Signatur: BStU, MfS, HA VII, Nr. 68, Bl. 248-260
Die "Kampfgruppen der Arbeiterklasse", eine Art paramilitärische Bürgergkriegsarmee, war im Oktober 1989 noch weniger als zuvor einsatzfähig. Ihre Mitglieder verschlossen nicht die Augen vor den drängenden Problemen des Landes und wollten nicht gegen das eigene Volk eingesetzt werden - weswegen sie reihenweise aus der Partei austraten.
Am 7. Oktober 1989 feierte die Führungsriege der SED um Erich Honecker den 40. Geburtstag der DDR. Zur gleichen Zeit fanden auf dem Alexanderplatz, vor dem Palast der Republik und vor der Gethsemanekirche in Berlin Demonstrationen gegen das SED-Regime statt. Auch in anderen großen Städten der DDR protestierten unzählige Menschen gegen die Politik der SED. Staatssicherheit und Volkspolizei gingen mit Gewalt gegen diese Bürger vor und verhafteten etwa 1200 Demonstranten. Die Stasi hatte sich auf diesen Tag mit der Aktion "Jubiläum 40" vorbereitet.
Neben der Geheim- und Volkspolizei wurden auch Betriebskampfgruppen eingesetzt. Die nach dem Volksaufstand vom 17. Juni 1953 gebildeten "Kampfgruppen der Arbeiterklasse" waren als eine Art paramilitärischer Bürgerkriegsarmee konzipiert und bestanden aus etwa 200.000 Kämpfern, darunter überwiegend SED-Mitglieder. Die meisten Angehörigen übten diese Tätigkeit neben ihrem Beruf "ehrenamtlich" aus und waren betrieblich organisiert. Die Kampfgruppen wurden vom Ministerium des Innern der DDR ausgebildet und von der Bezirkseinsatzleitung geführt, der wiederum der 1. Sekretär der SED-Bezirksleitung vorstand.
Schon zu Beginn des Jahres 1989 hatten viele Kampfgruppenangehörige dagegen protestiert, dass sie für Straßenkämpfe ausgebildet werden sollten. Ein entsprechender Ausbildungsplan musste fallen gelassen werden. In den ersten Oktobertagen wurden die Kampfgruppen deshalb nur vereinzelt eingesetzt. Auch dabei kam es zu einer hohen Anzahl von Austritten und Verweigerungen, weil die "Kämpfer" nicht "gegen Kollegen" vorgehen wollten.
Die Hauptabteilung VII/Abteilung 7 des Ministeriums für Staatssicherheit, unter anderem für die Überwachung der Kampfgruppen der Arbeiterklasse zuständig, fasste diese Entwicklungen in einem Bericht zusammen und analysierte die Beweggründe der Beteiligten.
Bezirk Karl-Marx-Stadt
Im I. KGB (mot.) legten nach Einweisung in die Aufgabenstellung 9 Angehörige ihren Kampfgruppenausweis auf den Tisch. Weitere 15 Angehörige der 3. KGH lehnten den vorgesehenen Einsatz ab. Es handelt sich um 3 Gruppenführer und 21 Kämpfer. 12 von ihnen sind Mitglied der SED.
Mit Stand vom 12.10.1989 haben aus dem 1. KGB (mot.) 32, II. KGB (mot.) 62 und III. KGB (mot.) 2 insgesamt 96 Kampfgruppenangehörige ihren Austritt aus den Kampfgruppen erklärt. Darunter 6 Mitglieder der SED.
Im Kreis Plauen haben 115 Kampfgruppenangehörige ihren Austritt aus den Kampfgruppen mündlich und zum Teil auch schriftlich erklärt. Aus dem 221. KGZ des Kreises Oelsnitz traten 12 Kämpfer aus den Kampfgruppen und gleichzeitig 7 aus der SW aus.
Darüber hinaus liegen aus Kampfgruppen-Einheiten der Kreise Schwarzenberg, Marienberg, Karl-Marx-Stadt/Stadt und Land sowie Brand-Erbisdorf Hinweise
auf 7 Austritts aus den Kampfgruppen
3 Austritte aus der SED
13 Ablehnungen von Einsätzen
vor.
Bezirk Magdeburg
1. KGH (mot.) Burg
Wirkungserscheinungen der politisch-ideologischen Diversion beim Kommandeur. 60 % der Kämpfer lehnen einen "Einsatz gegen die Bevölkerung ab.
204. KGZ Gardelegen
Der stellv. Kommandeur für PA ließ sich mit seiner Ehefrau am 3./4.10.1989 in der BRD-Botschaft in Prag als ausreisewilliger DDR-Bürger registrieren und erschien am 12.10.1989 beim Rat des Kreises Gardelegen zur Entgegennahme der Antragsunterlagen zur ständigen Ausreise.
Hauptabteilung VII (Ministerium des Innern, Deutsche Volkspolizei)
Die Hauptabteilung VII und die ihr zugeordnete Linie VII waren für das Ministerium des Innern (MdI) und die ihm nachgeordneten Bereiche zuständig, d.h. für die Kriminalpolizei (insbesondere deren Arbeitsrichtung I/K I), die Schutz-, Verkehrs- und Bereitschaftspolizei, die Kampfgruppen, den Betriebsschutz, den Strafvollzug, das Pass- und Meldewesen, die Feuerwehr, das Deutsche Rote Kreuz, das Zentrale Aufnahmeheim in Röntgental, das Archivwesen, Geodäsie und Kartographie sowie die Politische Verwaltung des MdI, die medizinischen Einrichtungen der Volkspolizei und die Bereiche Innere Angelegenheiten der staatlichen Verwaltungen.
Zum Teil reichte der Verantwortungsbereich der Hauptabteilung bzw. Linie VII über das MdI hinaus, so etwa gegenüber der Zivilverteidigung, die seit 1977 dem MfNV unterstand. Andere nachgeordnete Bereiche des MdI wurden indes aus fachlichen Gründen von anderen Diensteinheiten der Staatssicherheit abgesichert, so etwa die Arbeitsrichtung Observation der Kriminalpolizei (I/U) (durch die Hauptabteilung VIII), das Wachkommando Missionsschutz (durch die HA II) oder die Transport- und Wasserschutzpolizei (durch die HA XIX).
Gegenüber den Kampfgruppen sowie den lokalen Abteilungen Innere Angelegenheiten teilte sich die Linie VII die Zuständigkeit mit anderen Diensteinheiten. Die Abteilung VII der Verwaltung Groß-Berlin war zeitweise auch für die "Bearbeitung" der Polizei von Westberlin zuständig.
Gleichwohl fungierte die Linie VII als Generalbevollmächtigter des Mielke-Imperiums gegenüber der Volkspolizei. Hatte sie in den 50er Jahren vor allem gegen auffällige Volkspolizisten ermittelt sowie vermutete Spionage aufgedeckt, durchleuchtete sie die Polizei in den späteren Jahren immer stärker prophylaktisch, knüpfte ein weites Netz von Zuträgern im dienstlichen wie im privaten Bereich der Volkspolizisten und beeinflusste auch zunehmend die fachlichen Entscheidungen auf Leitungsebene.
Verfügte die Abteilungen VII im MfS 1958 über 38 Mitarbeiter in drei Referaten, so wurde sie im Folgejahr zur HA aufgewertet und wuchs bis 1989 auf 319 hauptamtliche Geheimpolizisten in acht Abteilungen an. Hinzu kamen 510 Mitarbeiter in den Abteilungen VII der BV sowie 264 sogenannte Abwehroffiziere Volkspolizei, seit 1981 der verlängerte Arm der Linie VII in den KD.
Bezirkseinsatzleitungen waren wie die Kreiseinsatzleitungen Teil der regionalen Kommandostruktur des Nationalen Verteidigungsrates. Ursprüngliche Absicht war die Einrichtung von Koordinierungs- und Befehlsorganen für den inneren Notstand in allen Bezirken, gründend auf den unmittelbaren Erfahrungen des 17. Juni 1953. Tatsächlich entwickelten sich die BEL zu einem Planungsgremium für den Mobilmachungs- und Kriegsfall. Nicht nur die direkte Steuerung der bewaffneten Organe, sondern besonders die staatliche, wirtschaftliche, infrastrukturelle und gesellschaftliche Vorbereitung des Landes auf eine solche Situation stand im Mittelpunkt der BEL-Tätigkeit seit den 60er Jahren. 1957 begann der systematische Aufbau der BEL.
Mitglieder der BEL waren die 1. Bezirkssekretäre der SED als Vorsitzende; die Vorsitzenden der Räte der Bezirke; die Leiter der Abteilungen für Sicherheitsfragen in den SED-Bezirksleitungen als BEL-Sekretäre; die Chefs der Bezirksbehörden der Volkspolizei; die Leiter der Bezirksverwaltungen des MfS; die Chefs der Wehrbezirkskommandos der NVA sowie von 1966 bis 1968 die Vorsitzenden der Bezirkswirtschaftsräte. Zunächst oblag den Chefs der Bezirksdirektionen der Volkspolizei die Stabsarbeit der BEL. Mit deren zunehmend militärischer Ausrichtung übernahmen 1965 die Chefs der NVA-Wehrbezirkskommandos diese Aufgabe. Interne Angelegenheiten des MfS waren nicht Gegenstand der BEL-Beratungen. Weil dort die gemeinsame Koordinierung aller Sicherheitsorgane abgestimmt wurde, erhielten aber auch die Leiter der BV Aufträge zur Umsetzung von BEL-Beschlüssen. Die Aufgaben der BEL wurden in Direktiven und Statuten festgelegt. Mit Befehl 16/89 des NVR-Vorsitzenden Egon Krenz vom 29.11.1989 stellten die BEL ihre Tätigkeit ein.
Signatur: BStU, MfS, HA VII, Nr. 68, Bl. 248-260
Die "Kampfgruppen der Arbeiterklasse", eine Art paramilitärische Bürgergkriegsarmee, war im Oktober 1989 noch weniger als zuvor einsatzfähig. Ihre Mitglieder verschlossen nicht die Augen vor den drängenden Problemen des Landes und wollten nicht gegen das eigene Volk eingesetzt werden - weswegen sie reihenweise aus der Partei austraten.
Am 7. Oktober 1989 feierte die Führungsriege der SED um Erich Honecker den 40. Geburtstag der DDR. Zur gleichen Zeit fanden auf dem Alexanderplatz, vor dem Palast der Republik und vor der Gethsemanekirche in Berlin Demonstrationen gegen das SED-Regime statt. Auch in anderen großen Städten der DDR protestierten unzählige Menschen gegen die Politik der SED. Staatssicherheit und Volkspolizei gingen mit Gewalt gegen diese Bürger vor und verhafteten etwa 1200 Demonstranten. Die Stasi hatte sich auf diesen Tag mit der Aktion "Jubiläum 40" vorbereitet.
Neben der Geheim- und Volkspolizei wurden auch Betriebskampfgruppen eingesetzt. Die nach dem Volksaufstand vom 17. Juni 1953 gebildeten "Kampfgruppen der Arbeiterklasse" waren als eine Art paramilitärischer Bürgerkriegsarmee konzipiert und bestanden aus etwa 200.000 Kämpfern, darunter überwiegend SED-Mitglieder. Die meisten Angehörigen übten diese Tätigkeit neben ihrem Beruf "ehrenamtlich" aus und waren betrieblich organisiert. Die Kampfgruppen wurden vom Ministerium des Innern der DDR ausgebildet und von der Bezirkseinsatzleitung geführt, der wiederum der 1. Sekretär der SED-Bezirksleitung vorstand.
Schon zu Beginn des Jahres 1989 hatten viele Kampfgruppenangehörige dagegen protestiert, dass sie für Straßenkämpfe ausgebildet werden sollten. Ein entsprechender Ausbildungsplan musste fallen gelassen werden. In den ersten Oktobertagen wurden die Kampfgruppen deshalb nur vereinzelt eingesetzt. Auch dabei kam es zu einer hohen Anzahl von Austritten und Verweigerungen, weil die "Kämpfer" nicht "gegen Kollegen" vorgehen wollten.
Die Hauptabteilung VII/Abteilung 7 des Ministeriums für Staatssicherheit, unter anderem für die Überwachung der Kampfgruppen der Arbeiterklasse zuständig, fasste diese Entwicklungen in einem Bericht zusammen und analysierte die Beweggründe der Beteiligten.
Fla.-MG-Gruppe, 35. KGH
brachte zum Ausdruck, daß sie gegen äußere, aber nicht gegen innere Feinde handelt.
Nach einer Parteiaussprache ist die Gruppe bis auf den Gruppenführer, der seinen Parteiaustritt erklärte, einsatzbereit.
KGH Starkstronqienenbau
10 Kämpfer verweigerten die Annahme des Einsatzbefehls für den 8.10.1989.
Alle 10 sind SED-Mitglied, 3 davon erklärten den Parteiaustritt.
KGH des Rates des Bezirkes
Der Kommandeur soll sich am 5.10.1989 geäußert haben, wer nicht gegen DDR-Bürger eingesetzt werden will, soll raustreten, woraufhin 7 Kämpfer raustraten.
II. KGB (mot.)
Ablehnung des Einsatzes am 5.10.1989 durch drei Kämpfer. Ein weiterer lehnt den Einsatz am 8.10.1989 ab.
Am 9.10.1989 werden vom Stellvertreter des Kommandeurs für PA Zweifel an der Notwendigkeit des Einsatzes geäußert. Er soll auf dem Einsatz - Kfz als Agitator für das "Neue Forum" aufgetreten sein.
I. KGB (mot.)
Zum Einsatz an 9.10.1989 erklärte ein Kämpfer, daß er nicht am Einsatz teilnimmt und er gab sein Parteidokument ab.
Ein weiterer Kämpfer lehnt den Einsatz aus persönlichen Gründen ab.
KG-Einheit des ASMW
Ein Kämpfer lehnt den Einsatz am 5.10.1989 aufgrund seiner religiösen Bindung ab.
Hauptabteilung VII (Ministerium des Innern, Deutsche Volkspolizei)
Die Hauptabteilung VII und die ihr zugeordnete Linie VII waren für das Ministerium des Innern (MdI) und die ihm nachgeordneten Bereiche zuständig, d.h. für die Kriminalpolizei (insbesondere deren Arbeitsrichtung I/K I), die Schutz-, Verkehrs- und Bereitschaftspolizei, die Kampfgruppen, den Betriebsschutz, den Strafvollzug, das Pass- und Meldewesen, die Feuerwehr, das Deutsche Rote Kreuz, das Zentrale Aufnahmeheim in Röntgental, das Archivwesen, Geodäsie und Kartographie sowie die Politische Verwaltung des MdI, die medizinischen Einrichtungen der Volkspolizei und die Bereiche Innere Angelegenheiten der staatlichen Verwaltungen.
Zum Teil reichte der Verantwortungsbereich der Hauptabteilung bzw. Linie VII über das MdI hinaus, so etwa gegenüber der Zivilverteidigung, die seit 1977 dem MfNV unterstand. Andere nachgeordnete Bereiche des MdI wurden indes aus fachlichen Gründen von anderen Diensteinheiten der Staatssicherheit abgesichert, so etwa die Arbeitsrichtung Observation der Kriminalpolizei (I/U) (durch die Hauptabteilung VIII), das Wachkommando Missionsschutz (durch die HA II) oder die Transport- und Wasserschutzpolizei (durch die HA XIX).
Gegenüber den Kampfgruppen sowie den lokalen Abteilungen Innere Angelegenheiten teilte sich die Linie VII die Zuständigkeit mit anderen Diensteinheiten. Die Abteilung VII der Verwaltung Groß-Berlin war zeitweise auch für die "Bearbeitung" der Polizei von Westberlin zuständig.
Gleichwohl fungierte die Linie VII als Generalbevollmächtigter des Mielke-Imperiums gegenüber der Volkspolizei. Hatte sie in den 50er Jahren vor allem gegen auffällige Volkspolizisten ermittelt sowie vermutete Spionage aufgedeckt, durchleuchtete sie die Polizei in den späteren Jahren immer stärker prophylaktisch, knüpfte ein weites Netz von Zuträgern im dienstlichen wie im privaten Bereich der Volkspolizisten und beeinflusste auch zunehmend die fachlichen Entscheidungen auf Leitungsebene.
Verfügte die Abteilungen VII im MfS 1958 über 38 Mitarbeiter in drei Referaten, so wurde sie im Folgejahr zur HA aufgewertet und wuchs bis 1989 auf 319 hauptamtliche Geheimpolizisten in acht Abteilungen an. Hinzu kamen 510 Mitarbeiter in den Abteilungen VII der BV sowie 264 sogenannte Abwehroffiziere Volkspolizei, seit 1981 der verlängerte Arm der Linie VII in den KD.
Bezirkseinsatzleitungen waren wie die Kreiseinsatzleitungen Teil der regionalen Kommandostruktur des Nationalen Verteidigungsrates. Ursprüngliche Absicht war die Einrichtung von Koordinierungs- und Befehlsorganen für den inneren Notstand in allen Bezirken, gründend auf den unmittelbaren Erfahrungen des 17. Juni 1953. Tatsächlich entwickelten sich die BEL zu einem Planungsgremium für den Mobilmachungs- und Kriegsfall. Nicht nur die direkte Steuerung der bewaffneten Organe, sondern besonders die staatliche, wirtschaftliche, infrastrukturelle und gesellschaftliche Vorbereitung des Landes auf eine solche Situation stand im Mittelpunkt der BEL-Tätigkeit seit den 60er Jahren. 1957 begann der systematische Aufbau der BEL.
Mitglieder der BEL waren die 1. Bezirkssekretäre der SED als Vorsitzende; die Vorsitzenden der Räte der Bezirke; die Leiter der Abteilungen für Sicherheitsfragen in den SED-Bezirksleitungen als BEL-Sekretäre; die Chefs der Bezirksbehörden der Volkspolizei; die Leiter der Bezirksverwaltungen des MfS; die Chefs der Wehrbezirkskommandos der NVA sowie von 1966 bis 1968 die Vorsitzenden der Bezirkswirtschaftsräte. Zunächst oblag den Chefs der Bezirksdirektionen der Volkspolizei die Stabsarbeit der BEL. Mit deren zunehmend militärischer Ausrichtung übernahmen 1965 die Chefs der NVA-Wehrbezirkskommandos diese Aufgabe. Interne Angelegenheiten des MfS waren nicht Gegenstand der BEL-Beratungen. Weil dort die gemeinsame Koordinierung aller Sicherheitsorgane abgestimmt wurde, erhielten aber auch die Leiter der BV Aufträge zur Umsetzung von BEL-Beschlüssen. Die Aufgaben der BEL wurden in Direktiven und Statuten festgelegt. Mit Befehl 16/89 des NVR-Vorsitzenden Egon Krenz vom 29.11.1989 stellten die BEL ihre Tätigkeit ein.
Signatur: BStU, MfS, HA VII, Nr. 68, Bl. 248-260
Die "Kampfgruppen der Arbeiterklasse", eine Art paramilitärische Bürgergkriegsarmee, war im Oktober 1989 noch weniger als zuvor einsatzfähig. Ihre Mitglieder verschlossen nicht die Augen vor den drängenden Problemen des Landes und wollten nicht gegen das eigene Volk eingesetzt werden - weswegen sie reihenweise aus der Partei austraten.
Am 7. Oktober 1989 feierte die Führungsriege der SED um Erich Honecker den 40. Geburtstag der DDR. Zur gleichen Zeit fanden auf dem Alexanderplatz, vor dem Palast der Republik und vor der Gethsemanekirche in Berlin Demonstrationen gegen das SED-Regime statt. Auch in anderen großen Städten der DDR protestierten unzählige Menschen gegen die Politik der SED. Staatssicherheit und Volkspolizei gingen mit Gewalt gegen diese Bürger vor und verhafteten etwa 1200 Demonstranten. Die Stasi hatte sich auf diesen Tag mit der Aktion "Jubiläum 40" vorbereitet.
Neben der Geheim- und Volkspolizei wurden auch Betriebskampfgruppen eingesetzt. Die nach dem Volksaufstand vom 17. Juni 1953 gebildeten "Kampfgruppen der Arbeiterklasse" waren als eine Art paramilitärischer Bürgerkriegsarmee konzipiert und bestanden aus etwa 200.000 Kämpfern, darunter überwiegend SED-Mitglieder. Die meisten Angehörigen übten diese Tätigkeit neben ihrem Beruf "ehrenamtlich" aus und waren betrieblich organisiert. Die Kampfgruppen wurden vom Ministerium des Innern der DDR ausgebildet und von der Bezirkseinsatzleitung geführt, der wiederum der 1. Sekretär der SED-Bezirksleitung vorstand.
Schon zu Beginn des Jahres 1989 hatten viele Kampfgruppenangehörige dagegen protestiert, dass sie für Straßenkämpfe ausgebildet werden sollten. Ein entsprechender Ausbildungsplan musste fallen gelassen werden. In den ersten Oktobertagen wurden die Kampfgruppen deshalb nur vereinzelt eingesetzt. Auch dabei kam es zu einer hohen Anzahl von Austritten und Verweigerungen, weil die "Kämpfer" nicht "gegen Kollegen" vorgehen wollten.
Die Hauptabteilung VII/Abteilung 7 des Ministeriums für Staatssicherheit, unter anderem für die Überwachung der Kampfgruppen der Arbeiterklasse zuständig, fasste diese Entwicklungen in einem Bericht zusammen und analysierte die Beweggründe der Beteiligten.
15 Kämpfer verweigerten den Einsatz, ein weiterer Kämpfer lehnt nach dem ersten weitere ab.
Von den 55 Kämpfern des 229. KGZ "Erich Weinert" lehnten 40 den Einsatz am 7.10.1989 ab.
Insgesamt kam es in den Kampfgruppen-Einheiten zu
208 Verweigerungen des Einsatzbefehls
82 ParteiauStritten
47 Kampfgruppenaustritten
1 Aufrufunterzeichnung "Neues Forum".
Von den Kämpfern, die den Einsatz ablehnten, waren 90 % Mitglieder der SED, darunter 1 Parteitagsdelegierter.
2 Kampfgruppenangehörige, davon 1 Gruppenführer, der 124. KGH verweigerten nach Kenntnis der Einsatzaufgabe den Befehl und traten aus der SED und den Kampfgruppen aus.
5 Kämpfer der 24. KGH (mot.) (Mitglieder der SED), 17 Kämpfer der 50. KGH (A) (darunter 9 Mitglieder der SED) und 4 Kämpfer der 125 KGH (davon 2 Mitglieder der SED) verweigerten den Einsatz.
Weiterhin verweigerten den Einsatz 9 Kampfgruppenangehörige (4 Mitglieder der SED) aus der 127. KGH, 13 Angehörige (5 Mitglieder der SED) der 128. KGH und 37 Kämpfer (davon 23 Mitglieder der SED) der II. KGH (M).
Ihren Austritt aus den Kampfgruppen erklärten am 7.10.1989 7 Angehörige aus der 123. KGH und 1 Kämpfer aus der 118. KGH sowie am 10.10.1989 7 Angehörige aus der 179. KGH und ein Kämpfer der 182. KGH.
Hauptabteilung VII (Ministerium des Innern, Deutsche Volkspolizei)
Die Hauptabteilung VII und die ihr zugeordnete Linie VII waren für das Ministerium des Innern (MdI) und die ihm nachgeordneten Bereiche zuständig, d.h. für die Kriminalpolizei (insbesondere deren Arbeitsrichtung I/K I), die Schutz-, Verkehrs- und Bereitschaftspolizei, die Kampfgruppen, den Betriebsschutz, den Strafvollzug, das Pass- und Meldewesen, die Feuerwehr, das Deutsche Rote Kreuz, das Zentrale Aufnahmeheim in Röntgental, das Archivwesen, Geodäsie und Kartographie sowie die Politische Verwaltung des MdI, die medizinischen Einrichtungen der Volkspolizei und die Bereiche Innere Angelegenheiten der staatlichen Verwaltungen.
Zum Teil reichte der Verantwortungsbereich der Hauptabteilung bzw. Linie VII über das MdI hinaus, so etwa gegenüber der Zivilverteidigung, die seit 1977 dem MfNV unterstand. Andere nachgeordnete Bereiche des MdI wurden indes aus fachlichen Gründen von anderen Diensteinheiten der Staatssicherheit abgesichert, so etwa die Arbeitsrichtung Observation der Kriminalpolizei (I/U) (durch die Hauptabteilung VIII), das Wachkommando Missionsschutz (durch die HA II) oder die Transport- und Wasserschutzpolizei (durch die HA XIX).
Gegenüber den Kampfgruppen sowie den lokalen Abteilungen Innere Angelegenheiten teilte sich die Linie VII die Zuständigkeit mit anderen Diensteinheiten. Die Abteilung VII der Verwaltung Groß-Berlin war zeitweise auch für die "Bearbeitung" der Polizei von Westberlin zuständig.
Gleichwohl fungierte die Linie VII als Generalbevollmächtigter des Mielke-Imperiums gegenüber der Volkspolizei. Hatte sie in den 50er Jahren vor allem gegen auffällige Volkspolizisten ermittelt sowie vermutete Spionage aufgedeckt, durchleuchtete sie die Polizei in den späteren Jahren immer stärker prophylaktisch, knüpfte ein weites Netz von Zuträgern im dienstlichen wie im privaten Bereich der Volkspolizisten und beeinflusste auch zunehmend die fachlichen Entscheidungen auf Leitungsebene.
Verfügte die Abteilungen VII im MfS 1958 über 38 Mitarbeiter in drei Referaten, so wurde sie im Folgejahr zur HA aufgewertet und wuchs bis 1989 auf 319 hauptamtliche Geheimpolizisten in acht Abteilungen an. Hinzu kamen 510 Mitarbeiter in den Abteilungen VII der BV sowie 264 sogenannte Abwehroffiziere Volkspolizei, seit 1981 der verlängerte Arm der Linie VII in den KD.
Bezirkseinsatzleitungen waren wie die Kreiseinsatzleitungen Teil der regionalen Kommandostruktur des Nationalen Verteidigungsrates. Ursprüngliche Absicht war die Einrichtung von Koordinierungs- und Befehlsorganen für den inneren Notstand in allen Bezirken, gründend auf den unmittelbaren Erfahrungen des 17. Juni 1953. Tatsächlich entwickelten sich die BEL zu einem Planungsgremium für den Mobilmachungs- und Kriegsfall. Nicht nur die direkte Steuerung der bewaffneten Organe, sondern besonders die staatliche, wirtschaftliche, infrastrukturelle und gesellschaftliche Vorbereitung des Landes auf eine solche Situation stand im Mittelpunkt der BEL-Tätigkeit seit den 60er Jahren. 1957 begann der systematische Aufbau der BEL.
Mitglieder der BEL waren die 1. Bezirkssekretäre der SED als Vorsitzende; die Vorsitzenden der Räte der Bezirke; die Leiter der Abteilungen für Sicherheitsfragen in den SED-Bezirksleitungen als BEL-Sekretäre; die Chefs der Bezirksbehörden der Volkspolizei; die Leiter der Bezirksverwaltungen des MfS; die Chefs der Wehrbezirkskommandos der NVA sowie von 1966 bis 1968 die Vorsitzenden der Bezirkswirtschaftsräte. Zunächst oblag den Chefs der Bezirksdirektionen der Volkspolizei die Stabsarbeit der BEL. Mit deren zunehmend militärischer Ausrichtung übernahmen 1965 die Chefs der NVA-Wehrbezirkskommandos diese Aufgabe. Interne Angelegenheiten des MfS waren nicht Gegenstand der BEL-Beratungen. Weil dort die gemeinsame Koordinierung aller Sicherheitsorgane abgestimmt wurde, erhielten aber auch die Leiter der BV Aufträge zur Umsetzung von BEL-Beschlüssen. Die Aufgaben der BEL wurden in Direktiven und Statuten festgelegt. Mit Befehl 16/89 des NVR-Vorsitzenden Egon Krenz vom 29.11.1989 stellten die BEL ihre Tätigkeit ein.
Dritte Einzel-Information über die Durchführung der Aktion "Rose" Dokument, 3 Seiten
Maßnahmeplan zur Gewährleistung der Sicherheit zum 40. Jahrestag der DDR Dokument, 30 Seiten
Reaktionen der DDR-Bevölkerung und Vorkommnisse anlässlich der zeitweiligen Aussetzung des pass- und visafreien Reiseverkehrs in die Tschechoslowakei Dokument, 6 Seiten
Information über Diskussionen unter FDJ-Mitgliedern Dokument, 1 Seite