Signatur: BStU, MfS, HA VII, Nr. 68, Bl. 248-260
Die "Kampfgruppen der Arbeiterklasse", eine Art paramilitärische Bürgergkriegsarmee, war im Oktober 1989 noch weniger als zuvor einsatzfähig. Ihre Mitglieder verschlossen nicht die Augen vor den drängenden Problemen des Landes und wollten nicht gegen das eigene Volk eingesetzt werden - weswegen sie reihenweise aus der Partei austraten.
Am 7. Oktober 1989 feierte die Führungsriege der SED um Erich Honecker den 40. Geburtstag der DDR. Zur gleichen Zeit fanden auf dem Alexanderplatz, vor dem Palast der Republik und vor der Gethsemanekirche in Berlin Demonstrationen gegen das SED-Regime statt. Auch in anderen großen Städten der DDR protestierten unzählige Menschen gegen die Politik der SED. Staatssicherheit und Volkspolizei gingen mit Gewalt gegen diese Bürger vor und verhafteten etwa 1200 Demonstranten. Die Stasi hatte sich auf diesen Tag mit der Aktion "Jubiläum 40" vorbereitet.
Neben der Geheim- und Volkspolizei wurden auch Betriebskampfgruppen eingesetzt. Die nach dem Volksaufstand vom 17. Juni 1953 gebildeten "Kampfgruppen der Arbeiterklasse" waren als eine Art paramilitärischer Bürgerkriegsarmee konzipiert und bestanden aus etwa 200.000 Kämpfern, darunter überwiegend SED-Mitglieder. Die meisten Angehörigen übten diese Tätigkeit neben ihrem Beruf "ehrenamtlich" aus und waren betrieblich organisiert. Die Kampfgruppen wurden vom Ministerium des Innern der DDR ausgebildet und von der Bezirkseinsatzleitung geführt, der wiederum der 1. Sekretär der SED-Bezirksleitung vorstand.
Schon zu Beginn des Jahres 1989 hatten viele Kampfgruppenangehörige dagegen protestiert, dass sie für Straßenkämpfe ausgebildet werden sollten. Ein entsprechender Ausbildungsplan musste fallen gelassen werden. In den ersten Oktobertagen wurden die Kampfgruppen deshalb nur vereinzelt eingesetzt. Auch dabei kam es zu einer hohen Anzahl von Austritten und Verweigerungen, weil die "Kämpfer" nicht "gegen Kollegen" vorgehen wollten.
Die Hauptabteilung VII/Abteilung 7 des Ministeriums für Staatssicherheit, unter anderem für die Überwachung der Kampfgruppen der Arbeiterklasse zuständig, fasste diese Entwicklungen in einem Bericht zusammen und analysierte die Beweggründe der Beteiligten.
Hauptabteilung VII
Abteilung 7
Berlin, 23. Oktober 1989
Einschätzung der Kampfkraft und Einsatzbereitschaft der Kampfgruppen der Arbeiterklasse, die im Vorfeld und in Durchführung der Aktion "Jubiläum 40" zum Einsatz kamen
Im vorgenannten Zeitraum wurden insgesamt 8162 Angehörige der Kampfgruppen der Arbeiterklasse in den Bezirken alarmiert (außer Bezirke Frankfurt/Oder, Schwerin, Neubrandenburg, Rostock).
Davon wurden auf Weisung der Vorsitzenden der Bezirks- bzw. Kreiseinsatzleitungen zur Gewährleistung von Ordnung und Sicherheit in den betreffenden Territorien 4631 Angehörige der Kampfgruppen zu Sicherungseinsätzen eingesetzt.
Hiervon wurden in den Bezirken Karl-Marx-Stadt, Magdeburg, Leipzig und in der Hauptstadt der DDR. Berlin, 2272 Angehörige der Kampfgruppen unmittelbar gegen antisozialistische Ausschreitungen und zur Auflösung von Zusammenrottungen zum Einsatz gebracht.
Es kann eingeschätzt werden, daß die Mehrheit der zum Einsatz gekommenen Kräfte der selbstfindigen Züge und Hundertschaften als auch die geschaffenen Reserven eine hohe Einsatz- und Gefechtsbereitschaft zeigten.
Durch die Angehörigen der Kampfgruppen wurde immer wieder zum Ausdruck gebracht. daß sie ihre ganze Kraft zur Gewährleistung einer hohen Sicherheit und Ordnung einsetzen werden und fest hinter den Beschlüssen unserer Partei stehen.
Trotz dieser positiven Gesamteinschätzung ist nicht zu übersehen, daß es zu Vorkommnissen u.a. negativen Erscheinungen in KG-Einheiten gekommen ist (siehe Anlage), die die Kampf- und Einsatzbereitschaft der Einheiten beeinträchtigten.
Des zeigte sich in
der Ablehnung des vorgesehenen Einsatzes durch einz n Kollek-tive und Kampfgruppenangehörige,
Austrittserklärungen aus der SED und den Kampfgruppen der Arbeiterklasse und in
Hauptabteilung VII (Ministerium des Innern, Deutsche Volkspolizei)
Die Hauptabteilung VII und die ihr zugeordnete Linie VII waren für das Ministerium des Innern (MdI) und die ihm nachgeordneten Bereiche zuständig, d.h. für die Kriminalpolizei (insbesondere deren Arbeitsrichtung I/K I), die Schutz-, Verkehrs- und Bereitschaftspolizei, die Kampfgruppen, den Betriebsschutz, den Strafvollzug, das Pass- und Meldewesen, die Feuerwehr, das Deutsche Rote Kreuz, das Zentrale Aufnahmeheim in Röntgental, das Archivwesen, Geodäsie und Kartographie sowie die Politische Verwaltung des MdI, die medizinischen Einrichtungen der Volkspolizei und die Bereiche Innere Angelegenheiten der staatlichen Verwaltungen.
Zum Teil reichte der Verantwortungsbereich der Hauptabteilung bzw. Linie VII über das MdI hinaus, so etwa gegenüber der Zivilverteidigung, die seit 1977 dem MfNV unterstand. Andere nachgeordnete Bereiche des MdI wurden indes aus fachlichen Gründen von anderen Diensteinheiten der Staatssicherheit abgesichert, so etwa die Arbeitsrichtung Observation der Kriminalpolizei (I/U) (durch die Hauptabteilung VIII), das Wachkommando Missionsschutz (durch die HA II) oder die Transport- und Wasserschutzpolizei (durch die HA XIX).
Gegenüber den Kampfgruppen sowie den lokalen Abteilungen Innere Angelegenheiten teilte sich die Linie VII die Zuständigkeit mit anderen Diensteinheiten. Die Abteilung VII der Verwaltung Groß-Berlin war zeitweise auch für die "Bearbeitung" der Polizei von Westberlin zuständig.
Gleichwohl fungierte die Linie VII als Generalbevollmächtigter des Mielke-Imperiums gegenüber der Volkspolizei. Hatte sie in den 50er Jahren vor allem gegen auffällige Volkspolizisten ermittelt sowie vermutete Spionage aufgedeckt, durchleuchtete sie die Polizei in den späteren Jahren immer stärker prophylaktisch, knüpfte ein weites Netz von Zuträgern im dienstlichen wie im privaten Bereich der Volkspolizisten und beeinflusste auch zunehmend die fachlichen Entscheidungen auf Leitungsebene.
Verfügte die Abteilungen VII im MfS 1958 über 38 Mitarbeiter in drei Referaten, so wurde sie im Folgejahr zur HA aufgewertet und wuchs bis 1989 auf 319 hauptamtliche Geheimpolizisten in acht Abteilungen an. Hinzu kamen 510 Mitarbeiter in den Abteilungen VII der BV sowie 264 sogenannte Abwehroffiziere Volkspolizei, seit 1981 der verlängerte Arm der Linie VII in den KD.
Eine selbständige Abteilung ist eine Organisationsstruktur in der MfS-Zentrale, die durch den Minister oder einen seiner Stellvertreter direkt angeleitet und durch militärische Einzelleiter geführt wurde. Die weiter untergliederten Abteilungen prägten Linien aus (z. B. Abt. XIV; Linienprinzip) oder blieben auf die Zentrale beschränkt (z. B. Abt. X). Die eng umrissenen Zuständigkeiten mit operativer Verantwortung und Federführung orientierten sich an geheimdienstlichen Praktiken (Telefonüberwachung) oder Arbeitsfeldern (Bewaffnung, chemischer Dienst).
Bezirkseinsatzleitungen waren wie die Kreiseinsatzleitungen Teil der regionalen Kommandostruktur des Nationalen Verteidigungsrates. Ursprüngliche Absicht war die Einrichtung von Koordinierungs- und Befehlsorganen für den inneren Notstand in allen Bezirken, gründend auf den unmittelbaren Erfahrungen des 17. Juni 1953. Tatsächlich entwickelten sich die BEL zu einem Planungsgremium für den Mobilmachungs- und Kriegsfall. Nicht nur die direkte Steuerung der bewaffneten Organe, sondern besonders die staatliche, wirtschaftliche, infrastrukturelle und gesellschaftliche Vorbereitung des Landes auf eine solche Situation stand im Mittelpunkt der BEL-Tätigkeit seit den 60er Jahren. 1957 begann der systematische Aufbau der BEL.
Mitglieder der BEL waren die 1. Bezirkssekretäre der SED als Vorsitzende; die Vorsitzenden der Räte der Bezirke; die Leiter der Abteilungen für Sicherheitsfragen in den SED-Bezirksleitungen als BEL-Sekretäre; die Chefs der Bezirksbehörden der Volkspolizei; die Leiter der Bezirksverwaltungen des MfS; die Chefs der Wehrbezirkskommandos der NVA sowie von 1966 bis 1968 die Vorsitzenden der Bezirkswirtschaftsräte. Zunächst oblag den Chefs der Bezirksdirektionen der Volkspolizei die Stabsarbeit der BEL. Mit deren zunehmend militärischer Ausrichtung übernahmen 1965 die Chefs der NVA-Wehrbezirkskommandos diese Aufgabe. Interne Angelegenheiten des MfS waren nicht Gegenstand der BEL-Beratungen. Weil dort die gemeinsame Koordinierung aller Sicherheitsorgane abgestimmt wurde, erhielten aber auch die Leiter der BV Aufträge zur Umsetzung von BEL-Beschlüssen. Die Aufgaben der BEL wurden in Direktiven und Statuten festgelegt. Mit Befehl 16/89 des NVR-Vorsitzenden Egon Krenz vom 29.11.1989 stellten die BEL ihre Tätigkeit ein.
Organisationsstruktur in der MfS-Zentrale, die durch den Minister oder einen seiner Stellvertreter direkt angeleitet wurde. Die zuletzt 13 Hauptabteilungen wurden durch Einzelleiter geführt. Die weiter untergliederten und nach dem Linienprinzip tätigen HA waren für komplexe, abgegrenzte Bereiche operativ zuständig und federführend verantwortlich. Der Zuschnitt der Zuständigkeitsbereiche war an Ressorts oder geheimdienstlichen Praktiken (z. B. Verkehrswesen, Beobachtung, Funkspionage) orientiert.
Zusammen mit den Bezirkseinsatzleitungen bildeten die Kreiseinsatzleitungen das "Filialsystem" des Nationalen Verteidigungsrates. Ursprünglich für die Koordinierung der inneren Sicherheitsvorsorge im Falle eines neuerlichen Volksaufstandes wie dem am 17. Juni 1953 geschaffen, waren sie seit den 60er Jahren auf Kreisebene besonders für das System der staatlichen, ökonomischen, infrastrukturellen und gesellschaftlichen Vorbereitung der DDR auf einen Kriegsfall verantwortlich. Im Unterschied zu den Bezirkseinsatzleitungen (BEL) spielten die diesen nachgeordneten Kreiseinsatzleitungen allerdings eine geringere Rolle. Ihr landesweiter Aufbau geschah ab 1956 nur sukzessive und zog sich bis in die frühen 70er Jahre hin.
Regelmäßige Mitglieder der Kreiseinsatzleitungen waren: die 1. Sekretäre der SED-Kreisleitungen als deren Vorsitzende; die Vorsitzenden der Räte der Kreise; die Mitarbeiter für Sicherheitsfragen der SED-Kreisleitung als Kreiseinsatzleitungssekretäre; die Leiter der Volkspolizeikreisämter, die Leiter der Kreisdienststellen des MfS sowie die Chefs der Wehrkreiskommandos der NVA.
Die Vorsitzenden der Kreiseinsatzleitungen erhielten ihre Weisungen von den BEL-Vorsitzenden ihrer Bezirke, die durch die 1. SED-Bezirkssekretäre gestellt wurden. Ihnen unterstanden die Kreiseinsatzleitungensvorsitzenden als 1. SED-Kreissekretäre zugleich in der parteilichen Befehlslinie. Die Leiter der MfS-Kreisdienststellen waren wie die Vertreter der beiden anderen Sicherheitsministerien in die Planungen und Beschlussfassungen der Kreiseinsatzleitungen sowie in deren Durchführung involviert.
Wie auch die BEL stellten die Kreiseinsatzleitungen am 30.11.1989 mit Befehl 16/89 des NVR-Vorsitzenden Egon Krenz ihre Tätigkeit ein.
Signatur: BStU, MfS, HA VII, Nr. 68, Bl. 248-260
Die "Kampfgruppen der Arbeiterklasse", eine Art paramilitärische Bürgergkriegsarmee, war im Oktober 1989 noch weniger als zuvor einsatzfähig. Ihre Mitglieder verschlossen nicht die Augen vor den drängenden Problemen des Landes und wollten nicht gegen das eigene Volk eingesetzt werden - weswegen sie reihenweise aus der Partei austraten.
Am 7. Oktober 1989 feierte die Führungsriege der SED um Erich Honecker den 40. Geburtstag der DDR. Zur gleichen Zeit fanden auf dem Alexanderplatz, vor dem Palast der Republik und vor der Gethsemanekirche in Berlin Demonstrationen gegen das SED-Regime statt. Auch in anderen großen Städten der DDR protestierten unzählige Menschen gegen die Politik der SED. Staatssicherheit und Volkspolizei gingen mit Gewalt gegen diese Bürger vor und verhafteten etwa 1200 Demonstranten. Die Stasi hatte sich auf diesen Tag mit der Aktion "Jubiläum 40" vorbereitet.
Neben der Geheim- und Volkspolizei wurden auch Betriebskampfgruppen eingesetzt. Die nach dem Volksaufstand vom 17. Juni 1953 gebildeten "Kampfgruppen der Arbeiterklasse" waren als eine Art paramilitärischer Bürgerkriegsarmee konzipiert und bestanden aus etwa 200.000 Kämpfern, darunter überwiegend SED-Mitglieder. Die meisten Angehörigen übten diese Tätigkeit neben ihrem Beruf "ehrenamtlich" aus und waren betrieblich organisiert. Die Kampfgruppen wurden vom Ministerium des Innern der DDR ausgebildet und von der Bezirkseinsatzleitung geführt, der wiederum der 1. Sekretär der SED-Bezirksleitung vorstand.
Schon zu Beginn des Jahres 1989 hatten viele Kampfgruppenangehörige dagegen protestiert, dass sie für Straßenkämpfe ausgebildet werden sollten. Ein entsprechender Ausbildungsplan musste fallen gelassen werden. In den ersten Oktobertagen wurden die Kampfgruppen deshalb nur vereinzelt eingesetzt. Auch dabei kam es zu einer hohen Anzahl von Austritten und Verweigerungen, weil die "Kämpfer" nicht "gegen Kollegen" vorgehen wollten.
Die Hauptabteilung VII/Abteilung 7 des Ministeriums für Staatssicherheit, unter anderem für die Überwachung der Kampfgruppen der Arbeiterklasse zuständig, fasste diese Entwicklungen in einem Bericht zusammen und analysierte die Beweggründe der Beteiligten.
schwankenden Haltungen infolge der Wirkung der politisch-ideologischen Diversion.
Nach derzeit vorliegenden Informationen der zuständigen Diensteinheiten des MfS erklärten im Zusammenhang mit den aktionsbezogenen Einsätzen
336 Kampfgruppenangehörige ihren Austritt aus den Kampfgruppen
149 Kampfgruppenangehörige ihren Austritt aus der SED
346 Kampfgruppenangehörige die Ablehnung des erteilten Einsatzbefehls.
Schwerpunkte bei den bekanntgewordenen Austrittserklärungen/ Einsatzverweigerungen sind die Bezirke
Karl-Marx-Stadt mit 230 Austritten aus den Kampfgruppen, 28 Verweigerungen des Einsatzes
Magdeburg mit 47 Austritten aus den Kampfgruppen, 208 Verweigerungen des Einsatzes
Leipzig mit 16 Austritten aus den Kampfgruppen, 85 Verweigerungen des Einsatzes.
Dabei ist zu beachten, daß in den Bezirken Karl-Marx-Stadt, Magdeburg und Leipzig Kampfgruppenangehörige unmittelbar mit antisozialistischen Ausschreitungen konfrontiert wurden und auch der Einsatz von Kampfgruppenangehörigen zahlenmäßig am höchsten war.
Gleichzeitig ist in Rechnung zu stellen, daß die in anderen Bezirken vergleichsweise geringe Anzahl von Austritten aus den Kampfgruppen bzw. Ablehnung von Einsätzen dadurch beeinflußt wird,,daß dort lediglich ausgewählte Kampfgruppenangehörige zum Einsatz kamen bzw. zu Streifentätigkeit eingesetzt oder in Reserve gehalten wurden.
Es muß auch darauf verwiesen werden, daß es bereits im Verlauf des Ausbildungsjahres 1989 und im Vorfeld der Aktion "Jubiläum 40", insbesondere im Rahmen der Ausbildungsmaßnahmen zum Thema "Sperren und Räumen von Straßen und Plätzen" in zahlreichen Bezirken zu Austritten aus den Kampfgruppen und negativen Diskussionen von Kampfgruppenangehörigen zu diesen Ausbildungsinhalten kam.
Hauptabteilung VII (Ministerium des Innern, Deutsche Volkspolizei)
Die Hauptabteilung VII und die ihr zugeordnete Linie VII waren für das Ministerium des Innern (MdI) und die ihm nachgeordneten Bereiche zuständig, d.h. für die Kriminalpolizei (insbesondere deren Arbeitsrichtung I/K I), die Schutz-, Verkehrs- und Bereitschaftspolizei, die Kampfgruppen, den Betriebsschutz, den Strafvollzug, das Pass- und Meldewesen, die Feuerwehr, das Deutsche Rote Kreuz, das Zentrale Aufnahmeheim in Röntgental, das Archivwesen, Geodäsie und Kartographie sowie die Politische Verwaltung des MdI, die medizinischen Einrichtungen der Volkspolizei und die Bereiche Innere Angelegenheiten der staatlichen Verwaltungen.
Zum Teil reichte der Verantwortungsbereich der Hauptabteilung bzw. Linie VII über das MdI hinaus, so etwa gegenüber der Zivilverteidigung, die seit 1977 dem MfNV unterstand. Andere nachgeordnete Bereiche des MdI wurden indes aus fachlichen Gründen von anderen Diensteinheiten der Staatssicherheit abgesichert, so etwa die Arbeitsrichtung Observation der Kriminalpolizei (I/U) (durch die Hauptabteilung VIII), das Wachkommando Missionsschutz (durch die HA II) oder die Transport- und Wasserschutzpolizei (durch die HA XIX).
Gegenüber den Kampfgruppen sowie den lokalen Abteilungen Innere Angelegenheiten teilte sich die Linie VII die Zuständigkeit mit anderen Diensteinheiten. Die Abteilung VII der Verwaltung Groß-Berlin war zeitweise auch für die "Bearbeitung" der Polizei von Westberlin zuständig.
Gleichwohl fungierte die Linie VII als Generalbevollmächtigter des Mielke-Imperiums gegenüber der Volkspolizei. Hatte sie in den 50er Jahren vor allem gegen auffällige Volkspolizisten ermittelt sowie vermutete Spionage aufgedeckt, durchleuchtete sie die Polizei in den späteren Jahren immer stärker prophylaktisch, knüpfte ein weites Netz von Zuträgern im dienstlichen wie im privaten Bereich der Volkspolizisten und beeinflusste auch zunehmend die fachlichen Entscheidungen auf Leitungsebene.
Verfügte die Abteilungen VII im MfS 1958 über 38 Mitarbeiter in drei Referaten, so wurde sie im Folgejahr zur HA aufgewertet und wuchs bis 1989 auf 319 hauptamtliche Geheimpolizisten in acht Abteilungen an. Hinzu kamen 510 Mitarbeiter in den Abteilungen VII der BV sowie 264 sogenannte Abwehroffiziere Volkspolizei, seit 1981 der verlängerte Arm der Linie VII in den KD.
Bezirkseinsatzleitungen waren wie die Kreiseinsatzleitungen Teil der regionalen Kommandostruktur des Nationalen Verteidigungsrates. Ursprüngliche Absicht war die Einrichtung von Koordinierungs- und Befehlsorganen für den inneren Notstand in allen Bezirken, gründend auf den unmittelbaren Erfahrungen des 17. Juni 1953. Tatsächlich entwickelten sich die BEL zu einem Planungsgremium für den Mobilmachungs- und Kriegsfall. Nicht nur die direkte Steuerung der bewaffneten Organe, sondern besonders die staatliche, wirtschaftliche, infrastrukturelle und gesellschaftliche Vorbereitung des Landes auf eine solche Situation stand im Mittelpunkt der BEL-Tätigkeit seit den 60er Jahren. 1957 begann der systematische Aufbau der BEL.
Mitglieder der BEL waren die 1. Bezirkssekretäre der SED als Vorsitzende; die Vorsitzenden der Räte der Bezirke; die Leiter der Abteilungen für Sicherheitsfragen in den SED-Bezirksleitungen als BEL-Sekretäre; die Chefs der Bezirksbehörden der Volkspolizei; die Leiter der Bezirksverwaltungen des MfS; die Chefs der Wehrbezirkskommandos der NVA sowie von 1966 bis 1968 die Vorsitzenden der Bezirkswirtschaftsräte. Zunächst oblag den Chefs der Bezirksdirektionen der Volkspolizei die Stabsarbeit der BEL. Mit deren zunehmend militärischer Ausrichtung übernahmen 1965 die Chefs der NVA-Wehrbezirkskommandos diese Aufgabe. Interne Angelegenheiten des MfS waren nicht Gegenstand der BEL-Beratungen. Weil dort die gemeinsame Koordinierung aller Sicherheitsorgane abgestimmt wurde, erhielten aber auch die Leiter der BV Aufträge zur Umsetzung von BEL-Beschlüssen. Die Aufgaben der BEL wurden in Direktiven und Statuten festgelegt. Mit Befehl 16/89 des NVR-Vorsitzenden Egon Krenz vom 29.11.1989 stellten die BEL ihre Tätigkeit ein.
Signatur: BStU, MfS, HA VII, Nr. 68, Bl. 248-260
Die "Kampfgruppen der Arbeiterklasse", eine Art paramilitärische Bürgergkriegsarmee, war im Oktober 1989 noch weniger als zuvor einsatzfähig. Ihre Mitglieder verschlossen nicht die Augen vor den drängenden Problemen des Landes und wollten nicht gegen das eigene Volk eingesetzt werden - weswegen sie reihenweise aus der Partei austraten.
Am 7. Oktober 1989 feierte die Führungsriege der SED um Erich Honecker den 40. Geburtstag der DDR. Zur gleichen Zeit fanden auf dem Alexanderplatz, vor dem Palast der Republik und vor der Gethsemanekirche in Berlin Demonstrationen gegen das SED-Regime statt. Auch in anderen großen Städten der DDR protestierten unzählige Menschen gegen die Politik der SED. Staatssicherheit und Volkspolizei gingen mit Gewalt gegen diese Bürger vor und verhafteten etwa 1200 Demonstranten. Die Stasi hatte sich auf diesen Tag mit der Aktion "Jubiläum 40" vorbereitet.
Neben der Geheim- und Volkspolizei wurden auch Betriebskampfgruppen eingesetzt. Die nach dem Volksaufstand vom 17. Juni 1953 gebildeten "Kampfgruppen der Arbeiterklasse" waren als eine Art paramilitärischer Bürgerkriegsarmee konzipiert und bestanden aus etwa 200.000 Kämpfern, darunter überwiegend SED-Mitglieder. Die meisten Angehörigen übten diese Tätigkeit neben ihrem Beruf "ehrenamtlich" aus und waren betrieblich organisiert. Die Kampfgruppen wurden vom Ministerium des Innern der DDR ausgebildet und von der Bezirkseinsatzleitung geführt, der wiederum der 1. Sekretär der SED-Bezirksleitung vorstand.
Schon zu Beginn des Jahres 1989 hatten viele Kampfgruppenangehörige dagegen protestiert, dass sie für Straßenkämpfe ausgebildet werden sollten. Ein entsprechender Ausbildungsplan musste fallen gelassen werden. In den ersten Oktobertagen wurden die Kampfgruppen deshalb nur vereinzelt eingesetzt. Auch dabei kam es zu einer hohen Anzahl von Austritten und Verweigerungen, weil die "Kämpfer" nicht "gegen Kollegen" vorgehen wollten.
Die Hauptabteilung VII/Abteilung 7 des Ministeriums für Staatssicherheit, unter anderem für die Überwachung der Kampfgruppen der Arbeiterklasse zuständig, fasste diese Entwicklungen in einem Bericht zusammen und analysierte die Beweggründe der Beteiligten.
So traten z.B. im Zeitraum vom 1.1.1989 bis 30.9.1989 in den Bezirken
Dresden 213 Kämpfer
Cottbus 187 Kämpfer
aus den Karaferuppen aus bzw. wurden ausgeschlossen. Eine definitive Aussag dazu, alle Bezirke betreffend, kann gegenwärtig noch nicht getroffen werden.
Äußerungen von Kampfgruppenangehörigen gingen dahin, daß man nicht mit dem Knüppel gegen die eigenen Kollegen bzw. Ausreisewillige vorgehen werde.
Weitere Angehörige äußerten, daß sie zu Handlungen gegen äußere Feinde bereit sind, jedoch einen Einsatz gegen feindliche Kräfte im Innern der DDR ablehnen.
Aus weiteren Einheiten liegen analoge Informationen vor, die die Haltung verschiedener Kampfgruppenangehöriger dokumentieren, wonach die Eineätze nicht im Einklang mit den Aufgaben der Kampfgruppen stünden und sie sich nicht als "Knüppelgarde" der Partei verstehen.
Ausgehend dieser Entwicklung wurde die zentral herausgegebene Ausbildungsanleitung zum Thema "Sperren und Räumen von Straßen und Plätzen" auf Entscheidung des Ministers des Innern und Chef der DVP kurzfristig im Mai 1989 zurückgezogen, während die Ausbildung der Kommandeure an der Zentralschule für Kampfgruppen "Ernst Thählann" in Schmerwitz zu diesem Komplex weitergeführt wurde.
Die Vorkommnislage bei der Alarmierung und beim Einsatz der Kampfgruppen im Vorfeld und in Durchführung der Aktion "Jubiläum 40" sowie erste dazu geführte Untersuchungen lassen die Einschätzung zu, daß Kampfgruppenangehörige auf eine unmittelbare Konfrontation mit Teilen der Bevölkerung weder politisch-ideolegisch noch taktisch-ausbildungsmäßig im ausreichenden Maße eingestellt und vorbereitet waren.
Die bereits genannten Verweigerungen der Einsätze und Austritte aus den Kampfgruppen und der SED belegen, daß sich ein Teil der Angehörigen mit dem Klassenauftrag der Kampfgruppen nicht vollinhaltlich identifiziert.
Als wesentliche Motive für diese Handlungen wurden bisher herausgearbeitet:
Angst, gegen Freunde, Bekannte und Kollegen "Zwangsmaßnahmen" durchführen zu müssen, die im nachhinein zu "Repressalien"
Hauptabteilung VII (Ministerium des Innern, Deutsche Volkspolizei)
Die Hauptabteilung VII und die ihr zugeordnete Linie VII waren für das Ministerium des Innern (MdI) und die ihm nachgeordneten Bereiche zuständig, d.h. für die Kriminalpolizei (insbesondere deren Arbeitsrichtung I/K I), die Schutz-, Verkehrs- und Bereitschaftspolizei, die Kampfgruppen, den Betriebsschutz, den Strafvollzug, das Pass- und Meldewesen, die Feuerwehr, das Deutsche Rote Kreuz, das Zentrale Aufnahmeheim in Röntgental, das Archivwesen, Geodäsie und Kartographie sowie die Politische Verwaltung des MdI, die medizinischen Einrichtungen der Volkspolizei und die Bereiche Innere Angelegenheiten der staatlichen Verwaltungen.
Zum Teil reichte der Verantwortungsbereich der Hauptabteilung bzw. Linie VII über das MdI hinaus, so etwa gegenüber der Zivilverteidigung, die seit 1977 dem MfNV unterstand. Andere nachgeordnete Bereiche des MdI wurden indes aus fachlichen Gründen von anderen Diensteinheiten der Staatssicherheit abgesichert, so etwa die Arbeitsrichtung Observation der Kriminalpolizei (I/U) (durch die Hauptabteilung VIII), das Wachkommando Missionsschutz (durch die HA II) oder die Transport- und Wasserschutzpolizei (durch die HA XIX).
Gegenüber den Kampfgruppen sowie den lokalen Abteilungen Innere Angelegenheiten teilte sich die Linie VII die Zuständigkeit mit anderen Diensteinheiten. Die Abteilung VII der Verwaltung Groß-Berlin war zeitweise auch für die "Bearbeitung" der Polizei von Westberlin zuständig.
Gleichwohl fungierte die Linie VII als Generalbevollmächtigter des Mielke-Imperiums gegenüber der Volkspolizei. Hatte sie in den 50er Jahren vor allem gegen auffällige Volkspolizisten ermittelt sowie vermutete Spionage aufgedeckt, durchleuchtete sie die Polizei in den späteren Jahren immer stärker prophylaktisch, knüpfte ein weites Netz von Zuträgern im dienstlichen wie im privaten Bereich der Volkspolizisten und beeinflusste auch zunehmend die fachlichen Entscheidungen auf Leitungsebene.
Verfügte die Abteilungen VII im MfS 1958 über 38 Mitarbeiter in drei Referaten, so wurde sie im Folgejahr zur HA aufgewertet und wuchs bis 1989 auf 319 hauptamtliche Geheimpolizisten in acht Abteilungen an. Hinzu kamen 510 Mitarbeiter in den Abteilungen VII der BV sowie 264 sogenannte Abwehroffiziere Volkspolizei, seit 1981 der verlängerte Arm der Linie VII in den KD.
Bezirkseinsatzleitungen waren wie die Kreiseinsatzleitungen Teil der regionalen Kommandostruktur des Nationalen Verteidigungsrates. Ursprüngliche Absicht war die Einrichtung von Koordinierungs- und Befehlsorganen für den inneren Notstand in allen Bezirken, gründend auf den unmittelbaren Erfahrungen des 17. Juni 1953. Tatsächlich entwickelten sich die BEL zu einem Planungsgremium für den Mobilmachungs- und Kriegsfall. Nicht nur die direkte Steuerung der bewaffneten Organe, sondern besonders die staatliche, wirtschaftliche, infrastrukturelle und gesellschaftliche Vorbereitung des Landes auf eine solche Situation stand im Mittelpunkt der BEL-Tätigkeit seit den 60er Jahren. 1957 begann der systematische Aufbau der BEL.
Mitglieder der BEL waren die 1. Bezirkssekretäre der SED als Vorsitzende; die Vorsitzenden der Räte der Bezirke; die Leiter der Abteilungen für Sicherheitsfragen in den SED-Bezirksleitungen als BEL-Sekretäre; die Chefs der Bezirksbehörden der Volkspolizei; die Leiter der Bezirksverwaltungen des MfS; die Chefs der Wehrbezirkskommandos der NVA sowie von 1966 bis 1968 die Vorsitzenden der Bezirkswirtschaftsräte. Zunächst oblag den Chefs der Bezirksdirektionen der Volkspolizei die Stabsarbeit der BEL. Mit deren zunehmend militärischer Ausrichtung übernahmen 1965 die Chefs der NVA-Wehrbezirkskommandos diese Aufgabe. Interne Angelegenheiten des MfS waren nicht Gegenstand der BEL-Beratungen. Weil dort die gemeinsame Koordinierung aller Sicherheitsorgane abgestimmt wurde, erhielten aber auch die Leiter der BV Aufträge zur Umsetzung von BEL-Beschlüssen. Die Aufgaben der BEL wurden in Direktiven und Statuten festgelegt. Mit Befehl 16/89 des NVR-Vorsitzenden Egon Krenz vom 29.11.1989 stellten die BEL ihre Tätigkeit ein.
Dritte Einzel-Information über die Durchführung der Aktion "Rose" Dokument, 3 Seiten
Maßnahmeplan zur Gewährleistung der Sicherheit zum 40. Jahrestag der DDR Dokument, 30 Seiten
Reaktionen der DDR-Bevölkerung und Vorkommnisse anlässlich der zeitweiligen Aussetzung des pass- und visafreien Reiseverkehrs in die Tschechoslowakei Dokument, 6 Seiten
Information über Diskussionen unter FDJ-Mitgliedern Dokument, 1 Seite