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Geschichten
"...anarcho-terroristische Kräfte"
Die Rote Armee Fraktion und die Stasi
RAF und
Stasi verbanden eine gewisse ideologische Nähe und derselbe Gegner. Zaghaft loteten beide Seiten Möglichkeiten einer Zusammenarbeit aus. Letztlich blieb es jedoch beim Flirt: Die
RAF musste einsehen, dass die
DDR zu offener Unterstützung nicht bereit war. Die
Stasi hingegen erkannte, dass die
RAF sich kaum instrumentalisieren ließ.
"...anarcho-terroristische Kräfte"
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Einleitung
Die Staatssicherheit billigte bereits in den frühen siebziger Jahren Ein- und Ausreisen der Linksterroristen über den Ost-Berliner Flughafen Schönefeld oder auch die tschechische Grenze. Gelegentlich hielt die Staatssicherheit ein Mitglied der RAF oder ihres Umfeldes an der Grenze fest – etwa wenn diese verbotenerweise Waffen mit sich führten oder die Fälschung eines Personaldokuments aufflog. Dann nutzte man die Gelegenheit für eine intensive Befragung der Täter, die ihr Wissen ausweislich der Dokumente oftmals auch Preis gaben. Die Aussicht auf Haft in der DDR wirkte sicherlich abschreckend und förderte die Bereitschaft zu reden.
Wie zu vielen Angehörigen der Außerparlamentarischen Opposition (APO) sammelte die Staatssicherheit seit den späten sechziger Jahren auch zu jenen Personen Informationen, die am Ende der Protestbewegung in den Untergrund gingen und terroristische Gruppen wie die RAF bildeten. Deren erste Generation wurde nach ihren führenden Mitgliedern auch als Baader-Meinhof-Gruppe bezeichnet. In West-Berlin entstand die Bewegung 2. Juni, zu deren späteren Angehörigen Till Meyer gehörte, zu dem bereits aus dem Jahre 1969 Dokumente vorliegen.
Nach der gewaltsamen Befreiung von Andreas Baader aus der Haft in West-Berlin im Mai 1970 flohen einige Gruppenmitglieder in den Nahen Osten. In einem Ausbildungscamp der palästinensischen Gruppe El Fatah in Jordanien ließen sie sich militärisch trainieren. Bei der Rückkehr über den Ost-Berliner Flughafen Schönefeld wurden mindestens Horst Mahler und Hans-Jürgen Bäcker im Juli/August von der Staatssicherheit festgehalten und befragt. Ulrike Meinhof suchte seinerzeit sogar von sich aus den Kontakt.
Im November 1973 nahm die Staatssicherheit das Mitglied der Bewegung 2. Juni, Michael "Bommi" Baumann, beim Grenzübertritt im Zug aus der CSSR kommend fest. Zu dem Zeitpunkt hatte sich Baumann bereits vom Terror losgesagt, war aber untergetaucht und wurde in der Bundesrepublik steckbrieflich gesucht, unter anderem wegen der Beteiligung an einem Bombenanschlag mit einem Todessopfer. Die Staatssicherheit brachte Baumann zunächst nach Dresden und dann in das zentrale Untersuchungsgefängnis des MfS nach Berlin-Hohenschönhausen. Sechs Wochen lang nutzte die Staatssicherheit Baumann als Quelle, der ausweislich diverser Vernehmungsprotokolle im Umfang von fast 100 Seiten auch ausführlich über das Innenleben der terroristischen Gruppierungen berichtete.
Einleitung
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Bericht über die Einreise Till Meyers in die DDR
Bericht über die Einreise Till Meyers in die DDR
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Bericht über die Einreise Horst Mahlers in die DDR
Bericht über die Einreise Horst Mahlers in die DDR
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Bericht über die Festnahme Hans-Jürgen Bäckers auf dem Ost-Berliner Flughafen Schönefeld
Bericht über die Festnahme Hans-Jürgen Bäckers auf dem Ost-Berliner Flughafen Schönefeld
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Ergänzung zum Bericht über die Festnahme Hans-Jürgen Bäckers auf dem Flughafen Schönefeld
Ergänzung zum Bericht über die Festnahme Hans-Jürgen Bäckers auf dem Flughafen Schönefeld
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Aktennotiz über die versuchte Einreise Ulrike Meinhofs in die DDR unter dem Namen Michèle Susanne
Aktennotiz über die versuchte Einreise Ulrike Meinhofs in die DDR unter dem Namen Michèle Susanne
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Abfotografierter Reisepass der Journalistin Michèle Susanne Ray mit einem Bild Ulrike Meinhofs
Abfotografierter Reisepass der Journalistin Michèle Susanne Ray mit einem Bild Ulrike Meinhofs
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Bildfahndung zu Ulrike Meinhof
Bildfahndung zu Ulrike Meinhof
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Anweisung des Ministers für Staatssicherheit Ulrike Meinhof bei einem Einreiseversuch in die DDR zu verhören
Anweisung des Ministers für Staatssicherheit Ulrike Meinhof bei einem Einreiseversuch in die DDR zu verhören
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Protokoll über die Vernehmung Michael "Bommi" Baumanns nach seiner Einreise in die DDR mit falschen Papieren
Protokoll über die Vernehmung Michael "Bommi" Baumanns nach seiner Einreise in die DDR mit falschen Papieren
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Beobachtung und Aufklärung
Die Staatssicherheit beobachtete den Linksterrorismus in der Bundesrepublik mit Akribie. Sie sammelte Informationen über die Täter, verfolgte deren Aktivitäten und rezipierte auch die öffentliche Wahrnehmung des Linksterrorismus in der Bundesrepublik. Sie gehorchte damit eigenen Sicherheitsinteressen – und wollte insbesondere ausschließen, dass die RAF auch gegen die DDR oder deren Botschaften und Repräsentanten im Ausland aktiv werden könnte. Dazu verglich sie z.B. Anschläge der RAF mit dem Vorgehen anderer linksterroristischer Organisationen, um den Modus Operandi der Täter in Erfahrung zu bringen.
Auch wurde befürchtet, dass die politisch motivierte Gewalt im Westen in irgendeiner Weise, verzögert oder verzerrt, auf die DDR "überschwappen" könnte. Daher beobachtete die Staatssicherheit auch die persönlichen Verbindungen der Linksterroristen sowie ihrer Rechtsanwälte in die DDR.
Ihre recht genauen Kenntnisse über das Vorgehen der Terroristen erhielt die Staatssicherheit auf verschiedenen Wegen. So nutzte sie ihre geheimen Kontakte zu verschiedenen palästinensischen Gruppen, die mit der RAF kooperierten, um an aktuelle Informationen zu gelangen. Sie verschaffte sich aber auch Zugang zu den Ermittlungsergebnissen der bundesdeutschen Behörden. Mit Hilfe der "Funkaufklärung", also dem Abfangen von Telefonaten, Telexen oder auch dem Eindringen in Datenbanksysteme, erhielt sie viele interne Informationen. Quellen konnten zudem auch inoffizielle Mitarbeiter (IM) sein, die an verschiedenen Stellen von Politik und Gesellschaft in der Bundesrepublik saßen. Nicht zuletzt wertete die Staatssicherheit westliche Zeitungen sowie Fernseh- und Radioberichte aus.
Die Staatssicherheit zeichnete beispielsweise die Etappen der Entführung des West-Berliner CDU-Vorsitzenden Peter Lorenz im Februar 1975 auf einer Karte detailliert nach. Der Bewegung 2. Juni gelang es durch dieses Kidnapping sechs ihrer Gesinnungsgenossen aus dem Gefängnis frei zu pressen. Lorenz wurde daraufhin unverletzt freigelassen. Mit der durch ein RAF-Kommando durchgeführten Entführung des Arbeitgeberpräsidenten Hanns Martin Schleyer im September 1977 sollten elf RAF-Gefangene freigepresst werden. Doch die Bundesregierung wollte nicht noch einmal auf eine Erpressung eingehen und spielte auf Zeit. Daraufhin entführte ein palästinensisches Kommando in der gleichen Absicht die Lufthansa-Maschine "Landshut". Doch die Terroristen wurden in Mogadischu durch die Polizeisondereinheit GSG 9 überwältigt bzw. in einem Feuergefecht getötet; alle Passagiere wurden befreit. Daraufhin begingen drei der inhaftierten RAF-Terroristen im Gefängnis Stuttgart-Stammheim Selbstmord und die RAF-Mitglieder im Untergrund ermordeten den entführten Hanns Martin Schleyer. Die Stasi verfasste zu diesen Vorgängen eine Zeitleiste und verglich sie mit der Entführung des italienischen Spitzenpolitikers Aldo Moro ein Jahr später. Erst 1981 eröffnete die Staatssicherheit auch formal einen eigenen "operativen Vorgang" zur RAF unter dem Titel "Stern I".
Beobachtung und Aufklärung
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Karte der MfS-Spezialkräfte (AGM/S) zur Entführung von Peter Lorenz
Karte der MfS-Spezialkräfte (AGM/S) zur Entführung von Peter Lorenz
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Bericht zur Großfahndung in der Bundesrepublik nach dem Attentat auf Siegfried Buback
Bericht zur Großfahndung in der Bundesrepublik nach dem Attentat auf Siegfried Buback
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Bericht von IM "Hermann" über die Stimmung in der BRD während der Schleyer-Entführung
Bericht von IM "Hermann" über die Stimmung in der BRD während der Schleyer-Entführung
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Protokoll der Entführung von Hanns Martin Schleyer und des Passagierflugzeuges "Landshut"
Protokoll der Entführung von Hanns Martin Schleyer und des Passagierflugzeuges "Landshut"
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Vergleich der Entführungen von Hanns Martin Schleyer und Aldo Moro
Vergleich der Entführungen von Hanns Martin Schleyer und Aldo Moro
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Aufstellung der DDR-Verbindungen von RAF-Mitgliedern
Aufstellung der DDR-Verbindungen von RAF-Mitgliedern
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"Auskunftsbericht" über den RAF-Terroristen Christian Klar
"Auskunftsbericht" über den RAF-Terroristen Christian Klar
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"Auskunftsbericht" über die RAF-Terroristin Inge Viett
"Auskunftsbericht" über die RAF-Terroristin Inge Viett
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Eröffnungsbericht zum Operativen Vorgang "Stern I" zur Überwachung von RAF-Mitgliedern
Eröffnungsbericht zum Operativen Vorgang "Stern I" zur Überwachung von RAF-Mitgliedern
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Projekt Übersiedlung
Im Mai 1978 wurde Inge Viett, Mitglied der linksterroristischen Bewegung 2. Juni, an einem Grenzübergang von West-Berlin nach Ost-Berlin angehalten. Vermutlich war sie an der kurz zuvor erfolgten Befreiung ihres Gesinnungsgenossen Till Meyer aus der Haftanstalt Berlin-Moabit beteiligt gewesen. Jedenfalls reiste sie in seiner Begleitung. Der Leiter der Abteilung XXII des MfS ("Terrorabwehr"), Harry Dahl, wurde zum Gespräch an der Grenze hinzugerufen. Viett und Dahl vereinbarten dabei freies Geleit für die Linksterroristen nach Anschlägen in der Bundesrepublik bzw. West-Berlin.
Als Inge Viett zwei Jahre später, nach Auflösung der Bewegung 2. Juni, Mitglied der RAF wurde, brachte sie ihre guten Kontakte zur Staatssicherheit mit ein. So wurde diese zum Gesprächspartner, als die Gruppe nach einem Aufnahmeland für acht Mitglieder suchte, die den "bewaffneten Kampf" beenden und aussteigen wollten. Das MfS machte der RAF dann das überraschende Angebot, diese in die DDR aufzunehmen. Die Stasi verbarg die im Westen dringend gesuchten Ex-Terroristen tatsächlich aktiv vor der bundesdeutschen Fahndung und ermöglichte ihnen mit Hilfe neuer Identitäten ein Leben ohne polizeilichen Verfolgungsdruck in der DDR. Die "Neubürger" mit frischem Namen und neuen Lebensläufen wurden in "operativen Personenkontrollen" (OPK) "bearbeitet", also beobachtet und kontrolliert, sowie später auch als Inoffizielle Mitarbeiter (IM) angeworben. Henning Beer sollte 1982 und Inge Viett 1983 folgen, sodass insgesamt 10 ausgestiegene RAF-Terroristen in der DDR untertauchen konnten.
Die Dokumente zu Silke Maier-Witt, Monika Helbing und Susanne Albrecht zeigen die Details ihrer "Legenden", der frei erfundenen Versionen ihrer Lebensläufe. Die ausgestiegenen Terroristen sollten sich eine Biografie ausdenken, die keine Rückschlüsse auf ihre eigentliche Identität zuließ. Zur Legende gehörte dann meist, dass die Eltern verstorben waren und sie häufig den Wohnort gewechselt hätten. Auf diese Weise wäre es nur schwer möglich gewesen, ihre Angaben zu überprüfen, falls sie im Westen bekannt werden sollten.
Der Legende zufolge stammten sie aber dennoch auch aus dem Westen, weil alles andere für die neuen Kollegen und Nachbarn in der DDR kaum überzeugend gewirkt hätte. Als Grund für den Wechsel in die DDR wurden politische und persönliche Motive angeführt. Um sicher zu stellen, dass die Legenden "funktionierten" und niemand Verdacht schöpfte, wurden die Ex-Terroristen auf vielfältige Art und Weise überwacht: Durch IM in ihrem Umfeld, aber auch durch die Volkspolizisten im Wohngebiet oder Vorgesetzte, die im Rahmen der offiziellen Zusammenarbeit von staatlichen Stellen mit der Staatssicherheit Informationen über sie lieferten, ohne zu wissen, um wen es sich in Wirklichkeit handelte.
Projekt Übersiedlung
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Antrag auf Erteilung der DDR-Staatsbürgerschaft an "Angelika Gerlach" (Silke Maier-Witt)
Antrag auf Erteilung der DDR-Staatsbürgerschaft an "Angelika Gerlach" (Silke Maier-Witt)
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Fiktiver Lebenslauf der RAF-Aussteigerin Silke Maier-Witt ("Angelika Gerlach")
Fiktiver Lebenslauf der RAF-Aussteigerin Silke Maier-Witt ("Angelika Gerlach")
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Fiktiver Lebenslauf der RAF-Aussteigerin Monika Helbing alias "Elke Köhler"
Fiktiver Lebenslauf der RAF-Aussteigerin Monika Helbing alias "Elke Köhler"
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Bericht eines Abschnittsbevollmächtigten über die RAF-Terroristin Monika Helbing alias "Elke Winter"
Bericht eines Abschnittsbevollmächtigten über die RAF-Terroristin Monika Helbing alias "Elke Winter"
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Chronologischer Verlauf der Eingliederung von "Ernst Berger" (Susanne Albrecht) in die DDR
Chronologischer Verlauf der Eingliederung von "Ernst Berger" (Susanne Albrecht) in die DDR
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Unterstützung
Anfang der achtziger Jahre wurden die Kontakte zwischen den Terroristen und der Staatssicherheit enger. Die zunächst problemlose Aufnahme der RAF-Aussteiger nährte die Hoffnung beider Seiten auf stärkere wechselseitige Unterstützung. Schon zuvor hatte die Staatssicherheit zum Beispiel 1978 für die Freilassung von Terroristen gesorgt, als diese nach der Befreiung des inhaftierten Terroristen Till Meyer in West-Berlin auf der Flucht in Osteuropa festgenommen worden waren. Mehrfach ließ das MfS dabei auch die bundesdeutsche Fahndung ins Leere laufen, indem sie "falsche Fährten" legte. Eine "Information" hält die konkreten Umstände fest, unter denen die Staatssicherheit drei Terroristinnen, die in der CSSR festgesetzt waren, in ihre Obhut übernahm.
In einer weiteren "Information" vom Mai 1979 stellt das MfS umfassend die "Aktivitäten von Vertretern der palästinensischen Befreiungsbewegung in Verbindung mit internationalen Terroristen zur Einbeziehung der DDR bei der Vorbereitung von Gewaltakten in Ländern Westeuropas" zusammen. Darin werden die Verbindungen zwischen Linksterroristen aus der Bundesrepublik, die im Jargon der Stasi nun "anarcho-terroristische Kräfte" hießen und palästinensischen Gruppierungen deutlich. Erkennbar ist auch, dass die DDR für diese Gruppierungen als hilfreiches Hinterland fungierte und deren Aktivitäten zumindest duldete.
In der ersten Hälfte der 80er Jahre gewährten die Offiziere der MfS-Abteilung XXII ("Terrorabwehr") sogar aktiven RAF-Mitgliedern Unterschlupf im "Objekt 74". Hierbei handelte es sich um eine konspirative Unterkunft bei Briesen, auf halbem Wege zwischen Ost-Berlin und Frankfurt/Oder. In dem rustikalen ehemaligen Forsthaus kamen nun zwei bis drei Mal jährlich die selbst ernannte "revolutionäre Avantgarde" aus der Bundesrepublik unter, die RAF. Neben politischen Diskussionen wurden die aktiven Terroristen sogar auf einem nahe gelegenen Schießplatz im Umgang mit einer Panzerfaust trainiert. Mit der gleichen Waffe verübte die RAF 1981 auch ihren Anschlag auf den NATO-General Frederick Kroesen, der leicht verletzt überlebte. Ob die Schießübung vor oder nach dem Anschlag stattfand, konnte vor Gericht nie geklärt werden.
Im Stasi-Unterlagen-Archiv befinden sich so gut wie keine Dokumente, die Aufenthalte der aktiven RAF-Terroristen im "Objekt 74" belegen. Die Vorgangsakte zu diesem Objekt hat allerdings ein Vorblatt, das die Besuche im "Forsthaus" einzeln auflistet, wenn auch nur unter Verwendung der Decknamen von IM und Operativen Vorgängen. Zudem gibt es Skizzen vom Objekt und etliche Fotos, von denen nicht klar ist, wann genau und warum sie aufgenommen wurden.
Unterstützung
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Bericht über die Freilassung von Inge Viett, Ingrid Siepmann und Regine Nikolai in der CSSR auf Initiative des MfS
Bericht über die Freilassung von Inge Viett, Ingrid Siepmann und Regine Nikolai in der CSSR auf Initiative des MfS
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Bericht über Verbindungen der PLO zu Terroristen bei der Vorbereitung von Gewaltakten
Bericht über Verbindungen der PLO zu Terroristen bei der Vorbereitung von Gewaltakten
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Auszug aus dem Besucherbuch des konspirativen "Objektes 74"
Auszug aus dem Besucherbuch des konspirativen "Objektes 74"
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Anfahrtsskizze zum "konspirativen Objekt 74"
Anfahrtsskizze zum "konspirativen Objekt 74"
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Innenaufnahmen des konspirativen "Objektes 74" in Briesen
Innenaufnahmen des konspirativen "Objektes 74" in Briesen
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Verschleierung und Distanzierung
Für die Staatssicherheit erwies es sich schwieriger als gedacht, die zehn ehemaligen RAF-Mitglieder in der DDR vor der westlichen Fahndung zu verbergen. Denn viele DDR-Bürger sahen Westfernsehen oder reisten im Rentenalter oder aus dienstlichen Gründen in die Bundesrepublik, wo in den siebziger und achtziger Jahren unzählige Fahndungsplakate an vielen öffentlichen Orten hingen. Über die Zeit stellten so einige DDR-Bürger Ähnlichkeiten zwischen im Westen steckbrieflich gesuchten Tätern und den neuen Arbeitskollegen, Nachbarn oder Bekannten fest.
1986 wurden so unabhängig voneinander bei drei Ex-Terroristinnen in der DDR Hinweise auf ihre wahre Identität offenkundig: Susanne Albrecht, Silke Maier-Witt und Inge Viett. Hier zeigt eines der ausgewählten Dokumente zugleich die Zusammenarbeit mit dem sowjetischen Geheimdienst KGB, hier Komitee für Staatssicherheit beim Ministerrat der UdSSR (KfS) genannt. Denn dieses hatte aus seiner Spionage gegen bundesdeutsche Nachrichtendienste Informationen zu Silke Maier-Witt erhalten, die dann dem MfS übermittelt wurden. Maier-Witt und Viett erhielten wieder neue Identitäten. Susanne Albrecht hingegen war mit einem DDR-Bürger verheiratet und konnte keine neue Legende erhalten. Bei allen drei Frauen prüfte das MfS regelmäßig, ob in ihrem Umfeld erneut über ihre wahre Vergangenheit gemutmaßt wurde und versuchte, aufkeimende Gerüchte zu zerstreuen. Wären die untergetauchten Ex-Terroristen endgültig "aufgeflogen", hätte der Ruf der DDR schweren Schaden genommen; die aktive Komplizenschaft zwischen RAF und Staatssicherheit barg inzwischen ein großes Risiko für die DDR-Regierung.
Das Verhältnis der Staatssicherheit zur aktiven RAF hatte sich inzwischen merklich abgekühlt. Die RAF hätte sich noch mehr Unterstützung gewünscht, die Staatssicherheit hingegen hatte gehofft, die Linksterroristen mehr vor den eigenen Karren spannen zu können. Überhaupt ging die Staatssicherheit in der zweiten Hälfte der achtziger Jahre bei der Duldung und Unterstützung von Terrorgruppen (wie denen um Abu Nidal oder "Carlos") nicht mehr so weit wie zu Beginn der Dekade. Darin war sich der ostdeutsche Geheimdienst auch mit seinen osteuropäischen "Bruderorganen" (etwa in Ungarn und der CSSR) weitgehend einig.
Dennoch ließ die Staatssicherheit auch die nächste RAF-Generation nicht aus dem Blick. Dokumentiert ist dies u.a. in der operativen Personenkontrolle (OPK) "Klausen, Gerhard", die den RAF-Terroristen der dritten Generation, Wolfgang Grams, betraf. Ein Ausschnitt dokumentiert u. a. die Sichtweise des MfS auf die aktive RAF nach einem Hungerstreik im Jahre 1984. Aus MfS-Sicht galt es nunmehr, über das Handeln der Terroristen Bescheid zu wissen, ohne diese allzu offen zu unterstützen.
Verschleierung und Distanzierung
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Eröffnungsbericht zur OPK "Klausen, Gerhard" gegen Wolfgang Grams
Eröffnungsbericht zur OPK "Klausen, Gerhard" gegen Wolfgang Grams
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Abschlussbericht zum Hungerstreik der RAF-Gefangenen
Abschlussbericht zum Hungerstreik der RAF-Gefangenen
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Sowjetische Hinweise auf die Enttarnung von "Angelika Gerlach" (Silke Maier-Witt)
Sowjetische Hinweise auf die Enttarnung von "Angelika Gerlach" (Silke Maier-Witt)
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Bericht zum Stand der Neueingliederung des IMS "Anja Weber"
Bericht zum Stand der Neueingliederung des IMS "Anja Weber"
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Vermerk zur Anfrage des BRD-Juristen Renger nach "Angelika Gerlach" (Silke Maier-Witt)
Vermerk zur Anfrage des BRD-Juristen Renger nach "Angelika Gerlach" (Silke Maier-Witt)
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Die Integration der in der DDR untergetauchten RAF-Terroristin Silke Maier-Witt aus Sicht des MfS
Die Integration der in der DDR untergetauchten RAF-Terroristin Silke Maier-Witt aus Sicht des MfS