Signatur: BStU, MfS, SdM, Tb, Nr. 193
Auf der erweiterten Kollegiumssitzung des Ministeriums für Staatssicherheit (MfS) am 9. März 1988 sprach Erich Mielke über verschiedene innen-, außen- und wirtschaftspolitische Themen. Dabei ging er auch auf die verschiedenen jugendlichen Subkulturen in der DDR ein. Der Stasi-Minister stellte sie als Gefahr für die Ordnung und Sicherheit dar und forderte ein hartes Durchgreifen.
In den 80er Jahren wurden subkulturelle Jugendströmungen auch in den Städten und Gemeinden der DDR immer sichtbarer. Nachdem Anfang der 80er Jahre der Heavy Metal und vor allem der Punk ihren Weg in die DDR gefunden hatten, traten später auch die Skinhead- und Grufti-Szene ins Licht der Öffentlichkeit. Das äußere Erscheinungsbild und Verhalten der Jugendlichen entsprachen nicht dem propagierten sozialistischen Bild, sodass die Staatssicherheit mit Überwachung und Repression auf die als "negativ-dekadent" bezeichneten Jugendlichen reagierte.
Am 9. März 1988 sprach der Minister für Staatssicherheit Erich Mielke auf einer erweiterten Kollegiumssitzung des MfS zu seinen Mitarbeitern. Neben zahlreichen innen-, außen- und wirtschaftspolitischen Themen äußerte er sich auch zu "aktuellen Tendenzen der politisch-operativen Lage unter jugendlichen Personenkreisen" in der DDR. Das Auftreten unangepasster junger Menschen, die Mielke mangels Englischkenntnissen als "Shiheads" und "Guffits" bezeichnete, sah der Minister für Staatssicherheit als Folge "permanenter, massiver und gezielter ideologischer Einwirkungen des Gegners über die verschiedensten Kanäle, insbesondere mittels der elektronischen Massenmedien". Mielke hob in seiner Rede die westliche Orientierung der Jugendlichen hervor und bezeichnete sie als Gefahr für die Öffentlichkeit und Sicherheit in der DDR. Der Minister für Staatssicherheit forderte ein hartes Vorgehen gegen die unangepassten Jugendlichen, das in "politisch-operativem Zusammenwirken" mit der Deutschen Volkspolizei und unter Einsatz Inoffizieller Mitarbeiter geschehen solle. Außerdem nahm er die Freie Deutsche Jugend in die Pflicht, Zusammenkünfte "negativ-dekadenter" Jugendlicher zu verhindern.
Das vorliegende Tondokument ist ein Ausschnitt aus einer insgesamt über dreieinhalbstündigen Rede Mielkes. Die jugendlichen Subkulturen thematisiert er ab Minute 09:45.
[Erich Mielke:] Die gesamte politisch-operative Arbeit muss darauf ausgerichtet sein rechtzeitig alle Pläne, Absichten, Aktivitäten aufzuklären, die darauf gerichtet sind über die genannten und weiteren möglichen Wege bei uns eine innere Opposition zu schaffen, neue Führungskräfte zu etablieren und feindlich-negative Kräfte zu öffentlichkeitswirksamen, antisozialistischen Handlungen zu inspirieren. Ausgehend von einer gründlichen Bewertung und Einschätzung dieser Erkenntnisse sind Vorschläge zu erarbeiten, wie wir möglichst frühzeitig mit den geeignetsten Mitteln diese Bestrebungen und Versuche durchkreuzen und verhindern können, mit welchen differenzierten Maßnahmen wir gegen Einzelne vorgehen und sie in ihrem Wirkungskreis einengen können. Es darf nicht dazu kommen, dass sich neue Führungskräfte ungehindert profilieren, bestehende Gruppierungen ungehindert aktiviert und neu formiert werden können, dass es für den vom Gegner angestrebten Zusammengehen und Zusammenschluss von Kräften des politischen Untergrundes, Übersiedlungsersuchenden und reaktionären Kirchenkräften kommt. Besonders muss es auch darum gehen, unter Nutzung aller geeigneten Möglichkeiten, politisch und operativ klug, die operative Bearbeitung und Kontrolle noch vorhandener Führungskräfte zu intensivieren und weiter zu qualifizieren und die Möglichkeiten der Einflussnahme und Disziplinierung noch systematischer zu nutzen; den Prozess der Verunsicherung, Aufweichung und Zersetzung bestehender feindlich-negativer Gruppierungen, der Isolierung der Führungskräfte von ihren Anhängern zu beschleunigen und die Verbindung zu den Kontaktpartnern im Westen und zu den Gleichgesinnten in anderen sozialistischen Staaten zu unterbrechen, sofern dem nicht eine operative-, sofern dem nicht operative Gründe entgegenstehen; Bestrebungen zur Neubildung von feindlich-negativen Zusammenschlüssen durch den komplexen Einsatz operative Kräfte, Mittel sowie befähigter und gründlich instruierter gesellschaftlicher Kräfte bereits im Ansatz zu unterbinden; in kirchlichen Räumlichkeiten etablierte Organisationsstrukturen und Kommunikationslinien durch zunehmende Druckausübung, -übung gegenüber den jeweiligen Kirchenleitungen arbeitsunfähig zu machen beziehungsweise zu mindestens in ihrer Wirkung einzuengen.
Die Realisierung aller dieser Aufgaben bestellt höchste Anforderungen an die weitere Qualifizierung der gesamten IM-Arbeit und setzt voraus, dass die IM-führenden operativen Mitarbeiter ihre Verantwortung bei der konkreten Auftragserteilung und -instruierung, sowie für den Schutz der IM, noch besser wahrnehmen. Um insgesamt eine höhere Wirksamkeit bei der Disziplinierung feindlich-negativer Kräfte zu erreichen, ist es erforderlich, dass wir unseren ganzen Einfluss geltend machen, damit die zuständigen Leiter in Betrieben, Einrichtungen und Genossenschaften und die funktionierenden gesellschaftlichen Organisationen ihrer Verantwortung noch konsequenter nachkommen. Wir werden die Versuche, die in Dresden gemacht werden, nochmal mit auswerten, nicht wahr, in den zwei Kreisen. [unverständlich, männliche Stimme].
Wir brauchen eine noch engere Einbeziehung weiterer gesellschaftlicher Kräfte, insbesondere der Arbeitskollektive. Um noch bessere Grundlagen und Voraussetzungen für den Einsatz gesellschaftlicher Kräfte, zu kontinuierlichen, offensiven Auseinandersetzungen, Zu-rückdrängung und Verhinderung des Wirksamwerdens feindlich-negativer Kräfte zu schaffen, ist es unbedingt notwendig, die Informationstätigkeit an leitende Partei- und Staatsfunktionäre auf allen Ebenen weiterzuqualifizieren. Dies ist vor allem dort noch personenbezogener zu gestalten, wo unmittelbar mit feindlich-negativen Kräften die Auseinandersetzung geführt werden muss, ohne dadurch diesen Kräften einen Legita-, Legi-, Legi-, Legalitätscharakter zu verleihen. Alle Möglichkeiten sind zu nutzen, um Personen, die noch nicht fest in politische Untergrundtätigkeit oder andere feindliche Aktivitäten von Übersiedlungsersuchenden und reaktionären Kirchenkräften integriert sind, möglichst von den feindlichen Kräften zu isolieren und durch überzeugende Auseinandersetzungen politisch positiv zu beeinflussen. Das sollte auch die Prüfung einschließen, wie Personen, die noch keine feindliche Einstellung besitzen und an Problemen der Ökologie, des Umweltschutzes interessiert sind, rechtzeitig, bevor sie von feindlich-negativen Kräften ausgenutzt und missbraucht werden, in entsprechende gesellschaftliche Organisationen, Interessengruppen und Arbeitsgemeinschaften, die mit starken gesellschaftlichen Kräften besetzt sind und die wir unter operativer Kontrolle haben, einbezogen werden können. Bei uns gibt es keine Notwendigkeit sogenannte unabhängige Interessengruppen zu bilden, auch und erst Recht nicht im Rahmen der Kirche. Wir haben entsprechende Organisationen, Interessengruppen und Arbeitsgemeinschaften, in denen solche Personen ehrlich und im Interesse unserer sozialistischen Ordnung mitwirken können, zum Nutzen und zur Weiterentwicklung unserer sozialistischen Gesellschaft. Abschließend zu diesem Komplex unterstreiche ich: es gilt die Forderung des Genossen noch stärker zum Ausgangspunkt für unsere Verpflichtung für die Nutzung aller Möglichkeiten zu machen, die gesamte Partei, die staatlichen Organe, alle gesellschaftlichen Organisationen und Kräfte zu ständiger hoher Wachsamkeit zu mobilisieren, um Wirkungserscheinungen des Eindringens antimarxistischer, antisozialistischer, bürgerlicher Ideologien zu verhindern. Es gilt, wie Genosse Honecker forderte, Angriffe auf die Politik der Partei, auf die-, auf den sozialistischen Staat der Arbeiter und Bauern entschieden entgegenzuwirken, gegen Entstellung und Verfälschung der marxistisch-leninistischen Theorie, der Geschichte der revolutionären Arbeiterbewegung und unserer praktischen Politik Stellung zu nehmen, ganz gleich woher sie kommen.
Unsere wichtigste Verantwortung als Ministerium für Staatssicherheit besteht darin, jederzeit für stabile politische Machtverhältnisse zu sorgen, die staatliche Sicherheit uneingeschränkt zu gewährleisten und uns nirgends überraschen zu lassen. Ein Kampfauftrag, und daran werden wir in der nächsten Zeiten alle gemessen, Genossen, ist die Gewährleistung eines störungsfreien Verlaufs der Leipziger Frühjahrsmesse 1988 und die Unterstützung ihrer politischen und handlungspolitischen Zielstellung durch die ständige Aufrechterhaltung einer hohen staatlichen und öffentlichen Sicherheit und Ordnung. In meinem Schreiben an die Leiter der Diensteinheiten vom 4. März 1988 sind die entsprechenden Aufgaben gestellt, um ein Wirksamwerden feindlich-negativer Kräfte vorbeugend zu verhindern und öffentlichkeitswirksame, provokatorisch-demonstrative Handlungen oder andere feindlich-negative Aktivitäten, insbesondere seitens Übersiedlungsersuchender, auszuschließen. Jedem Hinweis ist bis zur endgültigen Klärung nachzugehen. Höchste Wachsamkeit ist erforderlich! [Pause]
Und das wär‘ ‘ne Blamage, Genossen. Stellte euch das mal vor! Wenn [unverständlich].
Genossen, einige Bemerkungen zu den aktuellen Tendenzen der politisch-operativen Lage unter jugendlichen Personenkreisen. Unter der Jugend der DDR besteht eine stabile politische Situation. Die überwiegende Mehrheit der Jugend unseres Landes bekennt sich in Wort und Tat zur Politik der Partei, bezieht klassenmäßige Positionen und rechtfertigt durch großes Engagement beim Aufbau und Schutz unserer Gesellschaft, das ihr seitens der Partei entgegengebrachte Vertrauen. Kennzeichnend ist die aufgeschlossene Bereitschaft zum politischen Meinungsaustausch, zum aktiven Handeln bei der Verwirklichung der Politik des 11. Parteitages. Mit dem FDJ-Aufgebot DDR 40 verfügt die Freie Deutsche Jugend über eine klare Konzeption für ihre weitere Arbeit.
Dennoch ist nicht zu übersehen, dass sie infolge permanenter, massiver und gezielter ideologischer Einwirkungen des Gegners über die verschiedensten Kanäle, insbesondere mittels der elektronischen Massenmedien, sowie im Ergebnis des Wirksamwerdens feindlich-negativer Kräfte in der DDR unter bestimmten, von der Anzahl her relativ kleinen, jugendlichen Personenkreisen zunehmend Sozialismus-feindliche beziehungsweise fremde Erscheinungsformen pseudo-pazifistischer, anarchistischer, neonazistischer beziehungsweise neofaschistischer, aber-, neonazistischer beziehungsweise neofaschistischer, aber besonders dekadenter Denk- und Verhaltensweisen zeigen.
Dabei handelt es sich besonders um solche nach westlichen Verhaltensmustern auftretende Kräfte, wie Punks, Skiheads [Skinheads], Heavy-, Heavy Me-, Metals und deren Sympathisanten. Aber auch im-, in jüngster Zeit in das operative Blickfeld geratene sogenannte Guffits [Gruftis], ja? Von derartigen Gruppierungen, Zusammenschlüssen beziehungsweise Konzentrationen gehen, wie Vorkommnisse aus letzter Zeit beweisen, nicht zu unterschätzende Gefahren für die öffentliche Ordnung und Sicherheit aus. Ich erinnere nur an die durch westliche Korrespondenten im engen Zusammenwirken, mit inneren feindlichen Kräften inspirierten und provozierten Vorkommnissen mit Jugendlichen am Brandenburger Tor und an vielfältige andere Vorkommnisse mit Jugendlichen in der Folgezeit, die sich unter anderem gegen die Sicherungs-, Grenzsicherungsmaßnahmen der DDR richteten, häufig verknüpft mit gegnerischen Freiheits-, Demokratisierung-, Demokratie- und Menschenrechtsparolen.
Insbesondere die Mitglieder von den Skiheads-Gruppen [Skinheads-Gruppen] in den letzten Monaten bis in die jüngste Zeit zum Teil im engen Zusammenwirken mit Gleichgesinnten aus Westberlin verursachen Vorkommnisse schweren Rowdytums, der brutalen Gewaltanwendung gegen Bürger und Sachwerte, die ein energisches Einschreiten von Schutz- und Sicherheits- und Justizorgane erforderte, machten sichtbar, dass bestimmte negativ-dekadente jugendliche Personenkreise die staatliche Ordnung hartnäckig negieren, militant, offen-neonazistisch und faschistisch, sowie mit zunehmender Brutalität auftreten. Um den Eindruck des-, der zunehmenden rechtskonservativen Einfluss in der BRD, der Auseinandersetzung um Faschismus und Neofaschismus, können sich auch bei uns, bei einzelnen Personen, besonders bei Jugendlichen, solche Denk- und Verhaltensweisen entwickeln, wie sie dem Faschismus und Neofaschismus eigen waren beziehungsweise sind, bis hin zur Nachahmung solcher Methoden, wie sie von der SA und SS praktiziert wurden. Ich verweise nur auf das jüngste Beispiel der Zerstörung von jüdischen Grabstätten in Berlin, verbunden mit antisemitischen Ausfällen. Das dürfen wir zu keiner Zeit unterschätzen! Besonders anlässlich gesellschaftlicher Höhepunkte und in zugespitzten Situationen gibt es dann auch immer wieder derartige Vorkommnisse.
Solche Vorkommnisse sind für den Gegner aber auch für bestimmte Kirchenkreise und Kräfte politischer Untergrundtätigkeit stets willkommener Anlass, die Existenz und das Wirken von Neonazis in der DDR hochzuspielen.
Und uns indirekt sogar anzugreifen damit, dass wenn wir-, wir verfolgen die Andersdenkenden, aber die Faschisten sehen wir nicht. Will euch das mal sagen, so sieh-, muss man das betrachten.
Wenn auch - äh - die bisherigen engen - äh - politischen-operativen Zusammenwirken mit der deutschen Volkspolizei und anderen zu-, zuständigen staatlichen Organe, sowie gesellschaftlichen Organisationen und Kräften durchgeführten Maßnahmen zu einer gewissen Disziplinierung derartiger negativ-dekadenter jugendlicher Personenkreise geführt haben, ist es jedoch erforderlich, solchen Erscheinungen ständig größte Aufmerksamkeit entgegenzubringen, allen diesbezüglichen Hinweisen unverzüglich nachzugehen und sie schnellstens zu klären. Gemeinsam mit der Deutschen Volkspolizei und der FDJ müssen wir an diesen Problemen dranbleiben. Das ist umso notwendiger, da unsere Erfahrungen zeigen, dass derartige dekadente Kräfte häufig dort präsent sind und wirksam werden, wo feindlich negative Elemente, einschließlich reaktionärer kirchlicher Kreise, gegen den sozialistischen Staat agieren. Sie rotten sich gezielt anlässlich gesellschaftlicher Höhepunkte, sportlicher Ereignisse, besonders Fußballspiele und andere Großveranstaltungen zusammen und missbrauchen beziehungsweise stören die unseren Bürgern gebotenen vielfältigen Möglichkeiten gesellschaftlicher Aktivitäten der Freizeitgestaltung und Geselligkeit durch negatives bis hin zu offenen, feindlichem Auftreten. Sie versuchen damit eine möglichst große Öffentlichkeitswirksamkeit zu erzielen. [Pause]. Das muss in engem Zusammenwirken mit den anderen zuständigen Organen und gesellschaftlichen Kräften konse-, konsequent unterbunden werden.
Ich unterstreiche das vor allem auch im Hinblick auf die Sicherung der Jugendtreffen zu Pfingsten dieses Jahres in allen Kreisen unserer Republik, sowie auch im Hinblick auf die im Juni 1988 vor dem ehemaligen Reichstagsgebäude in Westberlin geplanten Rockkonzerte. Erforderlich ist es, Gruppierungen, Zusammenschlüsse, beziehungsweise Konzentration negativ-dekadenter Jugendlicher in Abstimmung und in Zusammenarbeit mit der Deutschen Volkspolizei noch stärker inoffiziell zu durchdringen. Das Ziel muss darin bestehen, das Entstehen von Gruppierungen, Zusammenschlüssen beziehungsweise Konzentration negativ-dekadenter Jugendlicher rechtzeitig zu erkennen, weitestgehend vorbeugen, zu verhindern und in eng-, und im engen Zusammenwirken mit den gesellschaftlichen Kräften, bereits bestehende zu zersetzen und dauerhaft aufzulösen. Darüber hinaus gilt es, die politisch-operative Arbeit, insbesondere in solchen Interessen- und Freizeitbereichen Jugendlicher, vorrangig Clubs und Diskotheken, zu verstärken, die einen gewissen Konzentrationspunkt der genannten jugendlichen Personenkreise bilden.
Durch gezielte Einflussnahme ist noch stärker daraufhin zu wirken, dass die FDJ, sowie die anderen gesellschaftlichen und staatlichen Erziehungsträger ihrer Verantwortung voll nachkommen und verhindern, dass solche Bereiche Ausgangspunkte für die Zusammenschlüsse negativer dekadenter Jugendlicher beziehungsweise von ordnungs- und gesetzeswidrigen, öffentlichkeitswirksamen Handlungen derartiger Personenkreise werden, beziehungsweise sich in solchen Einrichtungen Entwicklungen vollziehen, die deren gesellschaftlichem Anliegen entgegenstehen.
Im-, im Schreiben meines stellvertretenden Genossens Generaloberst Mittig vom 2. Februar an die Leiter der Bezirksverwaltungen wurden entsprechende Aufgaben gestellt, deren abstrichlose Durchsetzung ich erneut unterstreiche. Das hei-, heißt auf Deutsch: wir erwarten noch Reaktionen, Ergebnisse, Analysen. Besonders hebe ich die Notwendigkeit hervor, die zuständige Partei und FDJ-Organisationen noch besser bei der offenen Auseinandersetzung mit negativ-dekadenten Jugendlichen zu unterstützen. Durch eine dementsprechende Informationstätigkeit sind sie noch stärker zu befähigen und in die Lage zu versetzen, eine offensive Auseinandersetzung mit antisozialistischen Auffassungen und dekadenten Lebensweisen zu führen und in Abstimmung mit den Schutz- und Sicherheitsorganen wirksame Maßnahmen zur Einwirkung auf die genannten Jugendlichen durchzuführen. Ich möchte diesen Kreis darüber informieren, dass das Politbüro am 2. Februar 1988 einen Beschluss gefasst hat, der insbesondere Maßnahmen für eine Erhöhung der Wirksamkeit der politisch-ideologischen Arbeit unter der Jugend zum Gegenstand hat. In diesem Beschluss wird auch eine intensivere politisch-ideologische Einflussnahme auf negativ-dekadente Gruppierungen Jugendlicher gefordert mit dem Ziel, derartige Zusammenschlüsse aufzulösen, die Initiatoren zu isolieren und die Mehrzahl der Mitglieder für die Aktivitäten der FDJ zu gewinnen. Im Beschluss des Politbüros werden die FDJ und die Schutz- und Sicherheitsorgane verpflichtet, im Zusammenwirken die Wirksamkeit der Ordnungsgruppen der FDJ zu erhöhen und darüber hinaus in ihrem Rahmen Sonderformationen für spezifische Aufgaben und Einsätze zu bilden. Auf dieser Grundlage wurden vom Zentralrat der FDJ Maßnahmen zur Bildung, Ausbildung und zum Einsatz derartiger Formationen im Bestand des zentralen Ordnungsgruppenverbandes, sowie der Bezirks- und Kreisordnungsgruppenverbände getroffen. Die sollen aktiv mitwirken an der Vorbeugung, Abwehr und Beseitigung von Gefahren, Störungen und Angriffen gegen die sozialistische Staats- und Gesellschaftsordnung, an der Gewährleistung der öffentlichen Ordnung, Disziplin und Sicherheit bei besonderen politischen Ereignissen und Situationen, an der Auflösung von Zusammenrottungen. Sie sollen zum Einsatz gebracht werden, um die Auseinandersetzung mit Konzentrationen negativ-dekadenter beziehungsweise rowdyhafter Jugendlicher offensiver zu führen beziehungsweise auch gegen negativ-feindliche Personenkreise im Umfeld von Kirchen, im Rahmen des Einsatzes von gesellschaftlichen Kräften erforderlichen, falls auch in den Kirchen und gegen damit verbundene Aktivitäten westlicher Massenmedien vorzugehen - dann, wenn das aufgrund der Lagebedingungen für zweckmäßig erachtet wird. Die Auslösung und die Führung von Einsätzen dieser Formationen erfolgt unter Führung der Partei in den Bezirken und Kreisen unter Führung der Bezirks- und Kreissatz-, Kreiseinsatzleitung. Einsätze können auf der Grundlage der von den Sicherheitsorganen vorgelegten Informationen über geplante Aktivitäten feindlicher Kräfte, beziehungsweise Gefahrensituationen oder besonderer Schwerpunkte, im Zusammenhang mit beut-, bedeutsamen politischen Höhepunkten oder Veranstaltungen ausgelöst werden. Die Einsätze können in der Uniform des Ordnungsgruppenverbandes, in FDJ-Kleidung, aber auch in ziviler Kleidung erfolgen. Im Jugendverband liegt die Verantwortung für die Leitung der Sonderformation im Zentralrat der FDJ, in den Bezirks- und Kreisleitungen jeweils beim ersten Sekretär. Vorgesehen ist die Berufung von Sonderformationen in Stärke von drei Zügen mit je 30 Jugendfreunde beim Zentralrat der FDJ, sowie-, Zentralrat der FDJ, sowie je ein Zug in Stärke von 30 Freunden bei einem Bezirks-, Stadtbezirks- und Kreisleitung der FDJ. Die zuständigen Diensteinheiten des MfS, besonders die Hauptabteilung XX, die Abteilung XX der Bezirksverwaltung und die Kreisdienststellen haben darauf Einfluss zu nehmen, dass durch die jeweiligen Sekretariate der FDJ, in enger Abstimmung mit unserem Organ, nur solche Mitglieder des sozialistischen Jugendverbandes in diese Formationen berufen werden, die über eine bestimmte Erfahrungen verfügen, politisch zuverlässig und physisch geeignet sind. Als Leiter der Züge sollten nur erfahrene, hauptamtliche Funktionäre der FDJ eingesetzt werden. Durch den Einsatz geeigneter Mitarbeiter des MfS, insbesondere solcher, die über gute politisch-operative Lagekenntnisse und über Erfahrungen bei der Absicherung gesellschaftlicher Höhepunkte und Großveranstaltungen, sowie im Ver-, Ver-, im Vorgehen gegen öffentlichkeitswirksame, provokatorisch-demonstrative Aktivitäten verfügen, ist dazu beizutragen, dass bei der Schulung und Ausbildung der Kommandeure und Mitglieder dieser Formationen, die im Rahmen der Ausbildung der Ordnungsgruppen erfolgt, in dieser Hinsicht diese spezifischen Kenntnisse und Erfahrungen in geeigneter Form mit berücksichtigt werden.
Es ist zu gewährleisten, dass alle Einsätze der Formationen in Abstimmung mit den zuständigen Diensteinheiten des MfS, beziehungsweise im engen Zusammenwirken mit der DVP erfolgen. Bei der Bildung und Ausbildung sowie der Einsatzvorbereitung und -durchführung ist darauf zu achten, dass das eingeordnet in den jeweiligen Ordnungsverband erfolgt, die Tatsache, dass es sich dabei um Sonderformationen handelt, nicht öffen-, offenkundig wird und die erforderliche Vertraulichkeit gesichert wird. Deshalb sind in den Bezirken und Kreisen auch keine schriftlichen Dokumente dazu abzufassen. Es muss durch einen hohen Vertraulichkeitsgrad und durch die Vermeidung fehlerhafter Handlungsweisen mit dafür gesorgt werden, dass feindliche Zentren und Medien über die Existenz und die Spezifik des Einsatzes dieser Formation keine Kenntnisse erlangen. Der Aufbau der Sonderformationen und die Herstellung ihrer Einsatzbereitschaft sollen bis zum 1. April '88 erreicht werden. Die Leiter der Bezirksverwaltungen werden deshalb bis zum 28.03.1988 an meinen Stellvertreter Genossen Generaloberst Mittig über den Abschluss der Kaderauswahl. [Pause]
Genossen, auf der Beratung mit den ersten Kreissekretären hat Genosse Erich Honecker bekräftigt, dass die Wirtschafts- und Sozialpolitik das entscheidende Feld der weiteren Gestaltung der entwickelten sozialistischen Gesellschaft in der DDR ist und bleibt. Auf diesem Wege sind wir gut vorangekommen. '86,'87 haben wir, um nur eine Zahl zu nennen, ein Nationaleinkommen von 513, 4 Milliarden Mark erwirtschaftet, also 102 Milliarden Mark mehr als in den ersten beiden Jahren des vorhergehenden Fünf-Jahr-Planes. Ich will hier nicht wiederholen, was zur insgesamt guten Bilanz veröffentlicht wurde. Wir haben in der Tat keinen Grund, die erreichten Erfolge unter den Scheffel zu stellen. Als Kommunisten und Tschekisten sind wir aber zugleich mehr denn je verpflichtet, stets auch den Finger auf jene Fragen und Probleme zu legen, die einen möglichen und notwendigen noch größeren Erfolg verhindern, stets jene Kettenglieder mit anzupacken, von denen unsere weitere Entwicklung im entscheidenden Maße abhängt. Volle Klarheit muss darüber bestehen, dass der Leistungszuwachs 1988 wesentlich über dem von '87 liegen muss, um die im Fünf-Jahr-Plan vorgesehenen Zielstellungen und damit die erfolgreiche Fortführung der Politik, der Hauptaufgabe, zu gewährleisten. Damit die Erfüllung - äh - durch die Erfüllung der vorgese-, vorgegebenen Wachstumsraten auf allen Gebieten der Volkswirtschaft, gilt es die im Jahre 1987 eingetretene komplizierte Wirtschaftslage zu überwinden. Im Verlaufe des Jahres 1987 kam es zu bestimmten Entwicklungen und Problemen, die den Planverlauf und die Planerfüllung nicht unwesentlich negativ beeinflussten. Wie bekannt, wurde auf der Beratung mit den ersten Kreissekretären darauf hingewiesen, dass mit der Reduzierung der Pläne, mit sogenannten Planpräzisierungen, die zu einem festen Bestandteil der Planung zu werden drohten, die Aufgaben nicht zu lösen sind. Das ergibt zwar, wie Genosse Honecker ausführte, ein recht sehenswertes Bild bei der Jahresabrechnung, ist aber kein Ausweg. Und wenn dann noch der Plan nicht bilanziert ist, wie es für eine Reihe von Positionen immer wieder festzustellen ist, dann ergeben sich daraus sofort neue, zum Teil unlösbare Probleme und schwerwiegende Auswirkungen. Durch ungenügende Wahrnehmungen der persönlichen Verantwortung und schlechte Leistungsmethoden vergrößern sich die Auswirkungen nur noch, wobei die in den Bilanzen liegenden Probleme da nicht selten als Feigenblatt für die eigene Schlampereien, Mängel und Schwächen her-, herhalten müssen.
Sicherlich ist der Preisverfall der-, bei Erdölprodukten seit dem Jahre 1986, wodurch uns ein Nationaleinkommen von 9 Milliarden Mark nicht zur Verfügung stand, nicht ohne weiteres zu verkraften, sind nicht alle damit verbundenen Auswirkungen von heute auf morgen zu überwinden. Aber es ist zugleich eine erhebliche Anzahl anderer Probleme, Mängel und Schwächen aufgetreten, die vor allem durch die Qualität der Arbeit in bestimmten Bereichen, Kombinaten und Betrieben der Volkswirtschaft in wirtschaftsleitenden Organe oder im Bereich Wissenschaft und Technik verursacht wurden, die deshalb auch für uns Anlass sein müssen, unsere politisch-operative Arbeit dort, wo wesentliche Ursachen gesetzt worden, kritisch zu prüfen.
Um nur einige wesentliche Probleme nochmals kurz anzuführen: die Durchführung der Aufgaben von Wissenschaft und Technik erbrachte nicht die geplanten ökonomischen Ergebnisse. So ging der erreichte Anteil der Senkung des spezifischen Produktionsverbrauchs an Zuwachs des Nationaleinkommens von 40 Prozent auf rund 29 Prozent im Jahre 1987 zurück. Das zeigt die umfassende Intensivierung noch nicht-, das zeigt, dass die umfassende Intensivierung noch nicht die notwendige Dauerhaftigkeit und Breite erreicht hat. Durch ungenügend planmäßige Entwicklungen eigener Produktionskapazitäten wurden steigende Importe bei volkswirtschaftlich wichtigen Materialien und Zu-, Zulieferungserzeugnissen in Höhe von circa 1 Milliarde Valutamark notwendig. Zu ihrer Bezahlung musste die DDR NSW-Exporte mit einem Inlandwert von circa 4 Milliarden Mark durchführen. Etwa ein Drittel der Staatsplanposition wurden im Jahre 1987 nicht erfüllt. Das hat den volkswirtschaftlichen Reproduktionsprozess und insbesondere die proportionale Entwicklung der Volkswirtschaft erheblich negativ beeinflusst und viele operative Maßnahmen der Wirtschaftslenkung erforderlich gemacht, die den kontinuierlichen Planablauf immer wieder störten. In diesem Zusammenhang ist beachtenswert, wo nach gezielten Parteikontrollen zufolge auch im Rahmen des Planes 1988 für etwa 100 Staatsplanpositionen noch keine volle Untersetzung durch entsprechende Betriebspläne erreicht wurde. Die Gründe sind vielgestaltig. Die Produktionsleistungen sind nicht genügend durch Investitionen abgesichert, eine Reihe von Kombinaten hat den Volkswirtschaftsplan nicht vollständig auf die einzelnen Betriebe aufgeschlüsselt, bei einer Reihe von Positionen ist die materielle, technische Sicherung der Produktion noch nicht endgültig geklärt.
In dem Beschluss des Politbüros über Maßnahmen zur Sicherung des geplanten Leistungs- und Effektivitätswachstums der Volkswirtschaft der DDR 1988 wurden Ergebnisse und Schlussfolgerungen aus der Parteikontrolle zusammengefasst, die auch für unsere Arbeit von grundsätzlicher Bedeutung sind. Durch das Politbüro und das Präsidium des Ministerrats wurden die Industrieminister beauftragt, sofort Maßnahmen zur Gewährleistung der vollständigen Untersetzung des materiellen Investionsvolumens 1988 durch die Pläne der Betriebe zu treffen. Das gilt auch im Bezug auf Maßnahmen zur Aufholung der Rückstände bei der planmäßigen Fertigstellung von Investitionen, die für das Erreichen des notwendigen Leistungszuwachses unerlässlich sind. In der Leitungstätigkeit mancher Minister, Generaldirektoren der Kombinate, der Werkleiter, ist die Vorbereitung der Investitionen, der Einhaltung des geplanten Aufwandes und der Effektivität de-, der Vorhaben, sowie dem erforderlichen wissenschaftlich-technischen und konzeptionellen Verlauf nicht immer die gebührende Aufmerksamkeit geschenkt worden. So war bei 103 Vorhaben mit einem Wertumfang von jeweils über 5 Millionen Mark, darunter 60 in der Industrie, die entsprechenden Vorbereitungen zu Beginn des Jahres 1988 noch nicht abgeschlossen und es bedurfte und bedarf noch weiterer umfangreicher Maßnahmen, um die Einheit von Plan, Bilanz und Vertrag allseitig durchzusetzen. Hemmend wirkte sich auch 1987-, wirkte sich 1987 auch aus, dass das Wachstum der Zulieferungsindustrie in den vergangenen Jahren mit den Anforderungen, besonders in der metallverarbeitenden Industrie, nicht immer Schritt gehalten hat und sogar teilweise rückläufig verlief. Diese Entwicklungen bei wichtigen Zulieferungen führte zu Störungen im Produktionsablauf und letztlich zur Notwendigkeit, bestimmte Defizite durch NSW-Importe zu beseitigen. Dabei bleiben viele Zulieferbetriebe in der Regel anonym und berechtigte Kritiken aus der Bevölkerung richten sich ausschließlich gegen die Finalproduzenten.
Naja, das ist ‘ne wichtige Sache.
Auch im Rahmen der Produktion von Konsumgütern waren sowohl bezogen auf die termingemäße Erfüllung als auch auf Mängel, Qualität und Sortiment, Rückstände zu verzeichnen. Auch die bisherige Planerfüllung 1988 zeigt bei einigen Produktionen bereits wieder eine ähnliche kritische Situation. Das betrifft unter anderem Ledersportschuhe, Fußbodenbelag, Wohnraummöbel, Polstermöbel, bestimmte Zuckerwaren, Gasherde und Waschmaschinen. Und nicht zuletzt waren Aufwendungen in Größenordnungen erforderlich, um die Folgen schwerer Havarien und von Großbränden zu beseitigen, was sich mit hemmend auf die Vorbereitung des Planes '88 auswirkte, weil ein Teil des geplanten und für andere Zwecke vorgesehenen Nationaleinkommens umdisponiert werden musste.
Hauptabteilung XX (Staatsapparat, Kultur, Kirchen, Untergrund)
Die Hauptabteilung XX bildete den Kernbereich der politischen Repression und Überwachung der Staatssicherheit. In Struktur und Tätigkeit passte sie sich mehrfach an die sich wandelnden Bedingungen der Herrschaftssicherung an. Die Diensteinheit ging 1964 durch Umbenennung aus der Hauptatbeilung V hervor, die ihrerseits in den Abteilungen V und VI (1950–1953) ihre Vorläufer hatte.
Die Hauptabteilung XX und die ihr nachgeordneten Abteilungen XX in den Bezirksverwaltungen (Linie XX) sowie entsprechende Arbeitsbereiche in den KD überwachten wichtige Teile des Staatsapparates (u. a. Justiz, Gesundheitswesen und bis 1986 das Post- und Fernmeldewesen), die Blockparteien und Massenorganisationen, den Kultur- und Sportbereich, die Medien und die Kirchen sowie SED-Sonderobjekte und Parteibetriebe. Federführend war die Hauptabteilung XX auch bei der Bekämpfung der "politischen Untergrundtätigkeit" (PUT), also der Opposition.
Ab der zweiten Hälfte der 50er Jahre und verstärkt seit dem Beginn der Entspannungspolitik fühlte sich das SED-Regime zunehmend durch die "politisch-ideologische Diversion" (PiD) bedroht. Die Schwächung der "Arbeiter-und-Bauern-Macht" durch "ideologische Aufweichung und Zersetzung" galt als Hauptinstrument des Westens bei der Unterminierung der DDR. Auch bei der Bekämpfung der PiD hatte die Hauptabteilung XX innerhalb des MfS die Federführung.
Das Erstarken der Bürgerrechtsbewegung (Friedens-, Umwelt- und Menschenrechtsgruppen) in der DDR führte in den 80er Jahren zu einem weiteren Bedeutungszuwachs der Linie XX. In der DA 2/85 bestätigte Minister Mielke dementsprechend die Federführung der Hauptabteilung XX bei der Bekämpfung der PUT.
Im Verlauf der fast 40-jährigen Entwicklung der Hauptabteilung XX veränderte sich ihre Struktur mehrfach. In der Endphase verfügte sie über neun operative Abteilungen und vier Funktionalorgane der Leitung (Sekretariat, Arbeitsgruppe der Leitung, Koordinierungsgruppe des Leiters, Auswertungs- und Kontrollgruppe).
Die Hauptabteilung V lag ab 1953 zunächst im unmittelbaren Anleitungsbereich von Mielke in seiner Eigenschaft als 1. Stellvertreter des Staatssicherheitschefs. Ab 1955 war der stellvertretende Minister Bruno Beater und 1964–1974 der stellv. Minister Fritz Schröder auf der Ebene der MfS-Leitung für die Hauptabteilung XX zuständig. Beide waren zuvor selbst (Beater 1953–1955, Schröder 1955–1963) Leiter der Hauptabteilung V. Seit 1975 gehörte die Hauptabteilung XX zum Verantwortungsbereich von Mielkes Stellvertreter Rudi Mittig. Von 1964 bis zur Auflösung des MfS leitete Kienberg die Hauptabteilung XX. Ihm standen seit 1965 zwei Stellvertreter zur Seite.
1954 waren in der Hauptabteilung V insgesamt 139 Mitarbeiter beschäftigt. Im Herbst 1989 verfügte die Hauptabteilung XX über 461 Mitarbeiter, von denen mehr als 200 als IM-führende Mitarbeiter eingesetzt waren.
In den 15 Bezirksverwaltungen waren auf der Linie XX im Oktober 1989 insgesamt knapp 1.000 Kader und damit auf der gesamten Linie XX fast 1.500 hauptamtliche Mitarbeiter im Einsatz. Gleichzeitig konnte allein die Hauptabteilung XX mit etwas mehr als 1.500 IM auf einen überdurchschnittlich hohen Bestand an inoffiziellen Kräften zurückgreifen. Ihrem Aufgabenprofil entsprechend spiegelt sich nicht zuletzt in der Entwicklung der Hauptabteilung XX auch die Geschichte von Opposition, Widerstand und politischer Dissidenz in der DDR. Im Herbst 1989 wurden von der Diensteinheit 31 Operative Vorgänge (10 Prozent aller Operativen Vorgänge im Berliner Ministeriumsbereich) und 59 Operative Personenkontrollen (8,7 Prozent) bearbeitet.
Linie XX (Staatsapparat, Kirchen, Kultur, Untergrund)
Die Hauptabteilung XX bildete den Kernbereich der politischen Repression und Überwachung der Staatssicherheit. In Struktur und Tätigkeit passte sie sich mehrfach an die sich wandelnden Bedingungen der Herrschaftssicherung an. Die Diensteinheit ging 1964 durch Umbenennung aus der Hauptatbeilung V hervor, die ihrerseits in den Abteilungen V und VI (1950–1953) ihre Vorläufer hatte.
Die Hauptabteilung XX und die ihr nachgeordneten Abteilungen XX in den Bezirksverwaltungen (Linie XX) sowie entsprechende Arbeitsbereiche in den KD überwachten wichtige Teile des Staatsapparates (u. a. Justiz, Gesundheitswesen und bis 1986 das Post- und Fernmeldewesen), die Blockparteien und Massenorganisationen, den Kultur- und Sportbereich, die Medien und die Kirchen sowie SED-Sonderobjekte und Parteibetriebe. Federführend war die Hauptabteilung XX auch bei der Bekämpfung der "politischen Untergrundtätigkeit" (PUT), also der Opposition.
Ab der zweiten Hälfte der 50er Jahre und verstärkt seit dem Beginn der Entspannungspolitik fühlte sich das SED-Regime zunehmend durch die "politisch-ideologische Diversion" (PiD) bedroht. Die Schwächung der "Arbeiter-und-Bauern-Macht" durch "ideologische Aufweichung und Zersetzung" galt als Hauptinstrument des Westens bei der Unterminierung der DDR. Auch bei der Bekämpfung der PiD hatte die Hauptabteilung XX innerhalb des MfS die Federführung.
Das Erstarken der Bürgerrechtsbewegung (Friedens-, Umwelt- und Menschenrechtsgruppen) in der DDR führte in den 80er Jahren zu einem weiteren Bedeutungszuwachs der Linie XX. In der DA 2/85 bestätigte Minister Mielke dementsprechend die Federführung der Hauptabteilung XX bei der Bekämpfung der PUT.
Im Verlauf der fast 40-jährigen Entwicklung der Hauptabteilung XX veränderte sich ihre Struktur mehrfach. In der Endphase verfügte sie über neun operative Abteilungen und vier Funktionalorgane der Leitung (Sekretariat, Arbeitsgruppe der Leitung, Koordinierungsgruppe des Leiters, Auswertungs- und Kontrollgruppe).
Die Hauptabteilung V lag ab 1953 zunächst im unmittelbaren Anleitungsbereich von Mielke in seiner Eigenschaft als 1. Stellvertreter des Staatssicherheitschefs. Ab 1955 war der stellvertretende Minister Bruno Beater und 1964–1974 der stellv. Minister Fritz Schröder auf der Ebene der MfS-Leitung für die Hauptabteilung XX zuständig. Beide waren zuvor selbst (Beater 1953–1955, Schröder 1955–1963) Leiter der Hauptabteilung V. Seit 1975 gehörte die Hauptabteilung XX zum Verantwortungsbereich von Mielkes Stellvertreter Rudi Mittig. Von 1964 bis zur Auflösung des MfS leitete Kienberg die Hauptabteilung XX. Ihm standen seit 1965 zwei Stellvertreter zur Seite.
1954 waren in der Hauptabteilung V insgesamt 139 Mitarbeiter beschäftigt. Im Herbst 1989 verfügte die Hauptabteilung XX über 461 Mitarbeiter, von denen mehr als 200 als IM-führende Mitarbeiter eingesetzt waren.
In den 15 Bezirksverwaltungen waren auf der Linie XX im Oktober 1989 insgesamt knapp 1.000 Kader und damit auf der gesamten Linie XX fast 1.500 hauptamtliche Mitarbeiter im Einsatz. Gleichzeitig konnte allein die Hauptabteilung XX mit etwas mehr als 1.500 IM auf einen überdurchschnittlich hohen Bestand an inoffiziellen Kräften zurückgreifen. Ihrem Aufgabenprofil entsprechend spiegelt sich nicht zuletzt in der Entwicklung der Hauptabteilung XX auch die Geschichte von Opposition, Widerstand und politischer Dissidenz in der DDR. Im Herbst 1989 wurden von der Diensteinheit 31 Operative Vorgänge (10 Prozent aller Operativen Vorgänge im Berliner Ministeriumsbereich) und 59 Operative Personenkontrollen (8,7 Prozent) bearbeitet.
Operative Mitarbeiter
Operative Mitarbeiter des MfS waren Hauptamtliche Mitarbeiter, die IM und OibE führten, in MfS-Dokumenten auch als vorgangsführende Mitarbeiter oder IM-führende Mitarbeiter (umgangssprachlich Führungsoffiziere) bezeichnet, von denen es im MfS zuletzt etwa 12.000 bis 13.000 gab. Sie waren für eine Region oder Institution, für bestimmte Personenkreise oder spezifische Sachfragen zuständig und hatten die Sicherheitslage in ihrem Verantwortungsbereich zu beurteilen.
Es wurde von ihnen erwartet, dass sie insbesondere durch Rekrutierung und Einsatz von IM die "staatliche Sicherheit und die gesellschaftliche Entwicklung" vorbeugend sicherten. Verdächtige Personen waren in Operativen Vorgängen oder Operativen Personenkontrollen zu "bearbeiten", Personengruppen mit besonderen Befugnissen mit Sicherheitsüberprüfungen unter Kontrolle zu halten. Bei der Erfüllung ihrer Aufgaben sollten sie das politisch-operative Zusammenwirken mit anderen staatlichen und gesellschaftlichen Institutionen nutzen.
Als Abwehr wurden alle geheimpolizeilichen Aktivitäten zur Sicherung der politischen, ökonomischen und gesellschaftlichen Stabilität der DDR und des kommunistischen Bündnissystems bezeichnet, die nach dem Verständnis des MfS durch feindliche Angriffe gefährdet waren. Maßnahmen zur Bekämpfung westlicher Spionage und politischer Opposition galten somit ebenso als Abwehr wie etwa die Sicherung von Produktivität und Anlagensicherheit in den Betrieben sowie die Verhinderung von Republikflucht und Ausreisen. Demgemäß waren die meisten operativen Arbeitsbereiche des MfS ganz überwiegend mit Abwehr befasst.
Aufklärung hatte innerhalb des MfS unterschiedliche Bedeutungen: Sie wird zur Bezeichnung des Tätigkeitsbereiches der Auslandsspionage verwendet, die überwiegend von der HV A getragen wurde, die teilweise auch kurz als Aufklärung bezeichnet wird. Darüber hinaus findet der Begriff Verwendung bei der Bezeichnung von Sachverhaltsermittlungen (Aufklärung eines Sachverhalts) und von Überprüfungen der Eignung von IM-Kandidaten (Aufklärung des Kandidaten).
Die Kirchen gerieten nicht selten unter Verdacht, gegen die politischen Verhältnisse in der DDR zu opponieren. Das lag an ihrer weitgehenden Eigenständigkeit, an der christlichen Botschaft, die von den kommunistischen Ideologen als konkurrierendes Sinn- und Erklärungsangebot abgelehnt wurde, sowie an ihrem Beharren auf Mitsprache und Gestaltungsanspruch in gesellschaftlichen Fragen. Im Auftrag der SED wurde daher das MfS tätig, um die von den Kirchen ausgehenden vermeintlichen und tatsächlichen Gefahren für das politisch-ideologische System der DDR abzuwehren.
Die SED-Kirchenpolitik war in den vier Jahrzehnten der DDR Wandlungen unterworfen. In den 50er Jahren führte die SED mehrfach einen offenen Kirchenkampf. Dieser richtete sich u. a. gegen die kirchliche Jugend- und Studentenarbeit, v. a. bei der Einführung der Jugendweihe, sowie gegen karitative Einrichtungen wie die Bahnhofsmissionen. Mehrere Religionsgemeinschaften wurden verboten und deren Anhänger verfolgt.
Die SED war zudem bestrebt, die Verlesung von solchen Hirtenbriefen und Kanzelabkündigungen zu unterbinden, in denen sozialethische, gesellschaftskritische oder politische Fragen aufgegriffen wurden. Von der Polizei und dem MfS wurden kirchliche Einrichtungen durchsucht und Literatur beschlagnahmt. Neben kirchlichen Mitarbeitern wurden unter Mitwirkung des MfS auch Pfarrer – zwischen 1950 und 1960 mindestens 140 – inhaftiert.
Ab den 60er Jahren beschränkte sich die SED zunehmend darauf, durch eine rigorose Auslegung der Veranstaltungsordnung unerwünschte kirchliche Aktivitäten zu behindern. Das offizielle Eindringen in kirchliche Räume wie im November 1987, als es nachts in der Zionsgemeinde in Ostberlin zu Durchsuchungen und Festnahmen kam, war in den 70er und 80er Jahren eher untypisch, weil dies die Staat-Kirche-Beziehungen erheblich belastete. Vor allem seit 1978 bemühte sich die SED, ein Stillhalteabkommen zwischen Kirchenleitungen und Staat zu respektieren.
Das MfS versuchte aber stets, indirekt Einfluss auf kirchliche Entscheidungen zu nehmen. Dies und die verdeckte Informationsbeschaffung zählten zu den Hauptbetätigungsfeldern des MfS im Rahmen der von der SED konzipierten Kirchenpolitik. Die Informationsbeschaffung erfolgte mittels Observation, IM-Einsatz und auf dem Weg der sog. Gesprächsabschöpfung. Dabei gelang es in Einzelfällen auch, Christen in kirchlichen Leitungspositionen als IM zu gewinnen.
So arbeitete der thüringische Kirchenjurist und Oberkirchenrat Gerhard Lotz seit 1955 mit dem MfS als IM "Karl" zusammen. Durch die Positionierung eines Offiziers im besonderen Einsatz im Konsistorium in Magdeburg, Detlev Hammer, der ab 1974 juristischer, dann Oberkonsistorialrat war, vermochte es das MfS, einen hauptamtlichen Mitarbeiter innerhalb der Leitungsstruktur der provinzsächsischen Kirche zu platzieren. Außerdem hatte das MfS gegenüber den Kirchen dann tätig zu werden, wenn Verdachtsmomente dafür vorlagen, dass die Kirchen über den ihnen von der SED zugewiesenen religiös-kultischen Bereich hinaus tätig wurden.
Dementsprechend observierte das MfS Kirchengemeinden und Pfarrer, die – wie es beim MfS hieß – im Rahmen der "Partnerschaftsarbeit" Besuchskontakt zu Kirchengemeinden in der Bundesrepublik unterhielten. Das MfS legte hierzu OV an und ermittelte gegen die Organisatoren der Zusammenkünfte.
Als Ziele der MfS-Aufklärung galten ebenso kirchliche Synoden und Basistreffen, auf denen grundsätzlich die potenzielle Gefahr bestand, dass Kritik an den Verhältnissen in der DDR geübt werden würde. In das Blickfeld des MfS rückten die evangelischen Kirchen insbesondere ab Mitte der 70er Jahre: Zunächst rief die auch unter nichtkirchlichen Jugendlichen an Attraktivität gewinnende kirchliche Jugendarbeit, dann die Friedens-, Umwelt- und Menschenrechtsarbeit unter dem Dach der Kirche den Argwohn des MfS hervor.
Insgesamt war das MfS nur eine von mehreren Institutionen des SED-Staates, die im Rahmen der SED-Kirchenpolitik tätig wurden. Im Zusammenspiel mit ihnen versuchte das MfS, die Kirchen zu kontrollieren und zu disziplinieren.
In Auswertung der kirchenpolitischen Kampagnen der 50er Jahre und bestärkt durch konzeptionelle Arbeiten, drängte die SED-Führung ab Anfang der 80er Jahre zunehmend auf ein koordiniertes Vorgehen. Die vom MdI und den Abteilungen für Inneres erstellten Rapportmeldungen, Berichte und Personeneinschätzungen zu Gottesdiensten und kirchlichen Mitarbeitern wurden vereinbarungsgemäß dem MfS zur Verfügung gestellt und bildeten häufig den Grundstock jener Berichte und Personencharakteristiken, die sich in den Beständen des MfS wiederfinden.
Bereits vor Gründung des MfS hatte bei der Deutschen Verwaltung des Innern in der Abteilung K 5 das Referat C 3 existiert. Als Aufgabenbeschreibung wurde die "Aufklärung und Bekämpfung der kirchlichen Feindtätigkeit" genannt. Ab 1950 bestand im MfS zunächst die Abteilung V, die sich ab 1953 Hauptabteilung V nannte und 1964 im Zuge einer Umstrukturierung zur Hauptabteilung XX wurde.
Innerhalb dieser Organisationsstruktur zeichnete die Abt. 4 für die "Bearbeitung" der Kirchen verantwortlich. 1988 gliedert sich diese in sechs Fachreferate, wobei je eins für die evangelischen Kirchen, die katholische Kirche sowie die Religionsgemeinschaften und Sekten zuständig war. Ein Referat widmete sich Operativen Vorgängen. Als Schwerpunkt der Arbeit wurde die "Bekämpfung der politischen Untergrundtätigkeit" benannt. Zwei weitere Referate nahmen koordinierende Funktionen wahr.
Neben der Hauptabteilung XX/4 stützte sich das MfS bei der Bekämpfung und Infiltration der Kirchen auf die Zuarbeit verschiedener Hauptabteilungen und Abteilungen - so u. a. auf die Dienste der HV A bei der "Aufklärung" von westlichen Partnergemeinden und Pfarrern, die die kirchliche Friedensarbeit in den ostdeutschen Gemeinden unterstützten. Im Fall der Inhaftierung kirchlicher Mitarbeiter übernahm die Hauptabteilung IX als Untersuchungsorgan den Vorgang.
Hinzu kamen andere institutionalisierte Formen der "Bearbeitung". Als politisch-ideologische fungierte ab 1958 das Referat Familienforschung, das Verwicklungen missliebiger Kirchenvertreter in das NS-Regime aufdecken oder konstruieren sollte, um die so Diffamierten unter Druck setzen zu können. Angesiedelt war es beim Deutschen Zentralarchiv in Potsdam. Es verwaltete verschiedene aus NS-Beständen stammende Unterlagen und wertete sie aus. Dabei handelte es sich um eine verdeckt arbeitende Einrichtung des MfS.
Um den steigenden Informationsbedarf – unter Berücksichtigung der Spezifik kirchlicher und religiöser Angelegenheiten – zu decken und um Sonderaufträge u. a. auch im Ausland ausführen zu können, etablierte das MfS 1960 die sog. Auswertungsgruppe, die dem Referat V zugeordnet wurde. In einem konspirativen Objekt in Berlin-Pankow ("Institut Wandlitz") arbeiteten hauptamtliche IM und mehrere OibE zusammen.
Seine "Absicherung" fand das Vorgehen des MfS gegenüber den Kirchen durch ein umfangreiches Netz von OibE und IM, die das MfS im Staatssekretariat für Kirchenfragen und in den Kirchenabteilungen der DDR-Bezirke unterhielt. 1989 gab es im Staatssekretariat drei OibE; zudem berichtete der persönliche Referent und Büroleiter der Staatssekretäre Hans Seigewasser und Klaus Gysi, Horst Dohle, ab 1975 als IM "Horst" dem MfS. Insgesamt aber gelang es dem MfS nicht, die Kirchen umfassend zu unterwandern.
Bekämpfung von Widerstand und Opposition umschreibt, was zwischen 1950 und 1989 als eine Kernaufgabe des MfS galt. Gegen den Willen eines Großteils der ostdeutschen Bevölkerung wurde eine Diktatur etabliert, die nicht durch Wahlen legitimiert war: Dies war einer der Gründe für die Bildung des MfS am 8.2.1950.
Um ihren gesellschaftlichen Alleinvertretungs- und Herrschaftsanspruch zu sichern, schuf sich die SED als Repressions- und polizeistaatliche Unterdrückungsinstanz das MfS - das konsequenterweise so auch offiziell von ihr als "Schild und Schwert der Partei" bezeichnet wurde. Bereits in der "Richtlinie über die Erfassung von Personen, die eine feindliche Tätigkeit durchführen und von den Organen des MfS der DDR festgestellt wurden" vom 20.9.1950 wurde dementsprechend festgelegt, dass "alle Personen" zu registrieren seien, deren Verhalten geeignet war, die "Grundlagen" der DDR in Frage zu stellen.
Ferner wurde bestimmt, dass "über Personen, die eine feindliche Tätigkeit ausüben, [...] Vorgänge" anzulegen sind und über "die erfassten Personen [...] eine zentrale Kartei" einzurichten ist. Das offensive Vorgehen gegen Regimegegner erfuhr eine Ergänzung in den gleichzeitig getroffenen Festlegungen zur Übergabe der als "feindlich" klassifizierten Personen an die Staatsanwaltschaften.
Das MfS wurde somit bei der Bekämpfung von Widerstand und Opposition zur Ermittlungsinstanz; die nachfolgenden Urteile gegen Oppositionelle und Regimekritiker ergingen in enger Kooperation mit den vom MfS zumeist vorab instruierten Gerichten und zum Schein vermeintlicher Rechtsstaatlichkeit unter Hinzuziehung von mit dem MfS häufig zusammenarbeitenden Rechtsanwälten.
Inhalte, Auftreten und Erscheinungsbild von politisch abweichendem Verhalten, Widerstand und Opposition wandelten sich im Laufe der DDR-Geschichte. Zugleich änderten sich auch die Strategien und Methoden des MfS in Abhängigkeit vom konkreten Erscheinungsbild von Protest und Widerstand, aber auch analog zum Ausbauniveau des Apparates und seines Zuträger- und Informantennetzes sowie zur jeweils getroffenen Lageeinschätzung und unter Berücksichtigung der politischen Rahmenbedingungen.
Zu allen Zeiten gab es in beinahe allen Bevölkerungsgruppen und in allen Regionen Aufbegehren, Opposition und Widerstand. In den ersten Jahren nach Gründung der DDR gingen die SED und das MfS mit drakonischen Abschreckungsstrafen (u. a. Todesurteilen) gegen politische Gegner vor. Gefällt wurden die Urteile nicht selten in penibel vorbereiteten Strafprozessen mit präparierten Belastungszeugen und unter Verwendung erzwungener Geständnisse.
In mehreren Orten der DDR wurden z. B. Oberschüler (Werdau, Leipzig, Werder, Eisenfeld, Fürstenberg/Oder, Güstrow), die anknüpfend an das Vorbild der Gruppe "Weiße Rose" in der NS-Diktatur Widerstand geleistet hatte, zum Tode oder zu langjährigen Zuchthausstrafen verurteilt, weil sie Informationen gesammelt und Flugblätter verteilt hatten. Manch einer von ihnen überlebte die Haftbedingungen nicht oder nur mit dauerhaften gesundheitlichen Schäden.
Im Laufe der 50er Jahre ging das MfS schrittweise zum verdeckten Terror über. Nach wie vor ergingen langjährige Zuchthausstrafen; politische Opponenten, die von Westberlin aus die Verhältnisse in der DDR kritisierten, wurden - wie Karl Wilhelm Fricke 1955 - in geheimen Operationen entführt, nach Ostberlin verschleppt, in MfS-Haft festgehalten und vor DDR-Gerichte gestellt (Entführung).
Das Bestreben der SED, sich in der westlichen Öffentlichkeit aufgrund dieser ungelösten Fälle und angesichts eklatanter Menschenrechtsverletzungen nicht fortlaufender Kritik ausgesetzt zu sehen, führte, begünstigt durch die Absicht, der maroden Finanz- und Wirtschaftslage mit westlicher Unterstützung beizukommen, schrittweise zu einem Wandel. Im Ergebnis kam es auch zu einer Modifikation der MfS-Strategien im Vorgehen gegenüber Widerstand und Opposition.
Neben die im Vergleich zu den 50er Jahren zwar niedrigeren, für die Betroffenen aber nach wie vor empfindlich hohen Haftstrafen traten als beabsichtigt "lautloses" Vorgehen die Strategien der Kriminalisierung und Zersetzung. In einem "Entwurf der Sektion politisch-operative Spezialdisziplin" des MfS, der auf 1978 zu datieren ist, wird hierzu ausgeführt: "Um der Behauptung des Gegners die Spitze zu nehmen, dass wir ideologische Meinungsverschiedenheiten oder Andersdenkende mit Mitteln des sogenannten politischen Strafrechts bekämpfen, sind dazu noch wirksamer Maßnahmen zur Kriminalisierung dieser Handlungen sowie nicht strafrechtliche Mittel anzuwenden."
In der Richtlinie 1/76 "zur Entwicklung und Bearbeitung Operativer Vorgänge" vom Januar 1976 wurden unter Punkt 2.6 "die Anwendung von Maßnahmen der Zersetzung" geregelt und unter Punkt 2.6.2 die "Formen, Mittel und Methoden der Zersetzung" erörtert. Jene reichten u. a. von der "systematischen Diskreditierung des öffentlichen Rufes" auch mittels "unwahrer […] Angaben" und der "Verbreitung von Gerüchten" über das "Erzeugen von Misstrauen", dem "Vorladen von Personen zu staatlichen Dienststellen" bis zur "Verwendung anonymer oder pseudonymer Briefe, […] Telefonanrufe".
Mit der "Ordnungswidrigkeitenverordnung" (OWVO) von 1984 ging man zudem verstärkt dazu über, politisch unliebsame Personen, sofern sie sich an Protesten beteiligten, mit Ordnungsstrafen zu überziehen und sie somit materiell unter Druck zu setzen. All diese Maßnahmen sollten nach außen hin den Eindruck erwecken, dass das MfS weniger rigoros als in früheren Jahren gegen Regimegegner vorging.
Nach der Freilassung von Oppositionellen, die kurz zuvor während der Durchsuchung der Umweltbibliothek 1987 und nach den Protesten am Rande der Liebknecht-Luxemburg-Demonstration 1988 in Berlin inhaftiert worden waren, äußerten selbst SED-Mitglieder Zweifel, ob das MfS noch in der Lage sei, offensiv und effektiv gegen politische Opponenten vorzugehen.
Hochgerüstet und allemal zum Einschreiten bereit, trat das MfS jedoch noch bis in den Herbst 1989 gegenüber weniger prominenten Menschen in Aktion, die Widerstand leisteten, inhaftierte diese und ließ gegen sie hohe Haftstrafen verhängen. Bis zum Ende der DDR schritt das MfS bei sog. Demonstrativhandlungen ein und ging gegen - wie es hieß - ungesetzliche Gruppenbildungen vor.
Im Zusammenhang mit der Verwaltungsreform der DDR vom Sommer 1952 wurden die fünf Länderverwaltungen für Staatssicherheit (LVfS) in 14 Bezirksverwaltungen umgebildet. Daneben bestanden die Verwaltung für Staatssicherheit Groß-Berlin und die Objektverwaltung "W" (Wismut) mit den Befugnissen einer BV. Letztere wurde 1982 als zusätzlicher Stellvertreterbereich "W" in die Struktur der BV Karl-Marx-Stadt eingegliedert.
Der Apparat der Zentrale des MfS Berlin und der der BV waren analog strukturiert und nach dem Linienprinzip organisiert. So waren die Hauptabteilung II in der Zentrale bzw. die Abteilungen II der BV für die Schwerpunkte der Spionageabwehr zuständig usw. Auf der Linie der Hauptverwaltung A waren die Abteilung XV der BV aktiv. Einige Zuständigkeiten behielt sich die Zentrale vor: so die Militärabwehr (Hauptabteilung I) und die internationalen Verbindungen (Abteilung X) oder die Arbeit des Büros für Besuchs- und Reiseangelegenheiten in Westberlin (Abteilung XVII). Für einige Aufgabenstellungen wurde die Bildung bezirklicher Struktureinheiten für unnötig erachtet. So gab es in den 60er und 70er Jahren für die Abteilung XXI und das Büro der Leitung II Referenten für Koordinierung (RfK) bzw. Offiziere BdL II. Für spezifische Aufgaben gab es territorial bedingte Diensteinheiten bei einigen BV, z. B. in Leipzig ein selbständiges Referat (sR) Messe, in Rostock die Abt. Hafen.
An der Spitze der BV standen der Leiter (Chef) und zwei Stellv. Operativ. Der Stellv. für Aufklärung fungierte zugleich als Leiter der Abt. XV. Die Schaffung des Stellvertreterbereichs Operative Technik im MfS Berlin im Jahre 1986 führte in den BV zur Bildung von Stellv. für Operative Technik/Sicherstellung.
Inoffizielle Mitarbeiter (IM) waren das wichtigste Instrument des Ministeriums für Staatssicherheit (MfS), um primär Informationen über Bürger, die Gesellschaft, ihre Institutionen und Organisationen der DDR oder im Ausland zu gewinnen. Unter Umständen hatten IM auf Personen oder Ereignisse in der DDR steuernden Einfluss zu nehmen.
In der DDR-Gesellschaft hießen sie "Spitzel", "Denunzianten" oder "Kundschafter". Mit der deutschen Einheit hat sich die Bezeichnung Inoffizieller Mitarbeiter des MfS für die heimlichen Zuträger etabliert. Sie lieferten u. a. Informationen über Stimmungen und Meinungen in der Bevölkerung.
Die SED-Führung wollte stets über die konkrete Situation und Lage in der DDR unterrichtet sein. Die IM hatten den Auftrag, "staatsgefährdende" Bestrebungen zu ermitteln, was beim MfS "politisch ideologische Diversion" bzw. "politische Untergrundtätigkeit" hieß. Der Bogen hierfür war weit gespannt und reichte von einer privaten Meinungsäußerung bis hin zu politischen Aktivitäten. Überdies sollten sie, wenn auch selten, direkt auf gesellschaftliche Entwicklungen oder einzelne Personen einwirken.
Die IM waren das wichtigste Repressionsinstrument in der DDR. IM wurden auf bestimmte Schwerpunkte angesetzt, von denen tatsächliche oder vermeintliche Gefahren ausgehen konnten. Diese Objekte und Territorien, Bereiche oder Personen waren so zahlreich, dass die geheimpolizeiliche Durchdringung tendenziell den Charakter einer flächendeckenden Überwachung annahm.
Die Anzahl der vom MfS geführten inoffiziellen Mitarbeiter umfasste im Jahre 1989 ungefähr 189.000 IM, darunter 173.000 IM der Abwehrdiensteinheiten, ferner 13.400 IM in der DDR und 1.550 IM in der Bundesrepublik, die von der Hauptverwaltung A geführt wurden, sowie diverse andere wie Zelleninformatoren usw. Auf 89 DDR-Bürger kam somit ein IM. In der Zeit von 1950 bis 1989 gab es insgesamt ca. 620.000 IM.
Die Entwicklung des IM-Netzes ist nicht allein von einem kontinuierlichen Anstieg geprägt, sondern verweist auf besondere Wachstumsphasen in Zeiten innergesellschaftlicher Krisen wie dem 17. Juni 1953 oder am Vorabend des Mauerbaus. Im Zuge der deutsch-deutschen Entspannungspolitik wurde das IM-Netz ebenfalls erweitert. So umfasste es Mitte der 70er Jahre – hochgerechnet – über 200.000 IM. Angesichts wachsender oppositioneller Bewegungen hatte es in den 80er Jahren gleichfalls ein hohes Niveau.
Die flächendeckende Überwachung der Gesellschaft fiel regional recht unterschiedlich aus. Im Land Brandenburg, das die Bezirke Cottbus, Frankfurt (Oder) und Potsdam vereint, war sie stärker als in Thüringen. Die höchste IM-Dichte wies der ehemalige Bezirk Cottbus auf.
Das MfS operierte formal nach territorialen Gesichtspunkten und Sicherungsbereichen, setzte jedoch operative Schwerpunkte in der geheimpolizeilichen Arbeit. Bezogen auf das Gesamtministerium lagen diese – sowohl auf Kreis-, als auch auf Bezirks- und Hauptabteilungsebene – bei der Volkswirtschaft, der Spionageabwehr und auf der "politischen Untergrundtätigkeit", der "Bearbeitung " von oppositionellen Milieus und den Kirchen.
Die Motive zur Kooperation mit dem MfS waren überwiegend ideeller, seltener materieller Natur, noch seltener war Erpressung der Grund. Die Kooperation währte durchschnittlich sechs bis zehn Jahre oder länger. Augenfällig ist, dass darunter nicht wenige soziale Aufsteiger waren. Der Anteil von weiblichen IM lag in der DDR bei 17 Prozent, in der Bundesrepublik bei 28 Prozent. Über die Hälfte der IM war Mitglied der SED. Von den 2,3 Mio. Mitgliedern der Partei ausgehend, waren 4 bis 5 Prozent zuletzt inoffiziell aktiv, d. h. jedes zwanzigste SED-Mitglied.
Das MfS differenzierte IM nach Kategorien: Gesellschaftliche Mitarbeiter für Sicherheit, IM zur Sicherung und Durchdringung des Verantwortungsbereichs, IM im besonderen Einsatz, Führungs-IM und IM zur Sicherung der Konspiration und des Verbindungswesens. Die wichtigste Kategorie waren IM mit "Feindverbindungen" bzw. solche, die Personen zu "bearbeiten" hatten, die "im Verdacht der Feindtätigkeit" standen. Im Laufe der 80er Jahre nahm der Anteil von IM in der Kategorie IMB bis Dezember 1988 auf rund 3.900 zu.
Der Anteil von Bundesbürgern oder Ausländern unter den IM des MfS betrug nicht einmal 2 Prozent. 1989 waren mindestens 3.000 Bundesbürger inoffiziell im Dienste des MfS, zusätzlich mehrere Hundert Ausländer. In der Zeit von 1949 bis 1989 waren insgesamt mindestens 12.000 Bundesbürger und Westberliner IM.
Die operativen Ziele des MfS waren über die gesamte Bundesrepublik Deutschland verteilt. Darüber hinaus gab es Schwerpunkte in Europa, im Nahen Osten und Asien, nachgeordnet auch in Afrika und Lateinamerika. Nachrichtendienstliche Schwerpunkte waren vor allem die Wissenschafts- und Technikspionage, erst danach die politische und mit etwas Abstand die Militärspionage. Die Bundesrepublik Deutschland wurde folglich vor allem als Ressource zur Systemstabilisierung genutzt.
Die politische Spionage diente vornehmlich dazu, die politische Gefährdungslage des herrschenden Systems in der DDR bestimmen zu können. Dieses Profil deutet an, dass die Spionage der Bewahrung des Status quo dienen sollte. Von einer Unterwanderung der Bundesrepublik war die Geheimpolizei zahlenmäßig weit entfernt. Vielmehr waren ihre inoffiziellen Mitarbeiter damit beschäftigt, das DDR-System zu stabilisieren.
Die Kreisdienststellen waren neben den Objektdienststellen die territorial zuständigen Diensteinheiten. Sie waren entsprechend den regionalen Gegebenheiten unterschiedlich strukturiert und personell ausgestattet. Einige verfügten über ein Referat zur komplexen Spionageabwehr oder zur Sicherung der Volkswirtschaft und andere nur über spezialisierte Mitarbeiter in diesen Bereichen. Ihre Aufgaben waren die Kontrolle der Wirtschaft, des Verkehrswesens, des Staatsapparates, des Gesundheitswesens, der kulturellen Einrichtungen, der Volksbildung, ggf. von Einrichtungen des Hoch- und Fachschulwesens, wissenschaftlich-technischer Einrichtungen sowie die Überwachung besonders interessierender Personenkreise.
Die Kreisdienststellen waren maßgeblich an den Genehmigungsverfahren für dienstliche bzw. private Auslandsreisen beteiligt, führten Sicherheitsüberprüfungen durch und erstellten Stimmungs- und Lageberichte. Zur Realisierung der Aufgaben bedurfte es einer engen Zusammenarbeit mit den Partnern des POZW, insbesondere mit der Volkspolizei, den Räten und anderen Einrichtungen der Kreise. Die Kreisdienststellen unterhielten ständige Verbindungen zu den SED Kreisleitungen. Zwei Drittel der hauptamtlichen Mitarbeiter der Kreisdienststellen waren operativ tätig. Die Kreisdienststellen führten 50 Prozent der IM und bearbeiteten etwa 60 Prozent der OV zu einzelnen Personen oder Gruppen.
Die Kreisdienststellen gliederten sich in 2 bis 16 Fachreferate sowie das Referat Auswertung und Information (ZAIG) und die Wache/Militärische Sicherungsgruppe. In jeder Kreisdienststelle gab es einen Offizier, der teilweise oder ganz (IM-führender Mitarbeiter/XV) für die Belange der HV A vor Ort zuständig war.
Verharmlosende Bezeichnung aller Aktivitäten und Maßnahmen der "politisch-operativen Arbeit", also der geheimdienstlich-geheimpolizeilichen Tätigkeit in Bezug auf Personen oder zur Klärung von Sachverhalten, wenn aus Sicht des MfS Hinweise auf "feindlich-negative Handlungen" vorlagen. Die "Bearbeitung" konnte u. a. die Durchführung einer Operativen Personenkontrolle umfassen oder einen Operativen Vorgang betreffen.
Die MfS-Kategorie der politischen Untergrundtätigkeit (PUT) diente der Beschreibung konkreter oppositioneller oder widerständiger Handlungen, die sich in organisatorischen Strukturen vollzogen oder deren Herausbildung beabsichtigten. Er ist damit abgegrenzt vom Begriff der politisch-ideologischen Diversion, der Aktivitäten und Äußerungen bezeichnete, die die offizielle SED-Ideologie in Frage stellten,
Die Kategorie der PUT diente dem MfS u. a. zur Einstufung aktiver politischer Gegner und sollte den Grad ihrer "Gefährlichkeit" verdeutlichen. Im Begriff klingt außerdem der Vorwurf mit, dass diese vom Westen "inspiriert" oder sogar gesteuert würden. Die Kategorie fand Verwendung in der vom MfS praktizierten Kerblochkartei-Erfassung oder bei der Personenbeschreibung in Operativen Personenkontrollen und Operativen Vorgängen. Zugleich erstellte das MfS auf der Grundlage der PUT-Kategorie Festnahmelisten, die im "Spannungsfall" umgesetzt werden sollten.
Zersetzung war eine Methode der verdeckten Bekämpfung von Personen und Personengruppen, die vom MfS als "feindlich-negativ" angesehen wurden. Ziel der Zersetzung war laut der hier einschlägigen Richtlinie zur Bearbeitung Operativer Vorgänge von 1976, gegnerische Kräfte zu zersplittern, zu lähmen, zu desorganisieren und sie untereinander und von der Umwelt zu isolieren. "Feindliche" Handlungen sollten so vorbeugend verhindert, eingeschränkt oder unterbunden werden.
Ziele der Zersetzung waren zumeist staatsunabhängige Friedens-,Ökologie- und Menschenrechtsgruppen, Ausreiseantragsteller, aktive Christen sowie Personen und Organisationen im Operationsgebiet, die das MfS der politischen Untergrundtätigkeit gegen die DDR verdächtigte.
Gegen einzelne Personen gerichtete Maßnahmen der Zersetzung waren gemäß Richtlinie 1/76 etwa die "systematische Diskreditierung des öffentlichen Rufes, des Ansehens und des Prestiges auf der Grundlage miteinander verbundener wahrer, überprüfbarer diskreditierender sowie unwahrer, glaubhafter, nicht widerlegbarer und damit ebenfalls diskreditierender Angaben" oder die "systematische Organisierung beruflicher und gesellschaftlicher Misserfolge zur Untergrabung des Selbstvertrauens".
In Gruppierungen versuchte das MfS Misstrauen, Neid, Rivalitäten und gegenseitige Verdächtigung zu erzeugen und sie im Zusammenwirken mit anderen Staatsorganen durch Arbeitsplatzbindungen, Berufsverbote, Einberufungen zum Wehrdienst oder Zwangsausbürgerungen zu paralysieren. Die Zersetzung entfaltete ihre Wirksamkeit häufig durch den kombinierten Einsatz unterschiedlicher Maßnahmen in einer längerwährenden Aktion.
Die von Jürgen Fuchs als "leiser Terror" bezeichnete Zersetzung galt laut Richtlinie als "relativ selbständige Art des Abschlusses Operativer Vorgänge" und diente somit als Ersatz für Strafverfolgungsmaßnahmen, die in der Honecker-Ära insbesondere bei der Bekämpfung von Oppositionellen aus Gründen der internationalen Reputation häufig politisch nicht mehr opportun waren.
Vor der Umsetzung von Maßnahmen der Zersetzung waren entsprechende Pläne detailliert auszuarbeiten, die vom Leiter der jeweiligen HA, selbständigen Abteilung oder BV oder im Falle von Organisationen, Gruppen oder herausgehobenen Persönlichkeiten vom Minister oder seinem zuständigen Stellvertreter bestätigt werden mussten.
Geheimer Bericht an die SED-Führung im Bezirk Suhl zum Wasunger Karneval 1988 Dokument, 6 Seiten
Information zu "Erscheinungsformen gesellschaftswidrigen Auftretens und Verhaltens negativ-dekadenter Jugendlicher" Dokument, 18 Seiten
Referat Mielkes auf der erweiterten Sitzung des MfS-Kollegiums vom 9. März 1988 Dokument, 138 Seiten
Information an alle Bezirksverwaltungen des MfS und diverse Hauptabteilungen zu "kriminellen/rowdyhaften Jugendlichen" Dokument, 12 Seiten