Signatur: BStU, MfS, HA XX, Nr. 6236, Bl. 19
Am 25.10.1983 trat Udo Lindenberg im Rahmen eines Friedensfestes im Palast der Republik auf. Die Stasi verfolgte ihn auf Schritt und Tritt und erstattete Bericht, auch kurze Begegnungen mit Fans wurden festgehalten.
Seit den Siebziger Jahren bemühte sich Udo Lindenberg um einen Gastauftritt in der DDR, wo er sich großer Beliebtheit erfreute. Der SED-Führung war der "mittelmäßige Schlagersänger der BRD" allerdings suspekt. Als Lindenberg im Februar 1983 das Lied "Sonderzug nach Pankow" veröffentlichte und darin einen Auftritt im Osten Deutschlands forderte, sahen sich die Mächtigen in Ostberlin herausgefordert. Honecker, im Text mit reichlich Ironie bedacht, ließ das Lied verbieten.
Am 25. Oktober 1983 spielte Udo Lindenberg im Rahmen eines Friedensfestes dennoch ein Konzert im Osten Berlins vor systemtreuen FDJ-Mitgliedern. Das bevorstehende Ereignis versetzte die Stasi in Alarmbereitschaft. MfS-Mitarbeiter begleiteten und beobachteten den Musiker auf Schritt und Tritt. Der vorliegende Bericht legt die genauen Umstände und Ereignisse rund um eine kurze Begegnung zwischen dem Sänger und einigen Fans dar.
Berlin, 25. Oktober 1983
Information zur Abfahrt von Udo Lindenberg vom Palast der Republik zum IPZ
Als Presseaktivität war vorgesehen, daß vor Abfahrt zum IPZ zwischen 15.50 Uhr und 16.00 Uhr am Haupteingang zum Palast der Republik von Udo Lindenberg und Harry Belafonte Fotos gefertigt werden sollten.
Entgegen getroffener Absprachen kam Udo Lindenberg nicht den festgelegten Weg über die Haupttreppe zum Ausgang, sondern verließ den Palast der Republik über den Bühneneingang, Marstall-Seite.
Dort wurde Udo Lindenberg von ca. 50 Jugendlichen erwartet, die ihn umringten. Diese Zahl erhöhte sich in kurzer Zeit auf ca. 150 Personen, darin eingeschlossen sind FDJ-Ordnungsgruppen, Agitatoren und Sicherungskräfte.
Lindenberg wurde von den Jugendlichen auf die Schultern genommen.
Er versuchte beruhigend auf die Jugendlichen einzuwirken und brachte zum Ausdruck, daß es bei der Veranstaltung im Palast der Republik um Frieden und Abrüstung in Ost und West gehe und die Jugendlichen nach Hause gehen und sich die Sendung im Fernsehen ansehen sollten. Im übrigen werde er noch eine DDR-Tournee durchführen.
Aus der Menge wurde gerufen, daß Lindenberg singen sollte sowie andere Sympathiebekundungen zu seiner Person wurden zum Ausdruck gebracht. So wurden einige wenige Stoffstreifen und Poster mit seinem Namenszug hoch gehalten.
Insgesamt kam es zu keinen politisch-negativen Äußerungen seitens der Jugendlichen, die sich gegen die Veranstaltung im Palast der Republik sowie gegen die DDR richteten.
Durch den Einsatz der Sicherungskräfte wurde den Jugendlichen keine Handhabe gegeben, die zu Konfrontationen bzw. tätlichen Auseinandersetzungen hätten führen können.
Hauptabteilung XX (Staatsapparat, Kultur, Kirchen, Untergrund)
Die Hauptabteilung XX bildete den Kernbereich der politischen Repression und Überwachung der Staatssicherheit. In Struktur und Tätigkeit passte sie sich mehrfach an die sich wandelnden Bedingungen der Herrschaftssicherung an. Die Diensteinheit ging 1964 durch Umbenennung aus der Hauptatbeilung V hervor, die ihrerseits in den Abteilungen V und VI (1950–1953) ihre Vorläufer hatte.
Die Hauptabteilung XX und die ihr nachgeordneten Abteilungen XX in den Bezirksverwaltungen (Linie XX) sowie entsprechende Arbeitsbereiche in den KD überwachten wichtige Teile des Staatsapparates (u. a. Justiz, Gesundheitswesen und bis 1986 das Post- und Fernmeldewesen), die Blockparteien und Massenorganisationen, den Kultur- und Sportbereich, die Medien und die Kirchen sowie SED-Sonderobjekte und Parteibetriebe. Federführend war die Hauptabteilung XX auch bei der Bekämpfung der "politischen Untergrundtätigkeit" (PUT), also der Opposition.
Ab der zweiten Hälfte der 50er Jahre und verstärkt seit dem Beginn der Entspannungspolitik fühlte sich das SED-Regime zunehmend durch die "politisch-ideologische Diversion" (PiD) bedroht. Die Schwächung der "Arbeiter-und-Bauern-Macht" durch "ideologische Aufweichung und Zersetzung" galt als Hauptinstrument des Westens bei der Unterminierung der DDR. Auch bei der Bekämpfung der PiD hatte die Hauptabteilung XX innerhalb des MfS die Federführung.
Das Erstarken der Bürgerrechtsbewegung (Friedens-, Umwelt- und Menschenrechtsgruppen) in der DDR führte in den 80er Jahren zu einem weiteren Bedeutungszuwachs der Linie XX. In der DA 2/85 bestätigte Minister Mielke dementsprechend die Federführung der Hauptabteilung XX bei der Bekämpfung der PUT.
Im Verlauf der fast 40-jährigen Entwicklung der Hauptabteilung XX veränderte sich ihre Struktur mehrfach. In der Endphase verfügte sie über neun operative Abteilungen und vier Funktionalorgane der Leitung (Sekretariat, Arbeitsgruppe der Leitung, Koordinierungsgruppe des Leiters, Auswertungs- und Kontrollgruppe).
Die Hauptabteilung V lag ab 1953 zunächst im unmittelbaren Anleitungsbereich von Mielke in seiner Eigenschaft als 1. Stellvertreter des Staatssicherheitschefs. Ab 1955 war der stellvertretende Minister Bruno Beater und 1964–1974 der stellv. Minister Fritz Schröder auf der Ebene der MfS-Leitung für die Hauptabteilung XX zuständig. Beide waren zuvor selbst (Beater 1953–1955, Schröder 1955–1963) Leiter der Hauptabteilung V. Seit 1975 gehörte die Hauptabteilung XX zum Verantwortungsbereich von Mielkes Stellvertreter Rudi Mittig. Von 1964 bis zur Auflösung des MfS leitete Kienberg die Hauptabteilung XX. Ihm standen seit 1965 zwei Stellvertreter zur Seite.
1954 waren in der Hauptabteilung V insgesamt 139 Mitarbeiter beschäftigt. Im Herbst 1989 verfügte die Hauptabteilung XX über 461 Mitarbeiter, von denen mehr als 200 als IM-führende Mitarbeiter eingesetzt waren.
In den 15 Bezirksverwaltungen waren auf der Linie XX im Oktober 1989 insgesamt knapp 1.000 Kader und damit auf der gesamten Linie XX fast 1.500 hauptamtliche Mitarbeiter im Einsatz. Gleichzeitig konnte allein die Hauptabteilung XX mit etwas mehr als 1.500 IM auf einen überdurchschnittlich hohen Bestand an inoffiziellen Kräften zurückgreifen. Ihrem Aufgabenprofil entsprechend spiegelt sich nicht zuletzt in der Entwicklung der Hauptabteilung XX auch die Geschichte von Opposition, Widerstand und politischer Dissidenz in der DDR. Im Herbst 1989 wurden von der Diensteinheit 31 Operative Vorgänge (10 Prozent aller Operativen Vorgänge im Berliner Ministeriumsbereich) und 59 Operative Personenkontrollen (8,7 Prozent) bearbeitet.
Aktivitätenplan am Tag des Udo-Lindenberg-Konzertes im Palast der Republik Dokument, 2 Seiten
Bericht über die Pressekonferenz mit Harry Belafonte und Udo Lindenberg in Ost-Berlin Dokument, 2 Seiten
Kräfteeinsatzplan zur Sicherung des Udo-Lindenberg-Konzertes am 25.10.1983 Dokument, 1 Seite
Brief des Generaldirektors der Künstler-Agentur an den Minister für Kultur Dokument, 1 Seite