiben musste.
[durchgehend anhaltende Musik]
[Sprecher:] Im und nach dem 2. Weltkrieg waren Millionen deutscher Kriegsgefangener bei den Aufräumungs- und Wiederaufbauarbeiten in der Sowjetunion eingesetzt. Das war ein Teil der Wiedergutmachung der Verbrechen des Faschismus. Das Sowjetvolk, das ganze Land hatte ungeheure Opfer gebracht. Zehntausende von Städten und Dörfern waren zerstört, tausende von Werken vernichtet, 20.000.000 Menschen hatten ihr Leben gegeben.
Mühsam vollzog sich der Wiederaufbau mit großer Aufopferung der Sowjetbürger, die ihren Leistungen im Kriege keinesfalls nachstanden. Diese ungeheuren Anstrengungen waren auch aus den Berichten der ehemaligen Kriegsgefangenen ablesbar.
So hätte Gehlen, wäre er objektiv gewesen zu dem Schluss kommen müssen, dass die Sowjetbürger mit aller Kraft an die Realisierung ihres Friedensprogramms gingen. Doch hatte er kein Interesse an einer solchen politischen Wertung. In Fortsetzung der Spionage des faschistischen Oberkommandos des Heeres "Fremde Heere Ost" erarbeitete sein Dienst aus der Rückkehrerbefragung sogenannte Feindlagebilder. Informationen für die Kriegführung, die Mobilmachung, Auswahl von Objekten für die Bomberflotten und die atomare Vernichtung in einen kommenden Krieg. Den Amerikanern wurden Lageeinschätzungen übergeben aus denen sie das Zeitlimit für die Rüstung und dem Aufbau der NATO-Streitkräfte zur Erlangung der militärischen Überlegenheit ableiteten. Die Spionage Pullachs richtet sich schon damals gegen militärische und wirtschaftliche Anlagen aller Art. Auch die Filmberichte der sowjetischen Militärparaden nach 1945 wurden zur Bewertung des Militärpotentials der UdSSR herangezogen. Die Entstellung dieser Angaben wurde damals schon für die Verleumdungsthese der Bedrohung aus dem Osten genutzt. Der BND tat was er konnte. In Vorbereitung und Erwartung des Tages X. Die Aufklärungsergebnisse sowjetischer Kundschafter in den NATO-Kriegszentralen trugen zur Aufdeckung der Vorbereitung des heißen Krieges bei. Aus dem Tage X wurde nichts. Angesichts der drohenden Gefahr durch den Imperialismus bedeutete es für die sowjetische Abwehr einen Gewinn an Sicherheit in einer der Hauptspionagezentralen der Bundesrepublik Deutschland einen Mitarbeiter zu haben.
[Heinz Felfe:] Hatte Gehlen die Militärspionage der Abwehr und die Auswertung der "Fremden Heere Ost" nahtlos in die Nachkriegszeit hinüber gerettet, so war er bemüht und die Vorbereitung für die Adenauerreise nach Moskau zeigten das, seine Arbeit für die Organisation und mit der Organisation Gehlen, um die politische Komponente zu erweitern. Damit machte er sich langsam, aber sicher unentbehrlich für Globke und Adenauer als Instrument der außenpolitischen Aufklärung und Beeinfl- [abgeschnitten]
[durchgehend anhaltende Musik]
[Sprecher 2 der Wochenschau:] In Bonn wurden das ehemalige Hotel "Rolandseck" und die Villa Henssen für die sowjetische Botschaft vorbereitet. Das russische Vorkommando überzeugte sich täglich von den Instandsetzungsarbeiten, die bis zur Ankunft des Botschafters abgeschlossen sein müssen.
[Musik]
Inzwischen traf Botschafter Sorin mit seiner Gattin und dem engsten Mitarbeiterstab in Köln-Ban [Köln-Bonn] ein. Vertreter des Auswärtigen Amtes waren zum Empfang am Flugplatz erschienen.
[Sprecher:] Was der Filmkommentar nicht sagte war, dass der BND bereits seine eigenen Vorbereitungen in der sowjetischen Vertretung mit Abhöreinrichtungen getroffen hatte. Mitverantwortlich für die Gesamtaktion der Observierung, der sowjetische Kundschafter Heinz Felfe.
[Heinz Felfe:] Der Bundesnachrichtendienst ist schon vom Zeitpunkt her, als er in dem Bundesdienst übernommen wurde, ein Kind des Kalten Krieges. Die Tätigkeit der Organisation im Zusammenhang mit der Adenauerreise nach Moskau, hatte die Positions Gehlen so stark gefestigt, dass er nun auch daran gehen konnte, Einfluss auf die Innenpolitik der Bundesregierung zu nehmen. Er näherte sich mit seinen Apparat an reaktionäre, an konservative Kreise in der Bundesrepublik an. Es gab schon latent vorhand-, vorhandene Beziehungen, die nun ausbaut wurden, zur CSU besonders, aber auch außenpolitische Beziehungen nach Portugal, nach Israel, nach Spanien wurden ausgebaut und vertieft. Gleichzeitig war aber auch festzustellen, dass er die Führung seiner Organisation, seines Dienstes immer mehr in die bewährten Hände engster Freunde und Vertrauter legte. Dies waren Offizierskameraden aus dem Kriege, Verwandte und engste Freunde. Die Kinder, seine Söhn-, sein Sohn, die Töchter wurden innerhalb der Organisation beschäftigt. Der Schwiegersohn kam auf einflussreiche Positionen im In- und später im Ausland. Der Schwager, sein Bruder unter dem Spitznamen "Don Giovanni", war Resident in Rom.
[durchgängig anhaltende elektronische Musik]
[Sprecher:] "Don Giovanni" wegen seines lockeren Lebenswandels so genannt, saß schon in den 50er Jahren in Rom. In den 70er Jahren sollte sich nochmals bestätigen, dass er im Vatikan Agenten geworben und geführt hat. Unter ihnen Prälat Aristide Brunello und Armando Fartinanti. BND-Mitarbeiter mit der V-Nr. 58203.
[Heinz Felfe:] Wenn ich selbst primär mit den Problemen der Gegenspionage beschäftigt war, so konnte mir nicht verborgen bleiben, dass der, die Organisation Gehlen im ganz besonders starken Maße sich auch für politische, für ökonomische Probleme in den sozialistischen Ländern, auch in neutralen Ländern und in anderen Ländern, die vielleicht einmal später Einflussgebiet hätten werden können, befasste. Ich erinnere mich an die Erkundungsaufträge als das Donaukraftwerk gebaut wurde. Jugoslawien und Ungarn waren bevorzugter Aufklärungspunkt. Es ging um die Stahlproduktion und die Errichtung neuer Werke in Polen. Die Situation in China interessierte. Ich selbst habe einen Agenten nach China geschickt und durch China reisen lassen, aber auch die Länder, die einmal deutsche Kolonien waren. Also die heute Entwicklungsländer genannt werden, waren Ziel vorbereitender Aufklärung. Es wurden Residenturen in Afrika geschaffen. Es wurde Es wurde eine Residentur in Rom aufgebaut, die Richtung Mittelmeer, Afrika die Fühler auszustrecken hatte. Kurz, die Organisation Gehlen begann noch lange bevor sie eine rein deutsche Behörde wurde, schon ein weltumfassendes Netz zur Erkundung der politischen und ökonomischen Verhältnisse aufzubauen.
[durchgängig anhaltende Musik]
[Sprecher 3 der Wochenschau:] In Bonn trafen sich die fünfzehn Außenminister der NATO-Staaten zu einer viel beachteten Konferenz. Zu den wichtigsten Themen gehörte die deutsche Wiedervereinigung und die Modernisierung des atlantischen Verteidungssystems. In seiner Eröffnungsansprache sagte der Bundeskanzler:
[Konrad Adenauer:] Es liegt allein in der Hand der Sowjetunion den Frieden in der Welt herbeizuführen. Sie braucht nur der vorgeschlagenen, kontrollierten, atomaren Abrüstung zuzustimmen. Dann kann sich die ganze Welt den Wirken des Friedens zuwenden.
[Sprecher:] Mit diesen demagogischen Forderungen sollte schon damals die Kriegsvorbereitung der NATO verschleiert werden. Die BRD war 1955 Mitglied des Nordatlantikpaktes geworden. [durchgängig anhaltender Lärm einer Raketenexplosion]
[Sprecher 2 der Wochenschau:] Um die Sicherheitsvorkehrungen der freien Welt zu festigen, nahmen die USA die Atomversuche in der Atmosphäre wieder auf. Erprobt wurden im Pazifik nukleare Sprengköpfe für interkontinentale Raketen, die von getauchten Polaris-Unterseebooten abgefeuert werden.
[Geräusch eines Raketenabschusses]
[Sprecher:] In den Massenmedien des Westens wurde im zunehmenden Maße psychologische Aufrüstung betrieben.
[Sprecher 2 der Wochenschau:] Ihre Vernichtungskraft entspricht der Gewalt aller im 2. Weltkrieg abgeworfenen Bomben.
[Explosion einer Bombe]
Mit einer Novität kann auch die US-Marine aufwarten. Im Pazifik gelang zum ersten mal der Abschuss von Polaris-Raketen aus einem getauchten U-Boot. Die Geschosse flogen 1.750 km weit.
[Raketenstart]
[Sprecher:] Für die sozialistische Aufklärung bestand die Aufgabe die Führungen der sozialistischen Staaten rechtzeitig und zuverlässig zu informieren, welche Waffensysteme die NATO einführte und welche Rüstungspläne in Realisierung waren.
[Sprecher 2 der Wochenschau:] Wir besuchten das strategische Bomberkommando.
[Sprecher 2 der Wochenschau wird übertönt vom Sprecher]
[Sprecher:] Filmbericht aus dem strategischen Bomberkommando der USA in Omaha.
[Musik]
[Sprecher aus dem Filmbericht:] Durch Katakomben aus Stahl und Beton führte mich der Weg in eine unterirdische Stadt. In das Nervenzentrum, das Amerikas Atomfaust lenkt. Hier befinden wir uns im Kartenraum. Ein Raum so hoch wie ein zweistöckiges Haus und so lang wie ein Fußballfeld. Auf 49 Bildschirmen erscheinen Aufklärungsbilder und Wetterberichte von jedem Punkt, an dem sich eine Maschine des Kommandos befindet. 300
[Sprecher aus dem Filmbericht wird übertönt vom Sprecher]
[Sprecher:] Die Ziele im Hauptquartier der strategischen Bomberflotte sind deutlich erkennbar: Städte der UdSSR. Die materielle Kriegsvorbereitung bestand in Modernisierung, im Ausbau der strategischen Bomberflotte, eingeschlossen die Luftspionage, wie sie mit den U2-Spionageflügen über das Territorium der UdSSR bewiesen wurden.
[durchgängig anhaltende elektronische Musik]
In Übereinstimmung mit den USA zog die Bundeswehrführung für ihre Stäbe entsprechende Schlüsse. Atomare Waffen sind für eine wirksame Luftverteidigung unerlässlich. Nur Raketen mit atomaren Sprengköpfen geben in bestimmten Bereichen ein Höchstmaß an Wirkung.
[Sprecher 2 der Wochenschau:] Unter strapaziösen Bedingungen standen 60.000 amerikanische, französische und deutsche Soldaten mit über 15.000 Fahrzeugen im Manöver. Schauplatz der NATO-Übung "Winterschild II" war Bayern. Die Defensive
[Sprecher 2 der Wochenschau wird übertönt vom Sprecher]
[Sprecher:] Die Manöver in Mitteleuropa - hier ein Filmbericht - "Winterschild II" belegten die
total konventionelle und atomare Kriegsvorbereitung an der Grenze zur DDR.
[Geräusche von Hubschraubermotoren und Raketenabschüsse]
Die Berichte aus dem Umkreis des damaligen Verteidigungsministers Franz Josef Strauß belegen, dass für sie der 2. Weltkrieg noch nicht zu Ende war. Das hieß zu einem geeigneten Zeitpunkt den Kalten Krieg in einen heißen Krieg umzuwandeln.
[Geräusche von Bombeneinschlägen]
[Heinz Felfe:] In den Jahren 1956 bis 1961 konnte ich in der Zentrale des Bundesnachrichtendienstes sitzend, genau erkennen, wie intensiv die Maßnahmen zur Durchführung und Weiterführung des Kalten Krieges getroffen wurden. Ich sah die Vorbereitung für Provokationen. Ich sah mit welcher Intensität die Wisschenschaftskader der DDR abgeworben wurden, wie Leute in Schlüsselpositionen der Wirtschaft der DDR abgeworben wurden, wie die Militärspionage forciert wurden. Kurz, diese offenen Grenzen mussten schließlich dazu führen, dass am 13. August 1961 die Grenze zwischen der DDR und der Bundesrepublik geschlossen wurde.
[durchgängig anhaltende elektronische Musik]
[Sprecher:] Im Sommer 1961 mehren sich auch die Mitteilungen vieler Kundschafter, dass Provokationen stabsmäßig vorbereitet werden. Die Truppenkonzentrationen der USA und der NATO-Verbände einschließlich der Bundeswehr, wurden in der BRD und West-Berlin immer massierter. Alles trieb auf den bewaffneten Konflikt hin.
[elektronische Musik]
Von der Adenauer-Regierung, den Agenten- und Spionageorganisationen, den Revanchistenverbänden und Ostbüros
wurde die psychologische Kriegführung intensiviert.
[durchgängig anhaltende elektronische Musik]
Auf Beschluss des politisch beratenden Ausschusses der Warschauer Vertragsstaaten werden am 13. August 1961 die Grenzen zur BRD und zur West-Berlin im Interesse der Sicherung des Friedens unter Kontrolle genommen. Der 13. August 1961 erzwang nicht nur den Abbruch des militärischen Abenteuers der NATO. Er besiegelte auch den Zusammenbruch der gewaltsamen Wiederveinigungspolitik der BRD. Der "Kalte Krieg" Nr. 1, der in den 50er Jahren charakterisiert war durch die Eindämmungspolitik, Wirtschaftsembargo, die offene und verdeckte Konfrontation, Rollback - Zurückrollen des Sozialismus - und das Balancieren am Abgrund eines Krieges, war gestoppt.
[Heinz Felfe:] Ich im, auf dem Höhepunkt des Kalten Krieges [tiefes Einatmen] in Pullach arbeitend, wusste genau, dass meine Position von große Bedeutung für meine sowjetischen Freunde war, erfuhren sie doch durch mich unmittelbar welche Planung und welche Tendenzen vorlagen und welche Maßnahmen zu erwarten waren und konnten ihrerseits entsprechend reagieren.
[Sprecher:] Am 6. November 1961 war Heinz Felfes Kundschaftertätigkeit jäh beendet. Er wurde verhaftet. Er wusste, dass der Kampf nun in offener Auseinandersetzung mit den feindlichen Untersuchungsorganen und auch in der Bewältigung der Untersuchungshaftbedingungen weitergingen. Eine Zeitung gab während des Prozesses zum Besten, Heinz Felfe wolle bei den Russen wie eine Eins dastehen. Die Auswirkung der Kundschaftertätigkeit von Heinz Felfe sollte noch lange nach seiner Verhaftung und Befreiung wirken. Ein führender Insider des BND schrieb: "Fälle die zu denken geben, ob sie nun Felfe oder Philby, Frenzel oder Picard heißen. Dies liegt an unseren gesellschaftlichen Verhältnissen. Er trieb kein Doppelspiel. Im Grunde war er nichts weiter als ein erfolgreicher, sowjetischer Agent. Was kann ein guter Agent dafür, wenn er von seinem Gegner zu einem Chef gemacht wird. Muss er da seine Chance nicht folgerichtig nutzen? In späteren Untersuchungsberichten wurde über die verfehlte Personalpolitik im BND lamentiert, dass der Gehlen-Dienst ein Sammelbecken von Alt-Nazis war. Noch heute liegen bestimmte Teile der Berichte über den Fall Heinz Felfe unter strengem Verschluss.
[Heinz Felfe:] Ich wurde im Büro verhaftet. Dass für mich damit die Arbeit zu Ende war, war das eine, dass ich aber das Bewusstsein in mir bis heute behalten habe, dass ich an einer entscheidenden Stelle in der Zeit des Kalten Krieges etwas geleistet habe, um nicht den Umschlag in den heißen Krieg durchgehen zu lassen, um zu verhüten, dass die Situation schlimmer wurde als sie damals war. Dass hat mich über diesen Schicksalsschlag, der mich getroffen hat, ein bisschen hinweg getröstet.
[Sprecher:] Heinz Felfe wurde im Juli 1963 zu 14 Jahren Zuchthaus und Nichtanrechnung eines Jahres zu einer Untersuchungshaft verurteilt. Dies war mit 15 Jahren die Höchststrafe. Aus der Zelle schrieb er an seine Tochter: "Meine liebe Ursel, ich danke dir ganz herzlich für deinen Brief, den ich heute Abend erhielt. Dass du trotz des Spiegel-Artikels noch freundliche Worte für mich hast, freut mich ganz besonders. Nicht darin gestanden hatte, was wirklich der Anlass für mein Verhalten gewesen war. Das würdest du ganz bestimmt verstehen können, würde ich es dir mündlich erklären können. Lass dich dadurch nicht erschüttern meine Liebe, es geht alles vorüber, auch das und dann werden wir uns wiedersehen zu viel zu erzählen haben, worauf sich schon freut, dein Papi."
[Heinz Felfe:] Es ist wohl einzusehen, dass ein so abruptes Ende bitter ist und dass ich schwere Stunden durchzustehen hatte, zumal alles daran gesetzt wurde, mich dazu zu bringen, abzuschwören, den reuigen Sünder zu spielen. Als dies den Sicherheitsorganen der Bundesrepublik nicht gelang, war es klar, dass für mich die nachfolgende Haftzeit voller Schikane und voller Terror war. Ich habe sie durchgestanden, denn ich wusste dass mich meine Freunde nicht im Stiche lassen würden und wie dann die weitere Entwicklung gezeigt hat, hat man alles getan um mir mein Schicksal zu erleichtern.
[Sprecher:] Der damalige BND-Präsident General Gehlen konnte die ihm zugefügte Niederlage nie verwinden. Der Nimbus der Unfehlbarkeit der deutschen imperialistischen Spionage fiel. Heinz Felfe wurde freigekämpft. Am 14. Februar 1969 passierte Heinz Felfe die Grenze zur DDR bei Herleshausen.
[Heinz Felfe:] Wenn ich mir heute selbst die Frage stelle, wie ich mein Handeln, mein Leben nach dem Kriege einschätze, [schweres Atmen] so kann ich nur eine Antwort geben. Ich musste so handeln, um für mich die Lehren aus der Vergangenheit zu ziehen. Ich musste mich auf die Seite stellen, von der ich überzeugt war, dass nie wieder ein Krieg in Europa ausgehen könnte.
[durchgängig anhaltende Klaviermusik]
[Sprecher:] In einem Schreiben sowjetischer Genossen heißt es: "Als Kämpfer der unsichtbaren Front hat Heinz Felfe im Brennpunkt des Kalten Krieges in den angespannten Augenblicken des Kampfes des sozialistischen Lagers gegen die Kräfte der Reaktionen und des Imperialismus, einen würdigen Beitrag für die Sache der Festigung der staatlichen Sicherheit der Sowjetunion und der anderen Ländern der sozialistischen Staatengemeinschaft geleistet."
[Heinz Felfe:] Wenn ich heute gefragt werde, warum ich mich für diesen Weg des Kundschafters entschieden habe, so ist die Frage ganz schnell beantwortet, denn ich hatte um dem Erlebnis des letzten Krieges, der Zerstörung meiner Heimatstadt Dresden stehend, die Überzeugung alles tun zu müssen, um eine Wiederholung dieser Katastrophe zu verhindern. Mitzuhelfen an einen Neuaufbau der Gesellschaft, an einer Verständigung der Völker überhaupt.
[Musik]
Hauptabteilung II (Spionageabwehr)
Die Hauptabteilung II wurde 1953 durch Fusion der Abteilungen II (Spionage) und IV (Spionageabwehr) gebildet. Sie deckte klassische Bereiche der Spionageabwehr ab. Dazu zählte auch die interne Abwehrarbeit im MfS, etwa die Überwachung aktiver und ehemaliger MfS-Mitarbeiter, von Einrichtungen der KGB-Dienststelle Berlin-Karlshorst sowie von Objekten der sowjetischen Streitkräfte und der Sektion Kriminalistik an der Ostberliner Humboldt-Universität. Darüber hinaus betrieb die Hauptabteilung II im Rahmen der "offensiven Spionageabwehr" aktive Spionage in der Bundesrepublik; diese zielte auf westliche Geheimdienste, auf Bundeswehr, Polizei, Massenmedien, Emigrantenverbände u. a.
Die Hauptabteilung II überwachte, sicherte und kontrollierte die DDR-Botschaften im Ausland, die ausländischen diplomatischen Vertretungen in der DDR sowie das Außenministerium der DDR. DDR-Bürger, die westliche Botschaften bzw. die Ständige Vertretung der Bundesrepublik in Ostberlin aufsuchten, wurden systematisch erfasst. In den Zuständigkeitsbereich der Hauptabteilung II fielen auch die Überwachung der in der DDR lebenden Ausländer sowie die Betreuung von Funktionären und Mitgliedern illegaler, verfolgter kommunistischer Parteien, die in der DDR Aufnahme fanden.
Besondere Brisanz beinhaltete die politisch-operative Sicherung der Westkontakte von SED und FDGB. So kümmerte sich die Hauptabteilung II um die Militärorganisation der DKP ("Gruppe Ralf Forster", eine ca. 220 Bundesbürger umfassende Sabotage- und Bürgerkriegstruppe), organisierte in Absprache mit der NVA deren militärische Ausbildung, finanzierte die Gruppe und stattete sie mit Falschpapieren aus.
Die Hauptabteilung II sicherte (bis 1961 und wieder ab 1980; zwischenzeitlich gab es hierfür die Abteilung BdL II) die Abteilung Verkehr des ZK der SED ab, die kommunistische Organisationen im Westen unterstützte und dort SED-Tarnfirmen betrieb. Die Hauptabteilung II versuchte, Aktivitäten bundesdeutscher Behörden gegen DKP, SEW und SED-Tarnfirmen festzustellen und zu verhindern.
Im Ergebnis der Entspannungspolitik nahmen Begegnungen zwischen Ost- und Westdeutschen zu, westliche Medienvertreter konnten sich in der DDR akkreditieren. Das veranlasste den beträchtlichen personellen Ausbau der Hauptabteilung II. Sie war nun auch zuständig für die Überwachung westlicher Journalisten in der DDR. Ziel war es, unerwünschten Informationsabfluss und unbequeme, kritische Berichterstattung zu verhindern. 1987 übertrug Erich Mielke in der Dienstanweisung 1/87 der Hauptabteilung II die Führung der Spionageabwehr, um ein unkoordiniertes Nebeneinander verschiedener Diensteinheiten zu vermeiden.
Die Hauptabteilung II leitete von Beginn an die Operativgruppen des MfS in der Sowjetunion und Polen, seit 1989 auch in der ČSSR, Ungarn und Bulgarien. Mit den entsprechenden Spionageabwehr-Abteilungen in diesen Ländern gab es eine ausgeprägte bi- und multilaterale Zusammenarbeit, die aber erst in den frühen 80er Jahren vertraglich fixiert wurde (kommunistischer Geheimdienst). Im Dezember 1981 übernahm die Hauptabteilung II innerhalb des MfS die Federführung bei der Bekämpfung der unabhängigen polnischen Gewerkschaft "Solidarność". Schließlich unterstützte die Hauptabteilung II Sicherheitsorgane in (pro)sozialistischen Entwicklungsländern, entsandte Berater und bildete deren Geheimdienstmitarbeiter in der DDR aus.
Die Hauptabteilung II verfügte über eigene Abteilungen für Fahndung, Logistik, operative Technik und Beobachtung und war in dieser Hinsicht nicht auf andere Abteilungen angewiesen. Zum unmittelbaren Anleitungsbereich des Leiters der Hauptabteilung II gehörte die Abteilung M (Postkontrolle).
1989 zählte die Hauptabteilung II in der Ostberliner Zentrale 1.432 hauptamtliche Mitarbeiter, in den Bezirksverwaltungen (BV) auf der Linie II weitere 934. Hinzu kamen Mitarbeiter in den Kreisdienststellen (KD), die die Aufgaben der Linie II ausführten. Genaue Zahlen der Inoffiziellen Mitarbeiter (IM) ließen sich bis heute nicht ermitteln. Die Hauptabteilung II hatte mindestens 3.000 IM, die Abt. II der BV etwa 4.000; hinzu kamen weitere IM der KD. 1976 führte die Hauptabteilung II im Westen 109 IM. Unter den West-IM befanden sich z. T. hochkarätige Agenten.
Als Abwehr wurden alle geheimpolizeilichen Aktivitäten zur Sicherung der politischen, ökonomischen und gesellschaftlichen Stabilität der DDR und des kommunistischen Bündnissystems bezeichnet, die nach dem Verständnis des MfS durch feindliche Angriffe gefährdet waren. Maßnahmen zur Bekämpfung westlicher Spionage und politischer Opposition galten somit ebenso als Abwehr wie etwa die Sicherung von Produktivität und Anlagensicherheit in den Betrieben sowie die Verhinderung von Republikflucht und Ausreisen. Demgemäß waren die meisten operativen Arbeitsbereiche des MfS ganz überwiegend mit Abwehr befasst.
Von 1980 bis 1989 geltende IM-Kategorie, als IMB definiert – nicht zu verwechseln mit der Vorgangsart IMB der Hauptverwaltung A. Mit der Einführung des IMB wurden die IM-Kategorien IMV und IMF zu einer zusammengefasst. Die IMB galten als hochkarätige IM, die direkten Kontakt mit Personen hatten, die vom MfS als "feindlich" eingestuft wurden und deren Vertrauen besaßen, etwa Zuträger mit kirchlichen Funktionen oder aus Oppositionsgruppen. Außerdem wurden IMB zur Bekämpfung als "feindlich" angesehener Organisationen und Individuen im sog. Operationsgebiet eingesetzt. Zuletzt gab es rund 3.900 IMB.
Inszenierte fiktive Sachverhalte und Vorwände, die bei bestimmten Personen gewünschte Verhaltensweisen auslösen und/oder das MfS in die Lage versetzen sollten, an bestimmte Informationen zu gelangen, wobei der nachrichtendienstliche Hintergrund der Vorgänge unerkannt bleiben sollte. Die Legende sollte glaubwürdig sein und auf realen, überprüfbaren Gegebenheiten beruhen. Je nach operativer Zielsetzung gab es die Reise-, Ermittlungs-, Gesprächs-, Kontakt-, Ausweich- und Rückzugslegenden.
Die Hauptverwaltung A (HV A) arbeitete mit Netzwerken inoffizieller Mitarbeiter im "Operationsgebiet", deren einzelnes als Residentur und der Leiter als Resident bezeichnet wurden. Der Leiter konnte aus der DDR oder im "Operationsgebiet" operieren. Im Dezember 1988 führten die HV A und ihre Abteilung XV über 32 bundesdeutsche Residenturen. Mit elf bundesdeutschen Residenturen sind die meisten für die Abteilung VI der HV A ("Regimefragen") verzeichnet, neun davon arbeiteten in Nordrhein-Westfalen.
Neben diesen "illegalen" Residenturen gab es bei der HV A auch "legal abgedeckte" Residenten (LAR), zu deren Anzahl unterschiedliche Angaben vorliegen. Laut einer Aufstellung der HV A aus dem Jahre 1985 gab es 119, laut der Datei SIRA im gleichen Jahr 63, die zugleich die illegalen Residenten in Residenturakten integriert. Die für die Arbeit mit legal abgedeckten Residenturen zuständige Abteilung III verfügte im Jahre 1989 über 51 Residenturen. Statistisch wurden die Residenten bei der HV A in der Vorgangsart "Residenturakte" (REA) erfasst.
Spionageabwehr beinhaltete nicht nur defensives Abwehren westlicher Spionage, sondern auch offensive Bekämpfung westlicher (zumeist bundesdeutscher) Sicherheitsbehörden auf dem Gebiet der Bundesrepublik. Das MfS fasste den Spionagebegriff sehr weit, so dass auch Angehörige oppositioneller Gruppen oder westliche Korrespondenten und Diplomaten regelmäßig im Visier der Spionageabwehr standen.
Das MfS unterschied drei Arten der Spionageabwehr. Die innere Spionageabwehr agierte innerhalb der DDR. Die äußere (auch: offensive) Spionageabwehr sollte bundesdeutsche Sicherheitsbehörden direkt bekämpfen, sich dabei aber auf deren Außenstellen und nachgeordnete Diensteinheiten konzentrieren. Die Gegenspionage hatte die Aufgabe, Spione in den Zentralen bundesdeutscher Sicherheitsbehörden zu platzieren, um die westliche Spionage gegen die DDR schon im Vorfeld zu paralysieren. In der Praxis waren die Grenzen zwischen äußerer Spionageabwehr, für die die Hauptabteilung II zuständig war, und der Gegenspionage, die Sache der Abt. IX der HV A war, fließend.
Die Spionageabwehr des MfS reagierte einerseits auf die tatsächliche Spionage gegen die DDR. Vor allem der BND und sein Vorgänger, die Organisation Gehlen, unterhielten in der DDR bis zum Mauerbau 1961 ein großes Agentennetz. In den Folgejahren brachen viele Kontakte westlicher Geheimdienste zu ihren Agenten in der DDR ab, auch enttarnte die Spionageabwehr viele von ihnen.
Der BND setzte daraufhin verstärkt Bundesbürger zur Informationsgewinnung ein, die als Besucher oder Transitreisende in der DDR unterwegs waren ("Reise- und Transitspione"). Seit den 70er Jahren versuchte der BND vor allem DDR-Bürger, die als Dienstreisende in den Westen kamen, als Agenten anzuwerben. Westliche Geheimdienste betrieben in der DDR schwerpunktmäßig Militärspionage.
Das MfS ging andererseits von der unzutreffenden Annahme aus, dass politisch widerständiges Verhalten von DDR-Bürgern zumeist von westlichen Geheimdiensten inspiriert würde (Diversion, politisch-ideologische), sodass die Bekämpfung politischer Gegner oft in den Bereich der Spionageabwehr fiel, ebenso wie die Überwachung westlicher Journalisten und Diplomaten. Aufgrund des weit gefassten Spionagebegriffs waren zahlreiche MfS-Abteilungen mit Spionageabwehr befasst, was zu Ineffizienz führte. Mielke wies deshalb 1987 der Hauptabteilung II die Federführung bei der Spionageabwehr zu.
1953 bis 1955 verhaftete das MfS in drei Großaktionen 1.200 Personen in der DDR und Westberlin, die pauschal als westliche Agenten bezeichnet wurden. Tatsächlich befanden sich darunter etliche Personen, die nur politischen Widerstand gegen die SED geleistet hatten. In vielen Fällen wurden hohe Haftstrafen verhängt, mindestens zehn Menschen wurden hingerichtet. Zugleich nutzte das MfS diese Aktionen erfolgreich als Vorlagen für ausgeklügelte Pressekampagnen.
Auch in späteren Jahren wurden Erfolge der Spionageabwehr popularisiert, nicht zuletzt um spionagebereite DDR-Bürger abzuschrecken. Schwerpunktaktionen der Hauptabteilung II in den 70er und 80er Jahren richteten sich u. a. gegen Transitspione sowie gegen die Anwerbung von Angehörigen bestimmter Personengruppen durch westliche Dienste (beispielsweise Militärangehörige, Reisekader). Erfolge erzielte die HV A im Rahmen der Gegenspionage in den 70er und 80er Jahren u. a. aufgrund ihrer Top-Quellen im BND (Gabriele Gast, Alfred Spuhler), BfV (Klaus Kuron) und MAD (Joachim Krase).
Seit den 70er Jahren intensivierte das MfS die Strategie der "vorbeugenden Verhinderung": Immer mehr Bürger wurden als potenziell spionageverdächtig observiert, immer mehr Berufsgruppen zu Geheimnisträgern erklärt, das Personal der Hauptabteilung II aufgestockt, auch die Kreisdienststellen setzten nun einen Mitarbeiter ausschließlich für Aufgaben der Linie II (Linienprinzip) ein.
Generell profitierte die Spionageabwehr von der geschlossenen Gesellschaft der DDR, der flächendeckenden Observierung der Bevölkerung, der Kooperation mit anderen sozialistischen Geheimdiensten sowie der Strategie, Verdächtige mitunter über einen sehr langen Zeitraum zu observieren. Post- und Telefonkontrolle und die Funküberwachung im In- und Ausland dienten in erheblichem Maße der Spionageabwehr.
Die überzogene Sicherheitsdoktrin führte dazu, dass das MfS in der ersten Hälfte der 70er Jahre dem Hirngespinst eines Hochstaplers aufsaß und 144 DDR-Bürger als angebliche "Agenten mit spezieller Auftragsstruktur" (AsA), quasi als Eliteagenten westlicher Dienste, einstufte und es auf dieser fiktiven Grundlage zu zahlreichen Verurteilungen kam.
Vagen Schätzungen zufolge spionierten zwischen 1949 und 1989 rund 10.000 Ost- und Westdeutsche für den BND in der DDR, viele von ihnen nur für kurze Zeit und nicht in Schlüsselpositionen. Etwa 4.000 Agenten bundesdeutscher Dienste sollen in dieser Zeit durch die Spionageabwehr der DDR erkannt und festgenommen worden sein.
Etwa 90 Prozent der "Innenquellen" des BND in der DDR (Agenten, die direkt in einem auszuspionierenden Objekt tätig waren) sollen in den 70er und 80er Jahren als Doppelagenten auch dem MfS gedient haben. Darunter waren offenbar viele, die "überworben" wurden, das heißt, das MfS hatte ihre BND-Anbindung erkannt, sie aber nicht verhaftet, sondern als IM angeworben und nun gegen den BND eingesetzt.
Sichere Angaben darüber, in welchem Umfang westliche Agenten in der DDR unerkannt geblieben sind, liegen nicht vor. Insofern kann noch keine abschließende Bilanz der Wirksamkeit der Spionageabwehr gezogen werden.
Das MfS hat als ein Instrument der DDR, insbesondere der SED-Führung, die politischen Interessen des Staates inoffiziell in der Bundesrepublik Deutschland unterstützt. Die Westarbeit des MfS bestand aus Spionageaktivitäten, also der nachrichtendienstlichen Beschaffung von Informationen, Patenten, Verfahren und Mustern durch das MfS.
Die Bezeichnungen Westarbeit und Spionage meinen in diesem Kontext das, was beim MfS mit "operative Arbeit im und nach dem Operationsgebiet" bezeichnet wird. Im engeren Sinne also die Arbeit mit Inoffiziellen Mitarbeitern im "Operationsgebiet", bei dem es sich überwiegend um die Bundesrepublik Deutschland und Westberlin handelte, aber auch die in der NATO und der Europäischen Gemeinschaft verbundenen Staaten einschloss.
Im weiteren Sinne fallen darunter auch die Funkaufklärung und der Einsatz von Offizieren im besonderen Einsatz in Botschaften, Konsulaten usw. Erfolgte diese operative Arbeit bis Anfang der 70er Jahre wesentlich "illegal", ergaben sich mit der zunehmenden Anerkennung der DDR auch verstärkt "legale" Zugänge über die Einrichtung von Botschaften, von denen aus das MfS mit "legal abgedeckten Residenturen" arbeiten konnte.
Für die Beschaffung von wissenschaftlich-technischen, politischen und militärischen Informationen war vor allem die Hauptverwaltung A zuständig, aber nahezu gleichrangig zahlreiche Abwehrdiensteinheiten des MfS. Die Hauptabteilung I, in der DDR für die Absicherung des Militärkomplexes verantwortlich, erkundete auch die Bundeswehr, den Bundesgrenzschutz, den Zollgrenzdienst, die Bayerische Grenzpolizei und diverse Einrichtungen der NATO.
Die Hauptabteilung II, mit der "offensiven Abwehr" ausländischer Nachrichtendienste in der DDR befasst, arbeitete zeitweise auch gegen den Bundesnachrichtendienst, das Bundesamt und die Landesämter für Verfassungsschutz sowie den Militärischen Abschirmdienst. Die Hauptabteilung VI überwachte neben dem Ein-, Ausreise- und Transitverkehr in der DDR auch den über innerdeutsche Grenzen hinaus von und nach Westberlin.
Die Hauptabteilung VII unterhielt im "Operationsgebiet" ebenfalls ein Netz, das im klassischen Sinne kriminelle Aktivitäten wie Schmuggel aufzuklären hatte. Die Hauptabteilung VIII war für Ermittlungen und Beobachtungen zuständig. Zugleich war sie Servicediensteinheit für alle Diensteinheiten des MfS, indem sie den Informationsbedarf über Bundesbürger bediente.
Neben der Sicherungsarbeit in den Bereichen Staatsapparat, Blockparteien und "politischer Untergrundtätigkeit" war die Hauptabteilung XX im "Operationsgebiet" für alle Einrichtungen zuständig, die sich mit der DDR befassten. Im Visier der Hauptabteilung XXII standen links- und rechtsextremistische, überwiegend terroristische Gruppen.
Schließlich wäre auf Hauptabteilungsebene noch die Zentrale Kontrollgruppe anzuführen, die sich mit besonders DDR-kritischen Gruppen befasste, wie z. B. der Internationalen Gesellschaft für Menschenrechte oder den Fluchthilfeorganisationen. Mit der Westarbeit waren nicht allein die zentralen Abwehrdiensteinheiten befasst, sondern ihre Linien (Linienprinzip) erstreckten sich meist auch auf Bezirks- und im Einzelfall auf Kreisverwaltungsebene des MfS.
In den Kontext der Westarbeit sind auch die etwa 400 Entführungen von Bürgern aus der Bundesrepublik Deutschland und Westberlin zu zählen sowie vereinzelte Versuche und Erwägungen, Bürger zu töten, wobei bislang ein Mord nicht nachgewiesen ist. Das MfS selbst verstand unter der "Arbeit im und nach dem Operationsgebiet" die "Gesamtheit der politisch-operativen Kräfte des MfS im Operationsgebiet und die Nutzung solcher Personen aus dem Operationsgebiet, die zur Erfüllung operativer Aufgaben geeignet sind".
Die HV A und ihre Abteilungen XV in den Bezirksverwaltungen arbeiteten nach Schwerpunkten im "Operationsgebiet", ihre innere Struktur drückte die entsprechende Interessenlage aus.
Demnach konzentrierte sich die Abt. I auf Politik und strategische Absichten der Bundesregierung, die Abt. II auf die Parteien, Gewerkschaften, Landsmannschaften im "Operationsgebiet", die Abt. III steuerte die operative Arbeit der "legal abgedeckten Residenturen" in DDR-Botschaften, Konsulaten und Handelseinrichtungen, und die Abt. IV beschäftigte sich mit den militärischen Zentren" in der Bundesrepublik Deutschland, wozu das Bundesministerium der Verteidigung, Wehrbezirkskommandos der Bundeswehr und diverse US-amerikanische Einrichtungen gehörten. Die Abt. IX befasste sich mit westlichen Nachrichtendiensten, die Abt. XI mit den USA und die Abt. XII mit der NATO.
Die Abteilungen XIII bis XV gehörten zum Sektor Wissenschaft und Technik, der systematisch Patente, Verfahren und Muster für die DDR- und osteuropäische Forschung und Wirtschaft beschaffte. Schwerpunkte waren die Fachgebiete Energie, Biologie, Chemie, Elektronik, Elektrotechnik und Maschinenbau sowie das Bemühen, die Embargopolitik zu unterlaufen. Für offizielle, mithin dienstliche Kontakte zwischen beispielsweise DDR- und bundesdeutschen Wissenschaftlern oder Politikern war eigens die Abt. XVI der HV A zuständig, die auf diesem Weg an relevante Informationen gelangen sollte.
Während all diese Abteilungen der HV A überwiegend informationsbeschaffend tätig waren, verfügte sie mit der Abt. X eigens über eine Struktureinheit, die systematisch aktive Maßnahmen in der Bundesrepublik zu entfalten suchte.
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