Signatur: BStU, MfS, AS, Nr. 204/62, Bd. 12, Bl. 43-46
Die Staatssicherheit nahm die Stimmungen und aufkeimende Proteste in der Phase unmittelbar nach dem Mauerbau genau in den Blick. Vielerorts glaubte die Geheimpolizei Zustimmung in der Bevölkerung zu erkennen, dokumentierte aber auch "negative" Äußerungen vieler Bürger.
Bis zum Mauerbau am 13. August 1961 flohen über drei Millionen Menschen aus der DDR. Dieser Aderlass verursachte enorme wirtschaftliche Schäden, denn viele junge, gut ausgebildete Bürgerinnen und Bürger flohen in den Westen. Diese "Abstimmung mit den Füssen" wiederlegte die Propaganda von der Überlegenheit des "real existierenden Sozialismus" und beschädigte zusätzlich das politische Ansehen der SED.
Mit dem Bau der Berliner Mauer brachten die DDR-Machthaber die dramatisch gewachsene Fluchtbewegung von Ost nach West zwar fast zum Versiegen. Doch in den ersten Monaten wies das Sperrsystem noch Lücken auf, die nur allmählich geschlossen werden konnten. Für die Stasi blieb auch nach dem Mauerbau die Verhinderung von sogenannten "Republikfluchten" eine zentrale Aufgabe und eine Art Selbstlegitimierung alle Lebensbereiche der DDR-Bevölkerung zu durchdringen.
Die Staatssicherheit nahm kritische Stimmungen und aufkeimende Proteste unmittelbar nach der Grenzschließung genau in den Blick. Unter der "Kennziffer 4" berichtete etwa die Bezirksverwaltung Karl-Marx-Stadt über die Situation im Grenzgebiet. Das vorliegende Schreiben vom 19. August 1961 dokumentiert die Stimmung in der Bevölkerung. Die Geheimpolizei glaubte Zustimmung breiter Bevölkerungskreise zu erkennen, benannte aber auch "negative" Äußerungen vieler Bürger.
Karl-Marx-Stadt, den 19.8.1961
Betr.: Kennziffer 4
Die politisch-ideologische Situation im Grenzgebiet
Die politisch-iedeologische Situation im Grenzgebiet ist gekennzeichnet durch eine offensive Politik von Partei und Staatsapparat. So wurden in der letzten Zeit mehrere Versammlungen und öffentliche Foren in Orten des Grenzgebietes durchgeführt, auf denen entweder über die mangelnde genossenschaftliche Arbeit der LPG diskutiert wurde, oder mit Personen, die in der Vergangenheit negativ auftraten, abgerechnet wurde. Von dem großen Teil der Grenzbevölkerung wurden diese Maßnahmen besonders im Zusammenhang mit der Vorbereitung des Abschlusses eines Friedensvertrages und der Lösung der Westberlin-Frage positiv aufgenommen.
Bezüglich der Vorbereitung der Wahlen im September wird im Grenzgebiet eine aktive und gute Vorbereitung durchgeführt,und es wurden auch schon viele Verpflichtungen abgegeben, die z. B. enthalten, bis zu einem gewissen Zeitpunkt genossenschaftlich zu arbeiten oder den Volkswirtschaftsplan der Gemeinde in allen Teilen zu erfüllen und zu überbieten. So gab z. B. die Gemeinde Possek die Verpflichtung ab, den Plan der Gemeinde mit 105 % zu erfüllen.
Auch der 2. bemannte Weltraumflug durch den Genossen Titow wird als eine große wissenschaftliche Pioniertat gewürdigt.
Jedoch gibt es auch einige Personen im Grenzgebiet, die negierend gegen diese Maßnahmen auftreten. Viele Diskussionen zeigen, daß der westliche Rundfunk und das Fernsehen einen großen Einfluß auf das politisch-ideologische Niveau der Bevölkerung nimmt. Besonders viel vertreten wird die Meinung, daß bei der Lösung des Westberlin-Problems die Amerikaner das Gebiet wieder zurückfordert, welches ehemals von ihnen besetzt war. Dies führt dazu, daß sich viele Personen im Grenzgebiet schwankend und abwartend verhalten, was sich besonders darin zeigt, daß viele Bauern eine genossenschaftliche Arbeit ablehnen.
So äußerte z. B. die [geschwärzt], beschäftigt in [geschwärzt]: "Amerika hat Ansprüche auf die Gebiete, welche sie im 2. Weltkrieg besetzt hatten, und es kann passieren, daß sie bald wieder hier einziehen."
Der [geschwärzt] von der [geschwärzt] brachte zum Ausdruck: "Die Russen sollen doch auf Grund ihrer Vorschläge zuerst unser Land verlassen. Dann werden auch die anderen gehen."
Der [geschwärzt] aus [geschwärzt] vertritt die Riasparole: Die Lage verschlechtert sich durch die Maßnahmen unserer Regierung, und es kann zu einem Krieg kommen.
Der [geschwärzt] aus [geschwärzt] äußerte: "Denen müßte man den Wanst vollhauen, die Berlin zugemacht haben."
Der [geschwärzt] brachte zum Ausdruck, die Maßnahmen betreffen wieder nur die kleinen Arbeiter.
Unstimmigkeiten treten bei der Zusammenarbeit zwischen den LPG Typ I und Typ III auf. Die Mitglieder der LPG Typ I bringen zum Ausdruck, daß sie zuwenig mit Maschinen von den LPG Typ III unterstützt werden. Besonders tritt dies in Possek und Wiedersberg auf.
Straftaten gegen die staatliche Ordnung
Straftaten gegen die staatliche Ordnung waren Straftatbestände des 8. Kapitels des StGB/1968. Insbesondere der 2. Abschnitt ("Straftaten gegen die staatliche und öffentliche Ordnung") enthält politische Strafnormen, die für die strafrechtliche Untersuchungstätigkeit der Staatssicherheit (Untersuchungsorgan) von großer Bedeutung waren.
Das gilt vor allem für § 213 ("Ungesetzlicher Grenzübertritt"), der in der Honecker-Ära Grundlage von rund der Hälfte aller MfS-Ermittlungsverfahren war. Auch § 214 ("Beeinträchtigung staatlicher und gesellschaftlicher Tätigkeit") spielte, vor allem im Zusammenhang mit der Bekämpfung von Ausreiseantragstellern, in den 80er Jahren eine immer wichtigere Rolle.
Ähnliches gilt für § 219 ("Ungesetzliche Verbindungsaufnahme") und § 220 ("Öffentliche Herabwürdigung der staatlichen Ordnung"), die die ähnlichen, aber schwerer wiegenden Strafnormen aus dem 2. Kapitel des StGB/1968 § 100 ("Staatsfeindliche Verbindungen", ab 1979 "Landesverräterische Agententätigkeit") und § 106 ("Staatsfeindliche Hetze") weitgehend verdrängten (Staatsverbrechen).
Die Allgemeine Sachablage (AS) ist Bestand 2 der Abteilung XII. Der Bestand enthält v. a. sachbezogene Unterlagen. Größte Registraturbildner waren die HA I, die HA IX und das BdL. Des Weiteren liegen hier auch Vorgangshefte und Objektvorgänge sowie Akten der MfS-Vorgänger. Inhalte sind u. a. Ermittlungen zu Havarien und Unfällen, Untersuchungen von Widerstand und Flucht, Berichterstattung an die SED, Eingabenbearbeitung, Kontakte mit Ostblock-Diensten und Sicherung von Großveranstaltungen. Der Bestand ist zugänglich über ein BStU-Findbuch und die F 16. Der Umfang beträgt 490 lfm.
Im Zusammenhang mit der Verwaltungsreform der DDR vom Sommer 1952 wurden die fünf Länderverwaltungen für Staatssicherheit (LVfS) in 14 Bezirksverwaltungen umgebildet. Daneben bestanden die Verwaltung für Staatssicherheit Groß-Berlin und die Objektverwaltung "W" (Wismut) mit den Befugnissen einer BV. Letztere wurde 1982 als zusätzlicher Stellvertreterbereich "W" in die Struktur der BV Karl-Marx-Stadt eingegliedert.
Der Apparat der Zentrale des MfS Berlin und der der BV waren analog strukturiert und nach dem Linienprinzip organisiert. So waren die Hauptabteilung II in der Zentrale bzw. die Abteilungen II der BV für die Schwerpunkte der Spionageabwehr zuständig usw. Auf der Linie der Hauptverwaltung A waren die Abteilung XV der BV aktiv. Einige Zuständigkeiten behielt sich die Zentrale vor: so die Militärabwehr (Hauptabteilung I) und die internationalen Verbindungen (Abteilung X) oder die Arbeit des Büros für Besuchs- und Reiseangelegenheiten in Westberlin (Abteilung XVII). Für einige Aufgabenstellungen wurde die Bildung bezirklicher Struktureinheiten für unnötig erachtet. So gab es in den 60er und 70er Jahren für die Abteilung XXI und das Büro der Leitung II Referenten für Koordinierung (RfK) bzw. Offiziere BdL II. Für spezifische Aufgaben gab es territorial bedingte Diensteinheiten bei einigen BV, z. B. in Leipzig ein selbständiges Referat (sR) Messe, in Rostock die Abt. Hafen.
An der Spitze der BV standen der Leiter (Chef) und zwei Stellv. Operativ. Der Stellv. für Aufklärung fungierte zugleich als Leiter der Abt. XV. Die Schaffung des Stellvertreterbereichs Operative Technik im MfS Berlin im Jahre 1986 führte in den BV zur Bildung von Stellv. für Operative Technik/Sicherstellung.
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Signatur: BStU, MfS, AS, Nr. 204/62, Bd. 12, Bl. 43-46
Die Staatssicherheit nahm die Stimmungen und aufkeimende Proteste in der Phase unmittelbar nach dem Mauerbau genau in den Blick. Vielerorts glaubte die Geheimpolizei Zustimmung in der Bevölkerung zu erkennen, dokumentierte aber auch "negative" Äußerungen vieler Bürger.
Bis zum Mauerbau am 13. August 1961 flohen über drei Millionen Menschen aus der DDR. Dieser Aderlass verursachte enorme wirtschaftliche Schäden, denn viele junge, gut ausgebildete Bürgerinnen und Bürger flohen in den Westen. Diese "Abstimmung mit den Füssen" wiederlegte die Propaganda von der Überlegenheit des "real existierenden Sozialismus" und beschädigte zusätzlich das politische Ansehen der SED.
Mit dem Bau der Berliner Mauer brachten die DDR-Machthaber die dramatisch gewachsene Fluchtbewegung von Ost nach West zwar fast zum Versiegen. Doch in den ersten Monaten wies das Sperrsystem noch Lücken auf, die nur allmählich geschlossen werden konnten. Für die Stasi blieb auch nach dem Mauerbau die Verhinderung von sogenannten "Republikfluchten" eine zentrale Aufgabe und eine Art Selbstlegitimierung alle Lebensbereiche der DDR-Bevölkerung zu durchdringen.
Die Staatssicherheit nahm kritische Stimmungen und aufkeimende Proteste unmittelbar nach der Grenzschließung genau in den Blick. Unter der "Kennziffer 4" berichtete etwa die Bezirksverwaltung Karl-Marx-Stadt über die Situation im Grenzgebiet. Das vorliegende Schreiben vom 19. August 1961 dokumentiert die Stimmung in der Bevölkerung. Die Geheimpolizei glaubte Zustimmung breiter Bevölkerungskreise zu erkennen, benannte aber auch "negative" Äußerungen vieler Bürger.
So äußerte der [geschwärzt] der LPG, Typ I, [geschwärzt], daß er seine Funktion niederlegen will, wenn sie keine Maschinen von der LPG Typ III erhalten.
Der [geschwärzt] vertrat zu den letzten Maßnahmen unserer Regierung und zur Verjagung des [geschwärzt], folgende Meinung: Die Maßnahmen unserer Regierung empfand er als zu hart und er wäre mehr für eine humane Politik.
Ebenso vertritt ein Teil der Bevölkerung die Meinung, daß die Verhaftung des [geschwärzt] zu hart sei. Man hätte auch auf andere Art und Weise vorgehen können. Es gab jedoch auch positive Stimmen, die sinngemäß äußerten: Wenn er die Macht, in seinen Händen hätte [geschwärzt], würde er ganz anders mit uns verfahren.
Schwächen und Hemmnisse bei der Durchsetzung der Politik von Partei und Regierung
Im großen und ganzen ist im Grenzgebiet zu verzeichnen, daß sich die Bevölkerung gegenüber den Maßnahmen und Anweisungen des Staatsapparates diszipliniert verhält und diese befolgt. Es gibt einige wenige Beispiele, wo sich Einwohner des Grenzgebietes dagegen aussprechen, daß sie z.B. keine Arbeiten ohne Aufsicht im 500-m-Schutzstreifen mehr durchführen können. Dazu wurde jedoch bereits die DGP angewiesen, daß sie zuverlässige Personen die notwendigen Arbeiten im 500-m-Schutzstreifen auch ohne Aufsicht der DGP durchführen lassen.
Unter der Bevölkerung von Possek und Gassenreuth gibt es Diskussionen, weil sich der Vorsitzende der LPG "Thälmann-Pionier" ein Haus auf LPG-Kosten ausbauen ließ. Dies trägt dazu bei, daß der Zustand zwischen den LPG-Mitgliedern und dem Vorstand sich laufend verschlechtert und die gesamte Entwicklung der LPG darunter leidet.
Aus dem AZKW Gutenfürst mußte der [geschwärzt], wegen Befehlsverweigerung entlassen werden.
In der Grenzsicherheitskommission in Plauen wurde deshalb beschlossen, den [geschwärzt] als Unsicherheitsfaktor aus dem Grenzgebiet auszusiedeln. Durch untaktisches Verhalten des Rates des Kreises Plauen wurde diese Maßnahme in Grobau bekannt und die [geschwärzt] lehnen sich gegen diese Maßnahme auf. Der [geschwärzt] selbst jedoch scheint diese Maßnahme einzusehen, so daß bei der Aussiedelung nicht mit größeren Komplikationen zu rechnen ist.
Tätigkeit des Gegners an der Staatsgrenze West
Es ist einzuschätzen, daß sich die Tätigkeit des Gegners im gegenüberliegenden Grenzgebiet in der letzten Zeit etwas verstärkt hat. Vor allen Dingenwurden nach den vorhandenen Informationen verstärkt verdeckte und Hinterhaltsposten eingesetzt. Besonders ab 13.8.61 ist eine verstärkte Bewegung des Gegners im gesamten Grenzabschnitt und speziell an der Nentschauer Str. und an der Ulitz zu bemerken.
Straftaten gegen die staatliche Ordnung
Straftaten gegen die staatliche Ordnung waren Straftatbestände des 8. Kapitels des StGB/1968. Insbesondere der 2. Abschnitt ("Straftaten gegen die staatliche und öffentliche Ordnung") enthält politische Strafnormen, die für die strafrechtliche Untersuchungstätigkeit der Staatssicherheit (Untersuchungsorgan) von großer Bedeutung waren.
Das gilt vor allem für § 213 ("Ungesetzlicher Grenzübertritt"), der in der Honecker-Ära Grundlage von rund der Hälfte aller MfS-Ermittlungsverfahren war. Auch § 214 ("Beeinträchtigung staatlicher und gesellschaftlicher Tätigkeit") spielte, vor allem im Zusammenhang mit der Bekämpfung von Ausreiseantragstellern, in den 80er Jahren eine immer wichtigere Rolle.
Ähnliches gilt für § 219 ("Ungesetzliche Verbindungsaufnahme") und § 220 ("Öffentliche Herabwürdigung der staatlichen Ordnung"), die die ähnlichen, aber schwerer wiegenden Strafnormen aus dem 2. Kapitel des StGB/1968 § 100 ("Staatsfeindliche Verbindungen", ab 1979 "Landesverräterische Agententätigkeit") und § 106 ("Staatsfeindliche Hetze") weitgehend verdrängten (Staatsverbrechen).
Die Allgemeine Sachablage (AS) ist Bestand 2 der Abteilung XII. Der Bestand enthält v. a. sachbezogene Unterlagen. Größte Registraturbildner waren die HA I, die HA IX und das BdL. Des Weiteren liegen hier auch Vorgangshefte und Objektvorgänge sowie Akten der MfS-Vorgänger. Inhalte sind u. a. Ermittlungen zu Havarien und Unfällen, Untersuchungen von Widerstand und Flucht, Berichterstattung an die SED, Eingabenbearbeitung, Kontakte mit Ostblock-Diensten und Sicherung von Großveranstaltungen. Der Bestand ist zugänglich über ein BStU-Findbuch und die F 16. Der Umfang beträgt 490 lfm.
Im Zusammenhang mit der Verwaltungsreform der DDR vom Sommer 1952 wurden die fünf Länderverwaltungen für Staatssicherheit (LVfS) in 14 Bezirksverwaltungen umgebildet. Daneben bestanden die Verwaltung für Staatssicherheit Groß-Berlin und die Objektverwaltung "W" (Wismut) mit den Befugnissen einer BV. Letztere wurde 1982 als zusätzlicher Stellvertreterbereich "W" in die Struktur der BV Karl-Marx-Stadt eingegliedert.
Der Apparat der Zentrale des MfS Berlin und der der BV waren analog strukturiert und nach dem Linienprinzip organisiert. So waren die Hauptabteilung II in der Zentrale bzw. die Abteilungen II der BV für die Schwerpunkte der Spionageabwehr zuständig usw. Auf der Linie der Hauptverwaltung A waren die Abteilung XV der BV aktiv. Einige Zuständigkeiten behielt sich die Zentrale vor: so die Militärabwehr (Hauptabteilung I) und die internationalen Verbindungen (Abteilung X) oder die Arbeit des Büros für Besuchs- und Reiseangelegenheiten in Westberlin (Abteilung XVII). Für einige Aufgabenstellungen wurde die Bildung bezirklicher Struktureinheiten für unnötig erachtet. So gab es in den 60er und 70er Jahren für die Abteilung XXI und das Büro der Leitung II Referenten für Koordinierung (RfK) bzw. Offiziere BdL II. Für spezifische Aufgaben gab es territorial bedingte Diensteinheiten bei einigen BV, z. B. in Leipzig ein selbständiges Referat (sR) Messe, in Rostock die Abt. Hafen.
An der Spitze der BV standen der Leiter (Chef) und zwei Stellv. Operativ. Der Stellv. für Aufklärung fungierte zugleich als Leiter der Abt. XV. Die Schaffung des Stellvertreterbereichs Operative Technik im MfS Berlin im Jahre 1986 führte in den BV zur Bildung von Stellv. für Operative Technik/Sicherstellung.
Die Grenzpolizei in der SBZ/DDR wurde auf Befehl der sowjetischen Besatzungsmacht zum 1.12.1946 in den Ländern und Provinzen der SBZ gegründet. Sie agierte zunächst als ausführendes Organ der Militäradministration. Ihre Hauptaufgabe war es, den unkontrollierten Personen- und Warenverkehr über die noch unbefestigte Demarkationslinie in die westlichen Besatzungszonen zu unterbinden. Sie rekrutierte sich überwiegend aus bisherigen Angehörigen der neu formierten Schutzpolizei und im Sinne der Besatzungsmacht politisch zuverlässigen Bewerbern, bevorzugt aus der Arbeiterschaft.
Ende 1948, mit dem Beginn des Kalten Krieges, war die Aufbauphase abgeschlossen. Die Grenzpolizei zählte ca. 20.000 Bedienstete, die sich freiwillig auf mindestens drei Jahre verpflichtet hatten. Die neue, bisher den Ländern unterstellte Polizei wurde im November 1948 zu einem zentral geführten Organ der Besatzungszone aufgewertet und als Hauptabteilung in die Deutsche Verwaltung des Innern (Gründung des MfS) integriert. Ihr erster Leiter im Rang eines Chefinspekteurs wurde Hermann Rentzsch, ein früherer Wehrmachtsoffizier und NKFD-Kader.
Schon nach wenigen Monaten wurde die Grenzpolizei erneut den Landesverwaltungen unterstellt. Solche kurzfristigen politisch motivierten Wechsel im Unterstellungsverhältnis sollten bis zu ihrer Auflösung 1990 eine Besonderheit in der Organisationsgeschichte der Grenzpolizei bleiben. Im Zuge des sich verschärfenden Ost-West-Konflikts und des Übergangs zum Aufbau des Sozialismus in der DDR gewannen die in Deutsche Grenzpolizeien umbenannten Verbände erheblich an politischer Bedeutung. Sie wurden im Mai 1952 nach sowjetischem Vorbild dem Ministerium für Staatssicherheit unterstellt. Neuer Chef wurde Generalinspekteur Hermann Gartmann.
Die Grenzpolizei nahm mehr und mehr militärischen Charakter an, der sich in neuen Uniformen der 35 000 Bediensteten (1957) und in der Ausrüstung dokumentierte, zu der auch Panzer zählten. Die Aufwertung ging einher mit dem Ausbau der Grenzbefestigungen gegenüber der Bundesrepublik und der zunehmenden Abschottung der Westsektoren Berlins.
Nach dem 17. Juni 1953 wurde die Grenzpolizei der Zuständigkeit des Staatssicherheitsdienstes entzogen und ihm erst im April 1955 wieder zugeordnet. Nach dem Volksaufstand in Ungarn fasste die SED-Führung die Grenzpolizei, die Transport- und Bereitschaftspolizei zur Hauptverwaltung Innere Sicherheit der Staatssicherheit zusammen, gliederte diese drei Organe aber bereits im Frühjahr 1957 wieder aus dem MfS aus und in das MdI ein. Neuer Grenzpolizei-Chef wurde Oberst Paul Ludwig.
Nach dem Bau der Mauer wurde die Grenzpolizei als Kommando Grenze in die NVA integriert und als Grenztruppen offen als militärische Formation tituliert, die ab 1962 auch Wehrpflichtige rekrutierte. Vor dem Hintergrund der Wiener Truppenreduzierungsgespräche wurden sie zur Jahreswende 1973/74 aus der NVA herausgelöst und bildeten seitdem eine selbständige Formation im Verantwortungsbereich des MfNV.
Die Verflechtung mit dem MfS blieb unverändert eng. Mit der "Verwaltung 2000" (Hauptabteilung I) hatte das MfS eigene Verbindungsoffiziere und unterhielt ein enges IM-Netz in den Grenztruppen und von 1964 bis 1985 ein Einsatzkommando der HA I, das im Rahmen der Grenztruppen Spezialaufträge ausführte. Zudem sah auch die Stasi eine ihrer Hauptaufgaben darin, Fluchtversuche in die Bundesrepublik zu verhindern. Der letzte Chef der auf 50 000 Soldaten angewachsenen Grenztruppen, Generaloberst Baumgarten, wurde 1996 u.a. wegen seiner Mitverantwortung für den Tod von DDR-Flüchtlingen zu einer mehrjährigen Haftstrafe verurteilt.
Beginn einer freiheitsentziehenden Maßnahme, Ergreifung eines Beschuldigten oder Angeklagten aufgrund eines richterlichen Haftbefehls (§ 114 StPO/1949, § 142 StPO/1952, §§ 6 Abs. 3, 124 StPO/1968). Zu unterscheiden von der vorläufigen Festnahme und der Zuführung.
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Signatur: BStU, MfS, AS, Nr. 204/62, Bd. 12, Bl. 43-46
Die Staatssicherheit nahm die Stimmungen und aufkeimende Proteste in der Phase unmittelbar nach dem Mauerbau genau in den Blick. Vielerorts glaubte die Geheimpolizei Zustimmung in der Bevölkerung zu erkennen, dokumentierte aber auch "negative" Äußerungen vieler Bürger.
Bis zum Mauerbau am 13. August 1961 flohen über drei Millionen Menschen aus der DDR. Dieser Aderlass verursachte enorme wirtschaftliche Schäden, denn viele junge, gut ausgebildete Bürgerinnen und Bürger flohen in den Westen. Diese "Abstimmung mit den Füssen" wiederlegte die Propaganda von der Überlegenheit des "real existierenden Sozialismus" und beschädigte zusätzlich das politische Ansehen der SED.
Mit dem Bau der Berliner Mauer brachten die DDR-Machthaber die dramatisch gewachsene Fluchtbewegung von Ost nach West zwar fast zum Versiegen. Doch in den ersten Monaten wies das Sperrsystem noch Lücken auf, die nur allmählich geschlossen werden konnten. Für die Stasi blieb auch nach dem Mauerbau die Verhinderung von sogenannten "Republikfluchten" eine zentrale Aufgabe und eine Art Selbstlegitimierung alle Lebensbereiche der DDR-Bevölkerung zu durchdringen.
Die Staatssicherheit nahm kritische Stimmungen und aufkeimende Proteste unmittelbar nach der Grenzschließung genau in den Blick. Unter der "Kennziffer 4" berichtete etwa die Bezirksverwaltung Karl-Marx-Stadt über die Situation im Grenzgebiet. Das vorliegende Schreiben vom 19. August 1961 dokumentiert die Stimmung in der Bevölkerung. Die Geheimpolizei glaubte Zustimmung breiter Bevölkerungskreise zu erkennen, benannte aber auch "negative" Äußerungen vieler Bürger.
Im Berichtszeitraum wurde auch besonders die Höhe 590 vom Amerikaner angefahren. Die Luftaufklärung von den amerikanischen Einheiten wurde mittels Hubschrauber und Flugzeug im gesamten Grenzabschnitt aktiv durchgeführt. Sie erfolgt vorwiegend in der Zeit von 14.00 Uhr bis 14.45 Uhr. Auch der BGS führt eine aktive Aufklärungs- und Sicherungstätigkeit durch. Er trat in Gruppen und teilweise in Zugstärke unmittelbar an der Grenze in Erscheinung. Die Schwerpunktzeit des BGS erstreckt sich von 8.00 bis 17.00 Uhr. Ebenso wie im Vormonat führte der BGS Einweisungen von Zivilpersonen an verschiedenen Punkten der Grenze durch. Bei den Zivilpersonen handelte es sich meist um Jugendliche.
So kam z.B. am 15.7.61 gegen 15.30 Uhr 2 Offiziere des BGS mit 6 Zivilpersonen, davon 1 Frau, aus dem westlichen Hinterland die Autobahn entlang zur Panzersperre gegenüber dem Kompaniebereich Markusgrün. Der eingesetzte Posten der DGP hörte folgende Erläuterungen, die ein Offizier des BGS gab: "In der Kompanie (gemeint ist die Kompanie Markusgrün) befinden sich 2 bis 3 Offiziere und 45 bis 50 Soldaten und Unteroffiziere. Weiterhin erläuterte er den 10-m-Kontrollstreifen und erwähnte besonders die schmalen Stellen des Streifens. Um 16.00 Uhr begaben sich alle zu Fuß in Richtung Hinterland zurück.
Der westliche Zollgrenzschutz führt verstärkt Personen- und Fahrzeugkontrollen im westlichen Grenzgebiet durch.
Seit dem 13.8.61 ist zu verzeichnen, daß die MVO-Verletzungen sich sehr stark erhöhen. Z.B. waren in der Woche vom 7.8. bis zum 13.8. 1961 nur ein MVO-Verletzer, aber in der Woche vom 14.8. bis 19.8.61 bereits 20 zu verzeichnen. Es ist sehr stark anzunehmen, daß ein Teil dieser Personen entweder sofort r-flüchtig werden will oder bestrebt ist, sich über die Lage im Grenzgebiet zu orientieren, um dann später r-flüchtig zu werden.
Feindliche Pläne und Absichten des Gegners
Zu diesem Punkt wurde nichts bekannt.
Straftaten gegen die staatliche Ordnung
Straftaten gegen die staatliche Ordnung waren Straftatbestände des 8. Kapitels des StGB/1968. Insbesondere der 2. Abschnitt ("Straftaten gegen die staatliche und öffentliche Ordnung") enthält politische Strafnormen, die für die strafrechtliche Untersuchungstätigkeit der Staatssicherheit (Untersuchungsorgan) von großer Bedeutung waren.
Das gilt vor allem für § 213 ("Ungesetzlicher Grenzübertritt"), der in der Honecker-Ära Grundlage von rund der Hälfte aller MfS-Ermittlungsverfahren war. Auch § 214 ("Beeinträchtigung staatlicher und gesellschaftlicher Tätigkeit") spielte, vor allem im Zusammenhang mit der Bekämpfung von Ausreiseantragstellern, in den 80er Jahren eine immer wichtigere Rolle.
Ähnliches gilt für § 219 ("Ungesetzliche Verbindungsaufnahme") und § 220 ("Öffentliche Herabwürdigung der staatlichen Ordnung"), die die ähnlichen, aber schwerer wiegenden Strafnormen aus dem 2. Kapitel des StGB/1968 § 100 ("Staatsfeindliche Verbindungen", ab 1979 "Landesverräterische Agententätigkeit") und § 106 ("Staatsfeindliche Hetze") weitgehend verdrängten (Staatsverbrechen).
Die Allgemeine Sachablage (AS) ist Bestand 2 der Abteilung XII. Der Bestand enthält v. a. sachbezogene Unterlagen. Größte Registraturbildner waren die HA I, die HA IX und das BdL. Des Weiteren liegen hier auch Vorgangshefte und Objektvorgänge sowie Akten der MfS-Vorgänger. Inhalte sind u. a. Ermittlungen zu Havarien und Unfällen, Untersuchungen von Widerstand und Flucht, Berichterstattung an die SED, Eingabenbearbeitung, Kontakte mit Ostblock-Diensten und Sicherung von Großveranstaltungen. Der Bestand ist zugänglich über ein BStU-Findbuch und die F 16. Der Umfang beträgt 490 lfm.
Im Zusammenhang mit der Verwaltungsreform der DDR vom Sommer 1952 wurden die fünf Länderverwaltungen für Staatssicherheit (LVfS) in 14 Bezirksverwaltungen umgebildet. Daneben bestanden die Verwaltung für Staatssicherheit Groß-Berlin und die Objektverwaltung "W" (Wismut) mit den Befugnissen einer BV. Letztere wurde 1982 als zusätzlicher Stellvertreterbereich "W" in die Struktur der BV Karl-Marx-Stadt eingegliedert.
Der Apparat der Zentrale des MfS Berlin und der der BV waren analog strukturiert und nach dem Linienprinzip organisiert. So waren die Hauptabteilung II in der Zentrale bzw. die Abteilungen II der BV für die Schwerpunkte der Spionageabwehr zuständig usw. Auf der Linie der Hauptverwaltung A waren die Abteilung XV der BV aktiv. Einige Zuständigkeiten behielt sich die Zentrale vor: so die Militärabwehr (Hauptabteilung I) und die internationalen Verbindungen (Abteilung X) oder die Arbeit des Büros für Besuchs- und Reiseangelegenheiten in Westberlin (Abteilung XVII). Für einige Aufgabenstellungen wurde die Bildung bezirklicher Struktureinheiten für unnötig erachtet. So gab es in den 60er und 70er Jahren für die Abteilung XXI und das Büro der Leitung II Referenten für Koordinierung (RfK) bzw. Offiziere BdL II. Für spezifische Aufgaben gab es territorial bedingte Diensteinheiten bei einigen BV, z. B. in Leipzig ein selbständiges Referat (sR) Messe, in Rostock die Abt. Hafen.
An der Spitze der BV standen der Leiter (Chef) und zwei Stellv. Operativ. Der Stellv. für Aufklärung fungierte zugleich als Leiter der Abt. XV. Die Schaffung des Stellvertreterbereichs Operative Technik im MfS Berlin im Jahre 1986 führte in den BV zur Bildung von Stellv. für Operative Technik/Sicherstellung.
Die Grenzpolizei in der SBZ/DDR wurde auf Befehl der sowjetischen Besatzungsmacht zum 1.12.1946 in den Ländern und Provinzen der SBZ gegründet. Sie agierte zunächst als ausführendes Organ der Militäradministration. Ihre Hauptaufgabe war es, den unkontrollierten Personen- und Warenverkehr über die noch unbefestigte Demarkationslinie in die westlichen Besatzungszonen zu unterbinden. Sie rekrutierte sich überwiegend aus bisherigen Angehörigen der neu formierten Schutzpolizei und im Sinne der Besatzungsmacht politisch zuverlässigen Bewerbern, bevorzugt aus der Arbeiterschaft.
Ende 1948, mit dem Beginn des Kalten Krieges, war die Aufbauphase abgeschlossen. Die Grenzpolizei zählte ca. 20.000 Bedienstete, die sich freiwillig auf mindestens drei Jahre verpflichtet hatten. Die neue, bisher den Ländern unterstellte Polizei wurde im November 1948 zu einem zentral geführten Organ der Besatzungszone aufgewertet und als Hauptabteilung in die Deutsche Verwaltung des Innern (Gründung des MfS) integriert. Ihr erster Leiter im Rang eines Chefinspekteurs wurde Hermann Rentzsch, ein früherer Wehrmachtsoffizier und NKFD-Kader.
Schon nach wenigen Monaten wurde die Grenzpolizei erneut den Landesverwaltungen unterstellt. Solche kurzfristigen politisch motivierten Wechsel im Unterstellungsverhältnis sollten bis zu ihrer Auflösung 1990 eine Besonderheit in der Organisationsgeschichte der Grenzpolizei bleiben. Im Zuge des sich verschärfenden Ost-West-Konflikts und des Übergangs zum Aufbau des Sozialismus in der DDR gewannen die in Deutsche Grenzpolizeien umbenannten Verbände erheblich an politischer Bedeutung. Sie wurden im Mai 1952 nach sowjetischem Vorbild dem Ministerium für Staatssicherheit unterstellt. Neuer Chef wurde Generalinspekteur Hermann Gartmann.
Die Grenzpolizei nahm mehr und mehr militärischen Charakter an, der sich in neuen Uniformen der 35 000 Bediensteten (1957) und in der Ausrüstung dokumentierte, zu der auch Panzer zählten. Die Aufwertung ging einher mit dem Ausbau der Grenzbefestigungen gegenüber der Bundesrepublik und der zunehmenden Abschottung der Westsektoren Berlins.
Nach dem 17. Juni 1953 wurde die Grenzpolizei der Zuständigkeit des Staatssicherheitsdienstes entzogen und ihm erst im April 1955 wieder zugeordnet. Nach dem Volksaufstand in Ungarn fasste die SED-Führung die Grenzpolizei, die Transport- und Bereitschaftspolizei zur Hauptverwaltung Innere Sicherheit der Staatssicherheit zusammen, gliederte diese drei Organe aber bereits im Frühjahr 1957 wieder aus dem MfS aus und in das MdI ein. Neuer Grenzpolizei-Chef wurde Oberst Paul Ludwig.
Nach dem Bau der Mauer wurde die Grenzpolizei als Kommando Grenze in die NVA integriert und als Grenztruppen offen als militärische Formation tituliert, die ab 1962 auch Wehrpflichtige rekrutierte. Vor dem Hintergrund der Wiener Truppenreduzierungsgespräche wurden sie zur Jahreswende 1973/74 aus der NVA herausgelöst und bildeten seitdem eine selbständige Formation im Verantwortungsbereich des MfNV.
Die Verflechtung mit dem MfS blieb unverändert eng. Mit der "Verwaltung 2000" (Hauptabteilung I) hatte das MfS eigene Verbindungsoffiziere und unterhielt ein enges IM-Netz in den Grenztruppen und von 1964 bis 1985 ein Einsatzkommando der HA I, das im Rahmen der Grenztruppen Spezialaufträge ausführte. Zudem sah auch die Stasi eine ihrer Hauptaufgaben darin, Fluchtversuche in die Bundesrepublik zu verhindern. Der letzte Chef der auf 50 000 Soldaten angewachsenen Grenztruppen, Generaloberst Baumgarten, wurde 1996 u.a. wegen seiner Mitverantwortung für den Tod von DDR-Flüchtlingen zu einer mehrjährigen Haftstrafe verurteilt.
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Bericht der BV Karl-Marx-Stadt über die Stimmung im Kreis Plauen nach dem Mauerbau Dokument, 5 Seiten
Bericht über die Lage in der Landwirtschaft an der deutsch-deutschen Grenze im Juni und Juli 1960 Dokument, 18 Seiten
Abschlussbericht der Bezirksverwaltung Suhl zur Aktion "Festigung" Dokument, 25 Seiten
Bericht der Bezirksverwaltung Karl-Marx-Stadt nach Abschluss der Zwangsumsiedlungen 1961 Dokument, 3 Seiten