Signatur: BStU, MfS, SdM, Nr. 249, Bl. 56-59
Wie in vielen anderen Städten der DDR, kam es am 17. Juni 1953 auch in Gera zu Aufständen. Eine "Gesamtanalyse" der SED-Kreisleitung der Staatssicherheit gibt Aufschluss über die Entwicklung des Volksaufstands in Gera und das staatliche Vorgehen gegen die Streikenden.
Vom 16. bis 21. Juni 1953 kam es in fast 700 Städten und Gemeinden der DDR zu Demonstrationen und Streiks. Begann der 17. Juni noch als Arbeiteraufstand, entwickelte er sich schnell zum Volksaufstand weiter. Er nahm vielerorts revolutionäre Züge an, bevor er mit Hilfe von russischen Panzern unterdrückt wurde. SED und Stasi bezeichneten die Vorkommnisse offiziell als einen vom westlichen Ausland gesteuerten "Putschversuch faschistischer Agenten und Provokateure".
Tatsächlich war der 17. Juni 1953 Ausdruck der Unzufriedenheit weiter Teile der DDR-Bevölkerung. Zunächst entzündeten sich die Proteste an sozialen Fragen. Die Menschen stellten Forderungen, die ihren Arbeits- und Lebensalltag betrafen, wie "Senkung der Arbeitsnormen und der HO-Preise". Bald forderten die Demonstranten im ganzen Land jedoch den Rücktritt der Regierung, freie Wahlen, Pressefreiheit, die Freilassung aller politischen Gefangenen und schließlich auch die deutsche Wiedervereinigung.
Die wichtigsten Zentren des Volksaufstandes in Thüringen lagen im Bezirk Gera, im Osten der Region. Ein wichtiger Grund dafür war der Uran-Bergbau in dieser Gegend. Östlich von Gera lag ein wichtiges Abbaugebiet der SAG Wismut, einer sowjetisch kontrollierten Gesellschaft und dem weltweit größten Bergbaubetrieb in diesem Bereich. Wie in den anderen über das gesamte Erzgebirge verteilten Revieren der Wismut, schürften hier tausende Kumpel Uranerz in großem Stil für die Sowjetunion. Das taten sie unter zum Teil schwierigen Arbeitsbedingungen, unter hohem Leistungsstress und geringer Rücksicht der Betriebsleitung auf die Gesundheit der Kumpel. Entsprechend unzufrieden waren viele Wismut-Angehörige mit ihrer Lage.
Die SED-Kreisleitung der Bezirksverwaltung Gera sandte an die Bezirksleitung in Berlin die vorliegende "Gesamtanalyse" zu den Vorfällen vom 17. Juni 1953. Darin wird deutlich, dass die von der SED eigens eingesetzten "Agitationsgruppen" die Streikhandlungen in den Betrieben nicht mehr aufhalten konnten.
Folgende Industriezweige wurden erfasst:
3 Betriebe des Schwermaschinenbaus
7 Betriebe der Leichtindustrie
1 Bau-Betrieb (Bauunion Jena)
1 RAW
Teilweise Wismut-Objekte
Bei Beginn dieser Streikbewegung setzte die Partei sofort Agitationsgruppen in diesen Betrieben ein. Diese erwiesen sich jedoch als zu schwach, was sich darin zeigte, daß sie die Argumente der feindlichen Elemente nicht bzw. nur teilweise widerlegen, konnten.
Die Agitationseinsätze erwiesen sich als wirkungslos, so daß die Arbeiter zur Demonstration auf die Straße gingen. Während der Demonstration und der dabei hervorgerufenen Provokationen agitierte ein Teil der Gruppen weiter, wurde jedoch durch die grosse Ausdehnung der Demonstration immer machtloser. Die Partei verlor die Übersicht und es kam dadurch nicht zur Einleitung von geschlossenen Aktionen, so daß dadurch die gesamte Kampfkraft der Partei gelähmt war.
Die Haltung der Betriebsparteiorganisationen war so, daß sie politisch nicht stark genug waren und das Vertrauen der Arbeiter zum Teil nicht besassen. Ihre Argumente, die sie den feindlichen Elementen entgegenhielten, trugen nicht dazu bei, die Streikbewegung schon im Keim zu ersticken.
Es zeigte sich in der Praxis, daß dort, wo eine starke BPObestand, die das Vertrauen der Arbeiter besaß, keine Arbeitsniederlegungen vorgekommen sind. Als Beispiel gelten hierfür die Großbetriebe "Maxhütte und "Wilhelm-Pieck-Werk Schwarza" sowie das Dolomitenwerk Wünschendorf.
Die Mitglieder der Partei in den streikenden Betrieben nahmen zu Anfang dieser Bewegung eine schwankende Haltung ein. Nach Ausweitung der Streikbewegung ging ein Teil zu dieser über. Aus Berichten ist zu entnehmen, daß ein Teil der Mitglieder ihre Parteiabzeichen entfernten, einzelne sogar das Parteidokument zurückgaben.
Die Kreisleitung der Partei reagierte auf die Streikbewegung mit Agitationsgruppen. Da sie jedoch nicht rechtzeitig über die "Vorkommnisse in den Betrieben informiert waren, wurden sie von der plötzlichen Ausweitung der Streikbewegung erdrückt und es zeigte sich, daß die Kreisleitung mit den Massen bzw. mit den Betriebsparteiorganisationen nicht fest verbunden war.
Nachdem die Massen auf den Strassen waren und die Provokateure wüteten, war man auf die Sicherheit der Gebäude der Partei bedacht und nicht mehr in der Lage, eine feste Kampffront gegen die Streikenden in Bewegung zu bringen.
Die Bezirksleitung der Partei reagierte ebenfalls mit Agitationsgruppen auf die ersten Anzeichen der Streikbewegung. Bei der schnellen Ausweitung dieser Bewegung stellte sich heraus, daß für sie die Übersicht immer schwieriger wurde und sie nicht in jedem Falle die richtigen Maßnahmen treffen konnten. Erschwert wurde die Arbeit des Sekretariats der Bezirksleitung der Partei dadurch, daß der 1. Sekretär an diesem Morgen in Berlin beim ZK weilte. Die übrigen Sekretäre waren in ihren Entscheidungen zaghaft und zum Teil ohne Entschlußkraft. Die "Verbindung zu den Massen war ebenfalls nicht da, so daß sich die Sekretäre in den grösseren Betrieben der Bezirkshauptstadt noch nicht haben sehen lassen.
Die staatlichen Organe, die, sobald der staatsfeindliche Charakter erkennbar wurde, zum Einsatz kamen, wurden in jedem Falle ihren Aufgaben gerecht.
1971 hervorgegangen aus dem Büro der Leitung. Seine Aufgaben waren
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Wie in vielen anderen Städten der DDR, kam es am 17. Juni 1953 auch in Gera zu Aufständen. Eine "Gesamtanalyse" der SED-Kreisleitung der Staatssicherheit gibt Aufschluss über die Entwicklung des Volksaufstands in Gera und das staatliche Vorgehen gegen die Streikenden.
Vom 16. bis 21. Juni 1953 kam es in fast 700 Städten und Gemeinden der DDR zu Demonstrationen und Streiks. Begann der 17. Juni noch als Arbeiteraufstand, entwickelte er sich schnell zum Volksaufstand weiter. Er nahm vielerorts revolutionäre Züge an, bevor er mit Hilfe von russischen Panzern unterdrückt wurde. SED und Stasi bezeichneten die Vorkommnisse offiziell als einen vom westlichen Ausland gesteuerten "Putschversuch faschistischer Agenten und Provokateure".
Tatsächlich war der 17. Juni 1953 Ausdruck der Unzufriedenheit weiter Teile der DDR-Bevölkerung. Zunächst entzündeten sich die Proteste an sozialen Fragen. Die Menschen stellten Forderungen, die ihren Arbeits- und Lebensalltag betrafen, wie "Senkung der Arbeitsnormen und der HO-Preise". Bald forderten die Demonstranten im ganzen Land jedoch den Rücktritt der Regierung, freie Wahlen, Pressefreiheit, die Freilassung aller politischen Gefangenen und schließlich auch die deutsche Wiedervereinigung.
Die wichtigsten Zentren des Volksaufstandes in Thüringen lagen im Bezirk Gera, im Osten der Region. Ein wichtiger Grund dafür war der Uran-Bergbau in dieser Gegend. Östlich von Gera lag ein wichtiges Abbaugebiet der SAG Wismut, einer sowjetisch kontrollierten Gesellschaft und dem weltweit größten Bergbaubetrieb in diesem Bereich. Wie in den anderen über das gesamte Erzgebirge verteilten Revieren der Wismut, schürften hier tausende Kumpel Uranerz in großem Stil für die Sowjetunion. Das taten sie unter zum Teil schwierigen Arbeitsbedingungen, unter hohem Leistungsstress und geringer Rücksicht der Betriebsleitung auf die Gesundheit der Kumpel. Entsprechend unzufrieden waren viele Wismut-Angehörige mit ihrer Lage.
Die SED-Kreisleitung der Bezirksverwaltung Gera sandte an die Bezirksleitung in Berlin die vorliegende "Gesamtanalyse" zu den Vorfällen vom 17. Juni 1953. Darin wird deutlich, dass die von der SED eigens eingesetzten "Agitationsgruppen" die Streikhandlungen in den Betrieben nicht mehr aufhalten konnten.
Als Mangel stellte sich jedoch heraus das Verbot des Gebrauches der Schußwaffen. Nachdem die Provokateure merkten, daß von den Schußwaffen kein Gebrauch gemacht wurde, gingen sie zum Teil dazu über, VP und KVP tätlich anzugreifen und auch zu entwaffnen.
Die Organe des MfS in unserem Bezirk wurden in dieser Situation ihren Aufgaben gerecht, zeigten eine gute Disziplin und Kampfbereitschaft gegenüber den feindlichen Elementen. Lediglich in Jena versagten auf Grund von mangelhafter Führung und Organisierung der Abwehr der Provokation sowie beim Angriff auf die Dienststelle der größte Teil der Mitarbeiter.
Die Angestellten der Verwaltung zeigten ebenfalls in dieser Situation eine gute Haltung, entsandten in die Betriebe und auf die Strasse Agitationsgruppen und übernahmen zum Teil den Selbstschutz ihrer Verwaltungsgebäude.
Die Maßnahmen der Regierung auf Grund der Beschlüsse vom 11. und 17.06.1953 wurden in unserem Bezirk sofort in Angriff genommen und verwirklicht. Dies zeigte sich an den Haftentlassungen, Ausstellung von Interzonenpässen, Überprüfung der Steuerrückstände und der sonst noch stehenden Fragen.
Über das Auftreten der Parteiorganisationen im Staatsapparat muß demnach gesagt werden, dass sie den Anforderungen gerecht wurden und ihre Mitglieder und auch Parteilose als Agitatoren einsetzten. Über das Verhalten der Massenorganisationen, besonders der Gewerkschaft, kann erst zu einem, späteren Zeitpunkt berichtet werden, da z.Zt. noch kein Material, vorliegt. Dasgleiche trifft zu für die FDJ.
Die taktische Methode des Feindes bei der Durchführung seiner staatsfeindlichen Handlungen war die, daß er es verstand, die berechtigten Forderungen der Arbeiter mit seinen staatsfeindlichen Losungen in Verbindung zu bringen. Durch diese Taktik gelang es dein Feind, die Arbeiter auf die Straße zu locken, sie irre zu führen und unter Ausnutzung dieser Situation seine provokatorischen Absichten zur Durchführung zu bringen.
Eine Analyse über die Zusammensetzung der Haupträdelsführer kann z.Zt. nicht gegeben werden, da noch keine Auswertung der Gesamtverhafteten vorgenommen wurde.
Die Stimmung der Massen war nach, der Veröffentlichung des Kommuniques der SED der Partei und Regierung gegenüber zuerst einmal abwartend. Nach den vorliegenden Berichten zu urteilen, brachten Teile der Bevölkerung zum Ausdruck, daß man für begangene Fehler nicht nur die Kleinen verurteilen darf, sondern auch die Großen. Weitere Teile der Bevölkerung versprachen sich von diesem Kommunique und den darauffolgenden Beschlüssen sehr viel und erkannten darin eine Stärke der Partei und der Regierung, da sie offen und ehrlich zu ihren begangenen Fehlern Stellung nehmen und gleichzeitig für deren Abstellung Sorge tragen.
Nach der faschistischen Provokation rückte der überwiegende Teil der Bevölkerung von den Provokateuren ab und verurteilte ihre verbrecherische Handlungsweise auf das schärfste. Ein kleiner Teil der Bevölkerung sah in den von den Provokateuren hervorgerufenen Unruhen den Zeitpunkt eines Wechsels in der Staatsführung und war in Erwartung des Eingreifens der imperialistischen Mächte.
Mach, dem Einschreiten der sowjetischen Freunde und der Verhängung des Ausnahmezustandes herrschte bei den demokratisch und patriotisch gesinnten Teilen der Bevölkerung Genugtuung über das Zerschlagen der
Als Abwehr wurden alle geheimpolizeilichen Aktivitäten zur Sicherung der politischen, ökonomischen und gesellschaftlichen Stabilität der DDR und des kommunistischen Bündnissystems bezeichnet, die nach dem Verständnis des MfS durch feindliche Angriffe gefährdet waren. Maßnahmen zur Bekämpfung westlicher Spionage und politischer Opposition galten somit ebenso als Abwehr wie etwa die Sicherung von Produktivität und Anlagensicherheit in den Betrieben sowie die Verhinderung von Republikflucht und Ausreisen. Demgemäß waren die meisten operativen Arbeitsbereiche des MfS ganz überwiegend mit Abwehr befasst.
In den ersten Jahren stand das MfS unter einer engen fachlichen und politischen Anleitung durch die sowjetische Staatssicherheit, die mit sog. Beratern (anfangs auch Instrukteure genannt) in den wichtigsten Diensteinheiten des MfS präsent war. Die Berater besaßen dort faktisch Weisungs- und Vetobefugnisse.
Zunächst waren die Berater den jeweiligen Fachabteilungen des sowjetischen Geheimdienstapparates in der DDR zugeordnet. Nach dem Juniaufstand 1953 wurde eine eigene Beraterabteilung gebildet. Der Bevollmächtigte des sowjetischen Sicherheitsorgans in Berlin-Karlshorst war gleichzeitig der oberste Chefberater des MfS. Er leitete den jeweiligen Leiter der DDR-Staatssicherheit persönlich an.
Zum Zeitpunkt seiner Auflösung im November 1958 zählte der Beraterapparat 76 Offiziere. Später verblieb lediglich ein Stab von Verbindungsoffizieren, die keine Weisungskompetenz mehr gegenüber dem MfS besaßen.
1971 hervorgegangen aus dem Büro der Leitung. Seine Aufgaben waren
Staatsverbrechen waren im StEG/1957 (§§ 13-27) und in Kapitel 2 des StGB/1968 (§§ 96-111) beschriebene politische Straftaten, die in die Zuständigkeit des MfS als strafrechtliches Untersuchungsorgan (HA IX) fielen, weil eine staatsfeindliche Absicht und/oder eine staatsgefährdende Wirkung unterstellt wurden.
Zu den Staatsverbrechen zählten diktaturspezifisch kodifizierte "klassische" politische Straftaten wie Hochverrat und Spionagedelikte sowie als Meinungs- und Organisationsdelikte definierte Handlungen (Staatsfeindliche Hetze, Staatsfeindliche Gruppenbildung), die in demokratischen Staaten als Ausübung von Grundrechten gelten würden, außerdem unterschiedliche Handlungen oder Unterlassungen, bei denen den Tätern eine staatsfeindlich motivierte Schädigungsabsicht unterstellt wurde (Diversion, Sabotage).
Die als Staatsverbrechen bezeichneten Straftatbestände stehen überwiegend in sowjetischer Rechtstradition und gehen letztlich auf Artikel 58 des StGB der RSFSR ("Konterrevolutionäre Verbrechen") zurück. Bis Februar 1958 wurden sie von DDR-Gerichten in Ermangelung konkreter strafrechtlicher Regelungen pauschal mit Hilfe von Artikel VI der Verfassung von 1949 ("Boykott- und Kriegshetze") geahndet.
Staatsverbrechen galten als schwere Straftaten; bei einigen Tatbeständen (Hochverrat, Spionage, Terror, Diversion, Sabotage) umfasste der Strafrahmen bis 1987 auch die Todesstrafe.
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Wie in vielen anderen Städten der DDR, kam es am 17. Juni 1953 auch in Gera zu Aufständen. Eine "Gesamtanalyse" der SED-Kreisleitung der Staatssicherheit gibt Aufschluss über die Entwicklung des Volksaufstands in Gera und das staatliche Vorgehen gegen die Streikenden.
Vom 16. bis 21. Juni 1953 kam es in fast 700 Städten und Gemeinden der DDR zu Demonstrationen und Streiks. Begann der 17. Juni noch als Arbeiteraufstand, entwickelte er sich schnell zum Volksaufstand weiter. Er nahm vielerorts revolutionäre Züge an, bevor er mit Hilfe von russischen Panzern unterdrückt wurde. SED und Stasi bezeichneten die Vorkommnisse offiziell als einen vom westlichen Ausland gesteuerten "Putschversuch faschistischer Agenten und Provokateure".
Tatsächlich war der 17. Juni 1953 Ausdruck der Unzufriedenheit weiter Teile der DDR-Bevölkerung. Zunächst entzündeten sich die Proteste an sozialen Fragen. Die Menschen stellten Forderungen, die ihren Arbeits- und Lebensalltag betrafen, wie "Senkung der Arbeitsnormen und der HO-Preise". Bald forderten die Demonstranten im ganzen Land jedoch den Rücktritt der Regierung, freie Wahlen, Pressefreiheit, die Freilassung aller politischen Gefangenen und schließlich auch die deutsche Wiedervereinigung.
Die wichtigsten Zentren des Volksaufstandes in Thüringen lagen im Bezirk Gera, im Osten der Region. Ein wichtiger Grund dafür war der Uran-Bergbau in dieser Gegend. Östlich von Gera lag ein wichtiges Abbaugebiet der SAG Wismut, einer sowjetisch kontrollierten Gesellschaft und dem weltweit größten Bergbaubetrieb in diesem Bereich. Wie in den anderen über das gesamte Erzgebirge verteilten Revieren der Wismut, schürften hier tausende Kumpel Uranerz in großem Stil für die Sowjetunion. Das taten sie unter zum Teil schwierigen Arbeitsbedingungen, unter hohem Leistungsstress und geringer Rücksicht der Betriebsleitung auf die Gesundheit der Kumpel. Entsprechend unzufrieden waren viele Wismut-Angehörige mit ihrer Lage.
Die SED-Kreisleitung der Bezirksverwaltung Gera sandte an die Bezirksleitung in Berlin die vorliegende "Gesamtanalyse" zu den Vorfällen vom 17. Juni 1953. Darin wird deutlich, dass die von der SED eigens eingesetzten "Agitationsgruppen" die Streikhandlungen in den Betrieben nicht mehr aufhalten konnten.
feindlichen Provokation. Der provokatorische Teil und insbesondere der Teil, der ein Gelingen dieser Provokation sehen wollte, verfiel in ein wütendes Geheul, als sie sahen, daß ihre verbrecherische Absichten zunichte gemacht wurden.
Nachdem von seiten des Garnisons-Kommandanten durch, das Kriegsgerichtstribunal das erste Todesurteil gegen den Haupträdelsführer von Jena verkündet wurde, äußerte ebenfalls ein grosser Teil der Bevölkerung seine Genugtuung darüber und brachte zum Ausdruck, daß man bei diesen Provokateuren ein hartes Strafmaß anwenden muß. Auf der anderen Seite wurden Stimmen laut, die diese Verurteilungen dazu ausnutzen wollten, um erneut die Bevölkerung auf die Strasse zu bringen. Besonders nutzten diese Teile der Bevölkerung das Urteil zu einer wütenden Antisowjethetze aus.
Über die Auswirkungen des Streiks auf die Produktion kann z.Zt. kein Bericht gegeben werden, da noch kein konkretes Material hier vorliegt. Ebenfalls ist nicht bekannt, daß der Produktionsausfall zu zeitweiligen Stockungen in anderen Industriezweigen führte.
Auf den Handel, Erfassung und Verkehr nahm diese Streikbewegung in unserem Bezirk nach den bisherigen Berichten keinen wesentlichen Einfluß.
Die Streikbewegung nahm jedoch auf die Lage des Dorfes Einfluß. Die Situation wurde ausgenutzt, um die Ablieferung in einigen Dörfern zu hemmen. Es zeigten sich Bestrebungen der Auflösung einiger LPG's. Diese Bestrebungen wurden zur Wirklichkeit in den wirtschaftlich und politisch schwache LPG's.
Desweiteren erklärte ein Teil der Genossenschaftsbauern seinen Austritt mit dem Argument, daß sie durch Zwang in die LPG eingetreten sind.
In den zum Bezirk Gera gehörenden MTS kam es zu geringen Zwischenfällen. Wo Bestrebungen vorhanden waren, die Arbeit niederzulegen, wurde dies durch Agiatationseinsätze verhindert.
Ein Teil der MTS nahmen Verpflichtungen an und brachten damit zum Ausdruck, daß sie treu zur Partei und Regierung stehen.
Es liegen ebenfalls keine negativen Berichte über die VEG's vor.
Die Haltung der Großbauern ist ruhig, abwartend und zurückhaltend. Das gleiche trifft auf einen Teil der Klein- und Mittelbauern zu. Geschlossene Aktionen und Maßnahmen der Großbauern sowie der Klein- und Mittelbauern gegen die Regierung sind uns z.Zt. nicht bekannt.
Die Angehörigen der Intelligenz wurden teilweise in die Streikbewegung mit hineingerissen, sonderten sich dann aber ab, als sie merkten, welchen Charakter dieser Streik trug.
Über die Haltung der Schulen, Kirchen und der einzelnen Blockparteien, haben wir z.Zt. noch kein Material und werden darüber sowie über die im Bericht ausgelassenen Punkte in einer konkreten Analyse berichten.
Mit sozialistischem Gruß!
- Kreisleitung VII, c/16 -
[Unterschrift]
(Appelfeller)
1. Sekretär
Die Kirchen gerieten nicht selten unter Verdacht, gegen die politischen Verhältnisse in der DDR zu opponieren. Das lag an ihrer weitgehenden Eigenständigkeit, an der christlichen Botschaft, die von den kommunistischen Ideologen als konkurrierendes Sinn- und Erklärungsangebot abgelehnt wurde, sowie an ihrem Beharren auf Mitsprache und Gestaltungsanspruch in gesellschaftlichen Fragen. Im Auftrag der SED wurde daher das MfS tätig, um die von den Kirchen ausgehenden vermeintlichen und tatsächlichen Gefahren für das politisch-ideologische System der DDR abzuwehren.
Die SED-Kirchenpolitik war in den vier Jahrzehnten der DDR Wandlungen unterworfen. In den 50er Jahren führte die SED mehrfach einen offenen Kirchenkampf. Dieser richtete sich u. a. gegen die kirchliche Jugend- und Studentenarbeit, v. a. bei der Einführung der Jugendweihe, sowie gegen karitative Einrichtungen wie die Bahnhofsmissionen. Mehrere Religionsgemeinschaften wurden verboten und deren Anhänger verfolgt.
Die SED war zudem bestrebt, die Verlesung von solchen Hirtenbriefen und Kanzelabkündigungen zu unterbinden, in denen sozialethische, gesellschaftskritische oder politische Fragen aufgegriffen wurden. Von der Polizei und dem MfS wurden kirchliche Einrichtungen durchsucht und Literatur beschlagnahmt. Neben kirchlichen Mitarbeitern wurden unter Mitwirkung des MfS auch Pfarrer – zwischen 1950 und 1960 mindestens 140 – inhaftiert.
Ab den 60er Jahren beschränkte sich die SED zunehmend darauf, durch eine rigorose Auslegung der Veranstaltungsordnung unerwünschte kirchliche Aktivitäten zu behindern. Das offizielle Eindringen in kirchliche Räume wie im November 1987, als es nachts in der Zionsgemeinde in Ostberlin zu Durchsuchungen und Festnahmen kam, war in den 70er und 80er Jahren eher untypisch, weil dies die Staat-Kirche-Beziehungen erheblich belastete. Vor allem seit 1978 bemühte sich die SED, ein Stillhalteabkommen zwischen Kirchenleitungen und Staat zu respektieren.
Das MfS versuchte aber stets, indirekt Einfluss auf kirchliche Entscheidungen zu nehmen. Dies und die verdeckte Informationsbeschaffung zählten zu den Hauptbetätigungsfeldern des MfS im Rahmen der von der SED konzipierten Kirchenpolitik. Die Informationsbeschaffung erfolgte mittels Observation, IM-Einsatz und auf dem Weg der sog. Gesprächsabschöpfung. Dabei gelang es in Einzelfällen auch, Christen in kirchlichen Leitungspositionen als IM zu gewinnen.
So arbeitete der thüringische Kirchenjurist und Oberkirchenrat Gerhard Lotz seit 1955 mit dem MfS als IM "Karl" zusammen. Durch die Positionierung eines Offiziers im besonderen Einsatz im Konsistorium in Magdeburg, Detlev Hammer, der ab 1974 juristischer, dann Oberkonsistorialrat war, vermochte es das MfS, einen hauptamtlichen Mitarbeiter innerhalb der Leitungsstruktur der provinzsächsischen Kirche zu platzieren. Außerdem hatte das MfS gegenüber den Kirchen dann tätig zu werden, wenn Verdachtsmomente dafür vorlagen, dass die Kirchen über den ihnen von der SED zugewiesenen religiös-kultischen Bereich hinaus tätig wurden.
Dementsprechend observierte das MfS Kirchengemeinden und Pfarrer, die – wie es beim MfS hieß – im Rahmen der "Partnerschaftsarbeit" Besuchskontakt zu Kirchengemeinden in der Bundesrepublik unterhielten. Das MfS legte hierzu OV an und ermittelte gegen die Organisatoren der Zusammenkünfte.
Als Ziele der MfS-Aufklärung galten ebenso kirchliche Synoden und Basistreffen, auf denen grundsätzlich die potenzielle Gefahr bestand, dass Kritik an den Verhältnissen in der DDR geübt werden würde. In das Blickfeld des MfS rückten die evangelischen Kirchen insbesondere ab Mitte der 70er Jahre: Zunächst rief die auch unter nichtkirchlichen Jugendlichen an Attraktivität gewinnende kirchliche Jugendarbeit, dann die Friedens-, Umwelt- und Menschenrechtsarbeit unter dem Dach der Kirche den Argwohn des MfS hervor.
Insgesamt war das MfS nur eine von mehreren Institutionen des SED-Staates, die im Rahmen der SED-Kirchenpolitik tätig wurden. Im Zusammenspiel mit ihnen versuchte das MfS, die Kirchen zu kontrollieren und zu disziplinieren.
In Auswertung der kirchenpolitischen Kampagnen der 50er Jahre und bestärkt durch konzeptionelle Arbeiten, drängte die SED-Führung ab Anfang der 80er Jahre zunehmend auf ein koordiniertes Vorgehen. Die vom MdI und den Abteilungen für Inneres erstellten Rapportmeldungen, Berichte und Personeneinschätzungen zu Gottesdiensten und kirchlichen Mitarbeitern wurden vereinbarungsgemäß dem MfS zur Verfügung gestellt und bildeten häufig den Grundstock jener Berichte und Personencharakteristiken, die sich in den Beständen des MfS wiederfinden.
Bereits vor Gründung des MfS hatte bei der Deutschen Verwaltung des Innern in der Abteilung K 5 das Referat C 3 existiert. Als Aufgabenbeschreibung wurde die "Aufklärung und Bekämpfung der kirchlichen Feindtätigkeit" genannt. Ab 1950 bestand im MfS zunächst die Abteilung V, die sich ab 1953 Hauptabteilung V nannte und 1964 im Zuge einer Umstrukturierung zur Hauptabteilung XX wurde.
Innerhalb dieser Organisationsstruktur zeichnete die Abt. 4 für die "Bearbeitung" der Kirchen verantwortlich. 1988 gliedert sich diese in sechs Fachreferate, wobei je eins für die evangelischen Kirchen, die katholische Kirche sowie die Religionsgemeinschaften und Sekten zuständig war. Ein Referat widmete sich Operativen Vorgängen. Als Schwerpunkt der Arbeit wurde die "Bekämpfung der politischen Untergrundtätigkeit" benannt. Zwei weitere Referate nahmen koordinierende Funktionen wahr.
Neben der Hauptabteilung XX/4 stützte sich das MfS bei der Bekämpfung und Infiltration der Kirchen auf die Zuarbeit verschiedener Hauptabteilungen und Abteilungen - so u. a. auf die Dienste der HV A bei der "Aufklärung" von westlichen Partnergemeinden und Pfarrern, die die kirchliche Friedensarbeit in den ostdeutschen Gemeinden unterstützten. Im Fall der Inhaftierung kirchlicher Mitarbeiter übernahm die Hauptabteilung IX als Untersuchungsorgan den Vorgang.
Hinzu kamen andere institutionalisierte Formen der "Bearbeitung". Als politisch-ideologische fungierte ab 1958 das Referat Familienforschung, das Verwicklungen missliebiger Kirchenvertreter in das NS-Regime aufdecken oder konstruieren sollte, um die so Diffamierten unter Druck setzen zu können. Angesiedelt war es beim Deutschen Zentralarchiv in Potsdam. Es verwaltete verschiedene aus NS-Beständen stammende Unterlagen und wertete sie aus. Dabei handelte es sich um eine verdeckt arbeitende Einrichtung des MfS.
Um den steigenden Informationsbedarf – unter Berücksichtigung der Spezifik kirchlicher und religiöser Angelegenheiten – zu decken und um Sonderaufträge u. a. auch im Ausland ausführen zu können, etablierte das MfS 1960 die sog. Auswertungsgruppe, die dem Referat V zugeordnet wurde. In einem konspirativen Objekt in Berlin-Pankow ("Institut Wandlitz") arbeiteten hauptamtliche IM und mehrere OibE zusammen.
Seine "Absicherung" fand das Vorgehen des MfS gegenüber den Kirchen durch ein umfangreiches Netz von OibE und IM, die das MfS im Staatssekretariat für Kirchenfragen und in den Kirchenabteilungen der DDR-Bezirke unterhielt. 1989 gab es im Staatssekretariat drei OibE; zudem berichtete der persönliche Referent und Büroleiter der Staatssekretäre Hans Seigewasser und Klaus Gysi, Horst Dohle, ab 1975 als IM "Horst" dem MfS. Insgesamt aber gelang es dem MfS nicht, die Kirchen umfassend zu unterwandern.
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Volksaufstand und Sturm auf die MfS-Kreisdienststelle in Jena 5 Fotografien
Gesamtanalyse des Aufstandes vom 17. Juni 1953 im ehemaligen Bezirk Frankfurt/Oder Dokument, 18 Seiten
Analyse der Ereignisse des Volksaufstandes vom 17. Juni 1953 im Bezirk Potsdam Dokument, 9 Seiten
Gesamtübersicht über die Ereignisse in den Tagen um den 17. Juni 1953 im Bezirk Dresden Dokument, 26 Seiten