Signatur: BStU, MfS, ZAIG, Nr. 5306, Bl. 1-19
Minister Erich Mielke und der stellvertretende Chef des KGB, Wladimir Krjutschkow sprachen über Fragen der atomaren Nachrüstung in Europa. Außerdem geht es um den Abschuss eines südkoreanischen Passagierflugzeugs an der sowjetischen Pazifikküste zwei Wochen zuvor.
MItarbeiter der Stasi tauschten sich regelmäßig mit dem "Bruderorgan" KGB aus. Besonders auf höchster Ebene hielt man sich gegenseitig in persönlichen Gesprächen auf dem Laufenden. Das vorliegende Dokument ist die Notiz eines solchen Gesprächs zwischen dem Minister für Staatssicherheit, Erich Mielke und dem stellvertretenden KGB-Vorsitzenden, Wladimir Krjutschkow, in Berlin. Neben Mielke, Krjutschkow und zwei Dolmetschern nahmen an dem Gespräch der Leiter der Vertretung des KGB in der DDR, Wassilij Schumilow teil sowie von Seiten des MfS als Vertreter der HV A Werner Großmann und der Leiter der Abteilung X, Willi Damm.
Das Gespräch fand in einer besonders heißen Phase des Kalten Krieges statt. Anfang der 80er Jahre waren die beiden Supermächte in ein neues atomares Wettrüsten eingetreten. Die Sowjetunion hatte in Ost- und Mitteleuropa ihre atomaren Mittelstreckenraketen mit dem neueren Typ RSD-10 (NATO-Bezeichnung SS-20 "Saber") modernisiert. Nach gescheiterten Abrüstungsverhandlungen hatten die USA und die NATO mit dem sogenannten NATO-Doppelbeschluss nachgezogen und Mittelstreckenatomraketen vom Typ Pershing II in Westeuropa aufgestellt.
Am 1. September, zwei Wochen vor dem Gespräch, hatten zudem sowjetische Abfangjäger über der sowjetischen Insel Sachalin ein südkoreanisches Passagierflugzeug vom Typ Boeing 747 abgefangen und abgeschossen. Die sowjetische Luftverteidigung hatte das Flugzeug irrtümlich als US-amerikanischen Militäraufklärer vom Typ RC-153 identifiziert, und die Piloten der Passagiermaschine hatten nach sowjetischer Darstellung auf Aufforderungen zum Verlassen des Luftraums sowie auf Warnschüsse nicht reagiert.
Krjutschkow berichtete Mielke zunächst von diesem "Flugzeugzwischenfall" und der Haltung Moskaus dazu. Mielke kritisierte die Reaktion der Sowjetunion als zu wenig offensiv. Das habe es dem "Gegner" erlaubt, den Vorfall zu seinem Vorteil zu nutzen. Danach ging es um Rüstungsfragen, vor allem um die Entwicklung in der BRD, wo sich führende Politiker für eine Aufstellung der Atomraketen auch auf westdeutschem Boden ausgesprochen hatten. Hier interessierte die sowjetische Seite vor allemauch, wie die politische Elite der BRD zu möglichen erneuten Abrüstungsverhandlungen stehen würde.
Weiterhin ging es in dem Gespräch um die KSZE-Folgekonferenz von Madrid, die am 9. September 1983 abgeschlossen worden war. Krjutschkow und Mielke unterhielten sich dabei unter anderem über die sogenannten Körbe des KSZE-Prozesses. Im ersten Korb wurden Fragen der Abrüstung geregelt, im zweiten die Absicht zur wirtschaftlichen Zusammenarbeit und im dritten die Einhaltung der Menschenrechte und Grundfreiheiten. In den Folgekonferenzen wurden die in Helsinki getroffenen Vereinbarungen weiterverhandelt und konkretisiert. Besonders die Verhandlungen zur Abrüstung gewannen 1983 vor dem Hintergrund der Stationierung der Mittelstreckenraketen eine besondere Bedeutung. Mielke und Krjutschkow bewerteten die Ergebnisse von Madrid unterschiedlich. Kurz kam die Sprache auf die nächste, für 1984 in Stockholm geplante Konferenz über Sicherheits- und Vertrauensbildende Maßnahmen und Abrüstung in Europa (KVAE), die zum KSZE-Prozess gehörte und sich vor allem mit den Abrüstungsfragen beschäftigen sollte.
Anmerkung: Das MfS bezeichnete in seinen Unterlagen den Geheimdienst der Sowjetunion in der Regel als Komitee für Staatssicherheit (KfS), der deutschen Übersetzung der Abkürzung KGB.
Am selben Tag wurde eine große Kommission gebildet und nach dem Osten gesandt.
Am 3. 9. kam eine umfassende Information.
Gen. Mielke: Am 2. 9. haben wir bereits unsere Meinung ausgetauscht. Bitte mich zu verstehen, daß ich so überheblich war und W. T. Schumilow sagte: Sag Moskau, daß es eine speziell vorbereitete Maschine Südkoreas für Spionage war. In Eurer Veröffentlichung fehlt das Wichtigste.
Gen. Krjutschkow: Kann nur sagen: Hätten wir die zweite Meldung 24 Stunden früher gebracht, wäre die Hetze nicht so stark.
Für uns war nicht alles klar.
Gen. Mielke: Morgen treffen sich die zuständigen ZK-Sekretäre in Moskau. Dort werden wir den entsprechenden Vorschlag unterbreiten.
Der Gegner hat sofort seine Maßnahmen gegen Euch und gegen uns koordiniert.
Deshalb war es notwendig, sofort zuzuschlagen und nicht nur die 5 Zeilen zu bringen. So etwas ist für die Provinz gut, aber nicht für die Weltöffentlichkeit.
Gen. Krjutschkow: Was Sie sagen, ist alles richtig. Bin völlig einverstanden. Aber es gibt ein Problem. Als Mitglied des Politbüros wissen Sie, daß solche Fragen erst in der Parteiführung beraten werden. Also - 10:0 für sie.
Gen. Mielke: Nein, 10 : 1, denn ihr habt ja das Flugzeug abgeschossen.
Eine selbständige Abteilung ist eine Organisationsstruktur in der MfS-Zentrale, die durch den Minister oder einen seiner Stellvertreter direkt angeleitet und durch militärische Einzelleiter geführt wurde. Die weiter untergliederten Abteilungen prägten Linien aus (z. B. Abt. XIV; Linienprinzip) oder blieben auf die Zentrale beschränkt (z. B. Abt. X). Die eng umrissenen Zuständigkeiten mit operativer Verantwortung und Federführung orientierten sich an geheimdienstlichen Praktiken (Telefonüberwachung) oder Arbeitsfeldern (Bewaffnung, chemischer Dienst).
1956 entstanden. Aufgaben: Förderung und Weiterentwicklung der internationalen Beziehungen des MfS, insbesondere der Zusammenarbeit mit den "Bruderorganen" sozialistischer Länder und der Zusammenarbeit mit den Sicherheitsorganen befreundeter Staaten sowie Übersetzerdienst für die Diensteinheiten des MfS.
Aufklärung hatte innerhalb des MfS unterschiedliche Bedeutungen: Sie wird zur Bezeichnung des Tätigkeitsbereiches der Auslandsspionage verwendet, die überwiegend von der HV A getragen wurde, die teilweise auch kurz als Aufklärung bezeichnet wird. Darüber hinaus findet der Begriff Verwendung bei der Bezeichnung von Sachverhaltsermittlungen (Aufklärung eines Sachverhalts) und von Überprüfungen der Eignung von IM-Kandidaten (Aufklärung des Kandidaten).
Die AIG entstanden mit der Einführung des einheitlichen Auswertungs- und Informationssystems 1965 aus den in den Bezirksverwaltungen und zentralen operativen Diensteinheiten des MfS schon bestehenden Informationsgruppen. In ihrem Zuständigkeitsbereich oblag ihnen die Bewertung und Selektion von Informationen, die Gewährleistung des Informationsflusses und die Fertigung der Berichte für die Partei- und Staatsfunktionäre. Die AIG unterstanden der fachlichen Anleitung und Kontrolle der ZAIG. 1978/79 wurden sie zu Auswertungs- und Kontrollgruppen erweitert.
Hauptverwaltung (HV) war eine Organisationseinheit in der MfS-Zentrale, die bereits ausdifferenzierte Aufgabenkomplexe in einer hierarchisch gegliederten Einheit zusammenfasst. Überwiegend durch Stellvertreter des Ministers direkt geleitet. Über das Gründungsjahrzehnt des MfS hinweg hatte nur die HV A als echte HV Bestand. Daneben war Hauptverwaltung eine Bezeichnung für Diensteinheiten im MfS ohne strukturell berechtigenden Hintergrund.
Das MfS hat als ein Instrument der DDR, insbesondere der SED-Führung, die politischen Interessen des Staates inoffiziell in der Bundesrepublik Deutschland unterstützt. Die Westarbeit des MfS bestand aus Spionageaktivitäten, also der nachrichtendienstlichen Beschaffung von Informationen, Patenten, Verfahren und Mustern durch das MfS.
Die Bezeichnungen Westarbeit und Spionage meinen in diesem Kontext das, was beim MfS mit "operative Arbeit im und nach dem Operationsgebiet" bezeichnet wird. Im engeren Sinne also die Arbeit mit Inoffiziellen Mitarbeitern im "Operationsgebiet", bei dem es sich überwiegend um die Bundesrepublik Deutschland und Westberlin handelte, aber auch die in der NATO und der Europäischen Gemeinschaft verbundenen Staaten einschloss.
Im weiteren Sinne fallen darunter auch die Funkaufklärung und der Einsatz von Offizieren im besonderen Einsatz in Botschaften, Konsulaten usw. Erfolgte diese operative Arbeit bis Anfang der 70er Jahre wesentlich "illegal", ergaben sich mit der zunehmenden Anerkennung der DDR auch verstärkt "legale" Zugänge über die Einrichtung von Botschaften, von denen aus das MfS mit "legal abgedeckten Residenturen" arbeiten konnte.
Für die Beschaffung von wissenschaftlich-technischen, politischen und militärischen Informationen war vor allem die Hauptverwaltung A zuständig, aber nahezu gleichrangig zahlreiche Abwehrdiensteinheiten des MfS. Die Hauptabteilung I, in der DDR für die Absicherung des Militärkomplexes verantwortlich, erkundete auch die Bundeswehr, den Bundesgrenzschutz, den Zollgrenzdienst, die Bayerische Grenzpolizei und diverse Einrichtungen der NATO.
Die Hauptabteilung II, mit der "offensiven Abwehr" ausländischer Nachrichtendienste in der DDR befasst, arbeitete zeitweise auch gegen den Bundesnachrichtendienst, das Bundesamt und die Landesämter für Verfassungsschutz sowie den Militärischen Abschirmdienst. Die Hauptabteilung VI überwachte neben dem Ein-, Ausreise- und Transitverkehr in der DDR auch den über innerdeutsche Grenzen hinaus von und nach Westberlin.
Die Hauptabteilung VII unterhielt im "Operationsgebiet" ebenfalls ein Netz, das im klassischen Sinne kriminelle Aktivitäten wie Schmuggel aufzuklären hatte. Die Hauptabteilung VIII war für Ermittlungen und Beobachtungen zuständig. Zugleich war sie Servicediensteinheit für alle Diensteinheiten des MfS, indem sie den Informationsbedarf über Bundesbürger bediente.
Neben der Sicherungsarbeit in den Bereichen Staatsapparat, Blockparteien und "politischer Untergrundtätigkeit" war die Hauptabteilung XX im "Operationsgebiet" für alle Einrichtungen zuständig, die sich mit der DDR befassten. Im Visier der Hauptabteilung XXII standen links- und rechtsextremistische, überwiegend terroristische Gruppen.
Schließlich wäre auf Hauptabteilungsebene noch die Zentrale Kontrollgruppe anzuführen, die sich mit besonders DDR-kritischen Gruppen befasste, wie z. B. der Internationalen Gesellschaft für Menschenrechte oder den Fluchthilfeorganisationen. Mit der Westarbeit waren nicht allein die zentralen Abwehrdiensteinheiten befasst, sondern ihre Linien (Linienprinzip) erstreckten sich meist auch auf Bezirks- und im Einzelfall auf Kreisverwaltungsebene des MfS.
In den Kontext der Westarbeit sind auch die etwa 400 Entführungen von Bürgern aus der Bundesrepublik Deutschland und Westberlin zu zählen sowie vereinzelte Versuche und Erwägungen, Bürger zu töten, wobei bislang ein Mord nicht nachgewiesen ist. Das MfS selbst verstand unter der "Arbeit im und nach dem Operationsgebiet" die "Gesamtheit der politisch-operativen Kräfte des MfS im Operationsgebiet und die Nutzung solcher Personen aus dem Operationsgebiet, die zur Erfüllung operativer Aufgaben geeignet sind".
Die HV A und ihre Abteilungen XV in den Bezirksverwaltungen arbeiteten nach Schwerpunkten im "Operationsgebiet", ihre innere Struktur drückte die entsprechende Interessenlage aus.
Demnach konzentrierte sich die Abt. I auf Politik und strategische Absichten der Bundesregierung, die Abt. II auf die Parteien, Gewerkschaften, Landsmannschaften im "Operationsgebiet", die Abt. III steuerte die operative Arbeit der "legal abgedeckten Residenturen" in DDR-Botschaften, Konsulaten und Handelseinrichtungen, und die Abt. IV beschäftigte sich mit den militärischen Zentren" in der Bundesrepublik Deutschland, wozu das Bundesministerium der Verteidigung, Wehrbezirkskommandos der Bundeswehr und diverse US-amerikanische Einrichtungen gehörten. Die Abt. IX befasste sich mit westlichen Nachrichtendiensten, die Abt. XI mit den USA und die Abt. XII mit der NATO.
Die Abteilungen XIII bis XV gehörten zum Sektor Wissenschaft und Technik, der systematisch Patente, Verfahren und Muster für die DDR- und osteuropäische Forschung und Wirtschaft beschaffte. Schwerpunkte waren die Fachgebiete Energie, Biologie, Chemie, Elektronik, Elektrotechnik und Maschinenbau sowie das Bemühen, die Embargopolitik zu unterlaufen. Für offizielle, mithin dienstliche Kontakte zwischen beispielsweise DDR- und bundesdeutschen Wissenschaftlern oder Politikern war eigens die Abt. XVI der HV A zuständig, die auf diesem Weg an relevante Informationen gelangen sollte.
Während all diese Abteilungen der HV A überwiegend informationsbeschaffend tätig waren, verfügte sie mit der Abt. X eigens über eine Struktureinheit, die systematisch aktive Maßnahmen in der Bundesrepublik zu entfalten suchte.
Die ZAIG war das "Funktionalorgan" des Ministers für Staatssicherheit, die Schaltstelle im MfS, in der nahezu alle komplexen Stabsfunktionen konzentriert waren: die zentrale Auswertung und Information, einschließlich der Berichterstattung an die politische Führung, die Optimierung der entsprechenden Verfahren und Strukturen im Gesamtapparat des MfS, die zentralen Kontrollen und Untersuchungen und die Analyse der operativen Effektivität des MfS, die zentrale Planung und die Erarbeitung dienstlicher Bestimmungen, zudem die übergeordneten Funktionen im Bereich EDV sowie die Gewährleistung des internationalen Datenaustauschsystems der kommunistischen Staatssicherheitsdienste (SOUD). Nach der Eingliederung der Abteilung Agitation 1985 waren auch die Öffentlichkeitsarbeit und die Traditionspflege des MfS in der ZAIG als "Bereich 6" funktional verankert. Die ZAIG war im direkten Anleitungsbereich des Ministers angesiedelt; ihr waren zuletzt die formal selbständigen Abt. XII, XIII (Rechenzentrum) und die Rechtsstelle fachlich unterstellt.
Die ZAIG geht auf die nach dem Juniaufstand 1953 gegründete und von Heinz Tilch geleitete Informationsgruppe (IG) der Staatssicherheitszentrale zurück, die erstmals eine regelmäßige Lage- und Stimmungsberichterstattung für die Partei- und Staatsführung hervorbrachte. Diese entwickelte sich 1955/56 zur Abteilung Information mit drei Fachreferaten, wurde aber 1957 als Resultat des Konfliktes zwischen Ulbricht und Wollweber wieder stark reduziert. 1957 erhielt die Abteilung mit Irmler einen neuen Leiter, der jedoch bereits 1959 vom ehemaligen stellv. Leiter der HV A Korb abgelöst und zum Stellvertreter zurückgestuft wurde. Gleichzeitig wurde die Diensteinheit in Zentrale Informationsgruppe (ZIG) umbenannt; von da an lief auch die bisher eigenständige Berichterstattung der HV A über sie. 1960 wurde die Berichterstattung an die politische Führung durch einen Ministerbefehl präzise geregelt, und die ZIG erhielt mit der Neueinrichtung von Informationsgruppen in den BV und operativen HA einen soliden Unterbau.
1965 wurde die ZIG in ZAIG umbenannt und ein einheitliches Auswertungs- und Informationssystem eingeführt, das die Recherche und Selektion von Daten sowie die Organisierung von Informationsflüssen gewährleistete. In den operativen HA und BV erhielt die ZAIG mit den AIG entsprechende "Filialen". Im gleichen Jahr ging Korb in den Ruhestand, Irmler wurde wieder Leiter der Diensteinheit.
1968 wurde auch das Kontrollwesen der Staatssicherheit in die ZAIG eingegliedert, das im Dezember 1953 mit der Kontrollinspektion seinen ersten organisatorischen Rahmen erhalten hatte und 1957 mit der Umbenennung in AG Anleitung und Kontrolle erheblich qualifiziert worden war.
1969 erhielt die ZAIG auch die Verantwortung für den Einsatz der EDV. Das im Aufbau begriffene Rechenzentrum (Abt. XIII) wurde ihr unterstellt. In der ersten Hälfte der 70er Jahre bildeten sich vier Arbeitsbereiche der ZAIG heraus. Bereich 1: konkrete Auswertungs- und Informationstätigkeit und Berichterstattung an die politische Führung; Bereich 2: Kontrollwesen, die Erarbeitung von dienstlichen Bestimmungen sowie Prognose- und Planungsaufgaben; Bereich 3: Fragen der EDV; Bereich 4: Pflege und Weiterentwicklung der "manuellen" Bestandteile des Auswertungs- und Informationssystems. 1979 erhielt dieser Bereich auch die Verantwortung für das SOUD ("ZAIG/5").
Signatur: BStU, MfS, ZAIG, Nr. 5306, Bl. 1-19
Minister Erich Mielke und der stellvertretende Chef des KGB, Wladimir Krjutschkow sprachen über Fragen der atomaren Nachrüstung in Europa. Außerdem geht es um den Abschuss eines südkoreanischen Passagierflugzeugs an der sowjetischen Pazifikküste zwei Wochen zuvor.
MItarbeiter der Stasi tauschten sich regelmäßig mit dem "Bruderorgan" KGB aus. Besonders auf höchster Ebene hielt man sich gegenseitig in persönlichen Gesprächen auf dem Laufenden. Das vorliegende Dokument ist die Notiz eines solchen Gesprächs zwischen dem Minister für Staatssicherheit, Erich Mielke und dem stellvertretenden KGB-Vorsitzenden, Wladimir Krjutschkow, in Berlin. Neben Mielke, Krjutschkow und zwei Dolmetschern nahmen an dem Gespräch der Leiter der Vertretung des KGB in der DDR, Wassilij Schumilow teil sowie von Seiten des MfS als Vertreter der HV A Werner Großmann und der Leiter der Abteilung X, Willi Damm.
Das Gespräch fand in einer besonders heißen Phase des Kalten Krieges statt. Anfang der 80er Jahre waren die beiden Supermächte in ein neues atomares Wettrüsten eingetreten. Die Sowjetunion hatte in Ost- und Mitteleuropa ihre atomaren Mittelstreckenraketen mit dem neueren Typ RSD-10 (NATO-Bezeichnung SS-20 "Saber") modernisiert. Nach gescheiterten Abrüstungsverhandlungen hatten die USA und die NATO mit dem sogenannten NATO-Doppelbeschluss nachgezogen und Mittelstreckenatomraketen vom Typ Pershing II in Westeuropa aufgestellt.
Am 1. September, zwei Wochen vor dem Gespräch, hatten zudem sowjetische Abfangjäger über der sowjetischen Insel Sachalin ein südkoreanisches Passagierflugzeug vom Typ Boeing 747 abgefangen und abgeschossen. Die sowjetische Luftverteidigung hatte das Flugzeug irrtümlich als US-amerikanischen Militäraufklärer vom Typ RC-153 identifiziert, und die Piloten der Passagiermaschine hatten nach sowjetischer Darstellung auf Aufforderungen zum Verlassen des Luftraums sowie auf Warnschüsse nicht reagiert.
Krjutschkow berichtete Mielke zunächst von diesem "Flugzeugzwischenfall" und der Haltung Moskaus dazu. Mielke kritisierte die Reaktion der Sowjetunion als zu wenig offensiv. Das habe es dem "Gegner" erlaubt, den Vorfall zu seinem Vorteil zu nutzen. Danach ging es um Rüstungsfragen, vor allem um die Entwicklung in der BRD, wo sich führende Politiker für eine Aufstellung der Atomraketen auch auf westdeutschem Boden ausgesprochen hatten. Hier interessierte die sowjetische Seite vor allemauch, wie die politische Elite der BRD zu möglichen erneuten Abrüstungsverhandlungen stehen würde.
Weiterhin ging es in dem Gespräch um die KSZE-Folgekonferenz von Madrid, die am 9. September 1983 abgeschlossen worden war. Krjutschkow und Mielke unterhielten sich dabei unter anderem über die sogenannten Körbe des KSZE-Prozesses. Im ersten Korb wurden Fragen der Abrüstung geregelt, im zweiten die Absicht zur wirtschaftlichen Zusammenarbeit und im dritten die Einhaltung der Menschenrechte und Grundfreiheiten. In den Folgekonferenzen wurden die in Helsinki getroffenen Vereinbarungen weiterverhandelt und konkretisiert. Besonders die Verhandlungen zur Abrüstung gewannen 1983 vor dem Hintergrund der Stationierung der Mittelstreckenraketen eine besondere Bedeutung. Mielke und Krjutschkow bewerteten die Ergebnisse von Madrid unterschiedlich. Kurz kam die Sprache auf die nächste, für 1984 in Stockholm geplante Konferenz über Sicherheits- und Vertrauensbildende Maßnahmen und Abrüstung in Europa (KVAE), die zum KSZE-Prozess gehörte und sich vor allem mit den Abrüstungsfragen beschäftigen sollte.
Anmerkung: Das MfS bezeichnete in seinen Unterlagen den Geheimdienst der Sowjetunion in der Regel als Komitee für Staatssicherheit (KfS), der deutschen Übersetzung der Abkürzung KGB.
Gen. Mielke: Ich sage dies nur, Momente der Überraschung darf es nicht geben.
Man muß in die Offensive gehen. Dies ist wichtig für weitere Vorkommnisse.
Gen. Krjutschkow: Bei Ihren Gesprächen mit Gen. J. W. Andropow war er stets mit Ihnen einverstanden in den Fragen der Beachtung der operativen Auswirkung der Ereignisse.
Gen. Mielke: Wir sehen, wie er reagiert, wie er den Marxismus-Leninismus in Bewegung gebracht hat, wie z. B.
Dies ist eine Erweiterung der Theorie!
Gen. Krjutschkow: Zu Genf
Reagan hat solche Sanktionen gegen uns ergriffen, die für ihn als Präsidenten keinen Schaden bringen. Er will bei den Wahlen wieder kandidieren. Man kann sagen, dies sind "leere Sanktionen". Er hat Dinge vorgeschlagen, die keine große Rolle in den Beziehungen zwischen unseren beiden Ländern spielen. Wir hatten mit Sanktionen gegen die Getreidelieferungen oder die Röhrengeschäfte gerechnet. Was Genf betrifft, hat er sofort gesagt, daß die USA verhandeln werden.
Trotzdem besteht für uns die Frage: Warum müssen wir diese Probleme besprechen, wenn die Stationierung in Westeuropa erfolgt?
Reagan möchte mit Vergnügen die Verhandlungen abbrechen und noch unverschämter auftreten. Aber dies brächte ihm keinen Nutzen.
Eine selbständige Abteilung ist eine Organisationsstruktur in der MfS-Zentrale, die durch den Minister oder einen seiner Stellvertreter direkt angeleitet und durch militärische Einzelleiter geführt wurde. Die weiter untergliederten Abteilungen prägten Linien aus (z. B. Abt. XIV; Linienprinzip) oder blieben auf die Zentrale beschränkt (z. B. Abt. X). Die eng umrissenen Zuständigkeiten mit operativer Verantwortung und Federführung orientierten sich an geheimdienstlichen Praktiken (Telefonüberwachung) oder Arbeitsfeldern (Bewaffnung, chemischer Dienst).
1956 entstanden. Aufgaben: Förderung und Weiterentwicklung der internationalen Beziehungen des MfS, insbesondere der Zusammenarbeit mit den "Bruderorganen" sozialistischer Länder und der Zusammenarbeit mit den Sicherheitsorganen befreundeter Staaten sowie Übersetzerdienst für die Diensteinheiten des MfS.
Aufklärung hatte innerhalb des MfS unterschiedliche Bedeutungen: Sie wird zur Bezeichnung des Tätigkeitsbereiches der Auslandsspionage verwendet, die überwiegend von der HV A getragen wurde, die teilweise auch kurz als Aufklärung bezeichnet wird. Darüber hinaus findet der Begriff Verwendung bei der Bezeichnung von Sachverhaltsermittlungen (Aufklärung eines Sachverhalts) und von Überprüfungen der Eignung von IM-Kandidaten (Aufklärung des Kandidaten).
Die AIG entstanden mit der Einführung des einheitlichen Auswertungs- und Informationssystems 1965 aus den in den Bezirksverwaltungen und zentralen operativen Diensteinheiten des MfS schon bestehenden Informationsgruppen. In ihrem Zuständigkeitsbereich oblag ihnen die Bewertung und Selektion von Informationen, die Gewährleistung des Informationsflusses und die Fertigung der Berichte für die Partei- und Staatsfunktionäre. Die AIG unterstanden der fachlichen Anleitung und Kontrolle der ZAIG. 1978/79 wurden sie zu Auswertungs- und Kontrollgruppen erweitert.
Hauptverwaltung (HV) war eine Organisationseinheit in der MfS-Zentrale, die bereits ausdifferenzierte Aufgabenkomplexe in einer hierarchisch gegliederten Einheit zusammenfasst. Überwiegend durch Stellvertreter des Ministers direkt geleitet. Über das Gründungsjahrzehnt des MfS hinweg hatte nur die HV A als echte HV Bestand. Daneben war Hauptverwaltung eine Bezeichnung für Diensteinheiten im MfS ohne strukturell berechtigenden Hintergrund.
Die ZAIG war das "Funktionalorgan" des Ministers für Staatssicherheit, die Schaltstelle im MfS, in der nahezu alle komplexen Stabsfunktionen konzentriert waren: die zentrale Auswertung und Information, einschließlich der Berichterstattung an die politische Führung, die Optimierung der entsprechenden Verfahren und Strukturen im Gesamtapparat des MfS, die zentralen Kontrollen und Untersuchungen und die Analyse der operativen Effektivität des MfS, die zentrale Planung und die Erarbeitung dienstlicher Bestimmungen, zudem die übergeordneten Funktionen im Bereich EDV sowie die Gewährleistung des internationalen Datenaustauschsystems der kommunistischen Staatssicherheitsdienste (SOUD). Nach der Eingliederung der Abteilung Agitation 1985 waren auch die Öffentlichkeitsarbeit und die Traditionspflege des MfS in der ZAIG als "Bereich 6" funktional verankert. Die ZAIG war im direkten Anleitungsbereich des Ministers angesiedelt; ihr waren zuletzt die formal selbständigen Abt. XII, XIII (Rechenzentrum) und die Rechtsstelle fachlich unterstellt.
Die ZAIG geht auf die nach dem Juniaufstand 1953 gegründete und von Heinz Tilch geleitete Informationsgruppe (IG) der Staatssicherheitszentrale zurück, die erstmals eine regelmäßige Lage- und Stimmungsberichterstattung für die Partei- und Staatsführung hervorbrachte. Diese entwickelte sich 1955/56 zur Abteilung Information mit drei Fachreferaten, wurde aber 1957 als Resultat des Konfliktes zwischen Ulbricht und Wollweber wieder stark reduziert. 1957 erhielt die Abteilung mit Irmler einen neuen Leiter, der jedoch bereits 1959 vom ehemaligen stellv. Leiter der HV A Korb abgelöst und zum Stellvertreter zurückgestuft wurde. Gleichzeitig wurde die Diensteinheit in Zentrale Informationsgruppe (ZIG) umbenannt; von da an lief auch die bisher eigenständige Berichterstattung der HV A über sie. 1960 wurde die Berichterstattung an die politische Führung durch einen Ministerbefehl präzise geregelt, und die ZIG erhielt mit der Neueinrichtung von Informationsgruppen in den BV und operativen HA einen soliden Unterbau.
1965 wurde die ZIG in ZAIG umbenannt und ein einheitliches Auswertungs- und Informationssystem eingeführt, das die Recherche und Selektion von Daten sowie die Organisierung von Informationsflüssen gewährleistete. In den operativen HA und BV erhielt die ZAIG mit den AIG entsprechende "Filialen". Im gleichen Jahr ging Korb in den Ruhestand, Irmler wurde wieder Leiter der Diensteinheit.
1968 wurde auch das Kontrollwesen der Staatssicherheit in die ZAIG eingegliedert, das im Dezember 1953 mit der Kontrollinspektion seinen ersten organisatorischen Rahmen erhalten hatte und 1957 mit der Umbenennung in AG Anleitung und Kontrolle erheblich qualifiziert worden war.
1969 erhielt die ZAIG auch die Verantwortung für den Einsatz der EDV. Das im Aufbau begriffene Rechenzentrum (Abt. XIII) wurde ihr unterstellt. In der ersten Hälfte der 70er Jahre bildeten sich vier Arbeitsbereiche der ZAIG heraus. Bereich 1: konkrete Auswertungs- und Informationstätigkeit und Berichterstattung an die politische Führung; Bereich 2: Kontrollwesen, die Erarbeitung von dienstlichen Bestimmungen sowie Prognose- und Planungsaufgaben; Bereich 3: Fragen der EDV; Bereich 4: Pflege und Weiterentwicklung der "manuellen" Bestandteile des Auswertungs- und Informationssystems. 1979 erhielt dieser Bereich auch die Verantwortung für das SOUD ("ZAIG/5").
Signatur: BStU, MfS, ZAIG, Nr. 5306, Bl. 1-19
Minister Erich Mielke und der stellvertretende Chef des KGB, Wladimir Krjutschkow sprachen über Fragen der atomaren Nachrüstung in Europa. Außerdem geht es um den Abschuss eines südkoreanischen Passagierflugzeugs an der sowjetischen Pazifikküste zwei Wochen zuvor.
MItarbeiter der Stasi tauschten sich regelmäßig mit dem "Bruderorgan" KGB aus. Besonders auf höchster Ebene hielt man sich gegenseitig in persönlichen Gesprächen auf dem Laufenden. Das vorliegende Dokument ist die Notiz eines solchen Gesprächs zwischen dem Minister für Staatssicherheit, Erich Mielke und dem stellvertretenden KGB-Vorsitzenden, Wladimir Krjutschkow, in Berlin. Neben Mielke, Krjutschkow und zwei Dolmetschern nahmen an dem Gespräch der Leiter der Vertretung des KGB in der DDR, Wassilij Schumilow teil sowie von Seiten des MfS als Vertreter der HV A Werner Großmann und der Leiter der Abteilung X, Willi Damm.
Das Gespräch fand in einer besonders heißen Phase des Kalten Krieges statt. Anfang der 80er Jahre waren die beiden Supermächte in ein neues atomares Wettrüsten eingetreten. Die Sowjetunion hatte in Ost- und Mitteleuropa ihre atomaren Mittelstreckenraketen mit dem neueren Typ RSD-10 (NATO-Bezeichnung SS-20 "Saber") modernisiert. Nach gescheiterten Abrüstungsverhandlungen hatten die USA und die NATO mit dem sogenannten NATO-Doppelbeschluss nachgezogen und Mittelstreckenatomraketen vom Typ Pershing II in Westeuropa aufgestellt.
Am 1. September, zwei Wochen vor dem Gespräch, hatten zudem sowjetische Abfangjäger über der sowjetischen Insel Sachalin ein südkoreanisches Passagierflugzeug vom Typ Boeing 747 abgefangen und abgeschossen. Die sowjetische Luftverteidigung hatte das Flugzeug irrtümlich als US-amerikanischen Militäraufklärer vom Typ RC-153 identifiziert, und die Piloten der Passagiermaschine hatten nach sowjetischer Darstellung auf Aufforderungen zum Verlassen des Luftraums sowie auf Warnschüsse nicht reagiert.
Krjutschkow berichtete Mielke zunächst von diesem "Flugzeugzwischenfall" und der Haltung Moskaus dazu. Mielke kritisierte die Reaktion der Sowjetunion als zu wenig offensiv. Das habe es dem "Gegner" erlaubt, den Vorfall zu seinem Vorteil zu nutzen. Danach ging es um Rüstungsfragen, vor allem um die Entwicklung in der BRD, wo sich führende Politiker für eine Aufstellung der Atomraketen auch auf westdeutschem Boden ausgesprochen hatten. Hier interessierte die sowjetische Seite vor allemauch, wie die politische Elite der BRD zu möglichen erneuten Abrüstungsverhandlungen stehen würde.
Weiterhin ging es in dem Gespräch um die KSZE-Folgekonferenz von Madrid, die am 9. September 1983 abgeschlossen worden war. Krjutschkow und Mielke unterhielten sich dabei unter anderem über die sogenannten Körbe des KSZE-Prozesses. Im ersten Korb wurden Fragen der Abrüstung geregelt, im zweiten die Absicht zur wirtschaftlichen Zusammenarbeit und im dritten die Einhaltung der Menschenrechte und Grundfreiheiten. In den Folgekonferenzen wurden die in Helsinki getroffenen Vereinbarungen weiterverhandelt und konkretisiert. Besonders die Verhandlungen zur Abrüstung gewannen 1983 vor dem Hintergrund der Stationierung der Mittelstreckenraketen eine besondere Bedeutung. Mielke und Krjutschkow bewerteten die Ergebnisse von Madrid unterschiedlich. Kurz kam die Sprache auf die nächste, für 1984 in Stockholm geplante Konferenz über Sicherheits- und Vertrauensbildende Maßnahmen und Abrüstung in Europa (KVAE), die zum KSZE-Prozess gehörte und sich vor allem mit den Abrüstungsfragen beschäftigen sollte.
Anmerkung: Das MfS bezeichnete in seinen Unterlagen den Geheimdienst der Sowjetunion in der Regel als Komitee für Staatssicherheit (KfS), der deutschen Übersetzung der Abkürzung KGB.
Deshalb wird er die Verhandlungen nicht abbrechen. Aber die Verhandlungen seitens der USA sind ein Betrug für den einfachen Bürger.
Das sind die Tatsachen. Aber die UdSSR kann die Verhandlungen nicht abbrechen, sonst sagen die einfachen Menschen, die SU will den Frieden nicht.
Diese Frage ist sehr ernst.
Es gibt verschiedene Standpunkte. Manche Genossen meinen, hat es denn Sinn, weiterzuverhandeln?
Gen. Mielke: Man muß weiterverhandeln.
Gen. Krjutschkow: Manche schlagen vor, vielleicht etwas zu machen, damit die Öffentlichkeit beruhigt wird.
Dies ist eine sehr wichtige Frage, einen solchen Schritt zu machen Unsere führenden Genossen beraten darüber. Wir versuchen, Wege zu Vereinbarungen zu finden, wie der letzte Vorschlag zu den SS 20.
Aber im Westen ist die NATO und im Osten China und aufsteigend Japan.
Wir sind bereit, SS 20-Raketen zu vernichten. Ein sehr mutiger Schritt. D. h. vernichten und nicht nach dem Osten verlagern. Deshalb denken Regierungskreise, daß die sowjetische Seite noch etwas weiter geht.
Es gibt sehr wichtige Umstände. Es hat die westlichen Verbündeten in gewisser Hinsicht gespalten. Dies müssen wir ausnutzen.
Es gibt eine Idee, vielleicht die Verhandlungen über die Begrenzung der strategischen Raketen und der Mittelstreckenraketen zusammenzuführen.
Dies muß man durchrechnen. Auf der einen Seite hätten wir Verbündete, aber auf der anderen Seite wird das Problem komplizierter
Eine selbständige Abteilung ist eine Organisationsstruktur in der MfS-Zentrale, die durch den Minister oder einen seiner Stellvertreter direkt angeleitet und durch militärische Einzelleiter geführt wurde. Die weiter untergliederten Abteilungen prägten Linien aus (z. B. Abt. XIV; Linienprinzip) oder blieben auf die Zentrale beschränkt (z. B. Abt. X). Die eng umrissenen Zuständigkeiten mit operativer Verantwortung und Federführung orientierten sich an geheimdienstlichen Praktiken (Telefonüberwachung) oder Arbeitsfeldern (Bewaffnung, chemischer Dienst).
1956 entstanden. Aufgaben: Förderung und Weiterentwicklung der internationalen Beziehungen des MfS, insbesondere der Zusammenarbeit mit den "Bruderorganen" sozialistischer Länder und der Zusammenarbeit mit den Sicherheitsorganen befreundeter Staaten sowie Übersetzerdienst für die Diensteinheiten des MfS.
Aufklärung hatte innerhalb des MfS unterschiedliche Bedeutungen: Sie wird zur Bezeichnung des Tätigkeitsbereiches der Auslandsspionage verwendet, die überwiegend von der HV A getragen wurde, die teilweise auch kurz als Aufklärung bezeichnet wird. Darüber hinaus findet der Begriff Verwendung bei der Bezeichnung von Sachverhaltsermittlungen (Aufklärung eines Sachverhalts) und von Überprüfungen der Eignung von IM-Kandidaten (Aufklärung des Kandidaten).
Die AIG entstanden mit der Einführung des einheitlichen Auswertungs- und Informationssystems 1965 aus den in den Bezirksverwaltungen und zentralen operativen Diensteinheiten des MfS schon bestehenden Informationsgruppen. In ihrem Zuständigkeitsbereich oblag ihnen die Bewertung und Selektion von Informationen, die Gewährleistung des Informationsflusses und die Fertigung der Berichte für die Partei- und Staatsfunktionäre. Die AIG unterstanden der fachlichen Anleitung und Kontrolle der ZAIG. 1978/79 wurden sie zu Auswertungs- und Kontrollgruppen erweitert.
Hauptverwaltung (HV) war eine Organisationseinheit in der MfS-Zentrale, die bereits ausdifferenzierte Aufgabenkomplexe in einer hierarchisch gegliederten Einheit zusammenfasst. Überwiegend durch Stellvertreter des Ministers direkt geleitet. Über das Gründungsjahrzehnt des MfS hinweg hatte nur die HV A als echte HV Bestand. Daneben war Hauptverwaltung eine Bezeichnung für Diensteinheiten im MfS ohne strukturell berechtigenden Hintergrund.
Die ZAIG war das "Funktionalorgan" des Ministers für Staatssicherheit, die Schaltstelle im MfS, in der nahezu alle komplexen Stabsfunktionen konzentriert waren: die zentrale Auswertung und Information, einschließlich der Berichterstattung an die politische Führung, die Optimierung der entsprechenden Verfahren und Strukturen im Gesamtapparat des MfS, die zentralen Kontrollen und Untersuchungen und die Analyse der operativen Effektivität des MfS, die zentrale Planung und die Erarbeitung dienstlicher Bestimmungen, zudem die übergeordneten Funktionen im Bereich EDV sowie die Gewährleistung des internationalen Datenaustauschsystems der kommunistischen Staatssicherheitsdienste (SOUD). Nach der Eingliederung der Abteilung Agitation 1985 waren auch die Öffentlichkeitsarbeit und die Traditionspflege des MfS in der ZAIG als "Bereich 6" funktional verankert. Die ZAIG war im direkten Anleitungsbereich des Ministers angesiedelt; ihr waren zuletzt die formal selbständigen Abt. XII, XIII (Rechenzentrum) und die Rechtsstelle fachlich unterstellt.
Die ZAIG geht auf die nach dem Juniaufstand 1953 gegründete und von Heinz Tilch geleitete Informationsgruppe (IG) der Staatssicherheitszentrale zurück, die erstmals eine regelmäßige Lage- und Stimmungsberichterstattung für die Partei- und Staatsführung hervorbrachte. Diese entwickelte sich 1955/56 zur Abteilung Information mit drei Fachreferaten, wurde aber 1957 als Resultat des Konfliktes zwischen Ulbricht und Wollweber wieder stark reduziert. 1957 erhielt die Abteilung mit Irmler einen neuen Leiter, der jedoch bereits 1959 vom ehemaligen stellv. Leiter der HV A Korb abgelöst und zum Stellvertreter zurückgestuft wurde. Gleichzeitig wurde die Diensteinheit in Zentrale Informationsgruppe (ZIG) umbenannt; von da an lief auch die bisher eigenständige Berichterstattung der HV A über sie. 1960 wurde die Berichterstattung an die politische Führung durch einen Ministerbefehl präzise geregelt, und die ZIG erhielt mit der Neueinrichtung von Informationsgruppen in den BV und operativen HA einen soliden Unterbau.
1965 wurde die ZIG in ZAIG umbenannt und ein einheitliches Auswertungs- und Informationssystem eingeführt, das die Recherche und Selektion von Daten sowie die Organisierung von Informationsflüssen gewährleistete. In den operativen HA und BV erhielt die ZAIG mit den AIG entsprechende "Filialen". Im gleichen Jahr ging Korb in den Ruhestand, Irmler wurde wieder Leiter der Diensteinheit.
1968 wurde auch das Kontrollwesen der Staatssicherheit in die ZAIG eingegliedert, das im Dezember 1953 mit der Kontrollinspektion seinen ersten organisatorischen Rahmen erhalten hatte und 1957 mit der Umbenennung in AG Anleitung und Kontrolle erheblich qualifiziert worden war.
1969 erhielt die ZAIG auch die Verantwortung für den Einsatz der EDV. Das im Aufbau begriffene Rechenzentrum (Abt. XIII) wurde ihr unterstellt. In der ersten Hälfte der 70er Jahre bildeten sich vier Arbeitsbereiche der ZAIG heraus. Bereich 1: konkrete Auswertungs- und Informationstätigkeit und Berichterstattung an die politische Führung; Bereich 2: Kontrollwesen, die Erarbeitung von dienstlichen Bestimmungen sowie Prognose- und Planungsaufgaben; Bereich 3: Fragen der EDV; Bereich 4: Pflege und Weiterentwicklung der "manuellen" Bestandteile des Auswertungs- und Informationssystems. 1979 erhielt dieser Bereich auch die Verantwortung für das SOUD ("ZAIG/5").
Notiz über die Besprechung zwischen Minister Mielke mit dem stellvertretenden Vorsitzenden des KfS Dokument, 41 Seiten
Dienstbesprechung zwischen Mielke und den Chefs der Bezirksverwaltungen Dokument, 79 Seiten
Notizen aus der Politbürositzung zur Schürer-Mittag-Kontroverse Dokument, 29 Seiten
Offizielle Verabschiedung von Markus Wolf Audio, 1 Stunde, 23 Minuten, 45 Sekunden