Signatur: BStU, MfS, HA IX, Nr. 16678, Bl. 8-17
Nach seiner Ausbürgerung aus der DDR konnte sich der Liedermacher Wolf Biermann mit seinen engsten Freund in der DDR, Robert Havemann, nicht mehr persönlich austauschen. In einem Brief schilderte er ihm seine Gedanken.
Wolf Biermann, Sohn einer kommunistischen Arbeiterfamilie aus Hamburg, siedelte 1953 als Schüler in die DDR über. Er hielt den Staat für das bessere Deutschland. Dort nahm er ein Studium am Berliner Ensemble, dem von Bertolt Brecht gegründeten Theater, auf. Mit seinen Liedern und Gedichten, die er bald zu schreiben begann, geriet er zunehmend in Konflikt mit der strengen Linie der Staatspartei SED. 1965 verhängte das Politbüro ein totales Auftrittsverbot gegen den Künstler. Darüber hinaus hörte die Staatssicherheit Biermanns Wohnung und Telefongespräche ab, las seine Briefe und setzte auch Spitzel auf ihn an. Ihn einzusperren oder „verschwinden“ zu lassen hätte dagegen zu viele unerwünschte internationale Reaktionen nach sich gezogen.
Obwohl seine künstlerischen Wirkungsmöglichkeiten dadurch auf private Räume eingeschränkt wurden, gewann Biermann weiterhin an Popularität – auch im Westen Deutschlands. Dort veröffentlichte er Schallplatten und Gedichtbände. Das SED-Regime konnte dies nicht verhindern und auch Auftritte des Liedermachers in anderen Staaten formal nicht verbieten. Die DDR-Oberen verweigerten ihm jedoch die Ausreise, wenn es Anfragen an den Liedermacher aus dem Ausland gab. Die einzige Ausnahme sei, so bestimmte SED-Chefideologe Kurt Hager, „dass Biermann eine Ausreise in kapitalistische Länder gestattet werden sollte in der Hoffnung, dass er nicht in die DDR zurückkehrt“. Das aber lag dem Sänger fern.
Deshalb entwickelte das MfS 1973 einen Plan, Biermann gegen seinen Willen auszubürgern. Die Stasioffiziere entwarfen eine Strategie, die vorsah, den Liedermacher in den Westen reisen zu lassen, um ihm dann, wenn er dort seine Lieder öffentlich singt, die Staatsbürgerschaft zu entziehen.
Drei Jahre später bot sich die Gelegenheit, den Plan umzusetzen. Vordergründig erlaubten die Machthaber dem Liedermacher, auf Einladung der Gewerkschaft IG Metall in Köln aufzutreten. Bei diesem Konzert versuchte Biermann leidenschaftlich, die dem Westen fremd gewordene DDR zu erklären. Das Konzert diente der SED-Führung dennoch als Vorwand, den Künstler am 16. November 1976 hinterrücks auszubürgern und ihm die Rückkehr zu verweigern.
Damit konnte Biermann auch seine Freunde in der DDR nicht mehr sehen. Zu seinen engsten Vertrauten gehörte der Dissident Robert Havemann. Ihm schrieb er einen Brief während einer Italien-Reise und schildert darin unter anderem seine Sicht auf die Ausbürgerung. Das Schreiben wurde von der Stasi abgefangen und hat den Adressaten nie erreicht.
wurde: der Leiter der Abtlg. für Auslandsbeziehungen im ZK der KPdSU, der Vadim Sagladin
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mir kommen die Tage durcheinander. Heut müßte der 18. sein. Ich bin nun in Florenz und werde heute Abend mit ein paar Tausend jungen PCI-Leuten singen. Gestern fand in Paris eine Pressekonferenz des Komitees statt, dem allerhand prominente Linke angehören, sogar der alte Aragon. Ich habe, darum baten sie mich, eine kurze [durchgestrichen: Presse] "Grußbotschaft" nach Paris durchtelefoniert, die auch in Paris veröffentlicht werden wird. Vielleicht habe ich noch Zeit, dir den Text abzuschreiben.
Morgen fahre ich noch nach Venedig und treffe dort das Mitglied des ZK, den Komponisten
Luigi Nono – dann geht es zurück nach Köln. Ich will erst mal bei Wallraff wohnen. Er hat die durch Brandstiftung verwüstete Dachbodenwohnung neu aufbauen lassen, und dort möchte ich ganz gerne sein, dort ist auch Böll, dort bin ich nah an den verschiedenen Zentren. IG-Metall, auch CBS, Du weißt, daß wir schnell aber doch gediegen 2 LPs gemacht haben aus dem 4½ [Stunden-]Auftritt in Köln, auch als pol. Dokument. Titel: Das geht sein’ sozialistischen Gang
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Signatur: BStU, MfS, HA IX, Nr. 16678, Bl. 8-17
Nach seiner Ausbürgerung aus der DDR konnte sich der Liedermacher Wolf Biermann mit seinen engsten Freund in der DDR, Robert Havemann, nicht mehr persönlich austauschen. In einem Brief schilderte er ihm seine Gedanken.
Wolf Biermann, Sohn einer kommunistischen Arbeiterfamilie aus Hamburg, siedelte 1953 als Schüler in die DDR über. Er hielt den Staat für das bessere Deutschland. Dort nahm er ein Studium am Berliner Ensemble, dem von Bertolt Brecht gegründeten Theater, auf. Mit seinen Liedern und Gedichten, die er bald zu schreiben begann, geriet er zunehmend in Konflikt mit der strengen Linie der Staatspartei SED. 1965 verhängte das Politbüro ein totales Auftrittsverbot gegen den Künstler. Darüber hinaus hörte die Staatssicherheit Biermanns Wohnung und Telefongespräche ab, las seine Briefe und setzte auch Spitzel auf ihn an. Ihn einzusperren oder „verschwinden“ zu lassen hätte dagegen zu viele unerwünschte internationale Reaktionen nach sich gezogen.
Obwohl seine künstlerischen Wirkungsmöglichkeiten dadurch auf private Räume eingeschränkt wurden, gewann Biermann weiterhin an Popularität – auch im Westen Deutschlands. Dort veröffentlichte er Schallplatten und Gedichtbände. Das SED-Regime konnte dies nicht verhindern und auch Auftritte des Liedermachers in anderen Staaten formal nicht verbieten. Die DDR-Oberen verweigerten ihm jedoch die Ausreise, wenn es Anfragen an den Liedermacher aus dem Ausland gab. Die einzige Ausnahme sei, so bestimmte SED-Chefideologe Kurt Hager, „dass Biermann eine Ausreise in kapitalistische Länder gestattet werden sollte in der Hoffnung, dass er nicht in die DDR zurückkehrt“. Das aber lag dem Sänger fern.
Deshalb entwickelte das MfS 1973 einen Plan, Biermann gegen seinen Willen auszubürgern. Die Stasioffiziere entwarfen eine Strategie, die vorsah, den Liedermacher in den Westen reisen zu lassen, um ihm dann, wenn er dort seine Lieder öffentlich singt, die Staatsbürgerschaft zu entziehen.
Drei Jahre später bot sich die Gelegenheit, den Plan umzusetzen. Vordergründig erlaubten die Machthaber dem Liedermacher, auf Einladung der Gewerkschaft IG Metall in Köln aufzutreten. Bei diesem Konzert versuchte Biermann leidenschaftlich, die dem Westen fremd gewordene DDR zu erklären. Das Konzert diente der SED-Führung dennoch als Vorwand, den Künstler am 16. November 1976 hinterrücks auszubürgern und ihm die Rückkehr zu verweigern.
Damit konnte Biermann auch seine Freunde in der DDR nicht mehr sehen. Zu seinen engsten Vertrauten gehörte der Dissident Robert Havemann. Ihm schrieb er einen Brief während einer Italien-Reise und schildert darin unter anderem seine Sicht auf die Ausbürgerung. Das Schreiben wurde von der Stasi abgefangen und hat den Adressaten nie erreicht.
Ich habe bei jeder Gelegenheit und deutlich über Jürgen Fuchs Gerulf Pannach und die anderen im Knast gesprochen. Ich habe eine besondere Solidaritätsaktion der spanischen KP mit Gerulf und Kuno organisiert, immerhin hat Gerulf die Lieder des Katalanen Raimon ins Deutsche gebracht und sie mit Kuno gesungen.
Nach dem gespenstisch schnellen Abgang von Brasch und Thalbach habe ich die Furcht, daß Honecker & Co sich wildentschlossen haben, alle Unbequemen ein- oder auszusperren. Aber
was soll werden? Wenn Ihr alle in den Westen kommt? Mir ist es damit wie im Lied: Ich möchte am liebsten, daß ihr hier seid und möchte am liebsten daß ihr da bleibt … als ich mit dem alten Lombardo Radice darüber sprach, lachte er und sagte: es wäre doch gar nicht so schlecht, wenn Havemann in den Westen kommt, dann gibt’s da endlich einen Leader, der eine neue gute K Partei mitgründen kann.…
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Nach seiner Ausbürgerung aus der DDR konnte sich der Liedermacher Wolf Biermann mit seinen engsten Freund in der DDR, Robert Havemann, nicht mehr persönlich austauschen. In einem Brief schilderte er ihm seine Gedanken.
Wolf Biermann, Sohn einer kommunistischen Arbeiterfamilie aus Hamburg, siedelte 1953 als Schüler in die DDR über. Er hielt den Staat für das bessere Deutschland. Dort nahm er ein Studium am Berliner Ensemble, dem von Bertolt Brecht gegründeten Theater, auf. Mit seinen Liedern und Gedichten, die er bald zu schreiben begann, geriet er zunehmend in Konflikt mit der strengen Linie der Staatspartei SED. 1965 verhängte das Politbüro ein totales Auftrittsverbot gegen den Künstler. Darüber hinaus hörte die Staatssicherheit Biermanns Wohnung und Telefongespräche ab, las seine Briefe und setzte auch Spitzel auf ihn an. Ihn einzusperren oder „verschwinden“ zu lassen hätte dagegen zu viele unerwünschte internationale Reaktionen nach sich gezogen.
Obwohl seine künstlerischen Wirkungsmöglichkeiten dadurch auf private Räume eingeschränkt wurden, gewann Biermann weiterhin an Popularität – auch im Westen Deutschlands. Dort veröffentlichte er Schallplatten und Gedichtbände. Das SED-Regime konnte dies nicht verhindern und auch Auftritte des Liedermachers in anderen Staaten formal nicht verbieten. Die DDR-Oberen verweigerten ihm jedoch die Ausreise, wenn es Anfragen an den Liedermacher aus dem Ausland gab. Die einzige Ausnahme sei, so bestimmte SED-Chefideologe Kurt Hager, „dass Biermann eine Ausreise in kapitalistische Länder gestattet werden sollte in der Hoffnung, dass er nicht in die DDR zurückkehrt“. Das aber lag dem Sänger fern.
Deshalb entwickelte das MfS 1973 einen Plan, Biermann gegen seinen Willen auszubürgern. Die Stasioffiziere entwarfen eine Strategie, die vorsah, den Liedermacher in den Westen reisen zu lassen, um ihm dann, wenn er dort seine Lieder öffentlich singt, die Staatsbürgerschaft zu entziehen.
Drei Jahre später bot sich die Gelegenheit, den Plan umzusetzen. Vordergründig erlaubten die Machthaber dem Liedermacher, auf Einladung der Gewerkschaft IG Metall in Köln aufzutreten. Bei diesem Konzert versuchte Biermann leidenschaftlich, die dem Westen fremd gewordene DDR zu erklären. Das Konzert diente der SED-Führung dennoch als Vorwand, den Künstler am 16. November 1976 hinterrücks auszubürgern und ihm die Rückkehr zu verweigern.
Damit konnte Biermann auch seine Freunde in der DDR nicht mehr sehen. Zu seinen engsten Vertrauten gehörte der Dissident Robert Havemann. Ihm schrieb er einen Brief während einer Italien-Reise und schildert darin unter anderem seine Sicht auf die Ausbürgerung. Das Schreiben wurde von der Stasi abgefangen und hat den Adressaten nie erreicht.
Und in der Tat, es ist ja nicht nur eine Schande, sondern auch gefährlich, daß es in diesem starken wichtigen Westdeutschland keine ernstzunehmende kommunistische Organisation gibt. Die schwache DKP ist aus der Zerreisprobe der letzten Wochen eher noch schwächer und noch dogmatischer hervorgegangen. Viele gute junge Genossen haben sich ja mit mir, mit uns solidarisiert, aber sie sind inzwischen entweder rausgeflogen oder diszipliniert. Dabei wirkte mein Auftreten in Westdeutschland deutlich integrierend. Die DKP schreit von Spaltung, aber alle Auftritte in der BRD zeigten das Gegenteil.
Ach Robert, ich sah im ital. TV den Kriegsschauplatz Burgwallstr. Die deutschen Uniformen mit den glänzenden Langschäftern, die Lastwagenbarrikade. Ich denke viel und mit Sorge an Euch [anonymisiert] und noch lieber möchte ich bei euch sein trotz Rotz und Stalinismus. Aber dir persönlich geht es bestimmt ausgezeichnet jetzt, das hab ich den Genossen hier auch gesagt:
Die ganze Affaire der letzten Wochen ist ja
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