Signatur: BStU, MfS, AGM, Nr. 357, Seite 284, Bl. 1-93
Um "Republikfluchten" besser verhindern zu können, dokumentierte das MfS geglückte und gescheiterte Fluchtversuche. Das vorliegende Dokument zeigt Ballons und andere selbstgebaute Fluggeräte, mit denen DDR-Bürger die Grenze nach Westen überwinden wollten.
Vierzig Jahre lang teilte eine Grenze Deutschland in zwei Staaten. Auf knapp 1.400 Kilometern Länge errichtete die DDR Grenzanlagen, die nach und nach zu einem Todesstreifen ausgebaut wurden. Über weitere 168 Kilometer erstreckte sich die Grenze um West-Berlin, ab 1961 mit der Berliner Mauer abgeriegelt. Die Stasi war in die Sicherung dieses "antifaschistischen Schutzwalls" fest eingebunden. Sie beobachtete die dort stationierten Grenztruppen, übernahm mit eigenem Personal die Passkontrollen an den Grenzübergängen und sollte Republikfluchten möglichst schon im Ansatz verhindern.
Eine wichtige Rolle bei der Verhinderung des "ungesetzlichen Verlassens" der DDR kam der Zentralen Koordinierungsgruppe (ZKG) zu. Die ZKG wurde 1975 ins Leben gerufen, um die Anstrengungen des MfS auf diesem Gebiet zu koordinieren und zu bündeln. Dazu gehörte auch, Fluchtversuche zu dokumentieren und daraus effektivere Gegenmaßnahmen abzuleiten. Das vorliegende Dokument ist eine solche Zusammenstellung von gescheiterten Fluchtversuchen mit Hilfe von Ballons und anderen selbstgebauten Fluggeräten.
Solche "Angriffe auf die Staatsgrenze" waren spektakulär und schädigten daher das Ansehen der DDR. Wenn das Fluggerät ungestört starten konnte und sich als flugfähig erwies, ließen sich so die ausgeklügelten Sicherungsmaßnahmen am Boden geschickt umgehen. Das MfS musste also schon die Vorbereitungen zum Bau und zum Start eines solchen Fluggeräts erkennen um ein entsprechendes Vorhaben zu vereiteln. Glückte eine solche Flucht, machte Sie im Westen Schlagzeilen. Einen solchen "Propagandaerfolg" des "Gegners" wollte das MfS aber unbedingt verhindern.
Ministerium für Staatssicherheit
Zentrale Koordinierungsgruppe
Berlin, Mai 1985
Dokumentation
über verhinderte spektakuläre Angriffe auf die Staatsgrenze der Deutschen Demokratischen Republik mittels Ballon und anderer Fluggeräte
(Zeitraum: September 1979 bis Dezember 1984)
Erarbeitet: durch die Zentrale Koordinierungsgruppe in Zusammenarbeit mit der Hauptabteilung IX und anderen operativen Diensteinheiten
Hauptabteilung IX (Untersuchungsorgan)
Die Hauptabteilung IX war die für strafrechtliche Ermittlungen und Strafverfolgung zuständige Diensteinheit. Sie hatte wie die nachgeordneten Abteilung IX in den Bezirksverwaltung (BV) (Linie IX) die Befugnisse eines Untersuchungsorgans, d. h. einer kriminalpolizeilichen Ermittlungsbehörde. Ursprünglich vor allem für die sog. Staatsverbrechen zuständig, befasste sie sich in der Honecker-Ära überwiegend mit Straftaten gegen die staatliche Ordnung, vor allem mit Fällen "ungesetzlichen Grenzübertritts" und Delikten, die mit Ausreisebegehren zu tun hatten. Nach StPO der DDR standen auch die Ermittlungsverfahren der Linie IX unter Aufsicht der Staatsanwaltschaft, in der Praxis arbeitete das MfS hier jedoch weitgehend eigenständig.
Die Hauptabteilung IX und die Abteilungen IX der BV waren berechtigt, Ermittlungsverfahren einzuleiten sowie Festnahmen, Vernehmungen, Durchsuchungen, Beschlagnahmen und andere strafprozessuale Handlungen vorzunehmen sowie verpflichtet, diese Verfahren nach einer bestimmten Frist - meist durch die Übergabe an die Staatsanwaltschaft zur Anklageerhebung - zum Abschluss zu bringen (Untersuchungsvorgang). Daneben führte sie Vorermittlungen zur Feststellung von Ursachen und Verantwortlichen bei Großhavarien (industriellen Störfällen), Flugblättern widerständigen Inhalts, öffentlichen Protesten u. ä. (Vorkommnisuntersuchung, Sachverhaltsprüfung).
Die Hauptabteilung IX gehörte zeit ihres Bestehens zum Anleitungsbereich Mielkes, in den ersten Jahren in seiner Funktion als Staatssekretär und 1. stellv. Minister, ab 1957 als Minister. Ihre Leiter waren Alfred Karl Scholz (1950-1956), Kurt Richter (1956-1964), Walter Heinitz (1964-1973) und Rolf Fister (1973-1989).
1953 bestand die Hauptabteilung IX aus drei Abteilungen, die für Spionagefälle, Fälle politischer "Untergrundtätigkeit" und die Anleitung der Abt. IX der BV zuständig waren. Durch Ausgliederungen entstanden weitere Abteilungen, so u. a. für Wirtschaftsdelikte, Militärstraftaten, Delikte von MfS-Angehörigen und Fluchtfälle. Ende 1988 bestand die Hauptabteilung IX aus zehn Untersuchungsabteilungen sowie der Auswertungs- und Kontrollgruppe (AKG) und der AGL (Arbeitsgruppe des Ministers (AGM)) mit insgesamt 489 Mitarbeitern. Auf der Linie IX arbeiteten 1.225 hauptamtliche Mitarbeiter.
Die Linie IX wirkte eng mit den Abteilung XIV (Haft) und der Linie VIII (Beobachtung, Ermittlung), die für die Durchführung der Festnahmen zuständig waren, zusammen. Bei der juristischen Beurteilung von Operativen Vorgängen (OV) wurde die Hauptabteilung IX von den geheimdienstlich arbeitenden Diensteinheiten häufig einbezogen.
Straftaten gegen die staatliche Ordnung
Straftaten gegen die staatliche Ordnung waren Straftatbestände des 8. Kapitels des StGB/1968. Insbesondere der 2. Abschnitt ("Straftaten gegen die staatliche und öffentliche Ordnung") enthält politische Strafnormen, die für die strafrechtliche Untersuchungstätigkeit der Staatssicherheit (Untersuchungsorgan) von großer Bedeutung waren.
Das gilt vor allem für § 213 ("Ungesetzlicher Grenzübertritt"), der in der Honecker-Ära Grundlage von rund der Hälfte aller MfS-Ermittlungsverfahren war. Auch § 214 ("Beeinträchtigung staatlicher und gesellschaftlicher Tätigkeit") spielte, vor allem im Zusammenhang mit der Bekämpfung von Ausreiseantragstellern, in den 80er Jahren eine immer wichtigere Rolle.
Ähnliches gilt für § 219 ("Ungesetzliche Verbindungsaufnahme") und § 220 ("Öffentliche Herabwürdigung der staatlichen Ordnung"), die die ähnlichen, aber schwerer wiegenden Strafnormen aus dem 2. Kapitel des StGB/1968 § 100 ("Staatsfeindliche Verbindungen", ab 1979 "Landesverräterische Agententätigkeit") und § 106 ("Staatsfeindliche Hetze") weitgehend verdrängten (Staatsverbrechen).
Organisationsstruktur in der MfS-Zentrale, die durch den Minister oder dessen Stellvertreter direkt angeleitet und durch militärische Einzelleiter geführt wurde. Die weiter untergliederten AG prägten Linien aus (z. B. Zentrale Arbeitsgruppe Geheimnisschutz – ZAGG) oder blieben auf die Zentrale beschränkt (z. B. AG XVII). Die monothematischen Zuständigkeiten konnten operative Verantwortung und Federführung einschließen. AG wird auch als Bezeichnung einer nichtstrukturellen Organisationsform oder unselbständigen Untergliederungsebene im MfS verwendet.
Die Arbeitsgruppe des Ministers (AGM) war eine 1960/61 aus dem Büro der Leitung herausgelöste Arbeitsgruppe für die Koordinierung der für den Mobilisierungsfall notwendigen Maßnahmen. Ihr oblagen
Die AGM war eingebunden in die bi- und multilaterale Zusammenarbeit der Sicherheitsorgane der sozialistischen Länder. Hierfür setzte die Vertretung des KGB beim MfS einen Verbindungsoffizier bei der AGM ein. Leiter der AGM waren 1960/61–1975 Alfred Karl Scholz, 1980–1987 Otto Geisler, 1987–1989 Erich Rümmler. Die AGM hatte 1961 8, 1970 34, 1980 48 und 1989 692 Mitarbeiter. In den BV übernahmen AGL analoge Funktionen.
Die Zentrale Koordinierungsgruppe (ZKG) entstand 1975 durch Übernahme von Aufgaben verschiedener Diensteinheiten, insbesondere von HA VI und HA XX/5. Aufgaben: zentrale Koordinierung des Vorgehens des MfS im Zusammenhang mit Übersiedlungen in die Bundesrepublik Deutschland, nach Westberlin bzw. das nichtsozialistische Ausland, einschließlich der Versuche des Zurückdrängens von Ausreiseanträgen bzw. zur Verhinderung des Verlassens der DDR und zur Bekämpfung des sog. staatsfeindlichen Menschenhandels bis hin zur Mitwirkung an den Entscheidungen in Ausreisefällen.
Signatur: BStU, MfS, AGM, Nr. 357, Seite 284, Bl. 1-93
Um "Republikfluchten" besser verhindern zu können, dokumentierte das MfS geglückte und gescheiterte Fluchtversuche. Das vorliegende Dokument zeigt Ballons und andere selbstgebaute Fluggeräte, mit denen DDR-Bürger die Grenze nach Westen überwinden wollten.
Vierzig Jahre lang teilte eine Grenze Deutschland in zwei Staaten. Auf knapp 1.400 Kilometern Länge errichtete die DDR Grenzanlagen, die nach und nach zu einem Todesstreifen ausgebaut wurden. Über weitere 168 Kilometer erstreckte sich die Grenze um West-Berlin, ab 1961 mit der Berliner Mauer abgeriegelt. Die Stasi war in die Sicherung dieses "antifaschistischen Schutzwalls" fest eingebunden. Sie beobachtete die dort stationierten Grenztruppen, übernahm mit eigenem Personal die Passkontrollen an den Grenzübergängen und sollte Republikfluchten möglichst schon im Ansatz verhindern.
Eine wichtige Rolle bei der Verhinderung des "ungesetzlichen Verlassens" der DDR kam der Zentralen Koordinierungsgruppe (ZKG) zu. Die ZKG wurde 1975 ins Leben gerufen, um die Anstrengungen des MfS auf diesem Gebiet zu koordinieren und zu bündeln. Dazu gehörte auch, Fluchtversuche zu dokumentieren und daraus effektivere Gegenmaßnahmen abzuleiten. Das vorliegende Dokument ist eine solche Zusammenstellung von gescheiterten Fluchtversuchen mit Hilfe von Ballons und anderen selbstgebauten Fluggeräten.
Solche "Angriffe auf die Staatsgrenze" waren spektakulär und schädigten daher das Ansehen der DDR. Wenn das Fluggerät ungestört starten konnte und sich als flugfähig erwies, ließen sich so die ausgeklügelten Sicherungsmaßnahmen am Boden geschickt umgehen. Das MfS musste also schon die Vorbereitungen zum Bau und zum Start eines solchen Fluggeräts erkennen um ein entsprechendes Vorhaben zu vereiteln. Glückte eine solche Flucht, machte Sie im Westen Schlagzeilen. Einen solchen "Propagandaerfolg" des "Gegners" wollte das MfS aber unbedingt verhindern.
Spekatkuläre Grenzdurchbrüche mit Ballons und anderen Fluggeräten sind eine vom Feind initiierte und praktizierte Methode bei der Organisierung des ungesetzlichen Verlassens der DDR.
Sie werden vom Gegner in jedem Fall zur Hetze gegen die DDR benutzt. Wegen des hohen Risikos derartiger feindlicher Handlungen sind sie in besonderer Weise zur "Begründung" der Menschenrechtsdemagogie und zur Darstellung der angeblich unmenschlichen Verhältnisse in der DDR geeignet. Im Rahmen der politisch-ideologischen Diversion des Gegners kommt den spektakulären Angriffen auf die Grenzsicherungsanlagen der DDR deshalb zunehmende Bedeutung zu.
Diese Methode des Gegners widerspiegelt sich in
- permanenten, besonders zu politischen Höhepunkten, gezielten Propagierungen solcher spektakulären Angriffe auf die Staatsgrenze;
- breiter Publizierung derartiger Unternehmen mit dem Ziel der Inspirierung von DDR-Bürgern zu diesen feindlichen Handlungen und Auslösung von Initiativen bei BRD- und WB-Bürgern zu aktiven Handlungen in dieser Richtung;
- Aktivitäten der Feindorganisationen und kriminellen Banden, vor allem der IGFM und der AG "13. August";
- der Ausnutzung von Rückverbindungen feindlicher Kräfte, um weitere DDR-Bürger zu derartigen Handlungen zu initiieren;
- der übermittlung von Bauanleitungen, Konstruktions- und anderen Hinweisen und Materialien im grenzüberschreitenden Personen-und Postverkehr.
Nach dem im September 1979 erfolgten spektakulären Grenzübertritt der Familien [anonymisiert] und [anonymisiert] verstärkte der Gegner die Propagierung von Ballons und anderen Fluggeräten als Mittel zum unGesetzlichen Verlassen der DDR.
Auf der Grundlage der angewiesenen Maßnahmen und der zentralen Orientierungen zur vorbeugenden Verhinderung spektakulärer Grenzdurchbrüche wurden durch die operativen Diensteinheiten des MfS in Zusammenarbeit mit den anderen Schutz- und Sicherheitsorganen insgesamt
72 Vorhaben des ungesetzlichen Verlassens der DDR mit Ballons und anderen Fluggeräten verhindert und
151 Personen festgenommen.
Grenzdurchbrüche mittels Ballons und anderer Fluggeräte seit September 1979 wurden ausnahmslos verhindert.
Straftaten gegen die staatliche Ordnung
Straftaten gegen die staatliche Ordnung waren Straftatbestände des 8. Kapitels des StGB/1968. Insbesondere der 2. Abschnitt ("Straftaten gegen die staatliche und öffentliche Ordnung") enthält politische Strafnormen, die für die strafrechtliche Untersuchungstätigkeit der Staatssicherheit (Untersuchungsorgan) von großer Bedeutung waren.
Das gilt vor allem für § 213 ("Ungesetzlicher Grenzübertritt"), der in der Honecker-Ära Grundlage von rund der Hälfte aller MfS-Ermittlungsverfahren war. Auch § 214 ("Beeinträchtigung staatlicher und gesellschaftlicher Tätigkeit") spielte, vor allem im Zusammenhang mit der Bekämpfung von Ausreiseantragstellern, in den 80er Jahren eine immer wichtigere Rolle.
Ähnliches gilt für § 219 ("Ungesetzliche Verbindungsaufnahme") und § 220 ("Öffentliche Herabwürdigung der staatlichen Ordnung"), die die ähnlichen, aber schwerer wiegenden Strafnormen aus dem 2. Kapitel des StGB/1968 § 100 ("Staatsfeindliche Verbindungen", ab 1979 "Landesverräterische Agententätigkeit") und § 106 ("Staatsfeindliche Hetze") weitgehend verdrängten (Staatsverbrechen).
Organisationsstruktur in der MfS-Zentrale, die durch den Minister oder dessen Stellvertreter direkt angeleitet und durch militärische Einzelleiter geführt wurde. Die weiter untergliederten AG prägten Linien aus (z. B. Zentrale Arbeitsgruppe Geheimnisschutz – ZAGG) oder blieben auf die Zentrale beschränkt (z. B. AG XVII). Die monothematischen Zuständigkeiten konnten operative Verantwortung und Federführung einschließen. AG wird auch als Bezeichnung einer nichtstrukturellen Organisationsform oder unselbständigen Untergliederungsebene im MfS verwendet.
Die Arbeitsgruppe des Ministers (AGM) war eine 1960/61 aus dem Büro der Leitung herausgelöste Arbeitsgruppe für die Koordinierung der für den Mobilisierungsfall notwendigen Maßnahmen. Ihr oblagen
Die AGM war eingebunden in die bi- und multilaterale Zusammenarbeit der Sicherheitsorgane der sozialistischen Länder. Hierfür setzte die Vertretung des KGB beim MfS einen Verbindungsoffizier bei der AGM ein. Leiter der AGM waren 1960/61–1975 Alfred Karl Scholz, 1980–1987 Otto Geisler, 1987–1989 Erich Rümmler. Die AGM hatte 1961 8, 1970 34, 1980 48 und 1989 692 Mitarbeiter. In den BV übernahmen AGL analoge Funktionen.
Der Begriff Rückverbindung bezog sich auf ehemalige DDR-Bürger, die ausgereist oder geflohen waren und in einem nichtsozialistischen Staat lebten. Mit Rückverbindung umschrieb das MfS sämtliche Kontakte, die zwischen diesen Personen und DDR-Bürgern bestanden. Dabei spielte es laut MfS-Lesart keine Rolle, ob die Beziehungen privater und familiärer Natur waren oder aus beruflichen Kontakten herrührten. Das MfS betrachtete die Rückverbindung als Sicherheitsrisiko und versuchte sie daher unter Kontrolle zu halten oder durch geeignete Maßnahmen zu unterbinden. In den 80er Jahren galten sie als ein Faktor, der Ausreisebestrebungen begünstigte.
Die Zentrale Koordinierungsgruppe (ZKG) entstand 1975 durch Übernahme von Aufgaben verschiedener Diensteinheiten, insbesondere von HA VI und HA XX/5. Aufgaben: zentrale Koordinierung des Vorgehens des MfS im Zusammenhang mit Übersiedlungen in die Bundesrepublik Deutschland, nach Westberlin bzw. das nichtsozialistische Ausland, einschließlich der Versuche des Zurückdrängens von Ausreiseanträgen bzw. zur Verhinderung des Verlassens der DDR und zur Bekämpfung des sog. staatsfeindlichen Menschenhandels bis hin zur Mitwirkung an den Entscheidungen in Ausreisefällen.
Signatur: BStU, MfS, AGM, Nr. 357, Seite 284, Bl. 1-93
Um "Republikfluchten" besser verhindern zu können, dokumentierte das MfS geglückte und gescheiterte Fluchtversuche. Das vorliegende Dokument zeigt Ballons und andere selbstgebaute Fluggeräte, mit denen DDR-Bürger die Grenze nach Westen überwinden wollten.
Vierzig Jahre lang teilte eine Grenze Deutschland in zwei Staaten. Auf knapp 1.400 Kilometern Länge errichtete die DDR Grenzanlagen, die nach und nach zu einem Todesstreifen ausgebaut wurden. Über weitere 168 Kilometer erstreckte sich die Grenze um West-Berlin, ab 1961 mit der Berliner Mauer abgeriegelt. Die Stasi war in die Sicherung dieses "antifaschistischen Schutzwalls" fest eingebunden. Sie beobachtete die dort stationierten Grenztruppen, übernahm mit eigenem Personal die Passkontrollen an den Grenzübergängen und sollte Republikfluchten möglichst schon im Ansatz verhindern.
Eine wichtige Rolle bei der Verhinderung des "ungesetzlichen Verlassens" der DDR kam der Zentralen Koordinierungsgruppe (ZKG) zu. Die ZKG wurde 1975 ins Leben gerufen, um die Anstrengungen des MfS auf diesem Gebiet zu koordinieren und zu bündeln. Dazu gehörte auch, Fluchtversuche zu dokumentieren und daraus effektivere Gegenmaßnahmen abzuleiten. Das vorliegende Dokument ist eine solche Zusammenstellung von gescheiterten Fluchtversuchen mit Hilfe von Ballons und anderen selbstgebauten Fluggeräten.
Solche "Angriffe auf die Staatsgrenze" waren spektakulär und schädigten daher das Ansehen der DDR. Wenn das Fluggerät ungestört starten konnte und sich als flugfähig erwies, ließen sich so die ausgeklügelten Sicherungsmaßnahmen am Boden geschickt umgehen. Das MfS musste also schon die Vorbereitungen zum Bau und zum Start eines solchen Fluggeräts erkennen um ein entsprechendes Vorhaben zu vereiteln. Glückte eine solche Flucht, machte Sie im Westen Schlagzeilen. Einen solchen "Propagandaerfolg" des "Gegners" wollte das MfS aber unbedingt verhindern.
Es gab darüber hinaus eine größere Anzahl von Hinweisen, wonach DDR-Bürger ein ungesetzliches Verlassen der DDR mittels Fluggeräten erwogen bzw. erste Möglichkeiten sondierten, wobei die sofort eingeleiteten Klärungen keinerlei relevante Vorbereitungshandlungen ergaben.
Die 72 Vorhaben (151 Personen) unterteilen sich in
50 Vorhaben des ungesetzlichen Verlassens der DDR mittels Ballons (111 Personen) und
22 Vorhaben des ungesetzlichen Verlassens der DDR mit weiteren Fluggeräten (40 Personen).
Die Verhinderung der spektakulären Grenzdurchbrüche bzw. die Aufklärung von Vorhaben erfolgte:
* Experimente, Studien, Berechnungen des Ballons (11 Vorhaben 25 Täter) vornahmen,
* Material beschafft und sich mit dem Bau des Ballons (3 Vorhaben - 7 Täter) bzw. des Fluggerätes (5 Vorhaben - 6 Täter) beschäftigt hatten,
* Ballons oder wesentliche Teile zu diesen (3 Vorhaben - 5 Täter) oder für das Fluggerät (3 Vorhaben - 4 Täter) fertiggestellt,
* erfolglose Startversuche mit Ballons (2 Vorhaben - 6 Täter) oder anderen Fluggeräten (1 Vorhaben - 2 Täter) unternommen hatten.
Straftaten gegen die staatliche Ordnung
Straftaten gegen die staatliche Ordnung waren Straftatbestände des 8. Kapitels des StGB/1968. Insbesondere der 2. Abschnitt ("Straftaten gegen die staatliche und öffentliche Ordnung") enthält politische Strafnormen, die für die strafrechtliche Untersuchungstätigkeit der Staatssicherheit (Untersuchungsorgan) von großer Bedeutung waren.
Das gilt vor allem für § 213 ("Ungesetzlicher Grenzübertritt"), der in der Honecker-Ära Grundlage von rund der Hälfte aller MfS-Ermittlungsverfahren war. Auch § 214 ("Beeinträchtigung staatlicher und gesellschaftlicher Tätigkeit") spielte, vor allem im Zusammenhang mit der Bekämpfung von Ausreiseantragstellern, in den 80er Jahren eine immer wichtigere Rolle.
Ähnliches gilt für § 219 ("Ungesetzliche Verbindungsaufnahme") und § 220 ("Öffentliche Herabwürdigung der staatlichen Ordnung"), die die ähnlichen, aber schwerer wiegenden Strafnormen aus dem 2. Kapitel des StGB/1968 § 100 ("Staatsfeindliche Verbindungen", ab 1979 "Landesverräterische Agententätigkeit") und § 106 ("Staatsfeindliche Hetze") weitgehend verdrängten (Staatsverbrechen).
Organisationsstruktur in der MfS-Zentrale, die durch den Minister oder dessen Stellvertreter direkt angeleitet und durch militärische Einzelleiter geführt wurde. Die weiter untergliederten AG prägten Linien aus (z. B. Zentrale Arbeitsgruppe Geheimnisschutz – ZAGG) oder blieben auf die Zentrale beschränkt (z. B. AG XVII). Die monothematischen Zuständigkeiten konnten operative Verantwortung und Federführung einschließen. AG wird auch als Bezeichnung einer nichtstrukturellen Organisationsform oder unselbständigen Untergliederungsebene im MfS verwendet.
Die Arbeitsgruppe des Ministers (AGM) war eine 1960/61 aus dem Büro der Leitung herausgelöste Arbeitsgruppe für die Koordinierung der für den Mobilisierungsfall notwendigen Maßnahmen. Ihr oblagen
Die AGM war eingebunden in die bi- und multilaterale Zusammenarbeit der Sicherheitsorgane der sozialistischen Länder. Hierfür setzte die Vertretung des KGB beim MfS einen Verbindungsoffizier bei der AGM ein. Leiter der AGM waren 1960/61–1975 Alfred Karl Scholz, 1980–1987 Otto Geisler, 1987–1989 Erich Rümmler. Die AGM hatte 1961 8, 1970 34, 1980 48 und 1989 692 Mitarbeiter. In den BV übernahmen AGL analoge Funktionen.
Die Zentrale Koordinierungsgruppe (ZKG) entstand 1975 durch Übernahme von Aufgaben verschiedener Diensteinheiten, insbesondere von HA VI und HA XX/5. Aufgaben: zentrale Koordinierung des Vorgehens des MfS im Zusammenhang mit Übersiedlungen in die Bundesrepublik Deutschland, nach Westberlin bzw. das nichtsozialistische Ausland, einschließlich der Versuche des Zurückdrängens von Ausreiseanträgen bzw. zur Verhinderung des Verlassens der DDR und zur Bekämpfung des sog. staatsfeindlichen Menschenhandels bis hin zur Mitwirkung an den Entscheidungen in Ausreisefällen.
Schlussfolgerungen aus der Ballonflucht zweier Familien aus Pößneck Dokument, 3 Seiten
Bericht zur Aktion "Optimismus" Dokument, 15 Seiten
Fernschreiben zu Vorkommnissen im Bezirk Karl-Marx-Stadt während des Volksaufstands des 17. Juni 1953 Dokument, 4 Seiten
Bericht über einen Fluchtversuch auf der Grenzübergangsstelle Chausseestraße Dokument, 6 Seiten