Signatur: BArch, MfS, AU, Nr. 11554/78, Bd. 8, Bl. 202-204
Am 19. November 1976 verhaftete die Stasi den Schriftsteller Jürgen Fuchs wegen seiner Beteiligung an Protestaktionen gegen die Ausbürgerung des Liedermachers Wolf Biermann. Ziel des MfS war es, dem jungen Dissidenten während seiner Untersuchungshaft den Verdacht der "staatsfeindlichen Hetze" nachzuweisen.
Der Schriftsteller und Sozialpsychologe Jürgen Fuchs (1950-1999) engagierte sich politisch und literarisch für eine freie Rede in der DDR. Er beschäftigte sich früh mit marxistischen Werken und setzte sich in seinen literarischen Texten kritisch mit den Verhältnissen in der DDR auseinander.
Mit SED-kritischen Lyrik- und Prosawerken, die er während seiner Studienzeit verfasste, fiel er der Stasi bereits Anfang der 70er-Jahre auf. Wegen seiner angeblich "sozialismusfeindlichen Anschauungen" und "verleumderischen literarischen Arbeiten" folgten 1975 der Parteiausschluss und die Exmatrikulation vom Psychologiestudium kurz vor seinem Examen.
Am 19. November 1976 wurde Jürgen Fuchs wegen seines Engagements bei den Protesten gegen die Ausbürgerung Wolf Biermanns verhaftet. Bis zu seiner erzwungenen Ausbürgerung am 26. August 1977 befand er sich neun Monate in Untersuchungshaft im Stasi-Gefängnis Hohenschönhausen. Während seiner Haft war er neben langwierigen täglichen Vernehmungen auch den Schikanen eines vom MfS instruierten Zellenspitzels ausgesetzt. Die Erfahrungen seiner Stasi-Haft und der Verhöre durch MfS-Mitarbeiter verarbeitete Jürgen Fuchs in seinem Werk "Vernehmungsprotokolle". Diese veröffentlichte er 1977 zunächst als Artikelserie in DER SPIEGEL und später als Buch.
Auch nach seiner Entlassung und der Abschiebung nach West-Berlin ließ die Stasi nicht von Fuchs ab. Im Gegenteil - sie intensivierte sogar die bestehenden Überwachungsmaßnahmen gegen den Schriftsteller und sein Umfeld. Der ehemalige DDR-Häftling Fuchs publizierte weiterhin und prangerte Missstände in der DDR an. Von West-Berlin aus unterstützte er mithilfe seiner neuen Kontakte zu westlichen Medien und linken politischen Kreisen Oppositionsbewegungen in der DDR, Polen und der ČSSR. Das alles machte ihn in den Augen des MfS zu einem gefährlichen Staatsfeind. Die Stasi überwachte nicht nur jede seiner öffentlichen Aktionen, sondern drang auch in sein Privatleben ein und versuchte ihm und seiner Familie mit "Zersetzungsmaßnahmen" zu schaden.
Beim vorliegenden Dokument handelt es sich um einen "Maßnahmeplan" der Stasi gegen Jürgen Fuchs vom 10. Dezember 1976. Er sah verschiedene Schritte vor, um dem Schriftsteller während seiner Untersuchungshaft den Straftatbestand der "staatsfeindlichen Hetze" nachzuweisen. Dazu gehörte u. a. der Einsatz einer "Sachverständigenkommission", die Fuchs’ literarisches Werk begutachten sollte. Ein Hauptaugenmerk des MfS lag darauf, seine in Westpresse und -verlagen veröffentlichten Texte als Beweismittel heranzuziehen.
6. Überprüfung der Berichte der Abt. 26 im op. Material über Havemann hinsichtlich der von Fuchs geführten Telefongespräche, insbesondere mit westlichen Journalisten und anderen Personen in der BRD und WB
7. Überprüfung des op. Materials über Biermann hinsichtlich der Aufenthalte von Fuchs in dessen Wohnung und den Inhalt von Zusammentreffen mit westlichen Journalisten und Verlagsangestellten sowie der Treffen von Biermann und Wallraff mit dem Ziel der Klärung, ob und welche Schriften von Fuchs Biermann zur Veröffentlichung in der BRD an Wallraff übergab. Inwieweit ergeben sich aus von Biermann getroffene Absprachen im Zusammenhang mit der Verlegung des "Rororo"-Buches "Wolf Biermann - Liedermacher und Sozialist" Hinweise auf Aktivitäten von Biermann oder Fuchs zur Aufnahme und Veröffentlichung des Textes von Fuchs in diesem Buch
8. Beschaffung offizieller, gerichtlich verwendungsfähiger Bestätigungen über den Inhalt folgender Sendungen bzw. Meldungen über Fuchs
- 31.10.1976 "RIAS" gegen 22.00 Uhr
- 11.11.1976 "Deutschlandfunk", 22.05 Uhr; Sendung "Literarisches Atelier"
- 16.11.1976 DPA-Meldung zur "Biermann-Aktion"; Stellungnahme von Fuchs
sowie zur Übergabe des Bandes der Sendung vom
-24.11.1976 vom "Hessischen Rundfunk"
9. Beschaffung der von Fuchs im Jahre 1976 bei dem Verlag "Sinn und Form" und Verlag "Neues Leben" - "Temperamente" K.-H. Jacobs eingereichten Texte (Original oder Kopien) sowie Einholung von Stellungnahmen dieser Verlage über getroffene Ablehnungen von Texten und deren Begründung
Die Abt. 26 war für die Telefonüberwachung in der DDR zuständig. Die Abt. 26 ging 1955 als Abteilung O aus der HA S (Technische Sicherheit) hervor. Sie wurde 1960 in Abt. 26 umbenannt. Neben den Abhörmaßnahmen im Telefonnetz fielen die Kontrolle der Telexnetze (Maßnahme T) ebenso in ihren Aufgabenbereich wie (akustische) Abhörmaßnahmen in Räumen (Maßnahme B), die Beobachtung von Privat- oder Diensträumen (Maßnahme D), die Abwehr von Abhörangriffen westlicher Geheimdienste auf Räume des MfS (Maßnahme X) sowie der Einsatz von chemischen, physikalischen und radioaktiven Markierungsmitteln (Maßnahme S, Markierung).
In den 50er Jahren ging es dem MfS darum, alle drahtgebundenen und drahtlosen Verbindungen in der DDR zu überwachen. Als zu Beginn der 70er Jahre der Fernsprechverkehr zwischen beiden deutschen Staaten erweitert wurde, stieg die Zahl der Abhöraufträge stark an. Durch den Zugriff auf die Nachrichtenverbindungen der Deutschen Post war es möglich, Teilnehmer am grenzüberschreitenden Telefonverkehr zu erfassen. In den 70er und 80er Jahren setzte die Abt. 26 in großem Maße Videokameras und Abhörgeräte in Wohnungen, Hotels, Dienstgebäuden und Haftanstalten ein. Daneben verfügte die Abt. 26 über ein eigenes Referat zur Spionageabwehr, um westliche Spionagetechniken zu beschaffen.
Die seit Anfang der 70er Jahre wachsenden Auslandsbeziehungen der DDR erweiterten das Aufgabenfeld der Abt. 26 zusätzlich. In den Auslandsvertretungen der DDR wurden abhörsichere Telefone eingebaut. Zu Beginn der 80er Jahre überforderte die Ausweitung der Aufgaben im Operationsgebiet die Abt. 26 derart, dass es ihr an Kräften und Mitteln zur Bewältigung der Überwachungsaufträge in der DDR fehlte. Deshalb wurde ihr Operationsfeld 1983 auf die Überwachung des drahtgebundenen Telefonverkehrs innerhalb der DDR eingeschränkt. Die Westarbeit der Abt. 26 wurde von der HA III übernommen. Überwachungsmaßnahmen der Abt. 26 wurden in der Regel durch Aufträge anderer MfS-Diensteinheiten ausgelöst. Sie dienten der Überwachung dem MfS verdächtig erscheinender Personen. Die Abt. 26 überwachte auch Konspirative Wohnungen des MfS, um die Zuverlässigkeit von IM zu überprüfen sowie hauptamtliche Mitarbeiter, die der Verletzung ihrer Dienstpflichten verdächtigt wurden.
Bekämpfung von Widerstand und Opposition umschreibt, was zwischen 1950 und 1989 als eine Kernaufgabe des MfS galt. Gegen den Willen eines Großteils der ostdeutschen Bevölkerung wurde eine Diktatur etabliert, die nicht durch Wahlen legitimiert war: Dies war einer der Gründe für die Bildung des MfS am 8.2.1950.
Um ihren gesellschaftlichen Alleinvertretungs- und Herrschaftsanspruch zu sichern, schuf sich die SED als Repressions- und polizeistaatliche Unterdrückungsinstanz das MfS - das konsequenterweise so auch offiziell von ihr als "Schild und Schwert der Partei" bezeichnet wurde. Bereits in der "Richtlinie über die Erfassung von Personen, die eine feindliche Tätigkeit durchführen und von den Organen des MfS der DDR festgestellt wurden" vom 20.9.1950 wurde dementsprechend festgelegt, dass "alle Personen" zu registrieren seien, deren Verhalten geeignet war, die "Grundlagen" der DDR in Frage zu stellen.
Ferner wurde bestimmt, dass "über Personen, die eine feindliche Tätigkeit ausüben, [...] Vorgänge" anzulegen sind und über "die erfassten Personen [...] eine zentrale Kartei" einzurichten ist. Das offensive Vorgehen gegen Regimegegner erfuhr eine Ergänzung in den gleichzeitig getroffenen Festlegungen zur Übergabe der als "feindlich" klassifizierten Personen an die Staatsanwaltschaften.
Das MfS wurde somit bei der Bekämpfung von Widerstand und Opposition zur Ermittlungsinstanz; die nachfolgenden Urteile gegen Oppositionelle und Regimekritiker ergingen in enger Kooperation mit den vom MfS zumeist vorab instruierten Gerichten und zum Schein vermeintlicher Rechtsstaatlichkeit unter Hinzuziehung von mit dem MfS häufig zusammenarbeitenden Rechtsanwälten.
Inhalte, Auftreten und Erscheinungsbild von politisch abweichendem Verhalten, Widerstand und Opposition wandelten sich im Laufe der DDR-Geschichte. Zugleich änderten sich auch die Strategien und Methoden des MfS in Abhängigkeit vom konkreten Erscheinungsbild von Protest und Widerstand, aber auch analog zum Ausbauniveau des Apparates und seines Zuträger- und Informantennetzes sowie zur jeweils getroffenen Lageeinschätzung und unter Berücksichtigung der politischen Rahmenbedingungen.
Zu allen Zeiten gab es in beinahe allen Bevölkerungsgruppen und in allen Regionen Aufbegehren, Opposition und Widerstand. In den ersten Jahren nach Gründung der DDR gingen die SED und das MfS mit drakonischen Abschreckungsstrafen (u. a. Todesurteilen) gegen politische Gegner vor. Gefällt wurden die Urteile nicht selten in penibel vorbereiteten Strafprozessen mit präparierten Belastungszeugen und unter Verwendung erzwungener Geständnisse.
In mehreren Orten der DDR wurden z. B. Oberschüler (Werdau, Leipzig, Werder, Eisenfeld, Fürstenberg/Oder, Güstrow), die anknüpfend an das Vorbild der Gruppe "Weiße Rose" in der NS-Diktatur Widerstand geleistet hatte, zum Tode oder zu langjährigen Zuchthausstrafen verurteilt, weil sie Informationen gesammelt und Flugblätter verteilt hatten. Manch einer von ihnen überlebte die Haftbedingungen nicht oder nur mit dauerhaften gesundheitlichen Schäden.
Im Laufe der 50er Jahre ging das MfS schrittweise zum verdeckten Terror über. Nach wie vor ergingen langjährige Zuchthausstrafen; politische Opponenten, die von Westberlin aus die Verhältnisse in der DDR kritisierten, wurden - wie Karl Wilhelm Fricke 1955 - in geheimen Operationen entführt, nach Ostberlin verschleppt, in MfS-Haft festgehalten und vor DDR-Gerichte gestellt (Entführung).
Das Bestreben der SED, sich in der westlichen Öffentlichkeit aufgrund dieser ungelösten Fälle und angesichts eklatanter Menschenrechtsverletzungen nicht fortlaufender Kritik ausgesetzt zu sehen, führte, begünstigt durch die Absicht, der maroden Finanz- und Wirtschaftslage mit westlicher Unterstützung beizukommen, schrittweise zu einem Wandel. Im Ergebnis kam es auch zu einer Modifikation der MfS-Strategien im Vorgehen gegenüber Widerstand und Opposition.
Neben die im Vergleich zu den 50er Jahren zwar niedrigeren, für die Betroffenen aber nach wie vor empfindlich hohen Haftstrafen traten als beabsichtigt "lautloses" Vorgehen die Strategien der Kriminalisierung und Zersetzung. In einem "Entwurf der Sektion politisch-operative Spezialdisziplin" des MfS, der auf 1978 zu datieren ist, wird hierzu ausgeführt: "Um der Behauptung des Gegners die Spitze zu nehmen, dass wir ideologische Meinungsverschiedenheiten oder Andersdenkende mit Mitteln des sogenannten politischen Strafrechts bekämpfen, sind dazu noch wirksamer Maßnahmen zur Kriminalisierung dieser Handlungen sowie nicht strafrechtliche Mittel anzuwenden."
In der Richtlinie 1/76 "zur Entwicklung und Bearbeitung Operativer Vorgänge" vom Januar 1976 wurden unter Punkt 2.6 "die Anwendung von Maßnahmen der Zersetzung" geregelt und unter Punkt 2.6.2 die "Formen, Mittel und Methoden der Zersetzung" erörtert. Jene reichten u. a. von der "systematischen Diskreditierung des öffentlichen Rufes" auch mittels "unwahrer […] Angaben" und der "Verbreitung von Gerüchten" über das "Erzeugen von Misstrauen", dem "Vorladen von Personen zu staatlichen Dienststellen" bis zur "Verwendung anonymer oder pseudonymer Briefe, […] Telefonanrufe".
Mit der "Ordnungswidrigkeitenverordnung" (OWVO) von 1984 ging man zudem verstärkt dazu über, politisch unliebsame Personen, sofern sie sich an Protesten beteiligten, mit Ordnungsstrafen zu überziehen und sie somit materiell unter Druck zu setzen. All diese Maßnahmen sollten nach außen hin den Eindruck erwecken, dass das MfS weniger rigoros als in früheren Jahren gegen Regimegegner vorging.
Nach der Freilassung von Oppositionellen, die kurz zuvor während der Durchsuchung der Umweltbibliothek 1987 und nach den Protesten am Rande der Liebknecht-Luxemburg-Demonstration 1988 in Berlin inhaftiert worden waren, äußerten selbst SED-Mitglieder Zweifel, ob das MfS noch in der Lage sei, offensiv und effektiv gegen politische Opponenten vorzugehen.
Hochgerüstet und allemal zum Einschreiten bereit, trat das MfS jedoch noch bis in den Herbst 1989 gegenüber weniger prominenten Menschen in Aktion, die Widerstand leisteten, inhaftierte diese und ließ gegen sie hohe Haftstrafen verhängen. Bis zum Ende der DDR schritt das MfS bei sog. Demonstrativhandlungen ein und ging gegen - wie es hieß - ungesetzliche Gruppenbildungen vor.
Erstes Stadium des Strafverfahrens, steht formal unter Leitung des Staatsanwaltes (§ 87 StPO/1968). Die eigentlichen Ermittlungen werden von den staatlichen Untersuchungsorganen (Polizei, MfS, Zoll) durchgeführt (§ 88 StPO/1968) und vom Staatsanwalt beaufsichtigt (§ 89 StPO/1968).
Tatsächlich waren für die Ermittlungen des MfS lediglich die zuvor vom MfS ausgewählten Staatsanwälte der Abteilungen IA zuständig, die gemäß MfS-internen Regelungen keine Einsicht in Unterlagen oder Ermittlungen, die nicht der StPO entsprachen, bekommen durften. Faktisch gab es daher eine doppelte Aktenführung in der zuständigen Linie IX: den internen Untersuchungsvorgang und die für Staatsanwaltschaft und Gericht bestimmte Gerichtsakte und somit keine wirksame staatsanwaltschaftliche Aufsicht über die MfS-Ermittlungen. Einleitung wie auch Einstellung des Ermittlungsverfahrens konnten selbständig von den Untersuchungsorganen verfügt werden (§§ 98, 141 StPO/1968).
Mit dem Ermittlungsverfahren verbunden waren Eingriffe in die persönliche Freiheit Beschuldigter durch die Untersuchungsorgane wie die Beschuldigten- und Zeugenvernehmung, die Durchsuchung, die Beschlagnahme, die Festnahme oder die Untersuchungshaft. In der Tätigkeit des MfS stellte das Ermittlungsverfahren einen besonders wirksamen Teil des repressiven Vorgehens gegen politische Gegner dar.
Untersuchungshaft ist eine freiheitsentziehende Zwangsmaßnahme zur Sicherung des Strafverfahrens. Die Untersuchungshaft begann nach der Verkündung des Haftbefehls durch einen Richter und endete mit der Überstellung in den Strafvollzug nach Erlangung der Rechtskraft einer Verurteilung zu einer Freiheitsstrafe, selten auch mit der Freilassung.
Voraussetzungen für die Anordnung der Untersuchungshaft waren ein dringender Tatverdacht sowie entweder Fluchtverdacht oder Verdunklungsgefahr (§ 112 StPO/1949, § 141 StPO/1952, § 122 StPO/1968). Der Vollzug der Untersuchungshaft war gesetzlich mit nur einem StPO-Paragraphen geregelt (§ 116 StPO/1949, § 147 StPO/1952, § 130 StPO/1968), alles Weitere in internen Ordnungen. Er erfolgte für Beschuldigte, deren Ermittlungsverfahren von der Staatssicherheit geführt wurden, in MfS-Untersuchungshaftanstalten in Berlin bzw. den Bezirksstädten der DDR.
Die Haftbedingungen waren dort von Willkür, völliger Isolation und daraus resultierender Desorientierung der Häftlinge gekennzeichnet. Für den Vollzug der Untersuchungshaft war im MfS die Linie XIV (Abt. XIV) zuständig; die Vernehmungen oblagen den Untersuchungsführern der Linie IX (HA IX).
Zersetzung war eine Methode der verdeckten Bekämpfung von Personen und Personengruppen, die vom MfS als "feindlich-negativ" angesehen wurden. Ziel der Zersetzung war laut der hier einschlägigen Richtlinie zur Bearbeitung Operativer Vorgänge von 1976, gegnerische Kräfte zu zersplittern, zu lähmen, zu desorganisieren und sie untereinander und von der Umwelt zu isolieren. "Feindliche" Handlungen sollten so vorbeugend verhindert, eingeschränkt oder unterbunden werden.
Ziele der Zersetzung waren zumeist staatsunabhängige Friedens-,Ökologie- und Menschenrechtsgruppen, Ausreiseantragsteller, aktive Christen sowie Personen und Organisationen im Operationsgebiet, die das MfS der politischen Untergrundtätigkeit gegen die DDR verdächtigte.
Gegen einzelne Personen gerichtete Maßnahmen der Zersetzung waren gemäß Richtlinie 1/76 etwa die "systematische Diskreditierung des öffentlichen Rufes, des Ansehens und des Prestiges auf der Grundlage miteinander verbundener wahrer, überprüfbarer diskreditierender sowie unwahrer, glaubhafter, nicht widerlegbarer und damit ebenfalls diskreditierender Angaben" oder die "systematische Organisierung beruflicher und gesellschaftlicher Misserfolge zur Untergrabung des Selbstvertrauens".
In Gruppierungen versuchte das MfS Misstrauen, Neid, Rivalitäten und gegenseitige Verdächtigung zu erzeugen und sie im Zusammenwirken mit anderen Staatsorganen durch Arbeitsplatzbindungen, Berufsverbote, Einberufungen zum Wehrdienst oder Zwangsausbürgerungen zu paralysieren. Die Zersetzung entfaltete ihre Wirksamkeit häufig durch den kombinierten Einsatz unterschiedlicher Maßnahmen in einer längerwährenden Aktion.
Die von Jürgen Fuchs als "leiser Terror" bezeichnete Zersetzung galt laut Richtlinie als "relativ selbständige Art des Abschlusses Operativer Vorgänge" und diente somit als Ersatz für Strafverfolgungsmaßnahmen, die in der Honecker-Ära insbesondere bei der Bekämpfung von Oppositionellen aus Gründen der internationalen Reputation häufig politisch nicht mehr opportun waren.
Vor der Umsetzung von Maßnahmen der Zersetzung waren entsprechende Pläne detailliert auszuarbeiten, die vom Leiter der jeweiligen HA, selbständigen Abteilung oder BV oder im Falle von Organisationen, Gruppen oder herausgehobenen Persönlichkeiten vom Minister oder seinem zuständigen Stellvertreter bestätigt werden mussten.
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Signatur: BArch, MfS, AU, Nr. 11554/78, Bd. 8, Bl. 202-204
Am 19. November 1976 verhaftete die Stasi den Schriftsteller Jürgen Fuchs wegen seiner Beteiligung an Protestaktionen gegen die Ausbürgerung des Liedermachers Wolf Biermann. Ziel des MfS war es, dem jungen Dissidenten während seiner Untersuchungshaft den Verdacht der "staatsfeindlichen Hetze" nachzuweisen.
Der Schriftsteller und Sozialpsychologe Jürgen Fuchs (1950-1999) engagierte sich politisch und literarisch für eine freie Rede in der DDR. Er beschäftigte sich früh mit marxistischen Werken und setzte sich in seinen literarischen Texten kritisch mit den Verhältnissen in der DDR auseinander.
Mit SED-kritischen Lyrik- und Prosawerken, die er während seiner Studienzeit verfasste, fiel er der Stasi bereits Anfang der 70er-Jahre auf. Wegen seiner angeblich "sozialismusfeindlichen Anschauungen" und "verleumderischen literarischen Arbeiten" folgten 1975 der Parteiausschluss und die Exmatrikulation vom Psychologiestudium kurz vor seinem Examen.
Am 19. November 1976 wurde Jürgen Fuchs wegen seines Engagements bei den Protesten gegen die Ausbürgerung Wolf Biermanns verhaftet. Bis zu seiner erzwungenen Ausbürgerung am 26. August 1977 befand er sich neun Monate in Untersuchungshaft im Stasi-Gefängnis Hohenschönhausen. Während seiner Haft war er neben langwierigen täglichen Vernehmungen auch den Schikanen eines vom MfS instruierten Zellenspitzels ausgesetzt. Die Erfahrungen seiner Stasi-Haft und der Verhöre durch MfS-Mitarbeiter verarbeitete Jürgen Fuchs in seinem Werk "Vernehmungsprotokolle". Diese veröffentlichte er 1977 zunächst als Artikelserie in DER SPIEGEL und später als Buch.
Auch nach seiner Entlassung und der Abschiebung nach West-Berlin ließ die Stasi nicht von Fuchs ab. Im Gegenteil - sie intensivierte sogar die bestehenden Überwachungsmaßnahmen gegen den Schriftsteller und sein Umfeld. Der ehemalige DDR-Häftling Fuchs publizierte weiterhin und prangerte Missstände in der DDR an. Von West-Berlin aus unterstützte er mithilfe seiner neuen Kontakte zu westlichen Medien und linken politischen Kreisen Oppositionsbewegungen in der DDR, Polen und der ČSSR. Das alles machte ihn in den Augen des MfS zu einem gefährlichen Staatsfeind. Die Stasi überwachte nicht nur jede seiner öffentlichen Aktionen, sondern drang auch in sein Privatleben ein und versuchte ihm und seiner Familie mit "Zersetzungsmaßnahmen" zu schaden.
Beim vorliegenden Dokument handelt es sich um einen "Maßnahmeplan" der Stasi gegen Jürgen Fuchs vom 10. Dezember 1976. Er sah verschiedene Schritte vor, um dem Schriftsteller während seiner Untersuchungshaft den Straftatbestand der "staatsfeindlichen Hetze" nachzuweisen. Dazu gehörte u. a. der Einsatz einer "Sachverständigenkommission", die Fuchs’ literarisches Werk begutachten sollte. Ein Hauptaugenmerk des MfS lag darauf, seine in Westpresse und -verlagen veröffentlichten Texte als Beweismittel heranzuziehen.
10. Ermittlung einer Frau [anonymisiert] (Nachbarin von Havemann) und eines im Oktober/November 1976 zeitweilig bei ihr aufenthältig gewesenen Rechtsanwaltes aus der BRD, der auch Havemann aufgesucht haben soll
11. Einholung von Stellungnahmen bzw. Einschätzungen der Universitäts- und Universitätsparteileitung der Friedrich-Schiller-Universität über die 1975 erfolgte Exmatrikulation und den Parteiausschluß von Fuchs
- in die Beurteilung bzw. Einschätzung der Uni-Leitung mit aufnehmen, daß ihm für Herbst 1976 die Möglichkeit eines externen Studienabschlusses in Aussicht gestellt worden war
12. Aufklärung und Überprüfung der von Fuchs in den Vernehmungen vom 03.12. und 07.12.1976 genannten Schriftsteller, Verlagsmitarbeiter und Studenten mit dem Ziel der Feststellung operativer im Rahmen von Befragungen oder Zeugenvernehmungen zu klärender Interessen
13. Erarbeitung von Kurzeinschätzungen zu den im Notizbuch von Fuchs enthaltenen Verlagen
- "Trikont" München
- "die horen" Hannover
- "Literatur/Manuskript" Köln
14. Durchführung von Zeugenvernehmungen
a) von Personen, die Angaben zum Verbleib der Tonbandaufzeichnung vom 17.10.1976 machen können
b) von Personen, die Hinweise auf von Fuchs unternommene Bemühungen für Veröffentlichungen in der BRD/WB geben können
c) von Personen, die Texte hetzerischen Inhaltes von Fuchs erhielten
[Unterschrift: Eberl]
Eberl
Hauptmann
Aufklärung hatte innerhalb des MfS unterschiedliche Bedeutungen: Sie wird zur Bezeichnung des Tätigkeitsbereiches der Auslandsspionage verwendet, die überwiegend von der HV A getragen wurde, die teilweise auch kurz als Aufklärung bezeichnet wird. Darüber hinaus findet der Begriff Verwendung bei der Bezeichnung von Sachverhaltsermittlungen (Aufklärung eines Sachverhalts) und von Überprüfungen der Eignung von IM-Kandidaten (Aufklärung des Kandidaten).
Strafprozessrechtlich zulässige Möglichkeit der offiziellen Kontaktaufnahme mit Verdächtigen, Zeugen und anderen Personen noch vor Einleitung eines Ermittlungsverfahrens (strafprozessuales Prüfungsstadium). Verdächtige konnten gemäß § 95 StPO/1968 zur Befragung zugeführt werden (Zuführung). Vom MfS wurde die B. gelegentlich als demonstrative Maßnahme zur Einschüchterung Oppositioneller genutzt, gegen die aus politischen Gründen kein Ermittlungsverfahren eingeleitet werden sollte.
Bekämpfung von Widerstand und Opposition umschreibt, was zwischen 1950 und 1989 als eine Kernaufgabe des MfS galt. Gegen den Willen eines Großteils der ostdeutschen Bevölkerung wurde eine Diktatur etabliert, die nicht durch Wahlen legitimiert war: Dies war einer der Gründe für die Bildung des MfS am 8.2.1950.
Um ihren gesellschaftlichen Alleinvertretungs- und Herrschaftsanspruch zu sichern, schuf sich die SED als Repressions- und polizeistaatliche Unterdrückungsinstanz das MfS - das konsequenterweise so auch offiziell von ihr als "Schild und Schwert der Partei" bezeichnet wurde. Bereits in der "Richtlinie über die Erfassung von Personen, die eine feindliche Tätigkeit durchführen und von den Organen des MfS der DDR festgestellt wurden" vom 20.9.1950 wurde dementsprechend festgelegt, dass "alle Personen" zu registrieren seien, deren Verhalten geeignet war, die "Grundlagen" der DDR in Frage zu stellen.
Ferner wurde bestimmt, dass "über Personen, die eine feindliche Tätigkeit ausüben, [...] Vorgänge" anzulegen sind und über "die erfassten Personen [...] eine zentrale Kartei" einzurichten ist. Das offensive Vorgehen gegen Regimegegner erfuhr eine Ergänzung in den gleichzeitig getroffenen Festlegungen zur Übergabe der als "feindlich" klassifizierten Personen an die Staatsanwaltschaften.
Das MfS wurde somit bei der Bekämpfung von Widerstand und Opposition zur Ermittlungsinstanz; die nachfolgenden Urteile gegen Oppositionelle und Regimekritiker ergingen in enger Kooperation mit den vom MfS zumeist vorab instruierten Gerichten und zum Schein vermeintlicher Rechtsstaatlichkeit unter Hinzuziehung von mit dem MfS häufig zusammenarbeitenden Rechtsanwälten.
Inhalte, Auftreten und Erscheinungsbild von politisch abweichendem Verhalten, Widerstand und Opposition wandelten sich im Laufe der DDR-Geschichte. Zugleich änderten sich auch die Strategien und Methoden des MfS in Abhängigkeit vom konkreten Erscheinungsbild von Protest und Widerstand, aber auch analog zum Ausbauniveau des Apparates und seines Zuträger- und Informantennetzes sowie zur jeweils getroffenen Lageeinschätzung und unter Berücksichtigung der politischen Rahmenbedingungen.
Zu allen Zeiten gab es in beinahe allen Bevölkerungsgruppen und in allen Regionen Aufbegehren, Opposition und Widerstand. In den ersten Jahren nach Gründung der DDR gingen die SED und das MfS mit drakonischen Abschreckungsstrafen (u. a. Todesurteilen) gegen politische Gegner vor. Gefällt wurden die Urteile nicht selten in penibel vorbereiteten Strafprozessen mit präparierten Belastungszeugen und unter Verwendung erzwungener Geständnisse.
In mehreren Orten der DDR wurden z. B. Oberschüler (Werdau, Leipzig, Werder, Eisenfeld, Fürstenberg/Oder, Güstrow), die anknüpfend an das Vorbild der Gruppe "Weiße Rose" in der NS-Diktatur Widerstand geleistet hatte, zum Tode oder zu langjährigen Zuchthausstrafen verurteilt, weil sie Informationen gesammelt und Flugblätter verteilt hatten. Manch einer von ihnen überlebte die Haftbedingungen nicht oder nur mit dauerhaften gesundheitlichen Schäden.
Im Laufe der 50er Jahre ging das MfS schrittweise zum verdeckten Terror über. Nach wie vor ergingen langjährige Zuchthausstrafen; politische Opponenten, die von Westberlin aus die Verhältnisse in der DDR kritisierten, wurden - wie Karl Wilhelm Fricke 1955 - in geheimen Operationen entführt, nach Ostberlin verschleppt, in MfS-Haft festgehalten und vor DDR-Gerichte gestellt (Entführung).
Das Bestreben der SED, sich in der westlichen Öffentlichkeit aufgrund dieser ungelösten Fälle und angesichts eklatanter Menschenrechtsverletzungen nicht fortlaufender Kritik ausgesetzt zu sehen, führte, begünstigt durch die Absicht, der maroden Finanz- und Wirtschaftslage mit westlicher Unterstützung beizukommen, schrittweise zu einem Wandel. Im Ergebnis kam es auch zu einer Modifikation der MfS-Strategien im Vorgehen gegenüber Widerstand und Opposition.
Neben die im Vergleich zu den 50er Jahren zwar niedrigeren, für die Betroffenen aber nach wie vor empfindlich hohen Haftstrafen traten als beabsichtigt "lautloses" Vorgehen die Strategien der Kriminalisierung und Zersetzung. In einem "Entwurf der Sektion politisch-operative Spezialdisziplin" des MfS, der auf 1978 zu datieren ist, wird hierzu ausgeführt: "Um der Behauptung des Gegners die Spitze zu nehmen, dass wir ideologische Meinungsverschiedenheiten oder Andersdenkende mit Mitteln des sogenannten politischen Strafrechts bekämpfen, sind dazu noch wirksamer Maßnahmen zur Kriminalisierung dieser Handlungen sowie nicht strafrechtliche Mittel anzuwenden."
In der Richtlinie 1/76 "zur Entwicklung und Bearbeitung Operativer Vorgänge" vom Januar 1976 wurden unter Punkt 2.6 "die Anwendung von Maßnahmen der Zersetzung" geregelt und unter Punkt 2.6.2 die "Formen, Mittel und Methoden der Zersetzung" erörtert. Jene reichten u. a. von der "systematischen Diskreditierung des öffentlichen Rufes" auch mittels "unwahrer […] Angaben" und der "Verbreitung von Gerüchten" über das "Erzeugen von Misstrauen", dem "Vorladen von Personen zu staatlichen Dienststellen" bis zur "Verwendung anonymer oder pseudonymer Briefe, […] Telefonanrufe".
Mit der "Ordnungswidrigkeitenverordnung" (OWVO) von 1984 ging man zudem verstärkt dazu über, politisch unliebsame Personen, sofern sie sich an Protesten beteiligten, mit Ordnungsstrafen zu überziehen und sie somit materiell unter Druck zu setzen. All diese Maßnahmen sollten nach außen hin den Eindruck erwecken, dass das MfS weniger rigoros als in früheren Jahren gegen Regimegegner vorging.
Nach der Freilassung von Oppositionellen, die kurz zuvor während der Durchsuchung der Umweltbibliothek 1987 und nach den Protesten am Rande der Liebknecht-Luxemburg-Demonstration 1988 in Berlin inhaftiert worden waren, äußerten selbst SED-Mitglieder Zweifel, ob das MfS noch in der Lage sei, offensiv und effektiv gegen politische Opponenten vorzugehen.
Hochgerüstet und allemal zum Einschreiten bereit, trat das MfS jedoch noch bis in den Herbst 1989 gegenüber weniger prominenten Menschen in Aktion, die Widerstand leisteten, inhaftierte diese und ließ gegen sie hohe Haftstrafen verhängen. Bis zum Ende der DDR schritt das MfS bei sog. Demonstrativhandlungen ein und ging gegen - wie es hieß - ungesetzliche Gruppenbildungen vor.
Erstes Stadium des Strafverfahrens, steht formal unter Leitung des Staatsanwaltes (§ 87 StPO/1968). Die eigentlichen Ermittlungen werden von den staatlichen Untersuchungsorganen (Polizei, MfS, Zoll) durchgeführt (§ 88 StPO/1968) und vom Staatsanwalt beaufsichtigt (§ 89 StPO/1968).
Tatsächlich waren für die Ermittlungen des MfS lediglich die zuvor vom MfS ausgewählten Staatsanwälte der Abteilungen IA zuständig, die gemäß MfS-internen Regelungen keine Einsicht in Unterlagen oder Ermittlungen, die nicht der StPO entsprachen, bekommen durften. Faktisch gab es daher eine doppelte Aktenführung in der zuständigen Linie IX: den internen Untersuchungsvorgang und die für Staatsanwaltschaft und Gericht bestimmte Gerichtsakte und somit keine wirksame staatsanwaltschaftliche Aufsicht über die MfS-Ermittlungen. Einleitung wie auch Einstellung des Ermittlungsverfahrens konnten selbständig von den Untersuchungsorganen verfügt werden (§§ 98, 141 StPO/1968).
Mit dem Ermittlungsverfahren verbunden waren Eingriffe in die persönliche Freiheit Beschuldigter durch die Untersuchungsorgane wie die Beschuldigten- und Zeugenvernehmung, die Durchsuchung, die Beschlagnahme, die Festnahme oder die Untersuchungshaft. In der Tätigkeit des MfS stellte das Ermittlungsverfahren einen besonders wirksamen Teil des repressiven Vorgehens gegen politische Gegner dar.
Untersuchungshaft ist eine freiheitsentziehende Zwangsmaßnahme zur Sicherung des Strafverfahrens. Die Untersuchungshaft begann nach der Verkündung des Haftbefehls durch einen Richter und endete mit der Überstellung in den Strafvollzug nach Erlangung der Rechtskraft einer Verurteilung zu einer Freiheitsstrafe, selten auch mit der Freilassung.
Voraussetzungen für die Anordnung der Untersuchungshaft waren ein dringender Tatverdacht sowie entweder Fluchtverdacht oder Verdunklungsgefahr (§ 112 StPO/1949, § 141 StPO/1952, § 122 StPO/1968). Der Vollzug der Untersuchungshaft war gesetzlich mit nur einem StPO-Paragraphen geregelt (§ 116 StPO/1949, § 147 StPO/1952, § 130 StPO/1968), alles Weitere in internen Ordnungen. Er erfolgte für Beschuldigte, deren Ermittlungsverfahren von der Staatssicherheit geführt wurden, in MfS-Untersuchungshaftanstalten in Berlin bzw. den Bezirksstädten der DDR.
Die Haftbedingungen waren dort von Willkür, völliger Isolation und daraus resultierender Desorientierung der Häftlinge gekennzeichnet. Für den Vollzug der Untersuchungshaft war im MfS die Linie XIV (Abt. XIV) zuständig; die Vernehmungen oblagen den Untersuchungsführern der Linie IX (HA IX).
Zersetzung war eine Methode der verdeckten Bekämpfung von Personen und Personengruppen, die vom MfS als "feindlich-negativ" angesehen wurden. Ziel der Zersetzung war laut der hier einschlägigen Richtlinie zur Bearbeitung Operativer Vorgänge von 1976, gegnerische Kräfte zu zersplittern, zu lähmen, zu desorganisieren und sie untereinander und von der Umwelt zu isolieren. "Feindliche" Handlungen sollten so vorbeugend verhindert, eingeschränkt oder unterbunden werden.
Ziele der Zersetzung waren zumeist staatsunabhängige Friedens-,Ökologie- und Menschenrechtsgruppen, Ausreiseantragsteller, aktive Christen sowie Personen und Organisationen im Operationsgebiet, die das MfS der politischen Untergrundtätigkeit gegen die DDR verdächtigte.
Gegen einzelne Personen gerichtete Maßnahmen der Zersetzung waren gemäß Richtlinie 1/76 etwa die "systematische Diskreditierung des öffentlichen Rufes, des Ansehens und des Prestiges auf der Grundlage miteinander verbundener wahrer, überprüfbarer diskreditierender sowie unwahrer, glaubhafter, nicht widerlegbarer und damit ebenfalls diskreditierender Angaben" oder die "systematische Organisierung beruflicher und gesellschaftlicher Misserfolge zur Untergrabung des Selbstvertrauens".
In Gruppierungen versuchte das MfS Misstrauen, Neid, Rivalitäten und gegenseitige Verdächtigung zu erzeugen und sie im Zusammenwirken mit anderen Staatsorganen durch Arbeitsplatzbindungen, Berufsverbote, Einberufungen zum Wehrdienst oder Zwangsausbürgerungen zu paralysieren. Die Zersetzung entfaltete ihre Wirksamkeit häufig durch den kombinierten Einsatz unterschiedlicher Maßnahmen in einer längerwährenden Aktion.
Die von Jürgen Fuchs als "leiser Terror" bezeichnete Zersetzung galt laut Richtlinie als "relativ selbständige Art des Abschlusses Operativer Vorgänge" und diente somit als Ersatz für Strafverfolgungsmaßnahmen, die in der Honecker-Ära insbesondere bei der Bekämpfung von Oppositionellen aus Gründen der internationalen Reputation häufig politisch nicht mehr opportun waren.
Vor der Umsetzung von Maßnahmen der Zersetzung waren entsprechende Pläne detailliert auszuarbeiten, die vom Leiter der jeweiligen HA, selbständigen Abteilung oder BV oder im Falle von Organisationen, Gruppen oder herausgehobenen Persönlichkeiten vom Minister oder seinem zuständigen Stellvertreter bestätigt werden mussten.
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Vernehmungsprotokoll und Aktenvermerk zur Verweigerung einer Aussage von Jürgen Fuchs Dokument, 3 Seiten
Empfehlung der HA XX zur Einbeziehung der Sicherheitsbehörden der ČSSR bei Ermittlungen zu Jürgen Fuchs Dokument, 2 Seiten