Signatur: BStU, MfS, ZAIG, Fi, Nr. 89
Im Video "Zurückgekehrt - Interview mit Enttäuschten" berichteten Rückkehrer in die DDR von der hohen Arbeitslosigkeit in der Bundesrepublik und der Herzlosigkeit der westlichen Gesellschaft. Den Film hatte das Filmstudio Agitation beim MfS gedreht.
Das Video "Zurückgekehrt - Interview mit Enttäuschten" entstand 1986 beim Filmstudio Agitation des MfS. Seit 1956 entstanden dort zahlreiche Filme zur Selbstdarstellung der Geheimpolizei, die zum Großteil die eigenen Mitarbeiter auf Linie bringen sollten, zum Teil aber auch für die Öffentlichkeit bestimmt waren. Zu den Aufgaben des Filmstudios gehörte daher auch, Geschichten für die DDR-Medien zu lancieren, die den Interessen von SED und Stasi entsprachen. 1985 wurde die Abteilung in die Zentrale Auswertungs- und Informationsgruppe (ZAIG) eingegliedert.
Der Film zeigt Gespräche mit Übersiedlern, die aus der DDR ausreisten, sich jedoch später zur Rückkehr in die DDR entschlossen. Es handelte sich dabei jedoch keineswegs - wie im Film dargestellt - um eine "Flut" von Rückkehrwünschen, sondern um Einzelfälle.
Die Interviewpartner schildern teilweise konstruierte Geschichten, welche Gründe sie zur Übersiedlung bewegten, wie sehr sie der Lebensalltag im Westen enttäuschte und warum sie schließlich darum gebeten hatten, in ihre Heimat zurückkehren zu dürfen.
Die Vorbereitungen zum Film gestalteten sich jedoch schwierig; es waren kaum geeignete Interviewpartner zu finden. Unter den Rückkehrern waren viele Gestrandete, die kaum präsentabel waren. Einzig die Bezirksverwaltung Dresden meldete fünf eventuell brauchbare Rückkehrer, die sich zum Teil schriftlich verpflichteten, "öffentlichkeitswirksam bei der Zurückdrängung von Antragstellern mitzuwirken".
Durch ihre Aussagebereitschaft und Kooperation mit den DDR-Behörden erhofften sich die Beteiligten, wieder in ihr altes Leben zurückkehren zu können. Doch Freunde, Bekannte und Arbeitskollegen von einst beäugten die Heimkehrer aus dem Westen oft misstrauisch. Sie vermuteten, dass sie für die Stasi spitzeln würden. Tatsächlich wurden die Rückkehrer in der Regel ihrerseits von der Staatssicherheit überwacht, um Westkontakten und staatsfeindlichen Äußerungen nachzugehen.
Geführt wurden die Interviews von Ulrich Makosch, dem damaligen Moderator der Auslandssendung "Objektiv" und stellvertretenden Chefredakteur der Nachrichtensendung "Aktuelle Kamera" - sowie IM der Staatssicherheit. Ziel der Kampagne war es, potentiell Ausreisewillige von ihrem Vorhaben abzubringen. Die Stasi entschied jedoch, den Film nicht im Fernsehen zu zeigen, nutzte ihn stattdessen zur Schulung von Stasi-Offizieren.
Wirklichkeit vor, die sich von ihren Erwartungen gründlich unterschied.
Die Zahl derer, die blind wie Hans im Glück getauscht hatten,
eine Flut von Briefen ging den staatlichen Stellen der Deutschen Demokratischen Republik ein
und Wunsch, hat den nach Rückkehr in die Heimat zu haben
Mit einigen von denen, die inzwischen wieder im sozialistischen deutschen Staat leben, hatte ich Gelegenheit, mich zu unterhalten.
Es sind Menschen aus verschiedenen Orten unseres Landes, aus ganz
[kein Ton]
Meine Gesprächspartnerin ist Frau [anonymisiert], Ingenieurökonom aus Dresden.
1984 in die Bundesrepublik Deutschland übergesiedelt
Frau [anonymisiert], sie sind wieder [kein Ton]
Erlebnisse, welche Erfahrungen haben sie bewogen, den Antrag zu stellen auf Rücksiedlung in die Deutsche Demokratische Republik?
Ja ich bin, äh, am 28. März 1984 in der BRD eingetroffen
und, äh, war dann Giesen dann Unna, dort hatten mich meine Kinder abgeholt.
Und jetzt ging das auf das Arbeitsamt, so das war die erste deprimierende Sache, dass ich also keine Arbeit bekam.
Ich habe zwar gewusst, dass es schwierig sein wird, in der BRD zu leben. Aber das es also so kompliziert ist, hätte ich also nicht gedacht.
Ich kannte es zwar hier vom Fernsehen und so weiter, aber ich war der Meinung, wer arbeiten will, der bekommt Arbeit.
[kein Ton]
ich war bereit also in Schichtarbeit zu gehen, egal welche Firma,
aber da muss man sich also wirklich selbst bemühen.
Welche speziellen Erfahrungen haben Sie nun gemacht drüben als ehemalige DDR-Bürgerin,
als Frau, bei der Suche nach einem Arbeitsplatz?
Ja, ich war dann noch in einem, ähm, Betrieb für Maschinenelemente
und wollte da in Schichtarbeit gehen - also in 3-Schicht-Arbeit - und da wurde mir klipp und klar gesagt,
dass ich also erstmal als Frau, dann war ich über 40 schon zu alt
und dazu noch, äh, als Ingenieurökonom, dann würde ich sowieso keine Lust zu dieser Arbeit haben
und wenn ich ein Mann wäre, hätten sie mich genommen.
Das war also echt deprimierend, dass man also mit über 40 schon zu alt ist zu arbeiten.
Also diese Behandlung ist sehr unterschiedlich Mann/Frau?
Ja, ja, das merkt man auch in der ganzen Bezahlung, äh, in den Betrieben selbst, die haben andere Steuerklasse.
Die Männer - auch wenn sie verheiratet sind - die verdienen mehr Geld und sind ganz anders anerkannt.
Also ich meine, es wird nur von der Gleichberechtigung der Frau gesprochen, aber das ist nicht so. Das ist eigenartig.
Sie haben also zeitweise eine Tätigkeit ausführen müssen, die weit weg von Ihrer Qualifikation liegt?
Ja, ja, ich sprech zwar nicht gern davon, ich meine, ich bin zwar nicht zu gut zu irgendeiner Arbeit,
aber es ist deprimierend, wenn man, ähm, in einem Haushalt, in einem Privathaushalt,
den Leuten den Schmutz, den sie selbst sich machen, die es sich leisten können also eine Reinigungskraft zu haben, dann die Wohnung sauber zu machen.
Das habe ich also aber auch nur durch eine Vermittlung bekommen, sonst äh
- die Frau bei uns im Haus, die kannte die Dame, die da jemand suchte und hat mich da untergebracht, sonst hätte ich das auch noch nichtmal bekommen.
Das ist also wirklich sehr, sehr schwierig. Und das war nicht gerade sehr schön.
Ich habe es also gottseidank nur reichlich vier Wochen machen brauchen
und durch diese Frau, wo ich geputzt habe - also nennt sich ja Putzfrau drüben -
äh, die hatte mir dann in dem Betrieb, wo sie schon viele Jahre ist, äh, das angeboten.
Ich sollte also hinkommen zum Gespräch.
So und da bin ich am 1. Dezember habe ich da angefangen. Ich war im November zum Gespräch.
Ich habe aber dann hinterher erfahren, dass es an und für sich auch eine Sache ist,
ein Politikum, Eingliederung von DDR-Bürgern. Ich war also die einzige zu der Zeit,
die der Betrieb genommen hatte und der Chef selbst, äh, ist an sich nicht sehr menschlich.
Aber er hat einen Vorteil davon gehabt. Also er hat ein halbes Jahr das Gehalt vom Arbeitsamt wohl für mich bekommen,
also er hat im Prinzip ein halbes Jahr habe ich, der Betrieb hat mir das zwar bezahlt, aber das Geld bekommen, hat er vom Arbeitsamt.
Sie haben also diese, äh, sehr oft zitierte Freiheit der Persönlichkeit,
von der in der Bundesrepublik sehr oft die Rede ist, sehr direkt kennen gelernt während Ihres Aufenthaltes in der BRD?
Ja, ja, die sogenannte Freiheit
ja besteht vielleicht für einige, äh, Bürger, oder für junge Leute im Reisen
und ähm, dass sie vielleicht mal ein Wort zu viel sagen können, aber außerhalb des betrieblichen Geschehens.
Also die ständige Angst an und für sich den Arbeitsplatz zu verlieren, wenn man unbequem wird, kann das sehr schnell passieren,
wenn man zu viel da sagt.
Und auch in unserem Betrieb musste ich sagen, ich bin ja also hier die ganzen Jahre seit meiner Lehrzeit im FDGB gewesen
und war proforma auch im DGB da in dem Betrieb,
aber der Betriebsrat selbst, der hat mehr für den Unternehmer, für den Arbeitgeber gesprochen
und den unterstützt als die Arbeitnehmer. Das muss ich also wirklich sagen.
Ich habe da eine Versammlung miterlebt, also das ist nicht sehr schön gewesen.
Sie haben also, äh, viele Unterschiede kennengelernt,
Unterschiede zwischen dem Leben hier in der DDR, dem Leben in der BRD.
Welche Unterschiede im beruflichen Leben, im privaten Leben,
die für Sie am gravierendsten sind, möchten Sie vielleicht gerne feststellen?
Ja die Unterschiede im beruflichen Leben jetzt, ähm,
ich habe wie gesagt keine Kleinkinder mehr, ich habe also Enkelkinder - zwei.
Aber mich hat das irgendwie bewegt im Betrieb selbst, als ich dann tätig war ab Dezember,
dass von fünfzehn Lehrlingen nur drei also nach Beendigung der Lehre übernommen wurden.
Was geschieht mit den anderen?
Die werden also entlassen. Der Arbeitgeber weiß genau, wenn er die 22 Tage noch nach Beendigung der Lehrzeit beschäftigt,
dann, äh, kriegen sie Arbeitslosengeld in der etwa Höhe, wie sie verdienen würden.
Das wissen die und dann muss, also die Prüfung ist fertig und am anderen Tag ist der Lehrling - oder der jetzt Facharbeiter - entlassen
und damit bekommen sie zwar auch etwas, äh, Arbeitslosengeld, was niedriger liegt, als das Lehrlingsentgeld - wie wir es jetzt hier sagen.
Und das nur ein halbes Jahr, dann müssen die Eltern für die aufkommen.
Das bedeutet also, dass auch das Mädchen, der ich zur Prüfung verholfen hatte,
äh, zwar also Arbeitslosengeld bekam, ich glaube knapp über 400 Mark,
aber wenn sie da auch also wohnen wollen und essen wollen, ist das absolut gar nichts - kann man nicht existieren.
Und sie hat dann wohl in einer Bügel-, äh, Bügelanstalt
oder so Bügelfirma angefangen zu arbeiten.
Also vollkommen zweckentfremdet, was sie gelernt hat, sie hat also Wirtschaftskaufmann gelernt.
Das ist nicht in Ordnung. Und die ganzen anderen, was da draus geworden ist, das kann ich also nicht sagen.
Es sind wie gesagt nur drei übernommen worden.
Wie ist das mit den Verhaltensweisen der Menschen in der Gegend, in der Sie waren?
Ja, ich möchte so sagen, dass eben die BRD-Bürger,
einige, vielleicht mal ein paar getragene Sachen oder so abgeben
und meinen damit, äh, dass es nun sehr viel gewesen ist und, äh, die Menschen damit glücklich machen,
aber die Bindung von den Menschen selbst, die fehlt.
Man ist also völlig allein gelassen, ob das jetzt von den Behörden ist - man wird zwar aufgenommen,
man kriegt also auch ein Laufgeld, man meldet sich in dem Ort, wo man ist, an, aber das ist auch alles.
Und das weitere, ob der Mensch irgendwie menschliche Bindung gefunden hat oder sowas, ist absolut nicht.
Das ist also, äh, meines Erachtens sehr, sehr schlecht.
Und die Menschen selbst, die sind alle zu sehr mit sich beschäftigt
und sie sind ja auch nicht sehr erbaut von den DDR-Bürgern, die da übersiedeln,
weil die der Meinung sind, das Leben ist sehr schwer drüben, wer nun da zu Hause ist, wird also nicht weggehen,
aber die DDR-Bürger nehmen ja dann noch die wenige Arbeit, die vorhanden ist,
also ist auch, ähm, diese menschlische Beziehung sehr gestört,
weil sie die ja als Eindringlinge auch betrachten und vielleicht auch mit Recht.
Ihre eigenen Kinder liegen auf der Straße oder sie selbst und die DDR-Bürger kriegen dann dort und da mal eine Arbeit
und selbst die eine Stelle, die vielleicht vergeben wird. Und deshalb ist die Beziehung also
- aber auch untereinander sind die BRD-Bürger nicht so hilfsbereit wie hier,
also wenn man in Not ist in der Hausgemeinschaft oder so, das gibt es nicht.
Sie sind ja hier groß geworden, Frau [anonymisiert], welche der sozialen Errungenschaften,
die Sie hier kennengelernt haben in der DDR, haben Sie in der BRD besonders vermisst?
Ja vielleicht nochmal auf die Kinder zu sprechen zu kommen. Ich habe also wie gesagt Enkelkinder,
da habe ich es im Kindergartenalter, äh, gemerkt,
Krippenplätze gibt es überhaupt keine, das ist also eine Errungenschaft, die ganz enorm ist.
Kindergarten gibt es teilweise von der Kirche, so halbtags,
und wenn man Glück hat, wie meine Tochter, dann doch ein Ganztagsplatz zu bekommen nach zwei jährigem Warten,
äh, muss sie also täglich das ganze Essen mitschicken, also auch das Mittagessen in einem Behälter.
Das wird dort warm gemacht und zahlt extra noch 145 Mark im Monat.
Es kann passieren, also wie es in München aussieht zum Beispiel,
dass, äh, ein Vollverpflegungsplatz für acht Stunden wohl,
dann bis an die 600 Mark kosten kann, Pflegestellen oder Kindergartenstellen.
Und das ist also ein echter Nachteil und auch Schulhort gibt es ja keinen.
Also wenn jetzt eine Frau ein Kind hat, man kann doch so ein sechsjähriges Kind, was zur Schule kommt oder fast sieben Jahre
- ist ja wirklich noch ein Kind und muss erst mal an die ganzen Dinge herangeführt werden,
ob das der Straßenverkehr ist, ob das sonst was ist, der ja weitaus größer und gefährlicher noch ist für so ein Kind
und man kann es sich auch nicht selbst überlassen mit dem Schlüssel. Da sind auch die Gefahren zu groß,
die sogenannten Vertreter, die in die Häuser kommen und alles, da möchte das Kind ja nicht die Tür aufmachen - ist schon soviel passiert.
Also muss die Mutter zu Hause bleiben. Ja was dann. Das ist also...
Medizinische Kosten?
Medizinische Kosten, die Arztbetreuung selbst ist bei den Kindern, äh, ohne Entgeld,
auch die sonstige Medizin ist für die Kinder ohne Entgeld,
aber was jetzt, ähm, sonstige Leistungen wie Brillengestelle zum Beispiel sind,
was ein Kind braucht, also meine Nachbarin hatte drei Jungs.
Der mittlere war etwas sehr ungeschickt und hat sehr oft die Brille verloren oder zerbrochen.
Ich sage, die hat schon fast an 1000 Mark Brillengestell bezahlt, weil ein Brillengestellt bis zu 150 Mark für so ein Kind kostet
und das trägt also keine Kasse. Das gibt es nicht.
Sie haben, ähm, sicher, äh, eine Wohnung gehabt, äh, was, äh, zahlt man da so Miete?
Ich habe also, äh, eine 3-Raum-Wohnung gehabt aus dem einfachen Grund
- es klingt zwar viel für mich alleine - die war aber nur 57 Quadratmeter groß
entgegen der 1-Raum-Wohnung, die weitaus größer war und auch beträchtlich teurer.
Die 1-Raum-Wohnung hätte fast 600 Mark gekostet und diese Wohnung habe ich für 462 Mark
und ich weiß es jetzt nicht mehr genau 40 Pfennige wohl, äh, bekommen.
Musste aber auch eine Kaution legen von 1200 Mark.
Stabil der Mietpreis in der Zeit?
Nein, ich habe angefangen mit knapp über 400 Mark und hatte in der Zeit zwei Mieterhöhungen
ohne dass an unserem Haus eine Veränderung oder Verbesserung getroffen wurde.
Das wird einfach dann aufgerechnet, das ist teurer und jenes ist teurer
und dazu kommt noch, das war eine Genossenschaft, dass die unwahrscheinlich bauen und sehr teuer die Wohnungen,
es stehen sehr viel leer und das müssen die anderen Mieter mit tragen.
Den Mietverlust stecken die nicht ein, sondern sie werden die Mieten erhöht.
Und es muss ja auch was stehen in der Wohnung. Sie haben sicherlich, äh, für Möbel und ähnliche Dinge einen Kredit aufgenommen?
Ja, ich habe also wie gesagt den Übersiedlerkredit, den Einzelpersonen von 3000 Mark bekommen.
Ich musste aber 1200 Mark für die Wohnung sofort legen
und 1350 Mark habe ich für mein Umzugsgut von hier nach der BRD
der Spedition Weigert ist es glaube ich, Bartsch und Weigert, bezahlen müssen.
So und da blieb ja von den 3000 Mark nichts mehr.
Dann habe ich mir noch ein Fahrrad gekauft, um die Wege zu erledigen, weil das Fahrgeld ja so enorm teuer ist
und musste dann einen Kredit aufnehmen von 5000 Mark. Mir also die Küche gekauft, die Schlafstube
und in der Stube hatte ich mein Mitgebrachtes und vom Sperrmüll Sitzelemente,
die kann man sich da wegnehmen, weil ich also nicht mehr kaufen konnte, Miete war ja auch gleich fällig
und vorrichten musste ich auch in der Wohnung und äh,
habe das in den anderthalb Jahren zurückzahlen müssen mit enormen Jahreszins.
Das ist also sehr hoch. Ich habe an die 7000 Mark zurückgezahlt für 5000 Mark Kredit.
Und das war noch eine Sparkasse, die an sich einen ziemlich geringen Jahreszins wohl hatte.
Da gibt es weitaus höhere. Und da kann man sich unwahrscheinlich in Schulden verstricken drüben,
weil dort drei, vier Kredite aufgenommen werden können. Das schicken die sogar ans Haus.
Da genügt nur eine Unterschrift, dann kommt es Geld per Post.
Ja und da liest man 72 Monatsraten auch wenn schon ein Kredit läuft und so
und wenn man sich das aber mal richtig ausrechnet, merken die Leute gar nicht, wie sie für dumm verkauft werden, was sie eigentlich zurückzahlen.
Frau [anonymisiert], wie ist es unter diesen Umständen, äh, mit dem Gefühl der Sicherheit im Leben,
der Beständigkeit, der Berechenbarkeit?
Die Beständigkeit, die Sicherheit ist also absolut nicht gegeben.
Die Sicherheit schon, äh, in der Form nicht,
es ist sehr schnell üblich, dass man sich also alles kaufen kann, das stimmt schon, mit Krediten.
Aber die Sicherheit des Arbeitnehmens ist ja nicht gegeben
und sobald man dann dort also nicht mehr zahlen kann, dann ist das Zeug
- da fragen die nicht danach, ob man Kinder hat, ob man keine hat oder so. Das ist nunmal so.
Und die Sicherheit als solche nicht, der ganze,
die ständige Angst auch den Arbeitsplatz zu verlieren. Da traut man sich also schon gar nichts auf Arbeit zu sagen,
vor allen Dingen, wenn man dann etwas älter ist.
Und die Sicherheit, wenn man jetzt mit Kindern dahin geht, ist absolut nicht gegeben.
In die Schule gehen ja, aber alles andere - einen ordentlichen Beruf zu erlernen und so -
das ist also sehr problematisch und das würde ich also meinen Kindern nicht zumuten.
Ich gehe davon aus, Frau [anonymisiert], dass Sie in der BRD auch mit
DDR-Bürgern zusammengekommen sind, die übergesiedelt sind.
Ja, also äh, es sind mit Familien,
die also jetzt als Kollegen meines Sohnes damals auch hier in der DDR gelebt haben in Dresden selbst.
Von einer Familie weiß ich auch, dass sie also
mit vielen Dingen nicht einverstanden sind, deprimiert sind, oder mein ehemaliger Arbeitskollege,
er selbst nicht, aber seine Frau, also sie traut sich das aber wahrscheinlich nicht offen kundzutun,
oder es sind bestimmt einige, die den Mut nicht aufbringen,
das zu sagen, was sie wirklich anders empfinden.
Ich meine, ich kann ja nicht losgelöst, weil ich keine Kinder mehr habe,
oder, oder äh, keine Kleinkinder mehr habe,
kann ich mich einfach von den Dingen nicht loslösen, die mich also bewegt haben,
ob das Lehrlingsausbildung ist, ob das im Betrieb selbst ist, oder Kindergarten-, Kinderkrippenplätze,
das sind so viele soziale Dinge, die keine Sicherheit bieten für die Leute.
Oder zum Beispiel wenn jetzt eine Mutter öfters krank sein muss, der Kinder wegen,
ich habe also so eine Kollegin gehabt hier in der DDR.
Ich habe denen also auch geschrieben auf Anfrage hin, äh,
dass es also sinnlos ist einen Antrag zu stellen aus den Gründen heraus, wie ich es Ihnen heute so gesagt habe.
Dass die Kinderkleidung sehr teuer ist, sehr, sehr teuer, dass man also wenn man zwei Kinder hat,
schon ganz schön aufpassen muss, um da in der Waage zu bleiben.
Und, äh, dass sie also keine Arbeit kriegt, weil keine Hortplätze gibt
und wenn sie Arbeit bekommt dann später, dass wenn die Kinder krank sind und sie oft zu Hause bleiben muss,
also dann ist der Platz weg. Irgendeine Möglichkeit findet der Betrieb
und hat dort immer Möglichkeiten, da Menschen von der Bildfläche verschwinden zu lassen.
Dann ist man von heute auf morgen also arbeitslos.
Aus Ihren persönlichen Erfahrungen heraus, über die Sie heute gesprochen haben,
welchen Rat würden Sie DDR-Bürgern erteilen, die irregeleitet durch BRD-Medien
oder durch Verwandtenratschlag in die BRD übersiedeln wollen?
Na meine Meinung ist, ich habe auch zwar gewusst, dass es nicht leicht sein wird.
Ich bin also nicht mit den Vorstellungen wie vielleicht manche jüngere Leute gehen,
dass also der "Goldene Westen", wie es immer noch heißt und die BRD und dort kriege ich alles umsonst und halb geschenkt,
das ist also absolut nicht so. Denn der ganze Lebensunterhalt ist sehr, sehr teuer.
Das sollten sich die Leute überlegen, wenn sie Familie haben.
Und dann eben die Unsicherheit: Sie wissen nie, bekommen sie überhaupt Arbeit -
es sind viele, die noch keine haben.
Denn das Arbeitsamt kümmert sich nicht drum. Und auch von der ganzen Arbeit her,
gerade die Frauen, wie gesagt, sind überhaupt nicht gleichwertig.
Hier wird man als Frau genauso wenn man die Tätigkeit eines Mannes macht,
was sonst speziell früher Männer gemacht haben.
Gleichwertige Bezahlung, man ist geachtet, man ist anerkannt und kommt genauso weit im beruflichen Leben. Aber das ist in der BRD nicht so.
Frau ist bloß auf dem Papier Frau, aber sonst gleich null, würde ich sagen.
Das ist mein eigenes Empfinden gewesen.
Also ich kann bloß vor dem Schritt sagen und auch vorallem für Ältere,
die jetzt der Meinung sind, sie müssen zu den Kindern,
ich würde es nicht wieder tun. Ich würde auch keinem dazu raten.
Ich danke Ihnen, Frau [anonymisiert], für dieses Gespräch.
Frau [anonymisiert] lebt heute wieder im Bezirk Rostock.
Äh, sie hat, äh, die DDR im Jahr 1984 verlassen
und äh, nach kurzer Zeit hat sie wieder einen Antrag gestellt auf , äh, Rücksiedlung in die Deutsche Demokratische Republik.
Frau [anonymisiert], was waren die Erlebnisse, was waren die Erkenntnisse, die Erfahrungen,
die Sie bewogen haben wieder in die DDR zurückzukehren?
Ja, zuerst war es Enttäuschung des Partners.
Dann Heimweh der Familienmitglieder.
Und Heimweh in die Heimat.
Dort wo ich groß geworden bin, aufgewachsen bin,
das konnte ich nicht so einfach verlassen.
A wegen der Enttäuschung und B,
wenn man enttäuscht ist, sehnt man sich nach wertvollen Menschen zurück in die Heimat.
Sie waren, äh, ein viertel Jahr in der BRD,
äh, dann haben sich die Hoffnungen auf eine persönliche Familienzusammenführung zerschlagen,
und äh, Sie haben diesen Schritt zurück in die DDR getan?
Ja, das ist richtig.
Äh, nach den Erfahrungen, die Sie in der Bundesrepublik gesammelt haben,
was äh, ist dort für einen Menschen, der
sein Leben lang hier aufgewachsen ist - gesellschaftlich, sozial, beruflich -
anders? Welche Beobachtungen haben Sie da gemacht?
Naja, das gesellschaftliche Leben in der BRD ist ganz anders.
Die innere Bindezusammengehörigkeit,
das vermisst man dort sehr.
Äh, man kann den Sozialismus nicht mit dem Kapitalismus vergleichen
und die Arbeitslosigkeit der jetzigen jungen Menschen,
das hat mich auch sehr fasziniert.
Ja man hört sehr viel, Frau [anonymisiert], über die hohe Arbeitslosigkeit besonders unter den jungen Leuten in der Bundesrepublik.
Ja, das war für mich auch sehr beeindruckend,
dass jetzt die jungen Leute so ohne Arbeit sind.
Sie können sich beruflich nicht ausbilden lassen,
liegen auf der Straße, haben kein Geld,
müssen Sozialrente bekommen
und schon sind sie auf der Bahn
und kommen ins Schleudern.
Was würden Sie Bürgern der DDR raten, die, äh,
darüber nachdenken, in die BRD zu gehen?
Ja, sie sollten sich das nochmals vor Augen halten,
dass es eben die reine Wahrheit ist, was unsere Zeitungen schreiben
und was oft in der aktuellen Kamera dargestellt wird.
Dass es die Wahrheit, die reine Wahrheit ist,
dass dort in der BRD die Arbeitslosigkeit so hoch ist.
Wie sieht es mit Chancen aus, äh, für einen Neubeginn in der BRD?
Ja, eine Chance ohne Arbeit?
Das ist keine Chance. Ich meine, dass ist immer das A und O,
ein geregeltes Leben nachzugehen.
Arbeiten und Geld verdienen.
Denn ohne Geld - die Preise sind sehr hoch, Mieten,
die ganzen Verpflichtungen, die man hat.
Dann nur eine Sozialrente,
die 14 Monate Arbeitslosenunterstützung
sind schnell abgelaufen. Und dann?
Habe ich noch Kinder mit, die dann auch einen Beruf lernen möchten und müssen.
Tja, da sind die Chancen dann auch sehr gering
und sowas kennen wir ja alles nicht.
Mit solchen Dingen leben zu müssen, ist nicht einfach.
Danke Ihnen sehr für dieses Gespräch.
Wir sind in Wustrow in Mecklenburg, im Bezirk Neubrandenburg.
Wir sprechen mit Frau [anonymisiert], die mit ihrer Tochter [anonymisiert]
einen Antrag auf Rückkehr aus der BRD in die Deutsche Demokratische Republik gestellt hat.
Frau [anonymisiert], waren die Gründe für Sie und äh, für Ihre Tochter [anonymisiert],
die ja inzwischen in der DDR verheiratet ist
und für Ihre Tochter [anonymisiert] ein Ersuchen zu stellen für die Rückkehr in die Deutsche Demokratische Republik?
Also erstmal das ganze Leben dort drüben,
Zusammenleben mit den Menschen dort,
also obwohl es Deutsche sind, sind es eigentlich für uns doch Fremde ne gewesen,
die ganze Zeit über, wo wir da waren. Und wir brauchten nicht lange um zu sehen, dass wir da nicht hingehören.
Und dann haben wir eben uns kurzer Hand entschlossen,
uns doch wieder an die DDR zu wenden, ob wir nicht wieder zurückkehren können.
Warum hatten Sie die DDR verlassen?
Das war, auf Grund einer Familienzusammenführung
haben wir erhofft, dass wir in der BRD
also wieder glücklicher zusammenleben können, also die ganze Familie
und uns unsere Einschr..., also wir haben vorher genug Einschränkungen gehabt, ne,
sollen wir das machen oder sollen wir es nicht machen.
Aber durch Telefonate mit Verwandtschaft
haben wir dann eben doch uns entschlossen, doch rüber zu gehen in die BRD
und als wir dann drüben waren, haben wir das eben nicht so vorgefunden,
also nicht gleich, aber nach einer gewissen Zeit wurde es dann doch problematisch für uns da drüben, ne.
Und wir haben uns kurzer Hand dann doch entschlossen,
also so schnell wie möglich wieder zurückzukehren.
Da wir von der Verwandtschaft erst auch viel Unterstützung hatten, ne und nachher ließ das auch immer mehr nach,
desto länger wir da waren. Das war eben bloß zum Anfang.
Nachher ließ das alles nach.
Wir waren dann praktisch auf uns allein gestellt, ne.
Vom Staat, also da drüben Unterstützung und so weiter hat man ja dann auch nicht.
Wir war es mit der Arbeit in der Bundesrepublik?
Arbeit sah es ganz schlecht aus. Für uns vorallen Dingen, weil wir keine,
also keine ausgebildete Arbeit, also ich kein Abschluss hatte, mein Mann auch nicht, ne.
Ich habe nur Teilfacharbeiter gemacht.
Und in meiner Richtung, also Datenverarbeitung, war es sowieso schwer da drüben etwas zu kriegen.
Die ganze berufliche, die ganze gesellschaftliche Eingliederung?
Ist schlecht. Also war schlecht erstmal schon, ne. Vorallen Dingen wir mussten, haben uns selbst bemüht,
viel bemüht und viel geschrieben, also in Zeitschriften, wenn wir Annoncen und so lasen, ne
haben wir selber uns bemüht, rumgefahren,
geguckt wegen Arbeit. Wenn irgendwas, wenn wir gehört haben bei Freunden oder Bekannten hingefahren. Aber meistens war das schon weg.
Obwohl ja sehr viele Stellenanzeigen in der Zeitung stehen.
Es sind viele Stellenanzeigen drin, ne, und übers Arbeitsamt wird natürlich auch vermittelt,
aber die wollen eben nur Fachkräfte, ne.
Und wenn sie selber hinfahren, dann ist das so, dass da schon ein Haufen sitzen
und da wird natürlich der genommen - wie mir bekannt ist, ne -
und der da auch Verwandtschaft schon hat im Betrieb dort selbst
und vermittelt werden kann durch diesen Verwandten.
[anonymisiert] wie war das bei Ihnen. Äh, Sie sind ja knapp 20 Jahre.
Gab es die Möglichkeit für Sie vielleicht eine Lehrstelle zu finden in der Bundesrepublik,
was zu lernen, also einen Beruf?
Ist schlecht.
Wir haben ja auch zig Bewerbungen abgeschickt, ne und alles.
Manche haben gar nicht geantwortet und eben auch nur Absagen gekriegt.
Wenn wir auch mal selber hin waren und so,
dann sollten wir eben Bescheid kriegen oder die haben uns eben gleich gesagt, dass nichts ist, ne.
Und nur Gelegenheitsarbeit dann eben für ein paar Stunden,
wenn man gebraucht wurde.
Was haben Sie dann gemacht?
Ja, machen konnte man da gar nichts. Wir haben eben immer weiter geschrieben,
auch eben durch Zeitungen, ne, Zeitungsannoncen oder eben selber hingefahren und gefragt, aber meistens nicht.
Da wird man auch erst angeguckt, bevor man eingestellt wird, ne. Sagen wir mal so.
Und da blieb übrig, äh, auch nur Gelegenheitsarbeit?
Ja, auch bloß, wenn man gebraucht wurde, am Wochenende eben.
Mal für ein paar Stunden. Aber sonst war da auch nichts.
Ich meine, Geschäfte und sowas sind ja genug da, aber eben keine freie Stelle.
Und es sind ja auch genug Jugendliche in der BRD, die noch suchen, ne.
Die kriegen ja auch nicht.
Und das ist eben hier nicht, ne. Man hier eben seine Arbeitsstelle kriegt.
Was ist für junge Menschen, äh, die aus der DDR in die Bundesrepublik gegangen sind,
dort anders als hier? Worin sehen Sie den Unterschied?
Ja, erstmal die Kontakte auch, ne. Kontakte zwischen den Jugendlichen.
Bei uns hier sind sie kontaktfreudiger, wenn man sich
auf der Straße trifft oder auch so in Diskotheken, ne.
Dass man da gleich angesprochen wird. Und wenn man da irgendwo hinkommt, dann entweder wird man gar nicht angeguckt
oder eben bloß schief von der Seite, ne. Und auch so auf Diskos, da sitzt man dann eben bloß rum, wenn man da niemand kennt, ne.
Und was waren die Gründe für Sie? Warum sind Sie zurückgekehrt?
Es war allgemein. Mir hat es von Anfang an da nicht gefallen, ne.
Auch erstmal die Umstellung und alles.
Dann war der Vater von meiner Tochter ja auch hier, ne.
Ich konnte mich da nicht einleben.
Frau [anonymisiert], was machen Sie jetzt, äh, persönlich?
Zur Zeit bin ich zu Hause, weil ich das Baby habe.
Hm, damit ich mich um meine Tochter eben kümmern kann, ne,
mich mit ihr beschäftigen kann mehr.
Und nach dem Babyjahr dann eben wieder arbeiten und später dann mal vielleicht Erwachsenenqualifizierung, ne.
Frau [anonymisiert], Ihre Rückkehr in die DDR, wie sind Sie beruflich und gesellschaftlich integriert?
Wie geht es Ihnen persönlich?
Na, beruflich bin ich gleich also voll eingesetzt worden wieder, kann man sagen.
Ich wurde gleich in einen Betrieb vermittelt und auch ein gutes Kollektiv.
Ja und die Arbeit da ist eigentlich schwer, aber macht Spaß.
Man sieht, was man schafft, ne.
Gesellschaftlich, naja ist nicht doll noch nicht.
Aber das läuft ja alles erst an. Ich muss mich erst selber drum kümmern, dass ich wieder aufgenommen werde.
Die wissen ja nicht, wo man in welcher Gesellschaft man ist, ne.
Fühlen Sie, dass Sie gebraucht werden?
Aja, bei uns im Betrieb schon. Denn Leute fehlen überall an den Enden.
Äh, Sie haben die DDR kennengelernt, Sie haben die BRD kennengelernt,
äh, Sie haben sicherlich nach langem Überlegen den Entschluss gefasst wieder zurückzukehren.
Was möchten Sie Mitbürgern empfehlen,
die sich mit dem Gedanken tragen, in die BRD überzusiedeln?
Na, dass sie nicht einmal sondern mehrmals erstmal gründlich überlegen sollen.
Denn was man sich hier aufgebaut hat und geschaffen hat, das kriegt man da drüben nicht so schnell wieder.
Man hat zwar die Unterstützung erstmal da auch vom Staat, dass man soundsoviel Mark kriegt,
aber dafür kann man sich nicht das kaufen. Man kann sich zwar einrichten.
Man sich kaufen, was man möchte, ja, aber die Freunde und Bekannten,
das kriegt man sich ja nicht dadurch zurückgekauft, kann man sagen, ne.
Und sowas kann man sich auch nicht kaufen.
Und da erstmal durch zu kommen, das ist sehr schwer, ne.
Das ist hier doch anders, weil man hier aufgewachsen ist, die Menschen kennt.
Und auch die Umgangsformen sind hier anders, ne, wie da.
Also der Unterschied ist zu krass. Wenn man dorthin kommt, ist zwar gut und schön die ersten paar Wochen,
aber wenn man das Leben da länger kennt, dann sagt man sich auch:
"Mein Gott, wo bist du bloß hingeraten", so ungefähr, ne.
Ich danke Ihnen für dieses Gespräch.
Es war ein langer Weg für Frau [anonymisiert] und ihre Enkeltochter
von Güstrow nach Güstrow.
Sie stellte 1984 den Antrag auf Übersiedlung in die BRD
und bat 1985 um Rückkehr in die Deutsche Demokratische Republik mit ihrer Enkelin.
Frau [anonymisiert], wie fing das eigentlich alles an?
Ja, ich habe den Antrag gestellt, weil meine Tochter 1984 verstorben war
und da wusste ich nicht mehr ein und aus und habe dann eben so gedacht, ich gehe zu meinen Verwandten,
zu meinen Kindern, zu meinem Bruder und alle, die ich da habe, um das irgendwie vergessen zu können.
Aber das war nicht der Fall. Ich, das kam bald soweit, dass ich mich nach Hause sehnte.
Das dauerte gar nicht allzu lange, da bekam ich Heimweh nach Hause
und es gab da auch verschiedene Schwierigkeiten.
Was waren so die Erlebnisse, die Erfahrungen, äh, die Motive, die Sie dann bewogen haben, den Antrag zu stellen.
Ja, das war erst, ja, erstmal war ein ganz großes Heimweh vorhanden.
Dann, wenn ich da weiter gelebt hätte, das war die Arbeitslosigkeit, die mich da bedrückt hat,
denn ich habe nie gewusst, ob ich später mal Arbeit bekomme da.
Ich habe erstmal, äh, Arbeitslosenunterstützung gekriegt. Das waren 600 Mark,
allerdings für halbtags angerechnet, weil ich nur halbtags arbeite, habe ich da 600 Mark bekommen.
Und die kleine hat Waisenrente bekommen, 228 Mark, 50 Mark Kindergeld.
Ja, wir kamen soweit hin, weil wir noch keine Wohnung hatten.
Sie wohnten bei Verwandten?
Wir wohnten bei meinen Verwandten, aber wenn wir erst eine Wohnung gehabt hätten, dann wärs natürlich ein bisschen anders.
Dann wäre die Miete von abgegangen und dann hätten wir natürlich grade knapp zu leben gehabt.
Ja, ansonsten es fehlte der Freundeskreis,
meine Arbeitskollegen und alles andere drumrum, was man hier so hat, das habe ich da vermisst.
Sie sind ja hier großgeworden?
Ja, ich habe 40 Jahre in der DDR gewohnt.
Was, äh, was haben Sie anders empfunden, was haben Sie vermisst?
Ja, wie soll ich das sagen, eben alles drumherum um mich.
Ich habe da irgendwie gesagt, die Freunde habe ich vermisst und meine Arbeit, weil ich ja keine Arbeit da hatte.
Da saß ich den ganzen Tag dann rum. Die Arbeit fehlte mir.
Und ich wusste einfach nicht, wie es weiter gehen soll, auch für [anonymisiert] später nicht.
Frau [anonymisiert], Sie sind in einem Moment sehr großer persönlicher Bezweiflung in die Bundesrepublik gegangen.
Was, äh, war denn das Wesentliche, das schon nach wenigen Monaten Sie sich entschlossen haben zurückzukehren?
Tja, das, das war eben das ganz Fremde da.
Das hat mich total überwältigt und denn kam ich nicht mit meinen Kindern so zurecht.
Das war alles vorher anders. Als ich dann da war, hat sich alles ganz anders für mich ergeben.
Also da kam auch dann Streit zustande der Kinder wegen.
Und das fing überhaupt an, ich fühlte mich dann überhaupt nicht mehr wohl.
Und wenn wir denn erzählt haben, dann sprach ich immer von der DDR und von zu Hause.
So dass sie schon sagten: Mutti, du bist jetzt hier, du bist nicht mehr in Güstrow.
Aber es war immer mein zu Hause hier. Ich sprach nur von zu Hause.
Das macht wohl auch, weil ich eben schon die ganzen Jahre lebte und alles kannte
und da drüben mir alles vollkommen fremd war und...
Ich kam da eben nicht zurecht.
Auch die Menschen, der Kontakt fehlte überall. Wir waren vollkommen auf uns alleine gestellt.
Ja, wenn ich nicht gerade mit meinem Bruder und so erzählen konnte, sonst waren wir irgendwie alleine.
Nur mit den Verwandten mal ein paar Worte, aber sonst waren wir vollkommen alleine.
Und dann auch die viele Lauferei, um alles in die Wege da zu leiten.
Das ist alles so, ist schwer, dass man das in diesem Alter alles noch so machen muss.
Das ist alles hier einfach für uns. Hier wird uns überall geholfen.
Und da muss man alles so alleine belaufen
und sich da noch reinzufinden, da ist man einfach nicht mehr jung genug zu..
Tja
Und dann auch, eben wie ich schon mal sagte,
mit der Arbeitslosigkeit, mit [anonymisiert], was die Zukunft bringt. Das sagte ich ja schon mal.
Und äh, tja, was soll ich noch...
eben die Geborgenheit, die fehlte an allen Ecken, die fehlte überall.
Der Weg für die jungen Leute und das beginnt ja im Grunde schon in der Schule, ist ja relativ schwer.
Ja. Ist schwer, ja. Ja. Ne, ich bin eigentlich froh, dass ich sie hier wieder einschulen konnte
und das wir da gar nicht damit anfangen brauchen, denn dass wär für [anonymisiert]
auch eine große Umschulung gewesen, zumal das Lehrmaterial wahrscheinlich auch viel, viel anders ist.
Und das habe ich auch alles nicht gemacht, weil ich ja wieder zurück wollte in die DDR.
Nu hat sie hier angefangen und wir sind sehr zufrieden
um zu Hause zu sein und ich habe eine sehr schöne Wohnung bekommen.
Ich bin sehr zufrieden damit. Die schöne Wohnung, die wir jetzt haben,
ne 2-Zimmer-Wohnung mit einer schönen großen Küche und Bad.
Es wurde uns alles sehr schön hergerichtet, tapeziert und neuen Ofen gesetzt.
Also wir fühlen uns wieder ganz, ganz wohl. Ich habe meine Arbeitsstelle wieder.
Ich verdiene mein Geld. Die kleine geht zur Schule, geht anschließend in den Hort.
Sie ist untergebracht, so dass ich keine Sorgen haben brauch.
Die Zukunft für die kleine [anonymisiert] gesichert?
Die ist gesichert.
Die lebt ja bei Ihnen?
Ja, die lebt bei mir.
Und ich bin auch froh, dass ich sie habe, weil sie auch keine Mutti mehr hat und ich bin ja nun auch alleine,
weil ich meine Tochter verloren habe. Tja.
Ich danke Ihnen sehr, Frau [anonymisiert]. Und wünsche Ihnen und der kleinen [anonymisiert] alles Gute.
Danke schön. Vielen Dank. Wir fühlen uns hier wirklich wohl.
Ich bin froh, dass wir wieder zu Hause sind. Das ist doch eine andere Welt.
Wissen Sie, zu Hause ist zu Hause. Weiß nicht.
Ich kann nicht mehr dazu sagen. Ich bin froh, dass ich hier bin.
Heute möchte ich Ihnen, liebe Zuschauer, Herr [anonymisiert] vorstellen aus Dresden.
Sie, Herr [anonymisiert], sind 1984 in die Bundesrepublik Deutschland übergesiedelt
und haben 1985 den Antrag gestellt, zurückzukehren.
Diesem Antrag ist stattgegeben worden. Wir möchten gerne wissen, was waren Ihre Motive,
aus denen heraus Sie und Ihre Familie in die BRD übergesiedelt sind?
Diese Frage ist nicht mit einem Satz zu beantworten.
Es war ein Prozess, der sich über Jahre hinweg ergeben hat.
Vielleicht ist es am besten so zu erklären, dass, äh,
nicht bei jedem Menschen, aber doch bei manchem
in der Mitte des Lebens ein Zeitpunkt kommt, äh, wo man sich fragt:
Was hast du bisher erreicht? Was hast du bisher geschafft?
Was hast du mit deinem Leben gemacht?
Man macht Überlegungen, was ist unter den gegeben Bedingungen zu tun
oder was ist sonst noch möglich?
Ich hatte damals versucht, äh, mich im Gewerbe selbstständig zu machen.
Der Versuch war, äh, nicht von Erfolg gekrönt.
Und ich habe nach anderen Alternativen gesucht.
Eine davon war, äh,
die Möglichkeit im anderen Teil Deutschlands zu versuchen,
mein Leben fortzusetzen.
Es war ein Entwicklungs- und Reifeprozess, der über Jahre ging
und es war auch nicht einfach, sich da zu entschliesen.
Das ist jedem bekannt, der hier in diesem Land groß geworden ist,
in seiner Heimat Freunde, Angehörige hat.
Und ich wusste, dass ich auch manches hinter mir lassen muss - manches für immer.
Und es war dann, äh, zu dem Entschluss innerhalb unserer Familie gekommen.
Wir wollen versuchen, in die BRD überzusiedeln,
versuchen beruflich dort Fuß zu fassen
und etwas Neues im Leben zu beginnen.
Für unsere damalige Betrachtung war es noch nicht zu spät.
Das heißt, sie sind mit gewissen Erwartungen in die Bundesrepublik gegangen?
Ja, meine Erwartungen waren, äh,
in erster Linie nicht-materieller Natur, möchte ich betonen,
sondern ich, äh, hatte einfach das Bedürfnis,
dass eine gute Arbeit auch eine Anerkennung findet,
dass man also sagen kann:
Ich bin mit dem, was ich getan habe, auch selbst zufrieden.
Habe etwas erreicht und, äh,
mit dieser Erwartungshaltung bin ich in die Bundesrepublik gegangen,
was dann natürlich auf mich zu kam, konnte ich in diesem Umfang nicht ermessen.
Verständlicherweise, da ich letztendlich Schilderungen
über das Leben in der BRD auch nur, äh,
entweder aus unseren Medien oder durch, äh, Berichte von Verwandten
oder Bekannten, die also - wie man im Nachhinein feststellen muss -
auch nur einen Teil des Bildes geben, nämich den angenehmeren Teil der Medaille.
Ja, Sie haben sich dann mit Ihrer Familie entschlossen,
sicherlich nach langen Überlegungen, den Antrag zu stellen zurückzukehren.
Dem sind Erfahrungen voraus gegangen. Welche Erfahrungen, welche Erkenntnisse möchten Sie, äh, hier gern darlegen?
Die Erfahrungen, äh, waren vielfältiger Natur.
Ich möchte vielleicht mit der Schmerzlichsten beginnen.
Das ist die Erfahrung, dass nicht zählt, ob man arbeiten möchte,
ob man gewillt ist zu arbeiten,
sondern dass es systembedingt davon abhängt,
was der Arbeitsmarkt an Chancen bietet.
Aber Sie sind doch Ingenieur und wie ich mich, äh,
in Ihrem Dresdner Betrieb habe überzeugen lassen, ein guter Ingenieur im besten Alter.
Das beste Alter, das mag für unser Land zutreffen.
Wie ich in der Bundesrepublik erfahren musste, ist man aus dem besten Alter mit Mitte 40 schon heraus.
Die Leistungsanforderungen sind also gegenüber denen in der DDR
wesentlich höher und auch die Personalpolitik
spiegelt sich darin wieder, dass also das gesuchte Alter bei Fachleuten
nicht über 35 liegt.
Man hat es scherzhaft so gesagt, dass man sich möglichst einen Ingenieur
mit 20-jähriger Berufserfahrung aber nicht älter als 28 Jahre wünscht.
Das ist aber ein makabrer Scherz.
Ich habe mich selber in über 30 Firmen beworben,
auch, äh, durch das Arbeitsamt sind Bewerbungen gelaufen, die nicht zu Erfolg geführt haben.
Ja, man hört ja manchmal noch Sprüche wie diese, äh,
wer unbedingt arbeiten will, der findet auch Arbeit.
Dieser Spruch war unter anderem auch dazu angetan,
mich in der Sicherheit zu wiegen, wenn ich in die Bundesrepublik gehe, dass ich Arbeit finde.
Denn arbeitswillig bin ich von Haus aus. Und ich musste mich leider eines Besseren belehren lassen
und würde aus meiner Sicht den Spruch umwandeln:
Arbeit findet, wer welche bekommt.
In unserem Gespräch hat, äh, wenn man so will, die Rolle
die Freiheit der Persönlichkeit eine Rolle gespielt, die Möglichkeit sich selbst zu verwirklichen.
Welche Freiheiten haben Sie kennengelernt, genossen in der Bundesrepublik?
Die Freiheit der Persönlichkeit ist ein weiter Begriff.
Ich möchte vielleicht, äh, einen Begriff zunächst herausnehmen.
Das ist der Begriff: Reisefreiheit.
Diese Reisefreiheit habe ich auch - soweit es mir meine Mittel und Möglichkeiten boten - genutzt.
Das war natürlich auch ein Punkt, der also ein Zugmittel war
bei der Ausreise, bei dem Gedanken.
Und die Freiheit der Persönlichkeit im Allgemeinen
ist ja nicht zu trennen, von der Freiheit zu leben.
Und das setzt voraus, ein Einkommen zu haben.
Und ein Einkommen wiederum ist durch Arbeit nur möglich.
Und da biss sich wieder die Katze in den Schwanz.
Und diese über achtmonatige Zeit der Arbeitslosigkeit
hat mir und auch meinen Familienangehörigen doch, äh,
psychisch schwer zu schaffen gemacht.
Das also der Entschluss reifte, den Versuch zu unternehmen,
wieder in, äh, unsere Heimat zurückzukehren,
wo wir als wirklichen, äh, großen Stellenwert
die soziale Sicherheit dann erst richtig, äh, begriffen haben.
Äh, Sie hatten ja hier doch berufliche,
soziale Perspektiven und Sicherstellungen in der DDR.
Nach Ihren Erfahrungen in der Bundesrepublik - wo liegen die Vorteile unserer Gesellschaftsordnung?
Ich würde sagen eindeutig in, äh, der sozialen Sicherheit,
wobei das ein weites Feld ist.
Das beginnt bei, äh, dem wichtigsten Problem,
dem Recht auf einen Arbeitsplatz.
Fühlen Sie sich, äh, gebraucht?
Ja, ja, eigentlich kann ich mir das selbst bestätigen.
Nachdem also nach meiner Rückkehr von, ähm,
dem Leiter des Betriebes, in dem ich zuletzt hier tätig war in der DDR,
und auch mit Zustimmung der Kollegen wieder dort beginnen durfte.
Sie haben einen sehr komplizierten Lebensabschnitt, äh, hinter sich, Herr [anonymisiert].
Wie beurteilen Sie nach Ihren persönlichen Erfahrungen die ja immer noch anhaltenden Versuche
von Massenmedien von gewissen Personen und Organisationen,
Bürger der DDR in die BRD zu ziehen und zum Verlassen der Heimat zu bewegen?
Aus persönlicher Erfahrung raten, sich, äh, die Dinge,
die anders sind als bei uns vor Augen zu halten.
Und an wichtigster Stelle nenne ich die soziale Sicherheit.
Denn das Recht auf Arbeit und auf einen Arbeitsplatz,
denn die vollen Schaufenster sind ja nur die eine Seite der Medaille.
Und auch den Schritt, den ich getan habe,
nämlich den Mut aufzubringen zurückzukehren,
sollte sich jeder, der mit ähnlichen Gedanken spielt, nicht zu einfach vorstellen.
Man kann nicht an dem gleichen Punkt wieder sein Leben in der DDR fortsetzen,
wo man es beendet hat. Es sind nicht mehr die gleichen Bedingungen,
es sind auch nicht mehr unbedingt die gleichen Menschen, mit denen man wieder zusammentrifft.
Das Außenministerium der Deutschen Demokratischen Republik hat, das sollte nicht vergessen werden,
rechtzeitig und deutlich erklärt, dass es einen Rücktausch in der Regel nicht geben kann.
Auch bei den Personen, denen aus humanitären Gründen die Rückkehr in unser Land bewilligt wurde,
meine Interviewpartner gehören dazu,
hinterließ das unnötige Hin und Her seine Spuren.
Sie haben - davon bin ich überzeugt - erfahren, dass man weder vor seinen Problemen
noch vor sich selbst davonlaufen kann. Schon gar nicht in Richtung Vergangenheit.
Meinen Gesprächspartnern fiel es - Sie werden das bemerkt haben, liebe Zuschauer - nicht leicht
über ihren Irrtum, über ihren Irrweg zu berichten.
Sie waren dennoch dazu bereit, um anderen ähnliche Erfahrungen zu ersparen.
Ich danke Ihnen.
Inoffizielle Mitarbeiter (IM) waren das wichtigste Instrument des Ministeriums für Staatssicherheit (MfS), um primär Informationen über Bürger, die Gesellschaft, ihre Institutionen und Organisationen der DDR oder im Ausland zu gewinnen. Unter Umständen hatten IM auf Personen oder Ereignisse in der DDR steuernden Einfluss zu nehmen.
In der DDR-Gesellschaft hießen sie "Spitzel", "Denunzianten" oder "Kundschafter". Mit der deutschen Einheit hat sich die Bezeichnung Inoffizieller Mitarbeiter des MfS für die heimlichen Zuträger etabliert. Sie lieferten u. a. Informationen über Stimmungen und Meinungen in der Bevölkerung.
Die SED-Führung wollte stets über die konkrete Situation und Lage in der DDR unterrichtet sein. Die IM hatten den Auftrag, "staatsgefährdende" Bestrebungen zu ermitteln, was beim MfS "politisch ideologische Diversion" bzw. "politische Untergrundtätigkeit" hieß. Der Bogen hierfür war weit gespannt und reichte von einer privaten Meinungsäußerung bis hin zu politischen Aktivitäten. Überdies sollten sie, wenn auch selten, direkt auf gesellschaftliche Entwicklungen oder einzelne Personen einwirken.
Die IM waren das wichtigste Repressionsinstrument in der DDR. IM wurden auf bestimmte Schwerpunkte angesetzt, von denen tatsächliche oder vermeintliche Gefahren ausgehen konnten. Diese Objekte und Territorien, Bereiche oder Personen waren so zahlreich, dass die geheimpolizeiliche Durchdringung tendenziell den Charakter einer flächendeckenden Überwachung annahm.
Die Anzahl der vom MfS geführten inoffiziellen Mitarbeiter umfasste im Jahre 1989 ungefähr 189.000 IM, darunter 173.000 IM der Abwehrdiensteinheiten, ferner 13.400 IM in der DDR und 1.550 IM in der Bundesrepublik, die von der Hauptverwaltung A geführt wurden, sowie diverse andere wie Zelleninformatoren usw. Auf 89 DDR-Bürger kam somit ein IM. In der Zeit von 1950 bis 1989 gab es insgesamt ca. 620.000 IM.
Die Entwicklung des IM-Netzes ist nicht allein von einem kontinuierlichen Anstieg geprägt, sondern verweist auf besondere Wachstumsphasen in Zeiten innergesellschaftlicher Krisen wie dem 17. Juni 1953 oder am Vorabend des Mauerbaus. Im Zuge der deutsch-deutschen Entspannungspolitik wurde das IM-Netz ebenfalls erweitert. So umfasste es Mitte der 70er Jahre – hochgerechnet – über 200.000 IM. Angesichts wachsender oppositioneller Bewegungen hatte es in den 80er Jahren gleichfalls ein hohes Niveau.
Die flächendeckende Überwachung der Gesellschaft fiel regional recht unterschiedlich aus. Im Land Brandenburg, das die Bezirke Cottbus, Frankfurt (Oder) und Potsdam vereint, war sie stärker als in Thüringen. Die höchste IM-Dichte wies der ehemalige Bezirk Cottbus auf.
Das MfS operierte formal nach territorialen Gesichtspunkten und Sicherungsbereichen, setzte jedoch operative Schwerpunkte in der geheimpolizeilichen Arbeit. Bezogen auf das Gesamtministerium lagen diese – sowohl auf Kreis-, als auch auf Bezirks- und Hauptabteilungsebene – bei der Volkswirtschaft, der Spionageabwehr und auf der "politischen Untergrundtätigkeit", der "Bearbeitung " von oppositionellen Milieus und den Kirchen.
Die Motive zur Kooperation mit dem MfS waren überwiegend ideeller, seltener materieller Natur, noch seltener war Erpressung der Grund. Die Kooperation währte durchschnittlich sechs bis zehn Jahre oder länger. Augenfällig ist, dass darunter nicht wenige soziale Aufsteiger waren. Der Anteil von weiblichen IM lag in der DDR bei 17 Prozent, in der Bundesrepublik bei 28 Prozent. Über die Hälfte der IM war Mitglied der SED. Von den 2,3 Mio. Mitgliedern der Partei ausgehend, waren 4 bis 5 Prozent zuletzt inoffiziell aktiv, d. h. jedes zwanzigste SED-Mitglied.
Das MfS differenzierte IM nach Kategorien: Gesellschaftliche Mitarbeiter für Sicherheit, IM zur Sicherung und Durchdringung des Verantwortungsbereichs, IM im besonderen Einsatz, Führungs-IM und IM zur Sicherung der Konspiration und des Verbindungswesens. Die wichtigste Kategorie waren IM mit "Feindverbindungen" bzw. solche, die Personen zu "bearbeiten" hatten, die "im Verdacht der Feindtätigkeit" standen. Im Laufe der 80er Jahre nahm der Anteil von IM in der Kategorie IMB bis Dezember 1988 auf rund 3.900 zu.
Der Anteil von Bundesbürgern oder Ausländern unter den IM des MfS betrug nicht einmal 2 Prozent. 1989 waren mindestens 3.000 Bundesbürger inoffiziell im Dienste des MfS, zusätzlich mehrere Hundert Ausländer. In der Zeit von 1949 bis 1989 waren insgesamt mindestens 12.000 Bundesbürger und Westberliner IM.
Die operativen Ziele des MfS waren über die gesamte Bundesrepublik Deutschland verteilt. Darüber hinaus gab es Schwerpunkte in Europa, im Nahen Osten und Asien, nachgeordnet auch in Afrika und Lateinamerika. Nachrichtendienstliche Schwerpunkte waren vor allem die Wissenschafts- und Technikspionage, erst danach die politische und mit etwas Abstand die Militärspionage. Die Bundesrepublik Deutschland wurde folglich vor allem als Ressource zur Systemstabilisierung genutzt.
Die politische Spionage diente vornehmlich dazu, die politische Gefährdungslage des herrschenden Systems in der DDR bestimmen zu können. Dieses Profil deutet an, dass die Spionage der Bewahrung des Status quo dienen sollte. Von einer Unterwanderung der Bundesrepublik war die Geheimpolizei zahlenmäßig weit entfernt. Vielmehr waren ihre inoffiziellen Mitarbeiter damit beschäftigt, das DDR-System zu stabilisieren.
Die ZAIG war das "Funktionalorgan" des Ministers für Staatssicherheit, die Schaltstelle im MfS, in der nahezu alle komplexen Stabsfunktionen konzentriert waren: die zentrale Auswertung und Information, einschließlich der Berichterstattung an die politische Führung, die Optimierung der entsprechenden Verfahren und Strukturen im Gesamtapparat des MfS, die zentralen Kontrollen und Untersuchungen und die Analyse der operativen Effektivität des MfS, die zentrale Planung und die Erarbeitung dienstlicher Bestimmungen, zudem die übergeordneten Funktionen im Bereich EDV sowie die Gewährleistung des internationalen Datenaustauschsystems der kommunistischen Staatssicherheitsdienste (SOUD). Nach der Eingliederung der Abteilung Agitation 1985 waren auch die Öffentlichkeitsarbeit und die Traditionspflege des MfS in der ZAIG als "Bereich 6" funktional verankert. Die ZAIG war im direkten Anleitungsbereich des Ministers angesiedelt; ihr waren zuletzt die formal selbständigen Abt. XII, XIII (Rechenzentrum) und die Rechtsstelle fachlich unterstellt.
Die ZAIG geht auf die nach dem Juniaufstand 1953 gegründete und von Heinz Tilch geleitete Informationsgruppe (IG) der Staatssicherheitszentrale zurück, die erstmals eine regelmäßige Lage- und Stimmungsberichterstattung für die Partei- und Staatsführung hervorbrachte. Diese entwickelte sich 1955/56 zur Abteilung Information mit drei Fachreferaten, wurde aber 1957 als Resultat des Konfliktes zwischen Ulbricht und Wollweber wieder stark reduziert. 1957 erhielt die Abteilung mit Irmler einen neuen Leiter, der jedoch bereits 1959 vom ehemaligen stellv. Leiter der HV A Korb abgelöst und zum Stellvertreter zurückgestuft wurde. Gleichzeitig wurde die Diensteinheit in Zentrale Informationsgruppe (ZIG) umbenannt; von da an lief auch die bisher eigenständige Berichterstattung der HV A über sie. 1960 wurde die Berichterstattung an die politische Führung durch einen Ministerbefehl präzise geregelt, und die ZIG erhielt mit der Neueinrichtung von Informationsgruppen in den BV und operativen HA einen soliden Unterbau.
1965 wurde die ZIG in ZAIG umbenannt und ein einheitliches Auswertungs- und Informationssystem eingeführt, das die Recherche und Selektion von Daten sowie die Organisierung von Informationsflüssen gewährleistete. In den operativen HA und BV erhielt die ZAIG mit den AIG entsprechende "Filialen". Im gleichen Jahr ging Korb in den Ruhestand, Irmler wurde wieder Leiter der Diensteinheit.
1968 wurde auch das Kontrollwesen der Staatssicherheit in die ZAIG eingegliedert, das im Dezember 1953 mit der Kontrollinspektion seinen ersten organisatorischen Rahmen erhalten hatte und 1957 mit der Umbenennung in AG Anleitung und Kontrolle erheblich qualifiziert worden war.
1969 erhielt die ZAIG auch die Verantwortung für den Einsatz der EDV. Das im Aufbau begriffene Rechenzentrum (Abt. XIII) wurde ihr unterstellt. In der ersten Hälfte der 70er Jahre bildeten sich vier Arbeitsbereiche der ZAIG heraus. Bereich 1: konkrete Auswertungs- und Informationstätigkeit und Berichterstattung an die politische Führung; Bereich 2: Kontrollwesen, die Erarbeitung von dienstlichen Bestimmungen sowie Prognose- und Planungsaufgaben; Bereich 3: Fragen der EDV; Bereich 4: Pflege und Weiterentwicklung der "manuellen" Bestandteile des Auswertungs- und Informationssystems. 1979 erhielt dieser Bereich auch die Verantwortung für das SOUD ("ZAIG/5").
Bevor sich Anfang der 80er Jahre der Begriff Öffentlichkeitsarbeit, zumeist als Begriffspaar Öffentlichkeits- und Traditionsarbeit (ÖTA), durchsetzte, wurde dieses Tätigkeitsfeld im MfS als Agitation bezeichnet. Im Verlauf der MfS-Geschichte nahm sie unterschiedliche Ausprägungen an. Ihren Höhepunkt erlebte sie in den 50er und 60er Jahren, später reduzierte sich ihre Bedeutung deutlich.
Schon die Gründung des MfS wurde von einer Medienkampagne gegen westliche "Saboteure und Agenten" begleitet. 1954 wurde für die Öffentlichkeitsarbeit ein eigenes Referat in der für Verwaltungsaufgaben zuständigen Abteilung Allgemeines eingerichtet, das 1955 als selbständige Abteilung Agitation ausgelagert wurde. Der Bereich wurde nach außen als Pressestelle oder Presseabteilung bezeichnet, seine Leiter traten in den 50er und 60er Jahren auch als Pressesprecher des MfS auf. 1985 wurde der Bereich umorganisiert und als Bereich 6 in die ZAIG eingegliedert. In den Bezirksverwaltungen und Hauptabteilungen des Ministeriums lag die Zuständigkeit für die Öffentlichkeitsarbeit bei einzelnen Stabsoffizieren, die nach Einrichtung der AKG 1978/79 diesem Bereich zugeordnet waren. Aufgaben einer wirklichen Pressestelle erfüllte der Agitationsbereich nur begrenzt. Die Medien wurden vom MfS nur sehr restriktiv informiert, aber umso intensiver instrumentalisiert. Es ging primär um Popularisierung der Arbeit der Staatssicherheit; die Abwehr gegnerischer Angriffe stand thematisch im Zentrum der Öffentlichkeitsarbeit Konkrete Angaben zum eigenen Apparat, etwa zu Mitarbeiterzahlen, Aufbau und Arbeitsweise wurden grundsätzlich nicht in die Öffentlichkeit gegeben.
Wie kaum ein anderes Tätigkeitsfeld der Staatssicherheit war die Öffentlichkeitsarbeit in der Ulbricht-Ära unmittelbar in die entsprechenden Aktivitäten des zentralen Parteiapparates der SED (Abteilungen Agitation und Propaganda des ZK, Agitationskommission des ZK) eingebunden. Auch die Beziehungen zu anderen staatlichen Akteuren, etwa dem Amt für Information oder der Generalstaatsanwaltschaft, waren vorrangig offizieller Natur. Der Einsatz von IM oder OibE spielte in diesem Bereich eine untergeordnete Rolle. Eine prominente Ausnahme war der Publizist Julius Mader, der von 1962 bis 1989 OibE des MfS-Agitationsbereichs war und mit seinen geheimdienstspezifischen Büchern (z. B. Nicht länger geheim, 1966; Who’s who in CIA, 1968) durchaus Breitenwirkung erzielte. In den 50er Jahren konzentrierte sich die MfS-Agitation darauf, "Diversanten", "Spione" und ihre westlichen "Hintermänner" anzuprangern. Die Öffentlichkeitsarbeit wurde ab 1953 im Rahmen der Strategie der "Konzentrierten Schläge" erheblich intensiviert. Große Verhaftungsaktionen mit den Codenamen "Feuerwerk" (1953), "Pfeil" (1954) und "Blitz" (1955), die jeweils zu Hunderten von Festnahmen führten, wurden mit Pressekonferenzen beendet. Hierbei wurden auch "reumütige" Agenten vorgeführt, bei denen es sich zumeist um abgezogene IM der Staatssicherheit handelte. Außerdem gehörten Beiträge in Zeitungen, Zeitschriften, Rundfunk und der Kino-Wochenschau ebenso dazu wie Ausstellungen und Vorträge von hohen MfS-Kadern in Betriebsversammlungen.
Ab Ende der 50er Jahre konzentrierten sich die Öffentlichkeitsarbeit des MfS auf die elektronischen Medien und den Film. Besonders erfolgreich war der vom MfS inspirierte und 1963 gedrehte Spielfilm "For eyes only" über die spektakuläre Entwendung einer Agentenkartei aus der Würzburger Dienststelle des amerikanischen Militärgeheimdienstes MID durch den "Kundschafter" Horst Hesse. In den 60er Jahren hatte die Öffentlichkeitsarbeit des MfS in erster Linie Westdeutschland im Blick und arbeitete hierbei mit dem Agitationsapparat des ZK der SED zusammen. In Publikationen und auf internationalen Pressekonferenzen unter dem Vorsitz von Politbüromitglied Albert Norden wurden Themen wie die Aufrüstung der Bundeswehr oder die Nazivergangenheit bundesdeutscher Funktionsträger angeprangert. Diese Kampagnen waren vor allem dann wirkungsvoll, wenn es gelang, auf konspirativem Wege einschlägige Nachrichten in westlichen Medien zu platzieren. Außerdem organisierte das MfS zu dieser Zeit die massenhafte Einschleusung von Propagandaschriften in die Bundesrepublik. Als sich die DDR-Führung mit dem SED-Parteitag 1967 auch offiziell von der gesamtdeutschen Perspektive verabschiedete, wandte sich auch die MfS-Agitation mehr DDR-internen Themen zu. Vorrangige Ziele waren jetzt die Stärkung der "Massenwachsamkeit" und die Pflege des "Vertrauensverhältnisses" zwischen Bevölkerung und MfS.
In der Phase der Entspannungspolitik veränderte sich der Charakter der Öffentlichkeitsarbeit beträchtlich. Mediale Angriffe auf die Bundesrepublik ließen stark nach. Künstlerische und journalistische Projekte des Agitationsbereichs, etwa zur "BRD-Menschenrechtsdemagogie" oder zur Übersiedlungsproblematik, erhielten von der politischen Führung kein grünes Licht mehr, weil sie nicht in die Politik der internationalen Normalisierung passten oder an tabuisierten innenpolitischen Problemen rührten. Die Medienpräsenz von MfS-Themen ging stark zurück. Ausnahmen blieben in den 70er Jahren die beiden großen, vom MfS inspirierten Fernsehfilmserien "Das unsichtbare Visier" (mit Armin Mueller-Stahl in der Hauptrolle) und "Rendezvous mit Unbekannt", die sich mit politisch unbedenklichen Sujets, der Auslandsspionage und der Frühzeit des MfS, befassten. Die Öffentlichkeitsarbeit beschränkte sich ansonsten auf ADN-Meldungen zu Kleinereignissen, wie z. B. dem "Missbrauch von Transitwegen" durch Fluchthelfer. Ab Mitte der 80er Jahre beklagten die Verantwortlichen der Öffentlichkeitsarbeit im MfS die mangelnde Verwertbarkeit von internen Ermittlungsergebnissen und die abnehmende Bereitschaft von Autoren, mit der Staatssicherheit zusammenzuarbeiten.
Die Öffentlichkeitsarbeit konzentrierte sich ab Mitte der 70er Jahre vorrangig auf die Traditions- und Patenschaftsarbeit im direkten Kontakt mit Arbeitskollektiven und Schulen. Ein nicht unbeträchtlicher Teil der Traditionspflege war aber auch nach innen, auf den eigenen Apparat, und auf andere bewaffnete Organe ausgerichtet. Diese sehr begrenzten Personenkreise erhielten Zugang zu Ausstellungen im sog. Informationszentrum des MfS in Berlin-Mitte und zu Broschüren mit den klassischen Geheimdienstthemen wie "CIA und BND", "Zersetzung der DDR-Jugend" oder "Tätigkeit des MfS gegen innere und äußere Feinde". Wie selbst eine interne Forschungsarbeit von 1989 bilanziert, scheiterte die Staatssicherheit in den 80er Jahren mit ihrem Ziel, durch Öffentlichkeitsarbeit die Verbundenheit der Bevölkerung mit dem MfS zu fördern.
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